VwGH 2007/08/0133

VwGH2007/08/013326.5.2010

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer, Dr. Lehofer, Dr. Doblinger und MMag. Maislinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Peck, über die Beschwerde der SP in W, vertreten durch Dr. Hans Schwarz, Rechtsanwalt in 1100 Wien, Favoritenstraße 108/3, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom 9. Mai 2007, Zl. LGSW/Abt.3-AlV/05661/2007-1146, betreffend Arbeitslosengeld, zu Recht erkannt:

Normen

AlVG 1977 §7 Abs3 Z1;
AlVG 1977 §7 Abs3 Z1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Antrag der Beschwerdeführerin vom 2. April 2007 auf Zuerkennung von Arbeitslosengeld abgewiesen.

Die belangte Behörde stellte fest, dass die Beschwerdeführerin drei Kinder, geboren in den Jahren 2002, 2003 und 2005 habe; die beiden älteren Kinder besuchten den Kindergarten, für das jüngste Kind beziehe die Beschwerdeführerin Kinderbetreuungsgeld. Die Beschwerdeführerin habe auf die Frage nach der Betreuungsmöglichkeit für das jüngste Kind angegeben, dass ihre Schwiegermutter, die berufstätig sei und bis 14 Uhr arbeite, dieses Kind Montag bis Freitag jeweils zwischen 15 und 19 Uhr betreuen könne.

Der Ehemann der Beschwerdeführerin beziehe ebenfalls Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung.

In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde aus, dass eine der Voraussetzungen für Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung das Vorliegen der Verfügbarkeit sei. Dem Arbeitslosen müsse es in rechtlicher und faktischer Hinsicht möglich sein, eine Beschäftigung aufzunehmen. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sei die Möglichkeit der Aufnahme einer Teilzeitbeschäftigung ausreichend, wobei während der Nachtstunden die Aufnahme einer Beschäftigung Personen mit Betreuungspflichten auf Grund der Jugendschutzbestimmungen nicht zumutbar sei. Als zeitlich verfügbar sei eine Person anzusehen, die "während der am Arbeitsmarkt gültigen Vollbeschäftigungszeiten, also werktags in der Zeit zwischen 8 und 18 Uhr dem Arbeitsmarktservice zumindest 16 Stunden zur Vermittlung zur Verfügung" stehe. Die Beschwerdeführerin habe anlässlich der am 12. April 2007 vor der erstinstanzlichen Behörde aufgenommenen Niederschrift ausdrücklich angegeben, dass sie dem Arbeitsmarktservice zwischen 15 und 19 Uhr zur Verfügung stehe. Während der "am Arbeitsmarkt gültigen Vollbeschäftigungszeiten, zwischen 8 und 18 Uhr", würde die Beschwerdeführerin dem Arbeitsmarktservice nur 15 Stunden zur Verfügung stehen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Antrag, ihn kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Im Beschwerdefall ist § 7 AlVG in der Fassung BGBl. I Nr. 102/2005 maßgebend; diese Bestimmung hatte folgenden

Wortlaut:

"§ 7. (1) Anspruch auf Arbeitslosengeld hat, wer

  1. 1. der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht,
  2. 2. die Anwartschaft erfüllt und
  3. 3. die Bezugsdauer noch nicht erschöpft hat.

(2) Der Arbeitsvermittlung steht zur Verfügung, wer eine Beschäftigung aufnehmen kann und darf (Abs. 3) und arbeitsfähig (§ 8), arbeitswillig (§ 9) und arbeitslos (§ 12) ist.

(3) Eine Beschäftigung aufnehmen kann und darf eine Person,

1. die sich zur Aufnahme und Ausübung einer auf dem Arbeitsmarkt üblicherweise angebotenen, den gesetzlichen und kollektivvertraglichen Vorschriften entsprechenden zumutbaren versicherungspflichtigen Beschäftigung bereithält,

2. die sich berechtigt im Bundesgebiet aufhält, um eine unselbständige Beschäftigung aufzunehmen und auszuüben, und

3. die nicht den Tatbestand des § 34 Abs. 3 Z 2 des Fremdengesetzes 1997 (FrG), BGBl. I Nr. 75, unter Berücksichtigung des § 34 Abs. 4 FrG erfüllt.

(4) Von der Voraussetzung der Arbeitsfähigkeit ist bei Arbeitslosen abzusehen, denen Maßnahmen der beruflichen Rehabilitation gewährt wurden, die das Ziel dieser Maßnahmen (§ 300 Abs. 1 und 3 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes) erreicht und die erforderliche Anwartschaft nach dieser Maßnahme zurückgelegt haben.

(5) Während des Bezuges von Kinderbetreuungsgeld liegt die Voraussetzung des Abs. 3 Z 1 nur dann vor, wenn das Kind von einer anderen geeigneten Person oder in einer geeigneten Einrichtung betreut wird.

(6) Personen, die im Rahmen von Kontingenten gemäß § 5 AuslBG befristet beschäftigt sind, halten sich nach Beendigung ihrer Beschäftigung nicht berechtigt im Bundesgebiet auf, um eine unselbständige Beschäftigung aufzunehmen und auszuüben."

2. Die belangte Behörde hat die Abweisung des Antrags der Beschwerdeführerin auf die mangelnde Verfügbarkeit nach § 7 Abs. 3 Z 1 AlVG gestützt. Sie hat damit zum Ausdruck gebracht, dass ihrer Ansicht nach die von der Beschwerdeführerin angegebene zeitliche Verfügbarkeit nicht ausreiche, um von einem Bereithalten "zur Aufnahme und Ausübung einer auf dem Arbeitsmarkt üblicherweise angebotenen, den gesetzlichen und kollektivvertraglichen Vorschriften entsprechenden zumutbaren versicherungspflichtigen Beschäftigung" auszugehen.

Die Beschwerdeführerin rügt allerdings zutreffend, dass die belangte Behörde eine bloß abstrakte Prüfung unter Zugrundelegung einer angenommenen "gültigen Vollbeschäftigungszeit" vorgenommen hat, die in der hier anzuwendenden Rechtslage keine Grundlage findet (vgl. nunmehr § 7 Abs. 7 AlVG in der Fassung BGBl. I Nr. 104/2007). Die Beschwerdeführerin legt - unter Hinweis auf mangelndes Parteiengehör im Berufungsverfahren sowie eine Verletzung der Ermittlungs- und Begründungspflicht durch die belangte Behörde - auch näher dar, weshalb sie in ihrem zuletzt ausgeübten Beruf als angelernte Reinigungskraft selbst unter Berücksichtigung der von ihr angegebenen Zeiten der Verfügbarkeit ihrer Ansicht nach ein üblicherweise angebotenes Beschäftigungsverhältnis hätte aufnehmen können, das bei kollektivvertraglicher Entlohnung zur Vollversicherung geführt hätte.

3. Die belangte Behörde hat sich, ausgehend von der unzutreffenden Rechtsansicht, eine zeitliche Verfügbarkeit von wöchentlich (nur) 16 Stunden innerhalb eines täglichen Arbeitszeitrahmens von jeweils zwischen 8 und 18 Uhr schließe in jedem Fall die Verfügbarkeit im Sinne des § 7 Abs. 3 Z 1 AlVG (in der im Beschwerdefall maßgebenden Fassung BGBl. I Nr. 102/2005) aus, mit der konkreten Situation der Beschwerdeführerin - die erklärt hatte, für eine wöchentliche Arbeitszeit von zwanzig Stunden in einem nach dem Beschwerdevorbringen für ihren Beruf nicht ungewöhnlichen Arbeitszeitrahmen zur Verfügung zu stehen - nicht auseinander gesetzt. Das in der Gegenschrift erstattete, mit entsprechenden statistischen Daten unterlegte Vorbringen der belangten Behörde, wonach - zusammengefasst - die von der Beschwerdeführerin angestrebten und ihr nach eigenem Vorbringen möglichen Beschäftigungsverhältnisse auf dem Arbeitsmarkt üblicherweise nicht angeboten werden, vermag die im angefochtenen Bescheid unterlassene diesbezügliche Begründung nicht zu ersetzen.

Sie hat damit den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet, sodass dieser gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am 26. Mai 2010

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