VwGH 2009/21/0192

VwGH2009/21/019224.11.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Pelant und Dr. Pfiel als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Stelzl, über die Beschwerde des Ch, vertreten durch Edward W. Daigneault, Rechtsanwalt in 1160 Wien, Lerchenfelder Gürtel 45/11, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich vom 10. Juli 2009, Zl. Senat-FR-09-3019, betreffend Schubhaft, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §68 Abs1;
FrPolG 2005 §76;
FrPolG 2005 §83 Abs4;
FrPolG 2005 §83;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwGG §42 Abs2 Z2;
AVG §68 Abs1;
FrPolG 2005 §76;
FrPolG 2005 §83 Abs4;
FrPolG 2005 §83;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwGG §42 Abs2 Z2;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird, soweit er die Verwaltungsbeschwerde gemäß § 83 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG als unzulässig zurückweist, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, im weiteren Umfang der Feststellung nach § 83 Abs. 4 erster Satz FPG wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger Nigerias, reiste am 14. September 1999 illegal in das Bundesgebiet ein. Er beantragte wiederholt, erstmals am 15. September 1999 unter einer alias-Identität, erfolglos die Gewährung von Asyl. Im Jahr 2005 reiste er, um der von ihm befürchteten Abschiebung nach Nigeria zu entgehen, nach Großbritannien, wo er von den Behörden im Oktober 2008 aufgegriffen wurde und neuerlich einen Asylantrag stellte. Am 26. März 2009 wurde er von Großbritannien nach Österreich rücküberstellt.

Mit - am selben Tag in Vollzug gesetztem - Bescheid vom 26. März 2009 ordnete die Bundespolizeidirektion Schwechat über den Beschwerdeführer gemäß § 76 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG die Schubhaft zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes, einer Ausweisung und der Abschiebung an. Infolge dieses Bescheides wurde der Beschwerdeführer bis zum 9. Juli 2009 in Schubhaft angehalten.

Mit Bescheid vom 5. Mai 2009 wies die belangte Behörde eine vom Beschwerdeführer am Tag davor erhobene Schubhaftbeschwerde gemäß § 83 FPG als unbegründet ab und stellte gemäß § 83 Abs. 4 erster Satz FPG fest, dass die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorlägen. Die Behandlung einer dagegen erhobenen Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof wurde mit hg. Beschluss vom heutigen Tag, Zl. 2009/21/0114, abgelehnt.

Mit dem vorliegend angefochtenen Bescheid vom 10. Juli 2009 wies die belangte Behörde eine vom Beschwerdeführer weiters erhobene, auf die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Haft ab 7. Juli 2009 gerichtete Schubhaftbeschwerde vom 7. Juli 2009 gemäß § 83 FPG als unzulässig zurück und stellte gemäß § 83 Abs. 4 FPG, "weil die Anhaltung in Schubhaft noch andauert, fest, dass im Zeitpunkt der Entscheidung auf Grund des im Rahmen des Beschwerdeverfahrens als erwiesen festgestellten Sachverhaltes die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen".

Begründend verwies die belangte Behörde - ohne weitere Sachverhaltsfeststellungen zu treffen - auf ihre erste Beschwerdeentscheidung vom 5. Mai 2009, die, auch wenn der Verwaltungsgerichtshof der dagegen erhobenen Beschwerde mit Beschluss vom 29. Juni 2009 aufschiebende Wirkung zuerkannt habe, dem Rechtsbestand angehöre, sodass eine entschiedene Sache iSd § 68 Abs. 1 AVG vorliege. Eine Begründung des Ausspruches nach § 83 Abs. 4 erster Satz FPG erfolgte nicht.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

Zur mehrmaligen Erhebung von Schubhaftbeschwerden judiziert der Verwaltungsgerichtshof unter Hinweis auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 27. Februar 2001, B 515/00 u.a., VfSlg. Nr. 16.079, in ständiger Rechtsprechung, dass nur dann von entschiedener Sache ausgegangen werden kann, wenn sich die spätere Beschwerde auf einen Zeitraum bezieht, über den bereits durch einen Bescheid abgesprochen wurde (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 20. November 2008, Zl. 2006/21/0047, und vom 18. Februar 2009, Zl. 2006/21/0125, jeweils mwN).

Der dem angefochtenen Bescheid zu Grunde liegenden (zweiten) Schubhaftbeschwerde ist kein Hinweis darauf zu entnehmen, dass sie sich auf einen Zeitraum beziehen würde, der von dem (über die erste Schubhaftbeschwerde absprechenden) Bescheid vom 5. Mai 2009 erfasst wurde. Vielmehr war sie ausdrücklich nur auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Haft ab dem 7. Juli 2009 gerichtet. Da die belangte Behörde dennoch eine Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Schubhaft für diesen Zeitraum verweigerte, belastete sie den angefochtenen Bescheid schon deshalb mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit, weshalb er insoweit gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Ein feststellender Ausspruch darüber, ob zum Zeitpunkt der Entscheidung des unabhängigen Verwaltungssenates die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen, ist in § 83 Abs. 4 erster Satz FPG nur für den Fall vorgesehen, dass die Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft im Entscheidungszeitpunkt noch andauert. Da dies vorliegend nicht der Fall war (der Beschwerdeführer wurde bereits am 9. Juli 2009 enthaftet), hat die belangte Behörde durch ihre dennoch nach dieser Gesetzesstelle erfolgte Entscheidung eine ihr nach dem Gesetz nicht zustehende Kompetenz in Anspruch genommen. In diesem Umfang ist der angefochtene Bescheid somit mit Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit behaftet und war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 2 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am 24. November 2009

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