VwGH 2007/03/0061

VwGH2007/03/006124.3.2010

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Handstanger, Dr. Lehofer, Mag. Nedwed und Mag. Samm als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Beschwerde des M S in G, vertreten durch Mag. Dr. Wolfgang Schlegl, Rechtsanwalt in 8054 Graz, Simonygasse 22, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark vom 8. Februar 2007, Zl 2 W 144/2006, betreffend Waffenverbot, zu Recht erkannt:

Normen

WaffG 1996 §12 Abs1;
WaffG 1996 §12 Abs1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Graz vom 3. August 2006 war über den Beschwerdeführer gemäß § 12 Abs 1 des Waffengesetzes 1996 (WaffG) ein Waffenverbot verhängt worden.

Begründend führte die Erstbehörde im Wesentlichen Folgendes aus:

Im Zuge einer über Auftrag des Finanzamts Stadt Graz durchgeführten Hausdurchsuchung in G, Tweg Nr, seien eine Schrotflinte, ein Kleinkalibergewehr, sowie Schrotpatronen, Hohlspitzgeschosse und Revolvermunition vorläufig sichergestellt worden.

Der Beschwerdeführer sei mit Urteil des Landesgerichtes Leoben vom 9. November 2004 wegen Verbrechen sowie Vergehen nach dem SMG zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 18 Monaten verurteilt worden. Er habe im Zeitraum von 2000 bis 6. März 2003 bei drei bis vier Fahrten gegen einen Fuhrlohn von 3 Gramm Kokain je Fahrt den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgift in einer großen Menge in Verkehr gesetzt, teils als unmittelbarer Täter, teils als Beitragstäter. Außerdem habe er im gleichen Zeitraum Suchtgift bezogen und konsumiert.

Laut Akteninhalt sei am 3. Dezember 1993 eine Anzeige gegen den Beschwerdeführer ergangen, wonach er eines Vergehens nach dem WaffG verdächtigt werde, weil er eine Faustfeuerwaffe ohne waffenrechtliche Berechtigung und verbotene Waffen (vier Stück Tränengasspray) besessen habe.

Zudem sei am 2. Dezember 2003 gegen den Beschwerdeführer eine Strafanzeige ergangen, wonach er des Verbrechens der Vergewaltigung gemäß § 201 StGB verdächtigt werde, weil er im Juli oder August 2002 NB in deren Wohnung mit schwerer, gegen sie gerichteter Gewalt zur Vornahme und Duldung des Beischlafs genötigt habe.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die vom Beschwerdeführer gegen den Erstbescheid erhobene Berufung gemäß § 66 Abs 4 AVG ab.

Begründend führte die belangte Behörde, nach einer Wiedergabe des erstinstanzlichen Bescheids, des Tenors des gegen den Beschwerdeführer ergangenen Urteils des Landesgerichtes Leoben und des Inhalts der Berufung, Folgendes aus:

"Wie die erkennende Behörde bereits in der Begründung ihres Bescheides feststellte, wurden beim (Beschwerdeführer) im Zuge einer Hausdurchsuchung unter anderem Hohlspitzgeschosse sowie Revolvermunition sichergestellt.

Bei den Hohlspitzgeschossen handelt es sich um verbotene Munition im Sinne des Waffengesetzes, bei der Revolvermunition Kal. 357 Magnum ist der Besitz nur dann gestattet, wenn derjenige, der sie erworben hat oder besitzt, im Besitz einer waffenrechtlichen Urkunde ist. Dies war und ist beim (Beschwerdeführer) nicht der Fall.

Von der erkennenden Behörde wurde weiters angeführt, dass der (Beschwerdeführer) bei seiner Einvernahme selbst im Jahr 1993 angegeben hat, von einem unbekannten Jugoslawen eine Pistole tschechischen Fabrikates Kal. 765 samt Tasche und Reservemagazin mit Patronen zu seinem Schutz gekauft zu haben, wobei sich diese Waffe in Italien befinden würde, weshalb sie bei der Hausdurchsuchung am 30.11.1993 auch nicht sichergestellt werden konnte. Beim (Beschwerdeführer) wurden jedoch 4 Dosen Tränenspray sichergestellt und es handelte sich dabei im Jahre 1993 um verbotene Waffen im Sinne des § 11 Abs. 1 Ziff. 5 Waffengesetz 1986. Bei seiner Einvernahme gab der (Beschwerdeführer) an, dass er diese Dosen in Deutschland gekauft hätte, um seine Prostituierten schützen zu können.

In der Begründung ihres Bescheides führte die erkennende Behörde genau und inhaltlich nicht rechtswidrig aus, warum gerade beim (Beschwerdeführer) die Besorgnis besteht, dass er Waffen rechtswidrig und missbräuchlich verwerden könnte.

Dabei war bei der waffenrechtlichen Beurteilung des (Beschwerdeführers) auch auf sein Wesen und die Gesamtpersönlichkeit Bedacht zu nehmen. Hiebei trat bei ihm eine Affinität zu Waffen ohne die dazu notwendige Beachtung der geltenden Rechtsordnung zu Tage. Allein seine seinerzeit getroffenen und aktenkundigen Aussagen, "er benötige diese Waffen zum Schutz seiner Prostituierten", lässt die Besorgnis erwecken, er werde Waffen missbräuchlich verwenden. Ebenso besaß er verbotene Munition und Munition, die nur aufgrund einer waffenrechtlichen Urkunde erworben und besessen werden darf. Sein Hang zum illegalen Besitz von verbotenen Waffen, genehmigungspflichtigen Schusswaffen, verbotener Munition sowie genehmigungspflichtiger Munition und der Missbrauch und Handel von Suchtgift rechtfertigen jedenfalls bei dieser Gesamtschau die Annahme, dass der (Beschwerdeführer) Waffen missbräuchlich verwenden könnte.

Zu den Ausführungen des (Beschwerdeführers) in seiner Berufungsschrift wird noch ausgeführt, dass demnach bei ihm nicht nur ein Mangel an waffenrechtlicher Verlässlichkeit vorliegt, sondern es ist dieser, im Interesse der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit aufgrund der erstellten negativen Verhaltensprognose, von Waffen und Munition fernzuhalten.

Aufgrund des vorliegenden Sachverhaltes liegen daher für die Berufungsbehörde konkrete Umstände vor, die die begründete Besorgnis erwecken, dass von der Waffe ein am Interesse an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit beeinträchtigender, gesetzwidriger und zweckwidriger Gebrauch gemacht werden könnte. Dabei ist nach dem, dem Waffengesetz allgemein innewohnenden, bei der Beurteilung der auch mit dem Besitz von Schusswaffen verbunden Gefahren, ein strenger Maßstab anzulegen.

Dieser strenge Maßstab war auch beim (Beschwerdeführer) anzulegen und auf Grund der gegebenen Sach- und Rechtslage hat demnach auch die erkennende Behörde nicht rechtswidrig gehandelt, als sie mit der Verhängung eines Waffenverbotes vorging.

Der erkennenden Behörde stand auch diesbezüglich kein Ermessen zu, sondern sie hatte im gegenständlichen Fall mit einem Waffenverbot vorzugehen."

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit auf Grund der Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Antrag, ihn kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und nahm von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 12 Abs 1 WaffG hat die Behörde einem Menschen den Besitz von Waffen und Munition zu verbieten (Waffenverbot), wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass dieser Mensch durch missbräuchliches Verwenden von Waffen Leben, Gesundheit oder Freiheit von Menschen oder fremdes Eigentum gefährden könnte.

Die Verhängung eines Waffenverbotes dient der Verhütung von Gefährdungen der im § 12 Abs 1 WaffG bezeichneten Art und setzt nicht voraus, dass es schon zu einem missbräuchlichen Verwenden von Waffen durch den Betroffenen gekommen ist. Dabei genügt es, wenn konkrete Umstände vorliegen, die die Besorgnis erwecken, dass von der Waffe ein gesetz- oder zweckwidriger Gebrauch gemacht werden könnte. Hierbei ist nach dem dem Waffengesetz allgemein innewohnenden Schutzzweck ein strenger Maßstab anzulegen. Der Verbotstatbestand des § 12 Abs 1 WaffG setzt lediglich voraus, dass auf Grund objektiver Sachverhaltsmerkmale eine qualifiziert rechtswidrige Verwendung von Waffen zu befürchten ist (vgl das hg Erkenntnis vom 23. September 2009, Zl 2008/03/0057).

Klarzustellen ist zunächst, dass die belangte Behörde - anders als noch die Erstbehörde - dem Beschwerdeführer kein Aggressionsdelikt (das ein für die Beurteilung der Voraussetzungen der Verhängung eines Waffenverbots relevantes Bild von der Persönlichkeit eines Menschen vermitteln kann) mehr zur Last gelegt hat.

Was die Sicherstellung von Hohlspitzmunition und Revolvermunition "beim (Beschwerdeführer) im Zuge einer Hausdurchsuchung" im Juli 2005 anlangt, hat sich die belangte Behörde ungeachtet dessen, dass sich der Beschwerdeführer in der Berufung im Einzelnen gegen die Annahmen der Erstbehörde, er sei Eigentümer und Besitzer der am Dachboden des von ihm, seiner Mutter und seinem Bruder bewohnten Hauses vorgefundenen Munition, gewandt hatte, mit einem Verweis auf die Feststellungen der Erstbehörde begnügt. Ihre diesbezüglichen Ausführungen können daher den Anforderungen an eine nachvollziehbare und schlüssige Beweiswürdigung nicht genügen.

Diesem Verfahrensmangel käme bloß dann keine Relevanz zu, wenn schon auf Basis der verbleibenden Feststellungen die Verhängung eines Waffenverbotes gerechtfertigt wäre.

Dies trifft im Beschwerdefall allerdings nicht zu.

Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits mehrfach klargestellt, dass nicht jede strafgerichtliche Verurteilung als solche die Annahme im Sinn des § 12 Abs 1 WaffG, also die Annahme, dass der Betreffende durch missbräuchliches Verwenden von Waffen Leben, Gesundheit oder Freiheit von Menschen oder fremdes Eigentum gefährden könnte, rechtfertigt (vgl etwa das hg Erkenntnis vom 12. September 2002, Zl 2000/20/0425). Ein "waffenrechtlicher Bezug" der Verurteilung des Beschwerdeführers wegen Delikten nach dem SMG wird von der belangten Behörde nicht dargestellt.

Auf die im Jahr 1993 vom Beschwerdeführer angeblich gesetzten Verstöße gegen waffenrechtliche Bestimmungen kann das mit dem angefochtenen Bescheid vom 8. Februar 2007 verhängte Waffenverbot schon im Hinblick auf die seither verstrichene Zeit - in der Zwischenzeit gesetzte abermalige Verstöße gegen waffenrechtliche Bestimmungen wurden von der belangten Behörde nicht schlüssig festgestellt - nicht mehr gestützt werden.

Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs 2 Z 3 lit b und c VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl II Nr 455.

Wien, am 24. März 2010

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