VwGH 2009/21/0344

VwGH2009/21/034422.12.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher, Dr. Pfiel und Mag. Eder als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Stelzl, über die Beschwerde des E, vertreten durch Dr. Tassilo Wallentin, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Gonzagagasse 14/10, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark vom 24. September 2009, Zl. E1/4235- 2009, betreffend Erlassung eines befristeten Rückkehrverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

FrPolG 2005 §60 Abs2 Z1;
FrPolG 2005 §62 Abs1;
FrPolG 2005 §62 Abs2;
FrPolG 2005 §62 Abs3;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs2 idF 2009/I/029;
EMRK Art8 Abs2;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z1;
FrPolG 2005 §62 Abs1;
FrPolG 2005 §62 Abs2;
FrPolG 2005 §62 Abs3;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs2 idF 2009/I/029;
EMRK Art8 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aufgrund der Beschwerde und der mit ihr vorgelegten Bescheidausfertigung ergibt sich Folgendes:

Der Beschwerdeführer, ein armenischer Staatsangehöriger, reiste am 19. Dezember 2003 illegal in das Bundesgebiet ein und hält sich seitdem in Österreich auf; er ist Asylwerber.

Mit dem im Instanzenzug ergangenen, vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen (im zweiten Rechtsgang erlassenen) Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark vom 24. September 2009 wurde über den Beschwerdeführer gemäß § 62 Abs. 1 und 2 iVm § 60 Abs. 2 Z 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG im Hinblick auf mehrere strafgerichtliche Verurteilungen ein mit zehn Jahren befristetes Rückkehrverbot verhängt.

Erstmals war der Beschwerdeführer mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom 15. Juli 2004 wegen des Verbrechens des versuchten räuberischen Diebstahls nach §§ 15, 127, 131 erster Fall StGB zu einer teilbedingten Freiheitsstrafe von 12 Monaten verurteilt worden. Dem lag zugrunde, dass der Beschwerdeführer am 26. Juni 2004 in einem Lebensmittelgeschäft drei Flaschen Whiskey zu stehlen versuchte, wobei er auf frischer Tat betreten gegenüber dem einschreitenden Detektiv Gewalt (Faustschlag in die Magengrube) angewendet hat, um sich die weggenommenen Sachen zu erhalten.

Am 24. Juli 2006 erfolgte die nächste Verurteilung des Beschwerdeführers, und zwar durch das Bezirksgericht für Strafsachen Graz zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von sechs Wochen wegen eines am 16. Juni 2006 in einem Drogeriegeschäft versuchten Diebstahls von Kosmetika im Gesamtwert von ca. 170 EUR.

Die dritte Verurteilung, diesmal zu einer Geldstrafe, wurde neuerlich wegen versuchten Diebstahls mit Urteil des Bezirksgerichtes Graz-Ost vom 5. März 2007 ausgesprochen, weil der Beschwerdeführer am 18. Dezember 2006 in einem Einkaufsmarkt versucht hatte, zwei Stück Taschenlampen im Wert von ca. 60 EUR zu stehlen.

Den nächsten Diebstahlsversuch in einem Lebensmittelgeschäft (in Bezug auf zwei Flaschen Wodka) beging der Beschwerdeführer am 6. Juli 2007 und er wurde deshalb vom Bezirksgericht Graz-Ost am 7. August 2007 wiederum zu einer Geldstrafe verurteilt.

Die letzte (unter Bedachtnahme auf die vorangeführte Bestrafung erfolgte) Verurteilung zu einer weiteren Geldstrafe war schließlich am 8. November 2007 durch das Bezirksgericht Graz-West, weil der Beschwerdeführer am 31. Juli 2007 in einem Schuhgeschäft versucht hatte, zwei Paar Schuhe und ein T-Shirt zu stehlen.

Das ließ die belangte Behörde zu dem Schluss kommen, beim Beschwerdeführer handle es sich um einen unverbesserlichen Wiederholungstäter im Bereich der Eigentumskriminalität, zumal ihn einschlägige Vorverurteilungen nicht hätten davon abhalten können, neuerlich straffällig zu werden. In der rechtlichen Beurteilung ging die belangte Behörde dann davon aus, der Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z 1 FPG sei erfüllt und aufgrund des Gesamtfehlverhaltens des Beschwerdeführers sei die Annahme gerechtfertigt, sein Aufenthalt gefährde die öffentliche Ordnung und Sicherheit.

Durch das Rückkehrverbot werde zwar in relevanter Weise in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers eingegriffen, doch sei es zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele - zur Verhinderung weiterer strafbarer Handlungen - dringend erforderlich. Die öffentlichen Interessen an der Erlassung des Rückkehrverbotes und die nachteiligen Folgen einer Abstandnahme von seiner Erlassung würden unverhältnismäßig schwerer wiegen als die Auswirkungen auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers, zumal er sich erst seit Dezember 2003 in Österreich aufhalte und keiner legalen Beschäftigung nachgehe.

Die familiären Bindungen zu den in Österreich aufhältigen Familienmitgliedern (Zwillingsbruder, dessen Ehefrau und Kinder sowie Mutter) würden dahingehend relativiert, dass der Beschwerdeführer bereits erwachsen sei und sowohl der Bruder als auch die Mutter derzeit lediglich nach den asylrechtlichen Bestimmungen zum vorläufigen Aufenthalt berechtigt seien. Die Integration des Beschwerdeführers erfahre auch durch das den Verurteilungen zugrundliegende Fehlverhalten aufgrund der Beeinträchtigung der sozialen Komponente eine nicht unbeträchtliche Minderung. Das Erkrankungsbild der Mutter des Beschwerdeführers sei zwar bedauerlich, doch könne eine erforderliche Pflege auch von seinem Bruder und dessen Ehefrau vorgenommen werden. Die Erschwerung der bisherigen Kontakte zu seinen Angehörigen stelle eine unvermeidliche Konsequenz des Rückkehrverbotes dar.

Könnten, wie im vorliegenden Fall, ständige Bestrafungen und Verurteilungen einen Fremden letztendlich nicht von der Begehung weiterer strafbarer Handlungen abhalten, habe auch die von der Behörde zu treffende Ermessensentscheidung nicht zu Gunsten des Beschwerdeführers auszufallen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Gemäß § 62 Abs. 1 FPG kann gegen einen Asylwerber ein Rückkehrverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass sein (weiterer) Aufenthalt die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet (Z 1) oder anderen im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft (Z 2). Gemäß § 62 Abs. 2 FPG sind bestimmte Tatsachen im Sinne des Abs. 1 (u.a.) jene des § 60 Abs. 2 Z 1 FPG. Nach dieser Bestimmung hat als - die erwähnte Gefährdungsprognose rechtfertigende - Tatsache zu gelten, wenn ein Fremder von einem inländischen Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten, zu einer teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe, zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten oder mehr als einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhender strafbarer Handlungen rechtskräftig verurteilt worden ist.

Die zweite und vierte Alternative dieses Tatbestandes sind im gegenständlichen Fall ausgehend von der vom Beschwerdeführer nicht in Abrede gestellten strafgerichtlichen Verurteilung zu einer teilbedingten Freiheitsstrafe und im Hinblick auf die mehrfachen einschlägigen Bestrafungen wegen Eigentumsdelikten verwirklicht.

Die Beschwerde wendet sich auch nicht ausdrücklich gegen die darauf gegründete Ansicht der belangten Behörde, es sei die im § 62 Abs. 1 FPG umschriebene Annahme gerechtfertigt. Im Rahmen der Sachverhaltsdarstellung wird zwar die Auffassung vertreten, es handle sich nur um geringfügige Diebstähle, und es wird auch auf die bedingte Strafnachsicht, die nur bei einer eindeutigen Prognose für ein zukünftiges Wohlverhalten ausgesprochen werde, hingewiesen. Dabei lässt der Beschwerdeführer aber völlig außer Acht, dass er mehrfach innerhalb relativ kurzer Zeit einschlägig rückfällig geworden ist und dass ihn davon weder der Vollzug des unbedingten Teils der bei der ersten Verurteilung verhängten Freiheitsstrafe noch der drohende Widerruf des damals bedingt nachgesehenen Strafteils und der danach bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe, aber auch nicht die in der Folge unbedingt verhängte Geldstrafe abhalten konnten. Dazu kommt, dass die drei letzten Straftaten begangen wurden, obwohl gegen den Beschwerdeführer damals bereits (im ersten Rechtsgang) ein rechtskräftiges Aufenthaltsverbot verhängt worden war. Den genannten Umständen wird die Beschwerde aber schon deshalb nicht gerecht, weil dort aktenwidrig davon ausgegangen wird, die letzte (und einzige) strafbare Handlung des Beschwerdeführers datiere vom Juni 2004.

Nach § 62 Abs. 3 FPG "gilt" bei der Erlassung eines Rückkehrverbotes (u.a.) auch der - nach seinem Wortlaut nur auf Ausweisungen abstellende - § 66 FPG. Demnach ist ein Rückkehrverbot, mit dem in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen wird, gemäß § 66 Abs. 1 FPG nur zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Bei der Prüfung dieser Voraussetzung ist eine Interessenabwägung vorzunehmen, wobei die bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK insbesondere zu berücksichtigenden Kriterien (nunmehr) in § 66 Abs. 2 FPG in der hier anzuwendenden Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 29/2009 ausdrücklich genannt sind (vgl. dazu ausführlich Punkt 2. der Entscheidungsgründe des Erkenntnisses vom heutigen Tag, Zl. 2009/21/0348). Bei der Entscheidung über ein Rückkehrverbot ist der Behörde überdies Ermessen eingeräumt.

Entgegen der Meinung in der Beschwerde ist die Beurteilung der belangten Behörde unter den erwähnten Gesichtspunkten weder inhaltlich zu beanstanden, noch liegt ein wesentlicher Begründungsmangel vor. Auf die bisherige Aufenthaltsdauer (bis zur Erlassung des angefochtenen Bescheides) von fünf Jahren und neun Monaten und auf die dadurch bewirkte Integration des Beschwerdeführers hat die belangte Behörde nämlich ebenso ausreichend Bedacht genommen wie auf die Wohngemeinschaft mit seinem Bruder und dessen Familie sowie mit seiner Mutter. Zu Recht wurde diesen Bindungen aber relativierend entgegen gehalten, dass der bereits 31 Jahre alte Beschwerdeführer ebenso wie seine Angehörigen nur vorläufig nach den asylrechtlichen Bestimmungen aufenthaltsberechtigt sind. Angesichts dessen kommt der in der Beschwerde auch noch ins Treffen geführten Tätigkeit des Beschwerdeführers für eine Hilfsorganisation und seinen behaupteten Deutschkenntnissen keine entscheidende Bedeutung zu.

Dem Interesse des Beschwerdeführers an einem Verbleib in Österreich hat die belangte Behörde zutreffend das öffentliche Interesse an der Verhinderung von strafbaren Handlungen gegen fremdes Eigentum, das angesichts der in der Vergangenheit gezeigten mehrfachen Tatwiederholungen und der daraus ableitbaren großen Rückfallsgefahr vorliegend sehr hoch zu bewerten ist, gegenübergestellt. Der belangten Behörde kann aber nicht entgegen getreten werden, wenn sie ausgehend von der aus der Delinquenz des Beschwerdeführers ableitbaren Gefährdung die Erlassung des Rückkehrverbotes für dringend geboten im Sinne des § 66 Abs. 1 FPG erachtete. Eine aus dem Rückkehrverbot (in Verbindung mit einer möglichen Ausweisung) resultierende allfällige Trennung von seinen Familienangehörigen und eine Erschwerung des Kontakts ist daher im öffentlichen Interesse in Kauf zu nehmen (vgl. zum Ganzen auch das hg. Erkenntnis vom 20. Dezember 2007, Zl. 2007/21/0499).

Soweit in der Beschwerde auch noch Feststellungsmängel geltend gemacht werden, fehlt schon eine ausreichende Relevanzdarstellung, weil nicht aufgezeigt wird, zu welchen für die Entscheidung maßgeblichen Ergebnissen ergänzende Ermittlungen hätten führen sollen.

Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 22. Dezember 2009

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