VwGH 2007/05/0247

VwGH2007/05/024721.12.2010

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kail und die Hofräte Dr. Pallitsch, Dr. Handstanger, Dr. Hinterwirth und Dr. Moritz als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schmidt, über die Beschwerde des Mag. FN in X, vertreten durch Dorda Brugger Jordis Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Dr. Karl Lueger-Ring 10, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 6. September 2007, Zl. RU1-BR-731/002-2007, betreffend einen baupolizeilichen Auftrag (mitbeteiligte Partei: Gemeinde W), nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §56;
BauO NÖ 1996 §17 Abs1 Z2;
BauO NÖ 1996 §35 Abs2 Z3;
BauO NÖ 1996 §4 Z3;
BauRallg;
ROG NÖ 1976 §19 Abs2 Z1 idF 8000-10;
ROG NÖ 1976 §19 Abs2 Z1a;
ROG NÖ 1976 §19 Abs2;
ROG NÖ 1976 §19 Abs4 idF 8000-10;
ROG NÖ 1976 §19 Abs4;
AVG §56;
BauO NÖ 1996 §17 Abs1 Z2;
BauO NÖ 1996 §35 Abs2 Z3;
BauO NÖ 1996 §4 Z3;
BauRallg;
ROG NÖ 1976 §19 Abs2 Z1 idF 8000-10;
ROG NÖ 1976 §19 Abs2 Z1a;
ROG NÖ 1976 §19 Abs2;
ROG NÖ 1976 §19 Abs4 idF 8000-10;
ROG NÖ 1976 §19 Abs4;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.302,10 binnen vierzehn Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Kostenbegehren der mitbeteiligten Gemeinde wird abgewiesen.

Begründung

A. 1. Mit Bescheid vom 3. Februar 1998 wurde vom Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde als Baubehörde erster Instanz gemäß § 113 Abs. 2b der Niederösterreichischen Bauordnung 1976 (BO 1976) iVm § 77 Abs. 1 der Niederösterreichischen Bauordnung 1996 (BO) festgestellt, dass auf das auf dem Grundstück Nr. 50/39 , EZ 507 KG Wolfsgraben (Am Roppersberg Nr. 9), ohne Baubewilligung errichtete Einfamilienhaus mit Ölzentralheizungsanlage die Voraussetzungen des § 113 Abs. 2a BO 1976 zutreffen und daher die Anordnung des Abbruches (der zuvor mit Bescheid angeordnet worden war) zu entfallen habe. Aus der im Spruch zu einem wesentlichen Bestandteil dieses Bescheides erklärten Niederschrift ergibt sich unter anderem, dass auf der gegenständlichen Liegenschaft (mit einem Flächenausmaß von 9.994 m2) ein Einfamilienhaus mit den Grundrissabmessungen von 8,72 m x 11,65 m bestehe. Das Einfamilienhaus sei im Erdgeschoß und im Dachgeschoß für Wohnzwecke ausgebaut, eine Unterkellerung sei nicht vorhanden. Das Gebäude sei teilweise in den Hang hineingebaut. Im Erdgeschoss befänden sich Aufenthaltsräume und hangseitig Räumlichkeiten für die Zentralheizungsanlage und die Öllagerung. Als Grundlage für die Feststellung des Baubestandes wurde der Bestandsplan eines näher genannten Unternehmens vom 5. September 1995 herangezogen. Nach dieser Verhandlungsschrift wurde vom Verhandlungsleiter auch darauf hingewiesen, dass eventuelle künftige Arbeiten zur Erhaltung, Instandsetzung oder Verbesserung des Bauwerkes nur insoweit zulässig seien, als hiedurch keine Vergrößerung des Bauvolumens eintrete, und nur insofern, als die Festigkeit tragender Bauteile, die Brandsicherheit, die sanitären Verhältnisse und das Orts- und Landschaftsbild nicht beeinträchtigt würden.

2. Der Beschwerdeführer meldete am 5. September 2006 bei der mitbeteiligten Gemeinde die Ausübung der Buschenschank auf seinem im Punkt 1. genannten Grundstück an. Mit Schreiben vom 14. September 2006 teilte der Beschwerdeführer der Gemeinde mit, er werde die Buschenschank eröffnen, weil die Ausübung seitens der Gemeinde nicht innerhalb der gesetzlich vorgesehenen Frist von einer Woche untersagt worden sei. Von der Gemeinde wurde das Einlangen der Anmeldung einer Buschenschank mit Schreiben vom 17. Oktober 2006 bestätigt.

3.1. In der Folge wurde von der mitbeteiligten Gemeinde zum Zweck der Feststellung der Übereinstimmung der Räumlichkeiten mit den Bestandsplänen gemäß § 33 Abs. 2 BO eine besondere Überprüfung des Baubestandes auf dem Grundstück des Beschwerdeführers angeordnet und dazu (nachdem frühere Anberaumungen infolge vom Beschwerdeführer bekannt gegebener Ortsabwesenheiten nicht zum Tragen kamen) eine mündliche Verhandlung in Verbindung mit einem Lokalaugenschein an Ort und Stelle für den 6. Februar 2007 anberaumt. Da - wie im Aktenvermerk von diesem Tag über die Begehung der Liegenschaft festgehalten - bei diesem Lokalaugenschein niemand auf der Liegenschaft angetroffen wurde, konnte die Besichtigung von der Bürgermeisterin der mitbeteiligten Gemeinde und dem Bausachverständigen nur von außen vorgenommen werden. Der Lokalaugenschein ergab, dass das bestehende Gebäude saniert und umgebaut wurde. Auf der Freifläche der Liegenschaft wurde ein Nebengebäude auf einer Plattform aus Metall errichtet. Seitlich des Hauses wurde ein Flugdach in Holzbauweise hergestellt. Aus dem Aktenvermerk ergibt sich weiters, dass die Liegenschaft nach dem maßgeblichen Flächenwidmungsplan der mitbeteiligten Gemeinde im Grünland/Land- und Forstwirtschaft liegt und dass für das angeführte Nebengebäude sowie für das genannte Flugdach kein Konsens gegeben sei. Ein landwirtschaftlicher Betrieb bestehe auf der Liegenschaft offensichtlich nicht.

3.2. Mit Bescheid vom 6. Februar 2007 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 35 Abs. 2 Z. 3 BO der baupolizeiliche Auftrag erteilt, bis längstens 31. März 2007 das konsenslos errichtete Nebengebäude samt Plattform aus Metall sowie das konsenslos errichtete Flugdach aus Holz auf dem genannten Grundstück zu beseitigen und den früheren Zustand wiederherzustellen. Nach dem Spruch dieses Bescheides sind weiters sämtliche Bauarbeiten sofort einzustellen, die Benützung der konsenslos errichteten Bauwerke wird untersagt. In der Begründung dieses Bescheides wurde u.a. festgehalten, dass die vom Auftrag erfassten Baulichkeiten wegen Widerspruchs zum Flächenwidmungsplan unzulässig seien, und auch im Falle einer nachträglichen Antragstellung eine Baubewilligung nicht zu erteilen sei.

3.3. Der dagegen erhobenen Berufung des Beschwerdeführers gab der Gemeindevorstand der mitbeteiligten Gemeinde als Baubehörde II. Instanz mit Bescheid vom 16. April 2007 insofern teilweise Folge, als die Abbruchsfrist wie folgt formuliert wird: "Binnen drei Monaten ab Rechtskraft des Bescheides", im Übrigen wurde die Berufung abgewiesen und der Bescheid inhaltlich bestätigt.

3.4. Die dagegen gerichtete Vorstellung des Beschwerdeführers wurde mit dem angefochtenen Bescheid als unbegründet abgewiesen.

Begründend wurde im Wesentlichen Folgendes festgehalten: Nach der Darstellung im Berufungsbescheid vom 16. April 2007 handle es sich bei dem besagten Nebengebäude eindeutig um ein Gebäude, weiters sei die Konstruktion mit Aufstiegstreppe so angelegt, dass das Gebäude regelmäßig von Personen begangen werde, woraus sich schließen lasse, dass eine Verankerung bei fachgerechter Ausführung derart erfolgen müsse, dass das Gestell Regen und Sturmwinden standhalte. Auch das Flugdach aus Holz sei als Bauwerk zu qualifizieren, weil bei mangelnder kraftschlüssiger Verbindung mit dem Boden mit einem Davonfliegen des Gebildes zu rechnen wäre und dies eine Verletzungsgefahr für Personen bedeuten könnte.

Mit dem Vorbringen, ein baupolizeilicher Abbruchauftrag dürfe erst nach Aufforderung zur nachträglichen Beantragung einer Baubewilligung erfolgen, werde übersehen, dass zwischen den beiden Varianten des § 35 Abs. 2 Z. 3 BO zu unterscheiden sei, und im ersten Fall, von dem die mitbeteiligte Gemeinde und auch der Beschwerdeführer selbst ausgingen, eine derartige Aufforderung auf Grund der Unzulässigkeit sinnwidrig wäre. Bei der Qualifikation als Bauwerk bzw. Gebäude nach der BO komme es darauf an, wie diese Konstruktion bei ordnungsgemäßer Ausführung befestigt sein müsse. Der Verwaltungsgerichtshof habe im Erkenntnis vom 30. Mai 1995, Zl. 95/05/0042, etwa entschieden, dass ein auf Waschbetonplatten ohne ersichtliche Befestigung aufgestelltes Kleingewächshaus im Ausmaß von ca. 3 x 2 m als Gebäude zu definieren sei, weil es aus Gründen der Sturm- und Kippsicherheit mit dem Boden kraftschlüssig verbunden sein müsse. Dass es nicht eine erforderliche zusätzliche Verbindung mit dem Boden aufweise, führe nicht zum Ergebnis, dass ein an sich bewilligungspflichtiges Bauwerk, wenn es entgegen den baurechtlichen Vorschriften und den Gesetzen der Technik errichtet worden sei, nicht mehr der Bewilligungspflicht unterliege und die Baubehörde jede Ingerenz auf das zu errichtende Bauwerk verlieren würde, während eine solche dann gegeben wäre, wenn das Bauwerk ordnungsgemäß ausgeführt werde.

Dem Vorbringen, es handle sich bei dem Nebengebäude samt Plattform aus Metall um ein auf einfachste Weise errichtetes und jederzeit bewegbares Baugerüst samt einer einfachst errichteten Holzhütte, und das Flugdach aus Holz stelle ein Regensammeldach mit sechs Holzstützen dar, sei zu entgegnen, dass es sich dennoch um ein Bauwerk bzw. um ein Gebäude handle, weil es nicht auf die tatsächliche Ausführung ankomme, sondern vielmehr darauf, ob die Kriterien mit einer ordnungsgemäßen Ausführung gegeben wären.

Zu der vom Beschwerdeführer selbst so benannten "Holzhütte" sei auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16. Dezember 1986, Zl. 86/05/0028, hinzuweisen, wonach es sich bei einem Gebäude um eine bauliche Konstruktion zur Herstellung eines abgeschlossenen Raumes handle, ohne dass jeweils im Einzelnen die Frage zu prüfen wäre, inwieweit für die Herstellung ein gewisses Maß bautechnischer Kenntnisse notwendig sei, weil die Errichtung von Gebäuden, welche von Menschen betreten werden könnten, solche Kenntnisse stets erforderten. Auch eine bloße Holzhütte - selbst dann, wenn sie transportabel wäre - unterliege der Bewilligungspflicht als Gebäude. Zur Behauptung, eine kraftschlüssige Verbindung mit dem Boden läge nur dann vor, wenn die Baulichkeit lediglich mit Hilfe von Maschinen (z.B. einem Baukran) örtlich bewegt werden könnte, sei darauf hinzuweisen, dass nach der Judikatur selbst bei "fahrbaren" Kiosken eine Beurteilung als Bauwerk nicht ausgeschlossen sei.

Nicht nachvollziehbar sei die Auffassung, das Regensammeldach stelle ein Wasserbecken iSd § 17 Abs. 1 Z. 2 BO dar. Die Aufstellung eines Beckens könne wohl kaum mit der Errichtung einer Dachkonstruktion verglichen werden, wobei es (wie erwähnt) auf "die Leichtigkeit" der Errichtung nicht ankomme. Bei der Aufstellung des Flugdaches handle es sich auch nicht um eine Instandsetzungsarbeit, könne doch per definitionem nur etwas in Stand gesetzt werden, was zuvor bereits vorhanden gewesen sei. Auch der Versuch, das Gebäude als Hochstand zu "tarnen", erscheine untauglich. Die Bewilligungspflicht für die gegenständlichen Bauwerke ergebe sich ganz klar aus § 14 Z. 1 und 2 BO; deren Unzulässigkeit ergebe sich aus dem Widerspruch zu § 19 des NÖ Raumordnungsgesetzes 1976. Dass die Bauwerke in der Widmung Grünland-Landwirtschaft zulässigerweise errichtet werden dürften, sei in der Vorstellung nicht einmal behauptet worden.

4. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

5. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen. Auch die nicht durch einen Rechtsanwalt vertretene mitbeteiligte Gemeinde erstattete eine gegen die Beschwerde gerichtete Gegenschrift.

6. Der Beschwerdeführer beantragte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung.

Für diese Verhandlung wurde die vorliegende Beschwerdesache mit dem zur hg. Zl. 2007/05/0248 protokollierten, denselben Beschwerdeführer betreffenden Beschwerdefall wegen des sachlichen und rechtlichen Zusammenhanges verbunden.

B. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. § 35 Abs. 2 BO regelt, unter welchen Voraussetzungen die Baubehörde einen Abbruchsauftrag zu erteilen hat; diese Bestimmung lautet (in der vorliegend maßgeblichen Fassung LGBl. Nr. 8200-12) auszugsweise:

"(2) Die Baubehörde hat den Abbruch des Bauwerks anzuordnen wenn,

...

3. für das Bauwerk keine Baubewilligung (§ 23) oder Anzeige (§ 15) vorliegt und

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