VwGH 2007/09/0096

VwGH2007/09/009611.3.2010

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Thienel sowie Senatspräsidentin Dr. Händschke und die Hofräte Dr. Rosenmayr, Dr. Bachler und Dr. Doblinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Plankensteiner, über die Beschwerde des J E in W, vertreten durch Mag. Wilfried Embacher, Rechtsanwalt in 1040 Wien, Schleifmühlgasse 5/8, gegen den Bescheid der Landesgeschäftsstelle Wien des Arbeitsmarktservice vom 12. Juli 2006, Zl. 3/08115, betreffend Ausstellung einer Bestätigung nach § 3 Abs. 8 AuslBG, nach durchgeführter öffentlicher mündlicher Verhandlung zu Recht erkannt:

Normen

11997E018 EG Art18;
11997E039 EG Art39;
11997E040 EG Art40;
32004L0038 Unionsbürger-RL;
AuslBG §1 Abs2 litl;
AuslBG §1 Abs2 litm idF 2005/I/157;
AuslBG §3 Abs8 idF 2006/I/099;
EURallg;
NAG 2005 §47 Abs2;
NAG 2005 §47;
NAG 2005 §51;
NAG 2005 §52;
NAG 2005 §53;
NAG 2005 §54;
NAG 2005 §55;
NAG 2005 §56;
NAG 2005 §57;
VwRallg;
11997E018 EG Art18;
11997E039 EG Art39;
11997E040 EG Art40;
32004L0038 Unionsbürger-RL;
AuslBG §1 Abs2 litl;
AuslBG §1 Abs2 litm idF 2005/I/157;
AuslBG §3 Abs8 idF 2006/I/099;
EURallg;
NAG 2005 §47 Abs2;
NAG 2005 §47;
NAG 2005 §51;
NAG 2005 §52;
NAG 2005 §53;
NAG 2005 §54;
NAG 2005 §55;
NAG 2005 §56;
NAG 2005 §57;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Arbeitsmarktservice Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen, nunmehr beim Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 12. Juli 2006 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Ausstellung einer Bestätigung nach § 3 Abs. 8 AuslBG in Erledigung seiner Berufung gegen den Bescheid der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice vom 30. Mai 2006 gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 1 Abs. 2 lit. m und § 3 Abs. 8 AuslBG abgewiesen.

In der Begründung ihrer Entscheidung verwies die belangte Behörde darauf, dass dem Beschwerdeführer, einem Staatsangehörigen Nigerias, der am 30. August 2004 Asyl beantragt hat und seit dem 28. November 2005 mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheiratet ist, nur unter der Voraussetzung die begehrte Bestätigung, nämlich die Ausnahme vom Geltungsbereich des Ausländerbeschäftigungsgesetzes nach dessen § 1 Abs. 2 lit. m, ausgestellt hätte werden können, dass er zur Niederlassung nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz - NAG, BGBl. I Nr. 101/2005, berechtigt wäre. Derzeit sei der Beschwerdeführer nicht im Besitz einer Niederlassungsbewilligung, sein dahingehender Antrag vom 28. Dezember 2005 sei noch unerledigt; die Antragstellung allein verschaffe noch kein Aufenthaltsrecht.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, zunächst an den Verfassungsgerichtshof gerichtete, von diesem mit Beschluss vom 16. März 2007, B 1570/06-10, gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG abgetretene und über Auftrag des Verwaltungsgerichtshofes ergänzte Beschwerde, in welcher die inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides geltend gemacht wird.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in welcher sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte, und legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 1 Abs. 2 lit. m des Ausländerbeschäftigungsgesetzes - AuslBG, BGBl. Nr. 218/1975, in der hier anzuwendenden Fassung BGBl. I Nr. 157/2005, sind die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes nicht anzuwenden auf

"m) EWR-Bürger, die ihr Recht auf Freizügigkeit nicht in Anspruch nehmen, deren drittstaatsangehörige Ehegatten und Kinder (einschließlich Adoptiv- und Stiefkinder) sowie die drittstaatsangehörigen Ehegatten und Kinder österreichischer Staatsbürger, sofern der Ehegatte bzw. das Kind zur Niederlassung nach dem NAG berechtigt ist."

Gemäß § 3 Abs. 8 AuslBG, in der Fassung BGBl. I Nr. 99/2006, ist Familienangehörigen gemäß § 1 Abs. 2 lit. m auf deren Antrag von der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice eine Bestätigung auszustellen, dass sie vom Geltungsbereich dieses Bundesgesetzes ausgenommen sind.

Nach der bis zum 31. Dezember 2005 in Geltung gestandenen Rechtslage (FrG 1997) unterlagen Angehörige von EWR-Bürgern, die Staatsangehörige eines Drittstaates sind, der Sichtvermerkspflicht (§ 47 Abs. 1 FrG).

Nach § 47 Abs. 2 FrG genossen Ehegatten von EWR-Bürgern Niederlassungsfreiheit, sofern die EWR-Bürger zur Niederlassung berechtigt sind. Solche Fremde konnten Anträge auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung im Inland stellen.

Gemäß § 8 Abs. 1 Z. 2 des mit 1. Januar 2006 in Kraft getretenen Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes - NAG, BGBl. I Nr. 100/2005, werden Aufenthaltstitel erteilt als:

"2. Aufenthaltstitel 'Familienangehöriger' für die befristete Niederlassung mit der Möglichkeit, anschließend einen Aufenthaltstitel 'Daueraufenthalt - Familienangehöriger' (Z 4) zu erhalten".

Gemäß § 47 Abs. 1 NAG sind Zusammenführende im Sinne der Abs. 2 bis 4 Österreicher oder EWR-Bürger oder Schweizer Bürger, die in Österreich dauernd wohnhaft sind und denen das Recht auf Freizügigkeit nicht zukommt.

Nach Abs. 2 erster Satz dieser Gesetzesbestimmung ist Drittstaatsangehörigen, die Familienangehörige von Zusammenführenden im Sinne des Abs. 1 sind, ein Aufenthaltstitel "Familienangehöriger" zu erteilen, wenn sie die Voraussetzungen des 1. Teiles erfüllen.

Die belangte Behörde hat ihre Abweisung auf den Umstand gestützt, der mit einer Österreicherin verheiratete und in aufrechter Ehe im Bundesgebiet ansässige Beschwerdeführer sei nicht im Besitz eines Aufenthaltstitels nach dem NAG.

Das Recht auf Aufenthalt eines Familienangehörigen eines Unionsbürgers, der selbst nicht Unionsbürger ist, leitet sich aus dem Aufenthaltsrecht des Unionsbürgers ab. Das heißt, dass sein Aufenthaltsrecht an jenes des Unionsbürgers geknüpft ist. Im vorliegenden Fall hängt das Aufenthaltsrecht des Beschwerdeführers an der "Ankerperson", nämlich seiner österreichischen Ehegattin.

Mit der Umsetzung der Richtlinie 2004/38/EG (u.a.) durch das am 1. Januar 2006 in Kraft getretene Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005, muss zwischen drittstaatsangehörigen Ehegatten von EWR-Bürgern, die ihr Recht auf Freizügigkeit in Anspruch genommen haben und jenen von Österreichern, die von ihrem gemeinschaftsrechtlichen Recht auf Freizügigkeit keinen Gebrauch gemacht haben, weil sie ihren dauernden Wohnsitz im Bundesgebiet beibehalten haben (vgl. dazu Bichl/Schmid/Szymanski, Das neue Recht der Arbeitsmigration, 2006, S. 504) unterschieden werden (vgl. einerseits § 47 NAG, andererseits § 57 NAG), wobei es nicht auf das abstrakte Recht, sondern auf die tatsächliche Inanspruchnahme ankommt.

Der Beschwerde ist zunächst einzuräumen, dass § 1 Abs. 2 lit. m AuslBG tatsächlich nicht danach unterscheidet, ob der Österreicher, um dessen Angehörigen es geht, von seinem Freizügigkeitsrecht Gebrauch gemacht hat oder nicht. Daher kann auch ein drittstaatsangehöriger Familienangehöriger eines Österreichers, der von seinen Freizügigkeitsrechten nie Gebrauch gemacht hat, nach dieser Bestimmung vom Anwendungsbereich des AuslBG ausgenommen sein; Voraussetzung dafür ist aber jedenfalls, dass er zur Niederlassung nach dem NAG berechtigt ist. Die vorhin zitierten Bestimmungen des NAG unterscheiden nun hinsichtlich des Aufenthaltsrechts von Drittstaatsangehörigen, die Familienangehörige von Österreichern sind, danach, ob der Österreicher von seinem Freizügigkeitsrecht Gebrauch gemacht hat. Wie auch der Verfassungsgerichtshof in seinem jüngst ergangenen Erkenntnis vom 16. Dezember 2009, G 244/09 u.a., ausgesprochen hat, ist in jenen Fällen, in denen ein Angehörigkeitsverhältnis zwischen einem Drittstaatsangehörigen und einem Österreicher begründet wird, für das Aufenthaltsrecht des Drittstaatsangehörigen ausschlaggebend, ob der Österreicher von seinem Recht auf Freizügigkeit im Sinne der Art. 18 und 39 ff EGV Gebrauch gemacht hat. Ist dies der Fall, genießt sein Angehöriger gemäß §§ 54 bis 57 NAG ein Aufenthaltsrecht in Österreich, wobei es keine Rolle spielt, wie der Drittstaatsangehörige in das Bundesgebiet gelangt ist oder wann das Angehörigkeitsverhältnis begründet wurde. In diesem Fall finden die §§ 51 bis 56 NAG Anwendung und ist der Angehörige (hier: der Beschwerdeführer) wie der Familienangehörige eines freizügigkeitsberechtigten EWR-Bürgers zu behandeln, dessen Aufenthaltsrecht nicht von der Zuerkennung durch positiven Rechtsakt abhängig gemacht werden darf. Das in § 55 Abs. 1 iVm den §§ 51, 52 und 54 NAG genannte Niederlassungsrecht ist nämlich unmittelbar im Gemeinschaftsrecht begründet und wird innerstaatlich nicht verliehen, sondern nur dokumentiert (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. Jänner 2007, Zl. 2006/21/0330, Kutscher/Poschalko/Schmalzl, Niederlassungs- und Aufenthaltsrecht, 2006, 40ff; siehe auch etwa die hg. Erkenntnisse vom 20. April 2001, Zl. 2000/19/0017, und vom 22. September 2009, Zl. 2008/22/0064). Hat der Österreicher jedoch keinen Freizügigkeitssachverhalt verwirklicht, erhält sein drittstaatszugehöriger Familienangehöriger einen Aufenthaltstitel lediglich unter den allgemeinen Voraussetzungen des § 47 Abs. 2 NAG.

Soweit die Beschwerde die Nichtanwendung des § 1 Abs. 2 lit. l AuslBG bekämpft und behauptet, die österreichische Ehefrau sei (freizügigkeitsberechtigte) EWR-Bürgerin iS dieser Bestimmung, kann die Beschwerde mit diesem Argument deshalb nichts gewinnen, weil auch lit. l nur gilt, wenn der EWR-Bürger sein Recht auf Freizügigkeit tatsächlich ausgeübt hat.

Sowohl im Verwaltungsverfahren wie auch in der Beschwerde wird geltend gemacht, dass die österreichische Ehegattin des Beschwerdeführers "freizügigkeitsberechtigt" sei, bzw. wird in der Beschwerde behauptet, sie habe "mehrfach von ihrem Freizügigkeitsrecht Gebrauch gemacht"; es wurde aber weder im Verwaltungsverfahren noch in der Beschwerde konkret ausgeführt, inwieweit die österreichische Ehegattin tatsächlich von ihrem Freizügigkeitsrecht Gebrauch gemacht hat.

Da sich auch aus dem Akteninhalt kein Anhaltspunkt dafür ergibt, dass die österreichische Ehegattin des Beschwerdeführers von ihrem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch gemacht hat und damit ein gemeinschaftsrechtlich relevanter (Freizügigkeits-)Sachverhalt vorläge, kommt § 47 NAG zum Tragen. Da der Beschwerdeführer jedoch unbestritten einen Aufenthaltstitel nach dieser Bestimmung nicht aufweist, war die Abweisung seines Antrages auf Ausstellung einer Bestätigung nach § 3 Abs. 8 AuslBG zutreffend.

Aus diesem Grund war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung BGBl. II Nr. 455/2008, insbesondere deren § 3 Abs. 2.

Wien, am 11. März 2010

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