VwGH 2007/18/0792

VwGH2007/18/079230.4.2010

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und den Hofrat Dr. Enzenhofer, die Hofrätin Mag. Merl sowie die Hofräte Dr. Lukasser und Mag. Haunold als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Becker, über die Beschwerde des Y V in Wien, geboren am 16. Februar 1981, vertreten durch Mag. Dr. Wolfgang Mekis, Rechtsanwalt in 1060 Wien, Gumpendorferstraße 5, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 2. Oktober 2007, Zl. E1/426.441/2007, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

EheG §23;
FrPolG 2005 §60 Abs1;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z9;
VwRallg;
EheG §23;
FrPolG 2005 §60 Abs1;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z9;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 2. Oktober 2007 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen ägyptischen Staatsangehörigen, gemäß § 60 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 9 und § 63 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100, ein für die Dauer von fünf Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen.

Der Beschwerdeführer habe am 5. September 2002 in Kairo die österreichische Staatsbürgerin H. geheiratet und sei am 21. September 2002 mit einem Visum D nach Österreich eingereist. In weiterer Folge habe er Niederlassungsbewilligungen für den Aufenthaltszweck "Familiengemeinschaft mit Österreicher" bzw. "begünstigter Drittstaatsangehöriger eines Österreichers, § 49 Abs. 1 FrG 1997", gültig vom 30. Dezember 2002 bis 11. Dezember 2004, erhalten. Nachdem er vom österreichischen Staatsbürger J. adoptiert und dies mit Beschluss des Bezirksgerichtes Hernals vom 16. Juni 2004 rechtskräftig bewilligt worden sei, habe er zuletzt eine vom 15. Dezember 2005 bis 15. Dezember 2006 gültige Niederlassungsbewilligung erhalten.

Mit Urteil des Bezirksgerichtes Hernals vom 27. Februar 2006 sei die Ehe des Beschwerdeführers mit H. mit der Begründung rechtskräftig für nichtig erklärt worden, dass die Ehe ausschließlich dazu gedient hätte, ihm eine Aufenthaltsbewilligung in Österreich zu sichern. Die Ehe wäre geschlechtlich nie vollzogen worden, und es hätten Verwandte des Beschwerdeführers dessen Ehegattin für die Eheschließung EUR 6.000,-- bezahlt. Es wäre zwischen den Ehegatten weder zu einer Lebensgemeinschaft gekommen, noch hätte ein dem Wesen der Ehe entsprechendes Zusammenleben stattgefunden.

Auf dem Boden dieser gerichtlichen Feststellungen bestehe für die belangte Behörde kein Zweifel, dass der Beschwerdeführer die Ehe bloß zum Schein geschlossen habe. Der Beschwerdeführer - für den auf Grund seines Alters nicht die Bestimmungen für begünstigte Drittstaatsangehörige im Sinn des § 87 iVm § 86 FPG gälten - habe die Ehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin geschlossen und sich für die Erteilung eines Aufenthaltstitels auf die Ehe berufen, ohne mit seiner Ehegattin ein gemeinsames Familienleben im Sinn des Art. 8 EMRK geführt zu haben. Damit seien die Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 Z. 9 FPG erfüllt.

Der Missbrauch des Rechtsinstitutes der Ehe zur Erlangung fremdenrechtlich bedeutsamer Rechte stelle eine schwerwiegende Gefährdung der öffentlichen Ordnung dar, die die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes rechtfertige. Dieser Rechtsmissbrauch berühre zweifellos ein Grundinteresse der Gesellschaft, komme doch gerade der Verhinderung bzw. Bekämpfung von Scheinehen aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung ein sehr hoher Stellenwert zu.

Der Beschwerdeführer sei seit ca. fünf Jahren in Österreich aufhältig und verfüge im Bundesgebiet über familiäre Bindungen zu seinem Adoptivvater. Es sei daher von einem mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen Eingriff in das Privat- bzw. Familienleben des Beschwerdeführers auszugehen. Dessen ungeachtet sei der Eingriff zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung, somit zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen, dringend geboten. Wer, wie der Beschwerdeführer, rechtsmissbräuchlich vorgehe, um sich aus dem Blickwinkel des Fremdenrechtes wesentliche Berechtigungen zu verschaffen, verstoße gegen gewichtige öffentliche Interessen, die ein Aufenthaltsverbot zum Schutz der öffentlichen Ordnung notwendig erscheinen ließen.

Die Zulässigkeit des Aufenthaltsverbotes sei auch im Rahmen der gemäß § 66 Abs. 2 FPG erforderlichen Interessenabwägung zu bejahen. Nur auf Grund seiner Eheschließung mit einer österreichischen Staatsbürgerin habe der Beschwerdeführer mit einem Visum D nach Österreich einreisen dürfen, um in weiterer Folge auch einer Beschäftigung nachgehen zu können. Seine berufliche Integration sei durch regelmäßige Arbeitsunterbrechungen bzw. ständigen Arbeitgeberwechsel gekennzeichnet. Dies führe letztlich dazu, dass die durch seinen ca. fünfjährigen Aufenthalt erzielte Integration wesentlich geschmälert werde. Durch seine Adoption könne er nicht dieselbe Rechtsposition erlangen wie durch seine Ehe mit der österreichischen Staatsbürgerin. Von daher gesehen hätten die privaten und familiären Interessen des Beschwerdeführers gegenüber dem hoch zu veranschlagenden öffentlichen Interesse an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens in den Hintergrund treten müssen. Die persönlichen Interessen des Beschwerdeführers an einem weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet wögen keinesfalls schwerer als das öffentliche Interesse an der Erlassung des Aufenthaltsverbotes.

Da sonst keine besonderen, zu Gunsten des Beschwerdeführers sprechenden Umstände vorgelegen seien, habe die belangte Behörde von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes auch nicht im Rahmen des ihr zustehenden Ermessens Abstand nehmen können.

Was die Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes betreffe, so erscheine dessen Erlassung für die Dauer von fünf Jahren als ausreichend. In Anbetracht des aufgezeigten Gesamt(fehl)verhaltens des Beschwerdeführers könne ein Wegfall des für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes maßgeblichen Grundes, nämlich der Gefährdung der öffentlichen Interessen durch seinen Aufenthalt im Bundesgebiet, nicht vor Verstreichen des festgesetzten Zeitraumes erwartet werden.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die inhaltliche Rechtswidrigkeit geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gemäß § 125 Abs. 1 FPG sind Verfahren zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes, die bei Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes (am 1. Jänner 2006) anhängig waren, nach dessen Bestimmungen weiterzuführen. Dementsprechend hat die belangte Behörde - entgegen der Beschwerdeansicht - zutreffend die Bestimmungen dieses Gesetzes angewendet.

2. In der Beschwerde wird nicht behauptet, dass dem - bei Erlassung des angefochtenen Bescheides 26 Jahre alten - Beschwerdeführer vom österreichischen Adoptivvater Unterhalt gewährt werde. Auch im angefochtenen Bescheid finden sich keine Anhaltspunkte für die Annahme einer solchen Unterhaltsgewährung. Die vom Beschwerdeführer lediglich mit dem Hinweis auf seine Adoption durch H. bekämpfte Ansicht der belangten Behörde, dass der Beschwerdeführer kein begünstigter Drittstaatsangehöriger (vgl. dazu § 2 Abs. 4 Z. 11 FPG) sei, begegnet daher keinen Bedenken.

3. Nach ständiger hg. Judikatur steht auf Grund eines rechtskräftigen Urteils, mit dem eine Ehe gemäß § 23 Ehegesetz für nichtig erklärt wurde, in bindender Weise fest, dass die Ehegatten die Ehe ausschließlich zu den in diesem Urteil genannten Zwecken geschlossen und kein gemeinsames Familienleben im Sinn des Art. 8 EMRK geführt haben (vgl. etwa das Erkenntnis vom 15. Dezember 2009, Zl. 2007/18/0740, mwN). Vor diesem Hintergrund und in Anbetracht der im angefochtenen Bescheid getroffenen unbestrittenen Feststellungen hinsichtlich des Urteiles des Bezirksgerichtes Hernals vom 27. Februar 2006 ist auch die weitere Auffassung der belangten Behörde, dass der Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z. 9 FPG erfüllt und die im § 60 Abs. 1 leg. cit. umschriebene Annahme gerechtfertigt sei, nicht zu beanstanden.

4. Bei der Interessenabwägung nach § 60 Abs. 6 iVm § 66 Abs. 1 und 2 FPG hat die belangte Behörde den inländischen Aufenthalt des Beschwerdeführers in der Dauer von rund fünf Jahren, seine Berufstätigkeit und seine Bindung zu seinem österreichischen Adoptivvater berücksichtigt und zutreffend einen mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen Eingriff in seine persönlichen Interessen angenommen. Das Gewicht dieser Interessen wird jedoch dadurch entscheidend relativiert, dass der inländische Aufenthalt des Beschwerdeführers jedenfalls bis zum Jahr 2004 nur auf Grund der mit einer österreichischen Staatsbürgerin geschlossenen Ehe, bei der es sich um eine Scheinehe (Aufenthaltsehe) gehandelt hat, ermöglicht worden ist. Auch seiner Beschäftigung durfte er nur auf Grund seiner durch diese Eheschließung bevorzugten Stellung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz nachgehen. Ferner musste er sich im Zeitpunkt seiner Adoption der Unsicherheit seines rechtlichen Aufenthaltsstatus bewusst sein. Seinen persönlichen Interessen an einem weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet steht das hoch zu veranschlagende öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens gegenüber. Bei Abwägung dieser gegenläufigen Interessen kann die Ansicht der belangten Behörde, dass das Aufenthaltsverbot zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen dringend geboten sei (§ 66 Abs. 1 FPG) und die persönlichen Interessen des Beschwerdeführers an einem weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet nicht schwerer wögen als das gegenläufige öffentliche Interesse (§ 66 Abs. 2 FPG), auch dann nicht als rechtswidrig erkannt werden, wenn man dieser Beurteilung die Beschwerdebehauptung zu Grunde legte, dass sich der Adoptivvater des Beschwerdeführers im 68. Lebensjahr befinde und schwer krank sei. Im Übrigen wird in der Beschwerde nicht behauptet, dass eine regelmäßige Unterstützung des Adoptivvaters die persönliche Anwesenheit des Beschwerdeführers erfordere und nicht von einer anderen Person vorgenommen werden könne.

5. Da somit bereits der Beschwerdeinhalt erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 30. April 2010

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