VwGH 2008/01/0767

VwGH2008/01/076715.3.2010

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Blaschek und Dr. Kleiser als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Petritz, über die Beschwerde des S M K in Graz, vertreten durch Dr. Wolfgang Vacarescu, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Jakominiplatz 16/II, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 17. September 2008, Zl. FA7C - 11-15153/2002- 92, betreffend Staatsbürgerschaft, zu Recht erkannt:

Normen

AufG 1992;
FremdenG 1997;
NAG 2005 §8;
StbG 1985 §10 Abs1 Z1 idF 2006/I/037;
AufG 1992;
FremdenG 1997;
NAG 2005 §8;
StbG 1985 §10 Abs1 Z1 idF 2006/I/037;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Steiermark Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein türkischer Staatsangehöriger, hält sich seit 4. Dezember 1991 in Österreich auf. Am 28. Oktober 2002 beantragte er bei der belangten Behörde die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft.

Mit Bescheid vom 20. August 2003 wies die belangte Behörde diesen Antrag des Beschwerdeführers gemäß "§§ 10 und 11" des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 in der Fassung vor der Staatsbürgerschaftsrechts-Novelle 2005 (BGBl. I Nr. 37/2006) ab.

Mit hg. Erkenntnis vom 20. September 2006, Zl. 2003/01/0518, wurde dieser Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Im gegenständlichen Verleihungsverfahren wurde ein Zusicherungsbescheid nach § 20 Abs. 1 (StbG) nicht erlassen.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 17. September 2008 wurde der Antrag des Beschwerdeführers vom 28. Oktober 2002 auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft abgewiesen; als Rechtsgrundlagen führte die belangte Behörde an: "§§ 11a Abs. 1 und 4, 10 und 12 Z. 1 lit. b des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 (StbG), BGBl. Nr. 311/1985 in der Fassung BGBl. I Nr. 37/2006 in Verbindung mit § 64a des Staatsbürgerschaftsrechtsgesetzes 1985 in der Fassung BGBl. I Nr. 37/2006".

Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, der Beschwerdeführer habe am 4. Dezember 1991 einen (ersten) Asylantrag gestellt; in diesem Asylverfahren habe er (laut Auskunft des Bundesasylamtes) über keine Aufenthaltsberechtigung verfügt. Am 21. März 2000 habe er einen zweiten Asylantrag gestellt; ab 19. April 2000 bis zur endgültigen Erledigung dieses Verfahrens habe er über eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz (§ 19) verfügt. Der zweite Asylantrag des Beschwerdeführers sei am 13. September 2002 vom unabhängigen Bundesasylsenat abgewiesen worden; eine gegen diese Entscheidung erhobene Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof sei von diesem am 15. Juli 2004 (zu Zl. 2003/20/0078) abgelehnt worden. Die am 19. April 2000 zuerkannte vorläufige Aufenthaltsberechtigung des Beschwerdeführers nach dem Asylgesetz (§ 19) habe am 15. Juli 2004 geendet. Für den Zeitraum 16. Juli 2004 bis 18. Oktober 2006 habe der Beschwerdeführer "über keinen legalen Aufenthalt" verfügt. Seit 16. Juli 2005 sei er mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheiratet. Am 18. Oktober 2006 sei ihm erstmalig ein Aufenthaltstitel ausgestellt worden. Der Beschwerdeführer weise erst seit 18. Oktober 2006 einen rechtmäßigen und ununterbrochenen Aufenthalt im Bundesgebiet auf. Er erfülle die Voraussetzungen nach § 11a StbG nicht.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

§ 64a Abs. 4 StbG (in der Fassung der Staatsbürgerschaftsrechts-Novelle 2005) bestimmt, dass Verfahren auf Grund eines vor dem Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 37/2006 erlassenen Zusicherungsbescheides nach § 20 Abs. 1 nach den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes in der vor der durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 37/2006 geänderten Fassung zu Ende zu führen sind.

Mangels einer besonderen Anordnung in der Staatsbürgerschaftsrechts-Novelle 2005 sind die Bestimmungen dieser Novelle am 23. März 2006 in Kraft getreten (vgl. § 11 Abs. 1 des Bundesgesetzblattgesetzes, BGBl. I Nr. 100/2003). Sie waren - da ein Zusicherungsbescheid im vorliegenden Verleihungsverfahren nicht erlassen wurde - im Zeitpunkt der Erlassung des nunmehr angefochtenen Bescheides (23. September 2008) anzuwenden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. März 2007, Zl. 2007/01/0225).

Die Beschwerde macht geltend, der Beschwerdeführer sei bis 18. Oktober 2006 nicht im Besitz einer Niederlassungsbewilligung gewesen, sein Aufenthalt bis zu diesem Zeitpunkt sei deshalb aber nicht unrechtmäßig. Nach dem 15. Juli 2004 sei (gegen ihn) weder eine Ausweisung verfügt noch ein Aufenthaltsverbot verhängt worden. Die Rechtmäßigkeit des Aufenthalts und allenfalls vorhandene Aufenthaltstitel hätten für die Beurteilung der Niederlassung "untergeordnete Bedeutung". Vor dem Inkrafttreten des NAG sei "zu hinterfragen", ob ein aufenthaltsbeendender Tatbestand vorgelegen sei. Die belangte Behörde habe sich mit der Beendigung seines Asylverfahrens im Jahr 1991 nicht auseinandergesetzt. Sein Vorbringen dazu sei erheblich, weil im Falle der rechtsunwirksamen Bescheidzustellung eine "Aufenthaltsberechtigung nach § 5 des Bundesgesetzes vom 3. März 1968" bis 18.Oktober 2006 aufrecht gewesen wäre. Auch ohne Aufenthaltsbewilligung sei der Zeitraum 15. Juli 2004 bis 18. Oktober 2006 auf Grund des Integrationsgrades als rechtmäßig anzusehen. Der Beschwerdeführer habe in diesem Zeitraum "auch ohne Niederlassungsbewilligung als niedergelassen angesehen werden können".

Mit diesem Vorbringen wird keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufgezeigt.

Die Bestimmung des § 10 Abs. 1 Z. 1 StbG erfordert, dass der Staatsbürgerschaftswerber mindestens zehn Jahre rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig und in dieser Zeit zumindest fünf Jahre niedergelassen ist, wobei diese beiden Verleihungsvoraussetzungen kumulativ vorliegen müssen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 23. September 2009, Zl. 2006/01/0943, mwN).

Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom 25. Juni 2009, Zl. 2006/01/0520, unter Hinweis auf Vorjudikatur das Kriterium des zehnjährigen rechtmäßigen und ununterbrochenen Aufenthalts im Bundesgebiet zusammenfassend erläutert sowie die Voraussetzungen für die Erfüllung des Erfordernisses der fünfjährigen Niederlassung dargelegt. Auf die Entscheidungsgründe dieses Erkenntnisses wird insoweit gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen.

Zum rechtmäßigen und ununterbrochenen Aufenthalt zählen vor allem Zeiten des sichtvermerksfreien Aufenthalts, des Aufenthalts mit Visum oder auf Grund einer Legitimationskarte oder einem Aufenthaltstitel gemäß § 8 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG). Für Zeiten vor Inkrafttreten des NAG kann die Rechtmäßigkeit des Aufenthalts auch mit Aufenthaltstitel nach den Vorschriften des FrG 1997 oder des AufG nachgewiesen werden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. Juni 2008, Zl. 2008/01/0316, mwN).

Der Beschwerdeführer weist nach den (unbestrittenen) Feststellungen im angefochtenen Bescheid Niederlassungszeiten erst seit 18. Oktober 2006 auf. Das Vorliegen einer Niederlassungsbewilligung bzw. -berechtigung für die Zeit bis 17. Oktober 2006 hat der Beschwerdeführer im Verleihungsverfahren nicht dargetan; auch nach der Aktenlage gibt es dafür keine Anhaltspunkte.

Die belangte Behörde hat das Vorliegen eines rechtmäßigen und ununterbrochenen Aufenthalts in der Dauer von mindestens sechs Jahren verneint, weil der Beschwerdeführer für die Zeit vom 16. Juli 2004 bis 18. Oktober 2006 über keinen Aufenthaltstitel verfügte.

Die Beschwerde vermag nicht darzutun, dass der Beschwerdeführer nach Beendigung des zweiten Asylverfahrens am 15. Juli 2004 bis zur (unbestrittenen) Ausstellung des Aufenthaltstitels am 18. Oktober 2006 über einen Aufenthaltstitel verfügte. Aus dem Umstand, dass in diesem Zeitraum aufenthaltsbeendigende Maßnahmen gegen den Beschwerdeführer nicht gesetzt wurden, lässt sich nicht auf einen rechtmäßigen Aufenthalt schließen.

Insoweit der Beschwerdeführer vorbringt, auf Grund einer in seinem ersten Asylverfahren unterlaufenen rechtsunwirksamen Bescheidzustellung sei seine "Aufenthaltsberechtigung nach § 5 des Bundesgesetzes vom 3. März 1968" weiter aufrecht geblieben, ist zu erwidern, dass die belangte Behörde feststellte, der Beschwerdeführer habe in diesen (ersten) Asylverfahren über eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nicht verfügt; diese Feststellung, die auf Grund einer Auskunft des Bundesasylamtes getroffen wurde, lässt die Beschwerde unbestritten.

Die belangte Behörde ging im vorliegenden Fall zu Recht davon aus, dass der Beschwerdeführer legale Aufenthaltszeiten im Bundesgebiet erst ab 18. Oktober 2006 aufweist und die Verleihungsvoraussetzung eines ununterbrochen und rechtmäßigen Aufenthalts in der Dauer von mindestens sechs Jahren im Zeitpunkt der Bescheiderlassung (23. September 2008) daher noch nicht erfüllte.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am 15. März 2010

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