VwGH 2009/22/0223

VwGH2009/22/022322.9.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Heinzl und die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Merl und den Hofrat Dr. Lukasser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde des Y, vertreten durch Dr. Martin Dellasega und Dr. Max Kapferer, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Schmerlingstraße 2/2, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol vom 9. Juli 2009, Zl. E1/14706/09, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:

Normen

FrPolG 2005 §53 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs2;
EMRK Art8;
NAG 2005 §43 Abs2;
NAG 2005 §44 Abs3;
NAG 2005 §44b Abs2;
NAG 2005 §44b Abs3;
FrPolG 2005 §53 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs2;
EMRK Art8;
NAG 2005 §43 Abs2;
NAG 2005 §44 Abs3;
NAG 2005 §44b Abs2;
NAG 2005 §44b Abs3;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wies die belangte Behörde den Beschwerdeführer, einen türkischen Staatsangehörigen, gemäß §§ 53 Abs. 1, 66 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) aus dem Bundesgebiet aus.

Begründend führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer sei in einem Lkw versteckt am 21. Oktober 2002 unrechtmäßig in das Bundesgebiet eingereist. Er sei anschließend bei der Schwarzarbeit betreten und in Schubhaft genommen worden. Am 22. Oktober 2002 sei gegen ihn ein für die Dauer von fünf Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen worden. Während der Anhaltung in Schubhaft habe der Beschwerdeführer am 23. Oktober 2002 einen Asylantrag gestellt. Da ihm das Bundesasylamt in der Folge eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung erteilt habe, sei er am 2. Dezember 2002 aus der Schubhaft entlassen worden.

Während des Asylverfahrens habe der Beschwerdeführer zeitweise "behördlich erlaubt" als Hilfsarbeiter im Gastgewerbe gearbeitet. Im Bundesgebiet lebten Verwandte von ihm (eine Schwester, ein Bruder, ein Onkel mit Ehefrau, ein weiterer Onkel, eine Tante und ein Cousin), die ihn finanziell unterstützt und ihm Unterkunft gewährt hätten. Derzeit lebe der Beschwerdeführer bei seinem Onkel und dessen Familie in A. Der Beschwerdeführer sei ledig und für niemanden sorgepflichtig. Sein Asylverfahren sei "mit 6.2.2009 rechtskräftig negativ abgeschlossen worden". Dennoch habe der Beschwerdeführer das Bundesgebiet bislang nicht verlassen.

In ihrer rechtlichen Beurteilung führte die belangte Behörde zur Zulässigkeit der Ausweisung nach § 66 FPG aus, es bestehe ein großes öffentliches Interesse daran, dass sich Fremde rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten. Es sei daher zur Erreichung des in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zieles des Schutzes der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremden- und Einwanderungswesens dringend geboten, dass der sich seit 6. Februar 2009 rechtswidrig im Bundesgebiet aufhaltende Beschwerdeführer das Bundesgebiet verlasse. Ebenso sei dies zur Verhinderung (weiterer) strafbarer Handlungen, insbesondere im Hinblick auf die Strafbarkeit des rechtswidrigen Aufenthalts des Beschwerdeführers, notwendig. Die persönlichen Interessen des Beschwerdeführers wögen höchstens gleich schwer wie die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung einer Ausweisung. Der Beschwerdeführer halte sich zwar seit fast sieben Jahren im Bundesgebiet auf, wobei dieser Aufenthalt großteils rechtmäßig gewesen sei, jedoch sei dieser von vornherein lediglich auf vorübergehende Dauer, nämlich für die Dauer des Asylverfahrens, angelegt gewesen. Über ein Familienleben im Sinn des Art. 8 EMRK verfüge der Beschwerdeführer nicht. Er sei volljährig, ledig und für niemanden sorgepflichtig. Weiters sei zu berücksichtigen, dass der Beschwerdeführer der Dauer und der Art seines Aufenthalts entsprechend integriert sei. Es bestünden intensive Bindungen zu Verwandten im Zillertal. Der Beschwerdeführer sei auch selbsterhaltungsfähig. Er spreche gut Deutsch und habe sich dahingehend sozial integriert, als er über österreichische Bekannte und Freunde verfüge. Am Arbeitsmarkt sei er insofern nicht integriert, als er bisher als Asylwerber über "Saisonbeschäftigungen (im Gastgewerbe) nicht hinausgekommen" sei. Daran vermöge nichts zu ändern, dass die Arbeitgeber mit dem Beschwerdeführer zufrieden gewesen seien. Die Eltern und zahlreiche Geschwister des Beschwerdeführers lebten in der Türkei. Intensive Bindungen des Beschwerdeführers dorthin seien nicht mehr gegeben. Jedoch liege das Verlassen der Türkei noch nicht so lange zurück, dass sich der Beschwerdeführer mit den dortigen Gegebenheiten nicht mehr zurechtfinden könnte. Im Asylverfahren sei entschieden worden, dass der Beschwerdeführer ohne Gefahr für ihn in die Türkei zurückkehren könne. Die belangte Behörde gehe zwar nicht davon aus, dass der Asylantrag von Beginn an unberechtigt oder sogar mutwillig gestellt worden sei, jedoch würde die Beurteilung der Kriterien des § 66 Abs. 2 FPG "insgesamt nicht zu (seinem) Vorteil ins Gewicht" fallen.

Das Privatleben des Beschwerdeführers, der strafrechtlich unbescholten sei, sei in einem Zeitraum entstanden, in dem sowohl er als auch alle Beteiligten sich seines unsicheren Aufenthaltsstatus infolge Anhängigkeit des Asylverfahrens bewusst gewesen seien oder jedenfalls hätten bewusst sein müssen. Der Beschwerdeführer habe die durch die Ausweisung entstehenden Unannehmlichkeiten sohin im öffentlichen Interesse eines geordneten Fremden- und Einwanderungswesens in Kauf zu nehmen. Dieses habe nämlich "einen sehr großen öffentlichen Stellenwert" und "großes öffentliches Gewicht". Vor dem Hintergrund der festgestellten Umstände sei es auch nicht möglich gewesen, von der Erlassung der Ausweisung im Rahmen des von der Behörde zu übenden Ermessens Abstand zu nehmen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde erwogen:

Unter der Überschrift "Ausweisung Fremder ohne Aufenthaltstitel" ordnet § 53 Abs. 1 FPG an, dass Fremde mit Bescheid ausgewiesen werden können, wenn sie sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten. Die Beschwerde stellt nicht in Abrede, dass das Asylverfahren des Beschwerdeführers rechtskräftig beendet ist. Ihr sind auch keine Behauptungen zu entnehmen, dass eine der Voraussetzungen für einen rechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet gemäß § 31 Abs. 1 FPG - insbesondere die Erteilung eines Aufenthaltstitels - beim Beschwerdeführer vorläge. Es bestehen somit keine Bedenken gegen die behördliche Annahme, der Ausweisungstatbestand des § 53 Abs. 1 FPG sei im vorliegenden Fall verwirklicht.

Würde durch eine Ausweisung in das Privat- oder Familienleben eines Fremden eingegriffen, so ist sie gemäß § 66 Abs. 1 FPG nur dann zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Nach § 66 Abs. 2 FPG sind bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK insbesondere zu berücksichtigen: 1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthalts und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war; 2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens; 3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens; 4. der Grad der Integration; 5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden; 6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit; 7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts; 8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren. Bei der Entscheidung über eine Ausweisung ist der Behörde Ermessen eingeräumt.

Entgegen der vom Beschwerdeführer vertretenen Ansicht hat die belangte Behörde alle jene Umstände, die in der Beschwerde zu seinen Gunsten ins Treffen geführt werden, bei der Interessenabwägung nach § 66 FPG berücksichtigt. Die vom Beschwerdeführer gerügten Ermittlungsmängel liegen somit nicht vor.

Die belangte Behörde verwies aber auch zutreffend auf das große öffentliche Interesse an der Einhaltung fremdenrechtlicher Vorschriften, gegen das der Beschwerdeführer dadurch verstoßen hat, dass er nach Abschluss seines Asylverfahrens und nach Ablauf seiner ihm nach asylrechtlichen Vorschriften zugekommenen vorläufigen Aufenthaltsberechtigung Österreich nicht verlassen hat. Entgegen dem Beschwerdevorbringen machte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer weder die lange Dauer des Asylverfahrens noch den Umstand, dass er einen von Anfang an unberechtigten Asylantrag gestellt hätte, zum Vorwurf. Ungeachtet dessen hat sich der Asylantrag des Beschwerdeführers letztlich als unberechtigt herausgestellt. Dass sich der Beschwerdeführer Hoffnungen machte, sein Asylbegehren werde dennoch bewilligt werden, vermag daran nichts zu ändern. Dem Vorbringen zur Integration des Beschwerdeführers in Österreich während seines mehrjährigen Aufenthalts hielt die belangte Behörde zu Recht entgegen, dass der Aufenthaltsstatus des Beschwerdeführers während seines gesamten Aufenthalts als unsicher anzusehen und seit Beendigung des Asylverfahrens unrechtmäßig war.

Auch kann der Ansicht der belangten Behörde, der Beschwerdeführer sei seinem Heimatland nicht derart entfremdet, dass er sich dort im Falle seiner Rückkehr nicht mehr zurechtfinden könnte, nicht mit Erfolg entgegengetreten werden, zumal der Beschwerdeführer vor seiner Einreise in das Bundesgebiet bis zu seinem 22. Lebensjahr in der Türkei gelebt hat. Im Übrigen wird in der Beschwerde zugestanden, dass auch die Eltern und Geschwister des Beschwerdeführers in der Türkei leben.

Die geltend gemachten und die in einem mängelfreien Verfahren festgestellten, oben wiedergegebenen Umstände reichen somit auch in Verbindung mit der Aufenthaltsdauer nicht aus, dass unter dem Gesichtspunkt des Art. 8 EMRK oder des Ermessens von einer Ausweisung hätte Abstand genommen und akzeptiert werden müssen, dass der Beschwerdeführer mit seinem Verhalten (unrechtmäßiger Verbleib im Bundesgebiet nach negativer Beendigung des Asylverfahrens) versucht, vollendete Tatsachen zu schaffen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 9. Juli 2009, 2009/22/0178).

Die Beurteilung der belangten Behörde, die persönlichen Interessen des Beschwerdeführers am Verbleib im Bundesgebiet seien nicht derart gewichtig, dass sie die Erlassung der Ausweisung unzulässig machen würden, ist somit nicht zu beanstanden.

Soweit der Beschwerdeführer noch meint, es hätte "das Bleiberecht" geprüft werden müssen, so ist er darauf hinzuweisen, dass gemäß § 44b Abs. 3 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) selbst Anträge nach den §§ 43 Abs. 2 sowie 44 Abs. 3 und 4 NAG kein Aufenthalts- oder Bleiberecht nach diesem Bundesgesetz begründen (vgl. im Übrigen auch die Verfahrensbestimmung des § 44b Abs. 2 NAG).

Zusammenfassend kann der belangten Behörde somit nicht entgegengetreten werden, wenn sie bei einer Gesamtbetrachtung der Umstände des vorliegenden Falles die Ausweisung des Beschwerdeführers für zulässig erachtete.

Die Beschwerde war daher gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 22. September 2009

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