VwGH 2008/10/0126

VwGH2008/10/012618.2.2010

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Mizner und die Hofräte Dr. Stöberl, Dr. Rigler, Dr. Schick und Mag. Nussbaumer-Hinterauer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Petritz, über die Beschwerde der B P in Innsbruck, vertreten durch Dr. Gerhard Ebner, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Anichstraße 24/III, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 12. März 2008, Zl. Va-456- 32816/1/12, betreffend Grundsicherung, zu Recht erkannt:

Normen

GrundsicherungV Tir 2006 §5 Abs1 Z4;
GrundsicherungV Tir 2006 §5;
VwRallg;
GrundsicherungV Tir 2006 §5 Abs1 Z4;
GrundsicherungV Tir 2006 §5;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die beschwerdeführende Partei hat dem Land Tirol Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 12. März 2008 wurden der beschwerdeführenden Partei in Bestätigung der erstinstanzlichen Entscheidung für den Zeitraum vom 1. Februar 2008 bis zum 31. Jänner 2009 als Hilfe zum Lebensunterhalt eine monatliche Unterstützung in Höhe von EUR 147,70 sowie eine Sonderzahlung in den Monaten März, Juni, September und Dezember in Höhe von jeweils EUR 73,85 gewährt (Spruchpunkt 2); soweit die beschwerdeführende Partei in ihrer Berufung jedoch Hilfe zum Lebensunterhalt für den Zeitraum vom 1. Jänner 2008 bis zum 31. Jänner 2008, eine monatliche Unterstützung für Miete für den Zeitraum vom 1. Februar 2008 bis zum 31. Dezember 2008 in Höhe von EUR 163,27 und weiters die Übernahme der Kosten für die freiwillige Krankenversicherung, für Strom und Brennstoff geltend gemacht hatte, wurde die Berufung als unzulässig zurückgewiesen.

Begründend wurde nach Darstellung des Verfahrensganges und der angewendeten Rechtsvorschriften im Wesentlichen ausgeführt, bei Gewährung von Hilfe zum Lebensunterhalt sei für die beschwerdeführende Partei, die Bezieherin der erhöhten Familienbeilhilfe sei, der Richtsatz gemäß § 5 Abs. 1 Z. 4 der Tiroler Grundsicherungsverordnung maßgeblich. Demnach betrage der Richtsatz EUR 147,70. Im Gegensatz zur Auffassung der beschwerdeführenden Partei sei ihr dieser Richtsatz zuzuerkennen und nicht der für "Alleinstehende" gemäß § 5 Abs. 1 Z. 1 der Tiroler Grundsicherungsverordnung festgesetzte.

Über die Gewährung von Hilfe zum Lebensunterhalt für den Zeitraum vom 1. Jänner 2008 bis zum 31. Jänner 2008 sei durch die von der beschwerdeführenden Partei mit Berufung angefochtenen Bescheide nicht abgesprochen worden. Vielmehr sei hierüber mit Bescheid vom 7. Jänner 2008, der bereits in Rechtskraft erwachsen sei, entschieden worden. Auch die Kosten der freiwilligen Krankenversicherung seien ebenso wie Strom- und Brennstoffkosten nicht Inhalt der mit Berufung bekämpften erstinstanzlichen Bescheide gewesen. Betreffend die begehrte Unterstützung für Miete für die Unterkunft in Höhe von EUR 163,27 übersehe die beschwerdeführende Partei, dass ihr exakt diese Unterstützung bereits erstinstanzlich zuerkannt worden sei. Es mangle ihr insoweit daher an der Beschwer. Somit sei die Berufung der beschwerdeführenden Partei spruchgemäß ab- bzw. zurückzuweisen gewesen.

Die gegen diesen Bescheid - erkennbar nur gegen Spruchpunkt 2 - an den Verfassungsgerichtshof erhobene Beschwerde wurde, nachdem dieser deren Behandlung mit Beschluss vom 19. Juni 2008, B 938/08, abgelehnt hatte, gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof abgetreten.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wurde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 1 Abs. 1 Tiroler Grundsicherungsgesetz (TGSG) ist die Grundsicherung die öffentliche Hilfe zur Führung eines menschenwürdigen Lebens.

Die Grundsicherung ist gemäß § 1 Abs. 2 TGSG nach diesem Gesetz Personen zu gewähren, die sich in einer Notlage befinden.

In einer Notlage iSd Gesetzes befindet sich gemäß § 1 Abs. 3 TGSG, wer

a) den Lebensunterhalt für sich nicht oder nicht in ausreichendem Ausmaß aus eigenen Kräften und Mitteln beschaffen kann und ihn auch nicht von Dritten erhält oder

b) außergewöhnliche Schwierigkeiten in seinen persönlichen, familiären oder sozialen Verhältnissen nicht oder nicht in ausreichendem Ausmaß selbst oder mit Hilfe Dritter bewältigen kann.

Bei der Beurteilung der Notlage iSd § 1 Abs. 3 sind gemäß § 1 Abs. 4 TGSG Hilfeleistungen, die nach anderen landesrechtlichen oder bundesrechtlichen Vorschriften in Anspruch genommen werden können, zu berücksichtigen.

Gemäß § 3 Abs. 1 TGSG wird die Grundsicherung in Form von Geld- oder Sachleistungen gewährt.

Das Ausmaß der Grundsicherung ist gemäß § 3 Abs. 2 TGSG im Einzelfall unter Berücksichtigung eines zumutbaren Einsatzes der eigenen Kräfte und Mittel nach Maßgabe der Abs. 3 und 4 zu bestimmen.

Gemäß § 3 Abs. 6 TGSG hat die Landesregierung durch Verordnung nähere Bestimmungen über Arten, Formen und Ausmaß der Grundsicherung zu erlassen. Hiebei sind unter Berücksichtigung der Lebenshaltungskosten in Tirol für die Bemessung des Lebensunterhaltes Richtsätze festzusetzen.

Gemäß § 5 TGSG umfasst die Grundsicherung

  1. a) die Hilfe zur Sicherung des Lebensunterhaltes,
  2. b) die Hilfe in besonderen Lebenslagen,
  3. c) die Übernahme der Bestattungskosten und
  4. d) die Hilfe zur Arbeit.

    Der Lebensunterhalt umfasst gemäß § 6 Abs. 1 TGSG den Aufwand für die allgemeinen Grundbedürfnisse, wie Unterkunft, Nahrung, Bekleidung, Körperpflege und Hausrat, sowie den Aufwand für die besonderen persönlichen Bedürfnisse. Zu den besonderen persönlichen Bedürfnissen gehört auch die Pflege der Beziehungen zum sozialen Umfeld und die Teilnahme am kulturellen Leben in angemessenem Ausmaß.

    Gemäß § 1 der Tiroler Grundsicherungsverordnung, LGBl. Nr. 28/2006, in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung LGBl. Nr. 96/2007, (TGSV) umfasst die Hilfe zur Sicherung des Lebensunterhaltes Maßnahmen zur Deckung des Aufwandes für:

    a) Ernährung, Körper- und Gesundheitspflege, Instandhaltung der Bekleidung, Kleinhausrat, Reinigung, Bildung und Erholung in einem für den Hilfe Suchenden angemessenen Ausmaß, Benützung von Verkehrsmitteln und sonstige kleinere Bedürfnisse des täglichen Lebens,

    b) Unterkunft (insbesondere Mietkosten einschließlich Kautionen, unabdingbarer Kosten für die Errichtung von Bestandverträgen, der Kosten einer allfälligen Grundausstattung mit Möbeln und erforderlichem Hausrat; Betriebs- und Heizkosten),

    c) Bekleidung.

    Soweit die Hilfe zur Sicherung des Lebensunterhaltes in Form von Geldleistungen gegeben wird, sind gemäß § 5 Abs. 1 TGSV unter Anrechnung der nach § 3 TGSG einzusetzenden eigenen Kräfte und Mittel zu gewähren:

    a) zur Deckung des Aufwandes iSd § 1 lit. a monatliche Leistungen bis zu folgenden Höchstbeträgen (Richtsätze):

1. für Alleinstehende

EUR 444,10

2. für Hauptunterstützte

EUR 380,00

3. für Mitunterstützte ohne Anspruch auf Familienbeihilfe

EUR 264,30

4. für sonstige Mitunterstützte sowie für Bezieher der erhöhten Familienbeihilfe

 

EUR 147,70.

Dem angefochtenen Bescheid liegt die Auffassung zu Grunde, für die beschwerdeführende Partei als Bezieherin der erhöhten Familienbeihilfe sei der Richtsatz gemäß § 5 Abs. 1 Z. 4 TGSV maßgeblich und nicht der Richtsatz gemäß § 5 Abs. 1 Z. 1 TGSV für Alleinstehende.

Dagegen wendet sich die beschwerdeführende Partei mit dem bereits in ihrer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof herangetragenen Vorbringen, die Heranziehung des Richtsatzes gemäß § 5 Abs. 1 Z. 4 TGSV führe dazu, dass sie große Teile der erhöhten Familienbeihilfe zur Abdeckung des notwendigen Lebensunterhaltes verwenden müsse. Der im Richtsatz für "Alleinstehende" festgesetzte Betrag sei nämlich zur Abdeckung des notwendigen Bedarfes allein stehender Personen und daher auch in ihrem Fall erforderlich. Zur Deckung dieses Bedarfes müsse sie bei Anwendung des Richtsatzes gemäß § 5 Abs. 1 Z. 4 TGSV auf die erhöhte Familienbeihilfe zurückgreifen; zur Abdeckung ihrer besonderen Bedürfnisse auf Grund ihrer Behinderung verbleibe ihr dann lediglich ein Betrag von EUR 45,50. Die Heranziehung des Richtsatzes gemäß § 5 Abs. 1 Z. 4 TGSV sei gesetzwidrig. Sie widerspreche auch den Darlegungen im hg. Erkenntnis vom 15. September 2003, VwSlg. 16.163/A, zumal nicht geprüft worden sei, ob der Lebensunterhalt der beschwerdeführenden Partei durch anderweitige Maßnahmen, etwa eine Heimunterbringung, zur Gänze abgesichert sei.

Mit diesem Vorbringen zeigt die beschwerdeführende Partei keine zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides führende Rechtswidrigkeit auf:

Wie dargelegt, sieht die TGSV im § 5 Abs. 1 Z. 4 speziell für Hilfebedürftige, die Bezieher der erhöhten Familienbeihilfe sind, einen eigenen Richtsatz vor. Dieser Richtsatz ist auf Bezieher der erhöhten Familienbeihilfe ohne Rücksicht darauf anzuwenden, ob sie in Familiengemeinschaft wohnen oder allein stehend sind (so auch die Erläuternden Bemerkungen zum Entwurf der TGSV).

Eine Gesetzwidrigkeit der TGSV hat der Verfassungsgerichtshof auf Grund des im Wesentlichen gleich lautend an ihn herangetragenen Vorbringens der beschwerdeführenden Partei nicht festgestellt. Vielmehr hat er im oben zitierten Beschluss ausgesprochen, dass eine Rechtsverletzung der beschwerdeführenden Partei wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung "vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zur grundsätzlichen Zulässigkeit der Berücksichtigung der Familienbeihilfe bei der Bemessung von Sozialhilfeleistungen (siehe etwa VfSlg. 13.052/1992, 14.403/1996, 14.563/1996)" als so wenig wahrscheinlich zu erkennen sei, dass die Beschwerde keine hinreichende Aussicht auf Erfolg habe.

Soweit die beschwerdeführende Partei aber auf das hg. Erkenntnis vom 15. September 2003, VwSlg. 16.163/A, hinweist, übersieht sie, dass es anders als in dem diesem Erkenntnis zu Grunde liegenden Fall im vorliegenden Fall nicht um den Zugriff auf die Familienbeihilfe zur (teilweisen) Finanzierung von Maßnahmen der Sozial- und Behindertenhilfe geht, sondern darum, einem Hilfsbedürftigen zusätzlich zu den ihm bereits von anderer Seite zur Verfügung gestellten Mitteln und unter Berücksichtigung dieser Mittel Hilfe zur Sicherung seines Lebensunterhaltes zu gewähren (vgl. dazu z.B. das hg. Erkenntnis vom 14. Dezember 2007, Zl. 2006/10/0200).

Die sich somit als unbegründet erweisende Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455, insbesondere deren § 3 Abs. 2.

Wien, am 18. Februar 2010

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