VwGH 2005/13/0101

VwGH2005/13/010129.9.2010

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Heinzl und die Hofräte Dr. Fuchs, Dr. Nowakowski, Dr. Pelant und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Unger, über die Beschwerde des B in W, des S in K und des J in W als Gesellschafter der B & Mitgesellschafter Gesellschaft bürgerlichen Rechtes in N, vertreten durch Pistotnik Rechtsanwaltsgesellschaft m.b.H. in 1010 Wien, Rotenturmstraße 25/11, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom 1. Juni 2005, Zl. RV/1231-W/02, betreffend Zurückweisung einer Berufung, zu Recht erkannt:

Normen

BAO §273;
BAO §276;
VwRallg;
BAO §273;
BAO §276;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.

Der Bund hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von insgesamt EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Die Beschwerdeführer erhoben mit Schriftsatz vom 10. März 1997 Berufung gegen Bescheide, die ihnen im Dezember 1996 und im Jänner 1997 zugestellt worden waren.

Das Finanzamt wies die Berufung mit Bescheid vom 8. August 1997 als verspätet zurück, wogegen die Beschwerdeführer mit dem Vorbringen, sie hätten jeweils fristgerecht eine Mehrzahl aufeinander folgender Anträge auf Verlängerung der Berufungsfrist gestellt, Berufung erhoben.

Das Finanzamt gab dieser Berufung mit Berufungsvorentscheidung vom 22. Oktober 1998 statt und hob den Zurückweisungsbescheid auf.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 1. Juni 2005 wurde die Berufung gegen die im Dezember 1996 bzw. Jänner 1997 zugestellten Bescheide abermals, diesmal von der belangten Behörde, zurückgewiesen. Sie führte aus, nur ein Teil der Fristverlängerungsanträge sei seinerzeit tatsächlich eingelangt. Das Risiko für das Nichteinlangen zur Post gegebener Eingaben trage der Absender, weshalb die Berufung als verspätet zurückzuweisen sei.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:

Die Beschwerdeführer verweisen mit Recht auf das hg. Erkenntnis vom 5. Februar 1992, 91/13/0195. Im damals entschiedenen Fall war einer Finanzlandesdirektion, die einen Vorlageantrag als verspätet zurückgewiesen hatte, vom Verwaltungsgerichtshof zunächst entgegen gehalten worden, dass dies - nach damaliger Rechtslage - nur der Abgabenbehörde erster Instanz zustehe. Es sei jedoch "überdies" auch der Vorwurf der entschiedenen Sache berechtigt, weil (auch) die Abgabenbehörde erster Instanz den Vorlageantrag zunächst als verspätet zurückgewiesen, diese Zurückweisung aufgrund einer dagegen erhobenen Berufung aber mit Berufungsvorentscheidung aufgehoben gehabt habe. Diese Berufungsvorentscheidung wirke wie eine Entscheidung über die Berufung und stehe einer neuerlichen Zurückweisung wegen Verspätung entgegen, weil in dieser Sache, nämlich über die Rechtzeitigkeit des Antrages, bereits rechtskräftig entschieden sei.

Letzteres gilt - unabhängig von der damals vorrangigen Begründung, die Zurückweisung stehe nur der Abgabenbehörde erster Instanz zu - im vorliegenden Fall für die Rechtzeitigkeit der Berufung. Die stattgebende Berufungsvorentscheidung über die Berufung gegen die Zurückweisung wegen Verspätung erledigte diese Frage mit der gleichen Wirkung, die eine stattgebende Entscheidung durch die Berufungsbehörde selbst gehabt hätte. Wenn die belangte Behörde in der Gegenschrift auf ihre "volle Tatsachen- und Rechtskognition" verweist, so ist dem entgegen zu halten, dass dieser durch schon vorliegende rechtskräftige Entscheidungen auch dann Grenzen gesetzt sind, wenn es sich dabei um unbekämpft gebliebene Berufungsvorentscheidungen der Abgabenbehörde erster Instanz handelt. Auch ein Widerspruch zur "Systematik der Bestimmung des § 289 Abs. 1 BAO zu jener des zweiten Absatz(es)" liegt nicht vor, weil über die in § 289 Abs. 1 erster Satz BAO angesprochene Frage, ob die Berufung gemäß § 273 BAO zurückzuweisen ist, in Bezug auf die Einhaltung der Berufungsfrist im vorliegenden Fall eben schon eine rechtskräftige Entscheidung vorliegt.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 2 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008. Das auf zusätzlichen Ersatz von Umsatzsteuer aus dem Schriftsatzaufwand gerichtete Mehrbegehren findet in diesen Vorschriften keine Deckung.

Wien, am 29. September 2010

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