VwGH 2006/04/0245

VwGH2006/04/02455.11.2010

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Bayjones, Dr. Grünstäudl und Dr. Kleiser als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Crnja, über die Beschwerde der A GmbH in Y, vertreten durch Doralt Seist Csoklich, Rechtsanwalts-Partnerschaft in 1090 Wien, Währinger Straße 2-4, gegen den Bescheid des Vergabekontrollsenates Wien vom 3. Oktober 2006, Zlen. VKS-2569/06, VKS-2570/06, VKS-2574/06, VKS-2575/06 und VKS- 2576/06, betreffend Nachprüfungsverfahren nach dem Wiener Vergaberechtsschutzgesetz (mitbeteiligte Partei: Stadt Wien, Magistratsabteilung 33, 1110 Wien, Senngasse 2), zu Recht erkannt:

Normen

BVergG 2002 §93 Abs4;
BVergG §125 Abs1;
BVergG §125 Abs4;
BVergG §129 Abs1 Z3;
VwGG §42 Abs2 Z1;
BVergG 2002 §93 Abs4;
BVergG §125 Abs1;
BVergG §125 Abs4;
BVergG §129 Abs1 Z3;
VwGG §42 Abs2 Z1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird in seinen Spruchpunkten 1. und 3. wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Das Land Wien hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin hat sich auf Grund der Bekanntmachung der mitbeteiligten Partei (in der Folge: Auftraggeberin) vom 22. März 2006 betreffend die Vergabe von Rahmenverträgen zur Wartung von Straßenbeleuchtungen in insgesamt fünf offenen Verfahren als Bieter beteiligt. Die folgenden Entscheidungen der Auftraggeberin, mit denen einerseits die Angebote der Beschwerdeführerin ausgeschieden und andererseits in den fünf Vergabeverfahren Zuschlagsentscheidungen zu Gunsten eines anderen Bieters getroffen wurden, bekämpfte die Beschwerdeführerin mit Nachprüfungsanträgen, die die belangte Behörde mit Bescheid vom 10. August 2006 zurückwies, weil ihres Erachtens die Zuschlagsentscheidungen rechtlich nicht existent geworden seien und weil eine gesonderte Anfechtung der Ausscheidungsentscheidung hier noch nicht zulässig gewesen sei (vgl. zum Ganzen das hg. Erkenntnis vom 8. Oktober 2010, Zl. 2006/04/0173, mit dem der zitierte Bescheid hinsichtlich der Zurückweisung der gegen die Zuschlagsentscheidungen gerichteten Nachprüfungsanträge aufgehoben wurde).

Nach der Verkündung des Bescheides vom 10. August 2006 setzte die Auftraggeberin die fünf Vergabeverfahren fort und gab der Beschwerdeführerin mit im Wesentlichen gleichlautenden Schreiben vom selben Tag bekannt, dass sie beabsichtige, den Zuschlag einem namentlich genannten anderen Bieter zu erteilen. In diesen Schreiben ist neben den zivilrechtlichen Preisen der jeweiligen Bestangebote und der Stillhaltefrist ausgeführt, dass die Angebote der Beschwerdeführerin ausgeschieden worden seien, weil sie nicht rechtmäßig unterfertigt gewesen seien.

Auch diese Entscheidungen bekämpfte die Beschwerdeführerin und beantragte bei der belangten Behörde deren Nichtigerklärung sowie den Ersatz der für diese Anträge entrichteten Pauschalgebühren.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 3. Oktober 2006 wies die belangte Behörde die Anträge auf Nichtigerklärung der Zuschlagsentscheidungen ab (Spruchpunkt 1.) und sprach aus, dass die Beschwerdeführerin die entrichteten Pauschalgebühren selbst zu tragen habe (Spruchpunkt 3.).

In der Begründung führte sie aus, dass die fünf erwähnten Vergabeverfahren die Wartung von Straßenbeleuchtungen in allen 23 Wiener Bezirken beträfen, wobei Gegenstand der zu erbringenden Dienstleistungen der Gruppentausch mit Reinigung, der Tausch der Leuchtmittel und die elektronische Prüfung und Dokumentation der Anlagen sei. Nach den Ausschreibungsbedingungen sei der "niedrigste Preis" das einzige Zuschlagskriterium. Am Vergabeverfahren hätten sich drei Bieter beteiligt, wovon die Beschwerdeführerin an dritter Stelle gereiht worden sei. Nach Ansicht der Auftraggeberin seien die Angebote der Beschwerdeführerin auszuscheiden gewesen, weil die firmenmäßige Fertigung der Angebotsformulare nicht an der dafür vorgesehenen (grau unterlegten) Stelle, sondern an einer anderen Stelle in diesem Formular erfolgt sei. Da aber die Unterfertigung der Angebote an der falschen Stelle nach Ansicht der belangten Behörde nichts an der zivilrechtlichen Wirksamkeit des Angebotes der Beschwerdeführerin ändere (Hinweis auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes), erweise sich die Ausscheidung der Angebote der Beschwerdeführerin in den fünf in Rede stehenden Vergabeverfahren "rechtlich nicht haltbar".

Ausgehend von der Antragslegitimation der Beschwerdeführerin sei daher in den genannten Nachprüfungsverfahren zu beurteilen, ob den gegen die Zuschlagsentscheidungen vom 10. August 2006 gerichteten Nachprüfungsanträgen Berechtigung zukomme. Dies sei aus folgenden Gründen nicht der Fall:

Die Beschwerdeführerin habe in ihren Nachprüfungsanträgen vorgebracht, dass die Angebote der beiden Mitbewerber, wären diese rechtmäßig nach den Vorschriften des Bundesvergabegesetzes 2006 - BVergG geprüft worden, ausgeschieden hätten werden müssen. Die angebotenen Preise der beiden Mitbewerber hätten nämlich einer vertieften Angebotsprüfung nicht standhalten können. So habe das Angebot der erstgereihten Mitbewerberin einen ungewöhnlich niedrigen Gesamtpreis und zu niedrige Einheitspreise in wesentlichen Positionen (konkret in den Positionen 02.01050 "Anlagenersatzbuch erstellen" und 02.02050 "elektronische Datenlieferung") aufgewiesen. Dabei habe es sich nach Ansicht der Beschwerdeführerin um massive Unterpreise gehandelt, weil diese deutlich unter den von der Auftraggeberin geschätzten Auftragssummen gelegen seien und auf Grund vergleichbarer Erfahrungswerte betriebswirtschaftlich nicht erklär- und nachvollziehbar seien. Konkret sei der von der erstgereihten Mitwerberin in der Position 02.01050 "Anlagenersatzbuch erstellen" kalkulierte Zeitansatz nicht plausibel, weil diese Position die Messung (Erfassung) und Protokollierung der technischen Daten der im jeweiligen Gebiet verwendeten Leuchtkörper umfasse. Schon alleine für die Protokollierung der zunächst zu erfassenden Daten müsse nach Ansicht der Beschwerdeführerin ein Zeitaufwand von 30 Minuten pro Einheit angesetzt werden, zumal der Auftragnehmer nach dem Elektrotechnikgesetz auch für die Vollständigkeit und Richtigkeit der erfassten Daten hafte.

Aber auch der Preis für die Position 02.02050 "elektronische Datenlieferung" sei im Angebot der präsumtiven Zuschlagsempfängerin nicht plausibel, weil diese Position die elektronische Erfassung des Ist-Bestandes umfasse und diese Leistung überaus umfangreich sei, zumal dabei von der Auftraggeberin immerhin die elektronische Datenerfassung von mehreren 100 Informationen pro Straße verlangt werde. Alleine der Positionspreis, der nach Ansicht der Beschwerdeführerin für die letztgenannten Arbeiten angemessen wäre, werde sogar durch den Gesamtpreis der präsumtiven Zuschlagsempfängerin unterschritten, sodass letzterer nach Auffassung der Beschwerdeführerin als äußerst spekulativ anzusehen sei und einer vertieften Angebotsprüfung hätte unterzogen werden müssen. Entsprechendes gelte auch für das Angebot der zweitgereihten Bieterin.

Zu diesem Vorbringen in den Nachprüfungsanträgen stellte die belangte Behörde nach Einholung einer Stellungnahme der Auftraggeberin und Durchführung einer mündlichen Verhandlung fest, dass die Auftraggeberin im Vergabeverfahren die Angebote der an erster und zweiter Stelle gereihten Bieter - entgegen dem Vorbringen der Beschwerdeführerin - sehr wohl einer vertieften Angebotsprüfung unterzogen habe. Lediglich das Angebot der drittgereihten Beschwerdeführerin sei keiner weiteren Überprüfung unterzogen worden, weil die Auftraggeberin, wie erwähnt, der Auffassung gewesen sei, dass dieses Angebot auszuscheiden gewesen sei. Aus der Niederschrift der Auftraggeberin über die Prüfung des Angebotes der präsumtiven Zuschlagsempfängerin ergebe sich zwar, dass die Auftraggeberin "ungewöhnliche Abweichungen zur Kostenschätzung festgestellt" habe. Die Auftraggeberin habe aber die Preise der präsumtiven Zuschlagsempfängerin letztlich deshalb für plausibel und angemessen erachtet, weil diese Bieterin schon im Rahmen gleichartiger Aufträge für die Auftraggeberin tätig gewesen sei und daher den Arbeitsaufwand sehr konkret schätzen und knapp kalkulieren habe können.

Hinsichtlich der Ausschreibung stellte die belangte Behörde fest, dass diese unangefochten geblieben sei und gab die beiden im Nachprüfungsantrag angesprochenen Leistungspositionen der Ausschreibung auszugsweise wie folgt wieder (Hervorhebungen durch den Verwaltungsgerichtshof):

"02.01 Z Prüfung der elektrischen Betriebssicherheit Anlagenprüfung laut ÖVE/ÖNORM E 8001-6-61 bis E 8001-6-63

Die Arbeiten umfassen:

.....

.....

.....

40,00 VE

.....

02.01030 Z Anlagenersatzbuch erstellen > = 5 LP < 15 LP

Erstellen des Anlagenersatzbuches ab 6 Lichtpunkte bis 14

Lichtpunkte pro Kabelabgang.

.....

.....

.....

90,00 VE

.....

02.01050 Z Anlagenersatzbuch erstellen > = 15 LP

Erstellen des Anlagenersatzbuches ab 15 Lichtpunkte pro

Kabelabgang.

.....

.....

.....

220,00 VE

.....

02.02 Z Anlagendokumentation

Im Zuge der Anlageninspektion

02.02050 Z Elektronische Datenlieferung

Die Position gliedert sich in folgende Gruppen:

.....

.....

.....

220,00 VE

.....

..."

Unter Bezugnahme auf das zitierte Leistungsverzeichnis und das Vorbringen in der mündlichen Verhandlung vom 3. Oktober 2006 setzte sich die belangte Behörde mit dem Vorbringen der Beschwerdeführerin auseinander, wonach die Auftraggeberin die Angebote der erst- und zweitgereihten Mitbewerber wegen unplausibler Preisgestaltung hätte ausscheiden müssen. Es treffe zwar zu, dass die Preise der Beschwerdeführerin in der Leistungsgruppe 02 "um ein Mehrfaches" über den Preisen der beiden vor ihr gereihten Mitbewerber gelegen seien. Dies sei aber - so der Kern der Begründung der belangten Behörde - darauf zurückzuführen, dass die Beschwerdeführerin in den beiden von ihr angesprochenen Positionen von einem Leistungsumfang ausgegangen sei, der nach der Ausschreibung so nicht gefordert gewesen sei. Zwar verlange die Position 02.01 des Leistungsverzeichnisses die Anlagenüberprüfung laut ÖNORM, die ihrerseits vorschreibe, wie die Prüfung durchzuführen und zu dokumentieren sei. Die Auftraggeberin habe es allerdings - so die belangte Behörde erkennbar unter Bezugnahme auf das Vorbringen in der Verhandlung - für ausreichend erachtet, eine "vereinfachte Messmethode" anzuwenden (nämlich anstelle einer Spannungsmessung an allen Straßenleuchten lediglich eine Leckstrommessung am Schaltbock und eine Erdungsmessung an der Lichtstelle). Dem gegenüber habe die Beschwerdeführerin ihr Angebot unter der Position 02.01 unter der unzutreffenden Annahme erstellt, dass an jeder Leuchte sowohl eine Spannungs- als auch eine Erdungsmessung vorgenommen werden müsse, was in ihrem Angebot naturgemäß zu wesentlich höheren Positionspreisen geführt habe.

Auch hinsichtlich der Leistungsposition 02.02 ("Anlagendokumentation") sei die Beschwerdeführerin von einem nach der Ausschreibung nicht verlangten Leistungsumfang ausgegangen, weil sie angenommen habe, sie müsse - sämtliche - bestehende Daten, die sie von der Auftraggeberin erhalte, überprüfen. Dem gegenüber habe der Auftragnehmer aber, so die belangte Behörde weiter, eine Überprüfung und Dokumentation nur jener bestehenden Daten vorzunehmen, die aus Anlass der konkreten Tätigkeit erhoben worden seien.

Zusammengefasst sei die Beschwerdeführerin davon ausgegangen, dass Leistungen zu erbringen seien, die in diesem Umfang nicht verlangt gewesen seien. Die Auftraggeberin habe daher nach dem Gesagten davon ausgehen können, dass sich der Unterschied zwischen den Positionspreisen einerseits der Beschwerdeführerin und andererseits der erst- und zweitgereihten Bieter nicht auf Grund unplausibel niedriger Preise der letztgenannten, sondern auf Grund zu hoher Positionspreise der Beschwerdeführerin ergeben habe. Damit seien die Angebote der Beschwerdeführerin in den fünf genannten Vergabeverfahren zu Recht an dritter Stelle gereiht und die Beschwerdeführerin daher durch die Zuschlagsentscheidungen nicht in Rechten verletzt worden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, zu der die belangte Behörde die Verwaltungsakten vorgelegt und, ebenso wie die mitbeteiligte Auftraggeberin, eine Gegenschrift erstattet hat.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrer Beschwerde im Recht auf Nichterklärung der Zuschlagsentscheidungen vom 10. August 2006 sowie im Recht, die von ihr entrichteten Pauschalgebühren für die gegenständlichen Nachprüfungsanträge nicht selbst tragen zu müssen, verletzt.

Die Beschwerdeführerin bekämpft in der Beschwerde zusammengefasst die Rechtsansicht der belangten Behörde, wonach die Auftraggeberin von der Angemessenheit der Preise der Angebote der erst- und zweitgereihten Bieter ausgehen habe dürfen. Vielmehr hätte die Auftraggeberin nach Ansicht der Beschwerdeführerin die fehlende Plausibilität der Preise der vor ihr gereihten Bieter feststellen müssen, weil diese Preise gerade nicht anhand des in der Praxis üblichen Leistungsumfanges (wie ihn die Auftraggeberin in der Verhandlung in Form der "vereinfachten Messmethode" beschrieben habe), sondern ausschließlich anhand des ausgeschriebenen Leistungsumfanges (dieser werde im Leistungsverzeichnis ausdrücklich durch die dort angeführte ÖNORM vorgegeben) auf ihre Angemessenheit zu beurteilen seien. Dies gelte auch für die Preisposition 02.02050, weil in der Leistungsbeschreibung kein Hinweis enthalten sei, dass die dort vorgesehene Überprüfung nur jene Leuchten erfassen solle, an denen der Auftragnehmer eine konkrete Tätigkeit erbracht habe. Die belangte Behörde habe daher übersehen, dass die Auftraggeberin bei der Überprüfung der Angemessenheit der Preise der erst- und zweitgereihten Bieter nicht vom ausgeschriebenen Leistungsumfang ausgegangen sei. Wäre die Auftraggeberin aber bei der Preisüberprüfung in rechtmäßiger Weise von dem in der Ausschreibung verlangten Leistungsumfang und nicht von einem reduzierten Leistungsumfang ausgegangen, so hätte sich ergeben, dass die Preise der erst- und zweitgereihten Bieter unangemessen niedrig und deren Angebote daher auszuscheiden gewesen wären, sodass die Zuschlagsentscheidung zu Gunsten des erstgereihten Bieters rechtswidrig gewesen sei.

Die maßgebenden Bestimmungen des BVergG 2006 lauten:

"Prüfung der Angemessenheit der Preise - vertiefte Angebotsprüfung

§ 125. (1) Die Angemessenheit der Preise ist in Bezug auf die ausgeschriebene oder alternativ angebotene Leistung und unter Berücksichtigung aller Umstände, unter denen sie zu erbringen sein wird, zu prüfen.

(2) Bei der Prüfung der Angemessenheit der Preise ist von vergleichbaren Erfahrungswerten, von sonst vorliegenden Unterlagen und von den jeweils relevanten Marktverhältnissen auszugehen.

(3) Der Auftraggeber muss Aufklärung über die Positionen des Angebotes verlangen und gemäß Abs. 4 und 5 vertieft prüfen, wenn

1. Angebote einen im Verhältnis zur Leistung ungewöhnlich niedrigen Gesamtpreis aufweisen,

2. Angebote zu hohe oder zu niedrige Einheitspreise in wesentlichen Positionen gemäß § 80 Abs. 4 aufweisen, oder

3. nach Prüfung gemäß Abs. 2 begründete Zweifel an der Angemessenheit von Preisen bestehen.

(4) Bei einer vertieften Angebotsprüfung ist zu prüfen, ob die Preise betriebswirtschaftlich erklär- und nachvollziehbar sind. Geprüft werden kann insbesondere, ob

1. im Preis aller wesentlichen Positionen alle direkt zuordenbaren Personal-, Material-, Geräte-, Fremdleistungs- und Kapitalkosten enthalten sind und ob die Aufwands- und Verbrauchsansätze nachvollziehbar sind;

2. der Einheitspreis (Pauschalpreis, Regiepreis) für höherwertige Leistungen grundsätzlich höher angeboten wurde als für geringerwertige Leistungen;

3. die gemäß § 97 Abs. 3 Z 3 geforderte oder vom Bieter gemäß § 109 Abs. 2 vorgenommene Aufgliederung der Preise oder des Gesamtpreises (insbesondere der Lohnanteile) aus der Erfahrung erklärbar ist.

(5) Im Zuge der vertieften Angebotsprüfung muss der Auftraggeber vom Bieter eine verbindliche schriftliche - bei minder bedeutsamen Unklarheiten auch mündliche oder telefonische - Aufklärung verlangen. Die anschließende Prüfung hat unter Berücksichtigung der eingegangenen Erläuterungen bzw. der vom Bieter allenfalls vorgelegten Nachweise zu erfolgen. Der Auftraggeber hat insbesondere Erläuterungen in Bezug auf die Wirtschaftlichkeit des gewählten Fertigungs- oder Bauverfahrens bzw. der Erbringung der Dienstleistung, die gewählten technischen Lösungen, außergewöhnlich günstige Bedingungen, über die der Bieter bei der Erbringung der Leistung verfügt, die Originalität der vom Bieter angebotenen Leistung, die am Ort der Leistungserbringung geltenden arbeits- und sozialrechtlichen Bestimmungen oder die etwaige Gewährung einer staatlichen Beihilfe an den Bieter bei der Überprüfung entsprechend zu berücksichtigen. Die vom Bieter erteilten Auskünfte sind der Niederschrift über die Prüfung der Angebote beizuschließen. Sofern der geschätzte Auftragswert 120 000 Euro nicht erreicht, kann von der Vorgehensweise gemäß diesem Absatz abgesehen werden.

(6) Stellt der Auftraggeber bei einem Vergabeverfahren im Oberschwellenbereich fest, dass ein Angebotspreis im Verhältnis zur Leistung ungewöhnlich niedrig ist, weil der betreffende Bieter eine staatliche Beihilfe erhalten hat, so darf er das Angebot allein aus diesem Grund nur dann ausscheiden, wenn der Bieter nach Aufforderung durch den Auftraggeber nicht innerhalb einer vom Auftraggeber festgesetzten angemessenen Frist nachweisen kann, dass die betreffende Beihilfe rechtmäßig gewährt wurde. Sofern ein Auftraggeber aus diesem Grund ein Angebot ausscheidet, hat er dies der Kommission im Wege des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit bekannt zu geben.

Ausscheiden von Angeboten

§ 129. (1) Vor der Wahl des Angebotes für die Zuschlagsentscheidung hat der Auftraggeber auf Grund des Ergebnisses der Prüfung folgende Angebote auszuscheiden:

...

3. Angebote, die eine - durch eine vertiefte Angebotsprüfung festgestellte - nicht plausible Zusammensetzung des Gesamtpreises (zB spekulative Preisgestaltung) aufweisen;

..."

Voranzustellen ist, dass die belangte Behörde zunächst die Frage, ob die Angebote der Beschwerdeführerin auszuscheiden waren, zutreffend als Vorfrage geprüft hat (vgl. das bereits zitierte hg. Erkenntnis Zl. 2006/04/0173), wobei sie zu dem Ergebnis gelangte, dass die Ausscheidung nicht rechtens gewesen und die Beschwerdeführerin daher legitimiert sei, die Zuschlagsentscheidungen zu bekämpfen.

Bei der Frage der Rechtmäßigkeit der Zuschlagsentscheidungen in den fünf Vergabeverfahren geht es nach dem Beschwerdevorbringen im Wesentlichen darum, ob die belangte Behörde im Zuge des Nachprüfungsverfahrens zu dem Ergebnis gelangen musste, dass die Auftraggeberin die Angemessenheit der Preise der Angebote der erst- und zweitgereihten Bieter im Rahmen der vertieften Angebotsprüfung nicht rechtskonform beurteilt hat.

In diesem Zusammenhang ist zunächst festzuhalten, dass es gemäß § 125 BVergG 2006 Aufgabe des Auftraggebers ist, die Angemessenheit der Preise (gegebenenfalls im Rahmen einer vertieften Angebotsprüfung) zu beurteilen.

Zur Aufgabe der Vergabekontrollbehörde hat der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 15. September 2004, Zl. 2004/04/0032, zur Rechtslage des BVergG 2002 (die insoweit, was die Kriterien für die Prüfung der Angemessenheit der Preise betrifft, vergleichbar ist) ausgeführt, dass die Behörde nicht nur zu prüfen hat, ob die betriebswirtschaftliche Erklär- und Nachvollziehbarkeit von sachkundigen Personen auf Grund ausreichend detaillierter Unterlagen geprüft worden ist. Vielmehr hat die Vergabekontrollbehörde nach dem zitierten Erkenntnis - ebenso wie der Auftraggeber bei der vertieften Angebotsprüfung - unter Berücksichtigung der auch dem Auftraggeber zur Verfügung gestandenen Unterlagen die Preisgestaltung auf ihre betriebswirtschaftliche Erklär- und Nachvollziehbarkeit zu prüfen, wobei im Einzelnen die in den Z. 1 bis 3 des § 93 Abs. 4 BVergG 2002 (nunmehr: § 125 Abs. 4 Z. 1 bis 3 BVergG 2006) genannten Kriterien maßgeblich sind. Da es sich hiebei, so der Verwaltungsgerichtshof im zitierten Erkenntnis weiter, um eine Plausibilitätsprüfung handelt, muss zweifellos nicht die gesamte Kalkulation des Bieters minutiös nachvollzogen, sondern nur - grob - geprüft werden, ob ein seriöser Unternehmer die angebotenen Leistungen zu den angebotenen Preisen erbringen kann.

Ausgehend davon hatte die belangte Behörde im vorliegenden Fall zuerst zu prüfen, ob die Auftraggeberin die Angemessenheit der Preise der erst- und zweitgereihten Bieter überhaupt nach den richtigen Kriterien beurteilt hat. Die Angemessenheit der Preise ist nämlich gemäß § 125 Abs. 1 BVergG 2006 einerseits in Bezug auf die ausgeschriebene oder alternativ angebotene Leistung und andererseits unter Berücksichtigung aller Umstände, unter denen sie zu erbringen sein wird, zu prüfen. Da es im vorliegenden Fall um kein Alternativangebot geht, war die Preisangemessenheit zufolge § 125 Abs. 1 BVergG 2006 jedenfalls in Bezug auf die "ausgeschriebene" Leistung zu beurteilen und nicht etwa in Bezug auf einen (aus der Ausschreibung nicht hervorgehenden) bloß eingeschränkten Leistungsumfang.

Die ausgeschriebene Leistung ergibt sich, soweit gegenständlich relevant, aus dem wiedergegebenen Leistungsverzeichnis, das bei der Prüfung der elektrischen Betriebssicherheit (Position 02.01) die "Anlagenprüfung laut ÖVE-ÖNORM E 8001-6-61 bis E 8001-6-63" verlangt, wobei auch die "Messung" nach der genannten ÖNORM durchzuführen ist.

Dem gegenüber ist die belangte Behörde davon ausgegangen, es sei eine "vereinfachte Messmethode" ausreichend, sodass die Frage der Angemessenheit der Preise in Bezug auf diese vereinfachte Messmethode zu beurteilen sei. Diese Annahme hat die belangte Behörde offensichtlich aus dem Vorbringen der Auftraggeberin in der mündlichen Verhandlung vom 3. Oktober 2006 übernommen, in der diese angegeben hat, ein "renommierter Ziviltechniker" habe ihr gesagt, "dass es genügen müsste", die vereinfachte Messmethode anzuwenden. Über Vorhalt eines an der gegenständlichen Entscheidung mitwirkenden Mitgliedes der belangten Behörde, dass in den Ausschreibungen kein Hinweis auf die sogenannte vereinfachte Messmethode enthalten sei, erklärte die Auftraggeberin in der Verhandlung (Niederschrift Seite 8), dass die Ausschreibungsunterlagen deshalb keinen diesbezüglichen Hinweis enthalten hätten, "weil jeder, der die verlangten Leistungen kennt, weiß, was zu messen ist" (womit die mitbeteiligte Auftraggeberin offenbar verkannt hat, dass sich die zu erbringenden Leistungen nach der Ausschreibung richten und nicht nach den individuellen Kenntnissen einzelner Bieter).

Indem daher gegenständlich die Auftraggeberin - und ihr folgend die belangte Behörde - die Angemessenheit der Preise der erst- und zweitgereihten Bieter (diese stellten sogar nach den Angaben der Auftraggeberin "ungewöhnliche Abweichungen zur Kostenschätzung" dar; vgl. angefochtener Bescheid Seite 14) nicht entsprechend § 125 Abs. 1 BVergG 2006 in Bezug auf die "ausgeschriebenen" Leistungen geprüft hat (was zunächst Feststellungen erfordert hätte, in welchem Umfang die einschlägigen ÖNORMEN, auf die in der Ausschreibung verwiesen wird, eine Anlagenprüfung vorsehen), hat die belangte Behörde die Rechtslage verkannt.

Gleiches gilt auch für die Prüfung der Angemessenheit des Preises der Position 02.02050, weil in dieser Position nach dem eindeutigen Wortlaut eine "Überprüfung der aufgelisteten Objekte" verlangt wird. Wenn die belangte Behörde dem gegenüber (Bescheid Seite 23) davon ausgeht, dass die Überprüfungstätigkeit nur jene Objekte zu erfassen habe, an denen der Auftragnehmer eine konkrete Tätigkeit verrichtet habe, so findet sich für diese Annahme in der betreffenden Position des Leistungsverzeichnisses keine Grundlage.

Die belangte Behörde hat somit verkannt, dass die Auftraggeberin bei der Beurteilung der Angemessenheit der Preise nicht von den Kriterien des § 125 BVergG 2006 ausgegangen ist. Der angefochtene Bescheid erweist sich daher in den bezeichneten Spruchpunkten als inhaltlich rechtswidrig und war deshalb gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG im genannten Umfang aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am 5. November 2010

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