VwGH 2009/22/0073

VwGH2009/22/007322.9.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Heinzl und die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Merl und den Hofrat Dr. Lukasser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde des E, vertreten durch Dr. Herbert Pochieser, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Schottenfeldgasse 2-4/II/23, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Inneres vom 4. August 2008, Zl. 119.449/34-III/4/08, betreffend Aufenthaltstitel, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §13 Abs3;
NAG 2005 §19 Abs1;
NAG 2005 §19 Abs2 zweiter Satz;
VwGG §30 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
AVG §13 Abs3;
NAG 2005 §19 Abs1;
NAG 2005 §19 Abs2 zweiter Satz;
VwGG §30 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wies die belangte Behörde einen Antrag des Beschwerdeführers, eines türkischen Staatsangehörigen, auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 19 Abs. 1 und 2 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) zurück.

Begründend führte die belangte Behörde aus, der gegenständliche Antrag sei am 25. April 2008 durch den rechtsfreundlichen Vertreter des Beschwerdeführers per Post bei der erstinstanzlichen Behörde eingebracht worden. Da der Beschwerdeführer keine Unterlagen vorgelegt habe, aus denen hervorgehe, dass er handlungsunfähig und aus diesem Grund nicht zur persönlichen Antragstellung verpflichtet sei, sei dem gesetzlichen Erfordernis der persönlichen Antragstellung nach § 19 Abs. 1 NAG nicht entsprochen worden. Weiters sei es gemäß § 19 Abs. 2 NAG nicht zulässig, während eines anhängigen Verfahrens weitere Anträge nach diesem Bundesgesetz zu stellen. Da im Zeitpunkt der Erlassung des hier angefochtenen Bescheides vor dem Verwaltungsgerichtshof ein Beschwerdeverfahren hinsichtlich des Bescheides der Bundesministerin für Inneres vom 6. Juni 2006 betreffend Versagung einer Niederlassungsbewilligung anhängig sei, sei auch deswegen das Einbringen des hier gegenständlichen Antrages auf Erteilung eines Aufenthaltstitels unzulässig gewesen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen:

Der Beschwerdeführer bringt (unter anderem) vor, es handle sich bei den hier vor der belangten Behörde zur Antragszurückweisung herangezogenen Umständen um Formmängel. Im Falle solcher sei nach § 13 Abs. 3 AVG die Möglichkeit zur Verbesserung einzuräumen. Dies sei jedoch unterblieben. Weiters sei das von der belangten Behörde erwähnte frühere Verfahren nach dem NAG bereits rechtskräftig abgeschlossen worden. Im von der belangten Behörde angeführten Beschwerdeverfahren sei zudem vom Verwaltungsgerichtshof aufschiebende Wirkung nicht zuerkannt worden.

Bereits dieses Vorbringen führt die Beschwerde zum Erfolg.

Gemäß § 19 Abs. 1 NAG in der hier maßgeblichen Fassung vor der Novelle BGBl. I Nr. 29/2009 sind Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels persönlich bei der Behörde zu stellen. Soweit der Antragsteller nicht selbst handlungsfähig ist, hat den Antrag sein gesetzlicher Vertreter einzubringen. Nicht zulässig sind gemäß § 19 Abs. 2 zweiter Satz NAG Anträge, aus denen sich verschiedene Aufenthaltszwecke ergeben, das gleichzeitige Stellen mehrerer Anträge und das Stellen weiterer Anträge während eines anhängigen Verfahrens nach diesem Bundesgesetz.

Unstrittig hat der Beschwerdeführer dem Erfordernis des § 19 Abs. 1 erster Satz NAG infolge der durch seinen rechtsfreundlichen Vertreter per Post erfolgten Antragstellung nicht entsprochen. Ebenso unstrittig wurde dem Beschwerdeführer nicht gemäß § 13 Abs. 3 AVG die Gelegenheit gegeben, diesen Mangel zu beseitigen.

Der Beschwerdeführer rügt in der Beschwerde zutreffend, dass es sich bei der nicht persönlich erfolgten Antragstellung um einen der Verbesserung nach § 13 Abs. 3 AVG zugänglichen Formmangel handelt. Nach § 13 Abs. 3 AVG ermächtigen Mängel schriftlicher Anbringen die Behörde nicht zur Zurückweisung. Die Behörde hat vielmehr von Amts wegen unverzüglich deren Behebung zu veranlassen und kann dem Einschreiter die Behebung des Mangels innerhalb einer angemessenen Frist mit der Wirkung auftragen, dass das Anbringen nach fruchtlosem Ablauf dieser Frist zurückgewiesen wird. Wird der Mangel rechtzeitig behoben, so gilt das Anbringen als ursprünglich richtig eingebracht.

Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits mehrfach festgehalten, dass § 19 Abs. 1 erster Satz NAG ein Formalerfordernis begründet, dessen Missachtung nicht zur sofortigen Zurückweisung führen darf, sondern einer Verbesserung nach § 13 Abs. 3 AVG zugänglich ist. In diesem Zusammenhang wurde vom Verwaltungsgerichtshof auch bereits darauf hingewiesen, dass die - fristwahrende - Verbesserung in einer persönlichen Bestätigung der Antragstellung bei der erstinstanzlichen Behörde zu bestehen hat (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 27. Jänner 2009, 2008/22/0865, und vom 23. Oktober 2008, 2008/21/0212). Die - von der belangten Behörde im Berufungsverfahren gebilligte - auf § 19 Abs. 1 erster Satz NAG gegründete Antragszurückweisung, die ohne Durchführung des gebotenen Verbesserungsverfahrens erfolgte, erweist sich somit als rechtswidrig.

Die belangte Behörde unterliegt allerdings auch einem Rechtsirrtum, wenn sie davon ausgeht, dass das vor dem Verwaltungsgerichtshof anhängige Verfahren infolge eines früher gestellten Antrages des Beschwerdeführers auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 19 Abs. 2 zweiter Satz NAG ein Prozesshindernis begründet hätte. Die Einbringung einer Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof gegen einen letztinstanzlichen Bescheid einer Verwaltungsbehörde kann den Eintritt dessen formeller und materieller Rechtskraft nämlich grundsätzlich nicht hindern (vgl. § 30 Abs. 1 VwGG). Somit hatte die zu einem früher nach den NAG geführten Verfahren erfolgte Einbringung einer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof keine Auswirkungen auf den Abschluss des damaligen Verwaltungsverfahrens. Da weder dem angefochtenen Bescheid noch den Verwaltungsakten zu entnehmen ist, dass dieser Beschwerde aufschiebende Wirkung zuerkannt worden wäre, musste hier aber auch nicht weiter untersucht werden, ob eine solche nach § 19 Abs. 2 zweiter Satz NAG einer weiteren Antragstellung überhaupt entgegen gestanden wäre.

Der angefochtene Bescheid erweist sich bereits auf Grund der genannten Umstände als rechtswidrig. Sohin war es nicht mehr weiter erforderlich, auf das übrige Beschwerdevorbringen einzugehen.

Nach dem Gesagten war der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Von der Durchführung der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abgesehen werden.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am 22. September 2009

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