VwGH 2009/21/0068

VwGH2009/21/006822.12.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher Dr. Pfiel und Mag. Eder als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Stelzl, über die Beschwerde des K, vertreten durch Mag. Dr. Helmut Blum, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Mozartstraße 11/6, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 17. Februar 2009, Zl. St 278/08, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:

Normen

FrPolG 2005 §53 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
EMRK Art8 Abs2;
EMRK Art8;
FrPolG 2005 §53 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
EMRK Art8 Abs2;
EMRK Art8;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein türkischer Staatsangehöriger, reiste Mitte Juli 2001 illegal nach Österreich ein und stellte einen Asylantrag, der mit dem im Oktober 2008 (im Instanzenzug) ergangenem Erkenntnis des Asylgerichtshofes rechtskräftig abgewiesen wurde. Unter einem wurde festgestellt, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers in die Türkei zulässig sei. Die Behandlung der gegen die zweitinstanzliche Entscheidung gerichteten Beschwerde wurde in der Folge vom Verfassungsgerichtshofes abgelehnt (Beschluss vom 11. Dezember 2008).

Bereits davor war der Beschwerdeführer mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Linz vom 25. November 2008 gemäß § 53 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG aus dem Bundesgebiet ausgewiesen worden.

Der dagegen erhobenen Berufung wurde mit dem angefochtenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich (der belangten Behörde) vom 17. Februar 2009 keine Folge gegeben und der erstinstanzliche Bescheid bestätigt.

In der Begründung gab die belangte Behörde zunächst den wesentlichen Inhalt des erstinstanzlichen Bescheides wieder. Nach Darstellung des Berufungsvorbringens und nach Zitierung der maßgeblichen Rechtsvorschriften führte die belangte Behörde dann aus, der Beschwerdeführer halte sich nach dem rechtskräftigen Abschluss des Asylverfahrens seit 28. Oktober 2008 unrechtmäßig im Bundesgebiet auf.

In Anbetracht der Tatsache, dass sich der Beschwerdeführer seit mehr als siebeneinhalb Jahren in Österreich aufhalte, seit 2001 durchgehend bei demselben Arbeitgeber einer Beschäftigung nachgehe und dadurch seinen Lebensunterhalt sicherstelle sowie angesichts dessen, dass er sich mit der deutschen Sprache gut verständigen könne, viele Freunde habe, überall gut integriert sei und einen intensiven Kontakt zu seiner in Graz lebenden Schwester habe, sei dem Beschwerdeführer eine diesen Umständen entsprechende Integration zuzugestehen. Durch die Ausweisung werde daher in erheblicher Weise in sein Privat- und Familienleben eingegriffen.

Das Gewicht der Integration werde aber - so begründete die belangte Behörde weiter - maßgebend dadurch gemindert, dass der Aufenthalt während des Asylverfahrens nur aufgrund eines unberechtigten Antrages temporär berechtigt gewesen sei. Der Beschwerdeführer habe nicht von vornherein damit rechnen dürfen, nach einem allfällig negativen Abschluss des Asylverfahrens weiterhin in Österreich bleiben zu können. Die Beziehung zu seiner Schwester werde aber dadurch relativiert, dass er mit ihr nicht im gemeinsamen Haushalt lebe, sodass insofern von keiner nach § 66 Abs. 1 FPG geschützten familiäre Bindung auszugehen sei. Dass sich der Beschwerdeführer nie strafbar gemacht habe, könne nicht zu seinen Gunsten ausschlagen, weil das weder eine Stärkung der persönlichen Interessen noch eine Schwächung des die Ausweisung gebietenden öffentlichen Interesses zur Folge habe. Gleiches gelte für den Umstand, dass der Beschwerdeführer für seinen Lebensunterhalt selbst sorge und somit dem Staat finanziell nicht zur Last falle. Unterhaltszahlungen für seine Familie könnten auch vom Ausland aus erbracht werden.

Der Beschwerdeführer halte sich seit mehr als drei Monaten illegal in Österreich auf. Bereits ein mehrmonatiger unrechtmäßiger Aufenthalt gefährde die öffentliche Ordnung in hohem Maße, die Ausweisung sei demnach gemäß § 66 Abs. 1 FPG dringend geboten. Den für die Einreise und den Aufenthalt von Fremden getroffenen Regelungen und deren Beachtung durch die Normadressaten komme nämlich aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein sehr hoher Stellenwert zu.

Die öffentliche Ordnung werde - so führte die belangte Behörde im Rahmen der Interessenabwägung weiter aus - schwerwiegend beeinträchtigt, wenn sich einwanderungswillige Fremde unerlaubt nach Österreich begeben, um damit die inländischen Behörden vor vollendete Tatsachen zu stellen. Das gelte auch dann, wenn Fremde nach Auslaufen einer Aufenthaltsberechtigung bzw. nach Abschluss eines Asylverfahrens das Bundesgebiet nicht rechtzeitig verlassen. Die Ausweisung sei in solchen Fällen erforderlich, um jenen Zustand herzustellen, der bestünde, wenn sich der Fremde gesetzestreu verhalten hätte. Vor diesem Hintergrund sei auch das Ermessen nicht zugunsten des Beschwerdeführers zu üben, insbesondere weil das dem Beschwerdeführer vorwerfbare (Fehl-)Verhalten (insbesondere, dass der Beschwerdeführer trotz abgeschlossenen Asylverfahrens nicht ausgereist sei) im Verhältnis zu der von ihm geltend gemachten, jedoch erheblich zu relativierenden Integration überwiege. Es seien auch sonst keine besonderen Umstände ersichtlich, die eine andere Ermessensübung begründen könnten.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage erwogen hat:

Unter der Überschrift "Ausweisung Fremder ohne Aufenthaltstitel" ordnet § 53 Abs. 1 FPG an, dass Fremde mit Bescheid ausgewiesen werden können, wenn sie sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten. In der Beschwerde wird ausdrücklich zugestanden, dass der Asylantrag des Beschwerdeführers "mit 28. Oktober 2008" rechtskräftig erledigt wurde und dass sich der Beschwerdeführer seit damals nicht mehr rechtmäßig in Österreich aufhält.

Würde durch eine Ausweisung in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist sie gemäß § 66 Abs. 1 FPG nur dann zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Bei einer Entscheidung über eine Ausweisung ist der Behörde Ermessen eingeräumt.

In dieser Hinsicht wird in der Beschwerde neuerlich auf den Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich seit Juli 2001 verwiesen und geltend gemacht, er sei seit damals durchgehend einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung bei einem näher genannten Unternehmen nachgegangen. Er habe damit seinen eigenen Lebensunterhalt und den seiner Familie in der Türkei sichergestellt. Im Rahmen der Interessenabwägung wären auch seine Unbescholtenheit und der Umstand, dass er dem Staat finanziell nicht zur Last falle, entgegen der Ansicht der belangten Behörde relevant gewesen. Überdies habe er zu seiner in Graz lebenden Schwester intensiven Kontakt, sodass in Österreich auch familiäre Anknüpfungen gegeben seien. Vor diesem Hintergrund hätte die Interessenabwägung zugunsten des Beschwerdeführers vorgenommen werden müssen.

Diesem Vorbringen ist zu erwidern, dass die belangte Behörde die in der Beschwerde ins Treffen geführten Umstände ohnehin in ihre Interessenabwägung in ausreichendem Ausmaß einbezogen und insofern erkennbar auch eine "Gesamtbetrachtung" vorgenommen hat. Den Ausführungen zur Integration des Beschwerdeführers in Österreich während seines (seit der illegalen Einreise bis zum Bescheiderlassungszeitpunkt) etwa sieben Jahre und acht Monate dauernden Aufenthaltes hielt die belangte Behörde aber zutreffend entgegen, dass dieser auf einen unbegründeten Asylantrag zurückzuführen war und seit Beendigung des Asylverfahrens bis zum Bescheiderlassungszeitpunkt unrechtmäßig ist. Die belangte Behörde ist daher insoweit im Recht, als sie in dem Verhalten des Beschwerdeführers (vor allem im unrechtmäßigen Verbleib in Österreich trotz negativen Abschlusses des Asylverfahrens) eine maßgebliche Beeinträchtigung des öffentlichen Interesses an einem geordneten Fremdenwesen gesehen hat. Es trifft aber auch zu, dass den die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Normen aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechthaltung der öffentlichen Ordnung - und damit eines von Art. 8 Abs. 2 EMRK erfassten Interesses - ein hoher Stellenwert zukommt (siehe zum Ganzen etwa zuletzt Punkt 2.2.2.2. der Entscheidungsgründe des Erkenntnisses vom 22. Oktober 2009, Zl. 2009/21/0293, mwN).

Ebenso entspricht es der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass das durch eine soziale Integration erworbene Interesse an einem Verbleib in Österreich in seinem Gewicht gemindert ist, wenn der Fremde keine genügende Veranlassung gehabt hatte, von einer Erlaubnis zu einem dauernden Aufenthalt auszugehen. Auch der EGMR stellt in seiner Judikatur darauf ab, ob das Familienleben zu einem Zeitpunkt entstanden ist, in dem sich die betroffenen Personen bewusst waren, der Aufenthaltsstatus eines Familienmitgliedes sei derart, dass der Fortbestand des Familienlebens im Gastland von vornherein unsicher ist. Sei das der Fall, bewirke eine Ausweisung des ausländischen Familienangehörigen nur unter ganz speziellen bzw. außergewöhnlichen Umständen ("in exceptional circumstances") eine Verletzung von Art. 8 EMRK (vgl. dazu ausführlich Punkt 2.4.2. der Entscheidungsgründe des Erkenntnisses vom heutigen Tag, Zl. 2009/21/0348).

Im vorliegenden Fall wird durch die Ausweisung nicht in ein Familienleben, sondern nur in das Privatleben des Beschwerdeführers eingegriffen und es liegen insoweit trotz der schon sehr langen Aufenthaltsdauer und der mittlerweile erlangten - vor allem beruflichen - Integration (noch) keine derart außergewöhnlichen Umstände vor, dass dem Beschwerdeführer ein direkt aus Art. 8 EMRK ableitbares Aufenthaltsrecht zugestanden werden müsste. Vor diesem Hintergrund ist es fallbezogen im Ergebnis nicht zu beanstanden, dass die belangte Behörde die Ausweisung des Beschwerdeführers als im Sinne des § 66 Abs. 1 FPG dringend geboten angesehen hat.

An dieser Beurteilung kann weder die Unbescholtenheit noch die vom Beschwerdeführer ins Treffen geführte Beziehung zu seiner Schwester etwas ändern, weil einerseits kein gemeinsamer Haushalt zwischen den erwachsenen Seitenverwandten besteht und andererseits diese Bindungen während unsicheren Aufenthaltsstatus des Beschwerdeführers (wieder) aufgebaut wurden. Diesen Gesichtspunkten kommt in der vorliegenden Konstellation kein entscheidendes Gewicht zu.

Es werden vom Beschwerdeführer schließlich auch keine Gründe aufgezeigt, wonach die Ermessensübung durch die belangte Behörde nicht im Sinne des Gesetzes erfolgt wäre.

In der Beschwerde wird noch kritisiert, die belangte Behörde habe sich überhaupt nicht mit den in der Berufung zitierten Erkenntnissen des Verwaltungsgerichtshofes (vom 17. Juli 2008, Zl. 2007/21/0074, und vom 18. September 2008, Zl. 2008/21/0087) auseinander gesetzt. Dabei wird übersehen, dass mit diesen Erkenntnissen die (auch Ausweisungen nach § 53 Abs. 1 FPG betreffenden) Berufungsbescheide vom Verwaltungsgerichtshof nur wegen Begründungsmängeln in Bezug auf die Interessenabwägung nach § 66 Abs. 1 FPG aufgehoben wurden. Der Vorwurf einer diesbezüglich unzureichenden Begründung kann der belangten Behörde aber - wie oben bereits ausgeführt wurde - im vorliegenden Fall nicht gemacht werden.

Soweit die Beschwerde im Übrigen noch ganz generell auf das gesamte bisherige Vorbringen im Verwaltungsverfahren verweist, ist dies schon deshalb unbeachtlich, weil damit keine gesetzmäßige Darlegung der Beschwerdegründe vorgenommen wird (vgl. etwa das Erkenntnis vom 30. April 2009, Zl. 2009/21/0086, mwN).

Zusammenfassend ergibt sich somit, dass die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen war.

Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am 22. Dezember 2009

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