VwGH 2009/21/0001

VwGH2009/21/000127.5.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Pelant und Dr. Sulzbacher als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Kühnberg, in der Beschwerdesache des S, vertreten durch Dr. Wolfgang Rainer, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Schwedenplatz 2/74, gegen den Unabhängigen Verwaltungssenat im Land Niederösterreich, betreffend Verletzung der Entscheidungspflicht in einer Angelegenheit nach dem FPG (Schubhaft), den Beschluss gefasst:

Normen

B-VG Art132;
VwGG §27 Abs1;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §34 Abs3;
B-VG Art132;
VwGG §27 Abs1;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §34 Abs3;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein weißrussischer Staatsangehöriger, wurde am 11. März 2007 nach einem illegalen Grenzübertritt von der Tschechischen Republik kommend aufgegriffen und festgenommen. Gegen ihn wurde mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Gmünd vom selben Tag die Schubhaft angeordnet und in Vollzug gesetzt.

Dagegen erhob der Beschwerdeführer am 18. Mai 2007 durch seinen zur Vertretung (u.a.) in fremdenrechtlichen Angelegenheiten schriftlich bevollmächtigten Vertreter (Dipl. Ing. P. M.) eine Schubhaftbeschwerde, die der Unabhängige Verwaltungssenat im Land Niederösterreich mit Bescheid vom 25. Mai 2007 als unbegründet abwies. Diesen Bescheid hob der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 28. Mai 2008, Zl. 2007/21/0332, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes auf. In diesem Verfahren war der Beschwerdeführer durch den ihm beigegebenen Verfahrenshelfer Rechtsanwalt Dr. R. vertreten.

Hierauf erging der vom 18. August 2008 datierende Ersatzbescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich (der belangten Behörde), mit dem der Schubhaftbeschwerde unter Kostenzuspruch an den Beschwerdeführer Folge gegeben und festgestellt wurde, dass "die Verhängung sowie der Vollzug der Schubhaft unverhältnismäßig waren und sohin mit Rechtswidrigkeit belastet sind".

Diese Entscheidung wurde - nach dem Inhalt der dem Verwaltungsgerichtshof über dessen Aufforderung am 28. April 2009 vorgelegten Verwaltungsakten - der Bezirkshauptmannschaft Gmünd am 19. August 2008 übermittelt, wobei die Sendung laut Empfangsbestätigung am 21. August 2008 einlangte. Unter einem wurde diese Behörde ersucht, eine Ausfertigung "nachweislich zuzustellen".

Am 2. Jänner 2009 erhob der Beschwerdeführer (durch den sich nunmehr auf die erteilte Vollmacht berufenden Rechtsanwalt Dr. R.) beim Verwaltungsgerichtshof eine Säumnisbeschwerde. Begründend wurde vorgebracht, das genannte aufhebende Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 28. Mai 2008 sei den Parteien am 27. Juni 2008 zugestellt und damit die Entscheidungsfrist des § 73 Abs. 1 AVG "in Gang gesetzt" worden. Sie habe demzufolge mit Ablauf des 29. Dezember 2008 geendet. Die belangte Behörde sei seither mit der Entscheidung über die Schubhaftbeschwerde säumig. Daran ändere auch der Umstand nichts, dass der (neu) gefasste Bescheid vom 18. August 2008 dem im seinerzeitigen Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof bestellten Verfahrenshelfer am 25. August 2008 zugestellt worden sei, wäre doch der Bescheid nicht an den Verfahrenshelfer sondern an den "im Titelverfahren" ausgewiesenen Vertreter des Beschwerdeführers zuzustellen gewesen. Der Bescheid vom 18. August 2008 gelte somit mangels ordnungsgemäßer Zustellung als nicht erlassen und die belangte Behörde verharre daher weiter in Säumigkeit.

Bei dieser Schlussfolgerung übersieht der Beschwerdeführer, dass der Ersatzbescheid der belangten Behörde vom 18. August 2008 der Bezirkshauptmannschaft Gmünd, der im Schubhaftbeschwerdeverfahren vor dem unabhängigen Verwaltungssenat Parteistellung zukam (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. Juni 2008, Zl. 2007/21/0358), zugestellt wurde. Im Mehrparteienverfahren ist ein Bescheid aber bereits rechtlich existent, wenn er wenigstens gegenüber einer der Parteien ordnungsgemäß erlassen wurde (vgl. beispielsweise den hg. Beschluss vom 30. Jänner 2007, Zl. 2006/05/0295).

Gemäß § 27 Abs. 1 VwGG kann eine Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht (Säumnisbeschwerde) nach Art. 132 B-VG erst erhoben werden, wenn die oberste Behörde oder der unabhängige Verwaltungssenat von einer Partei angerufen worden ist und nicht (von hier nicht gegebenen Ausnahmen abgesehen) binnen sechs Monaten in der Sache entschieden hat. Im Mehrparteienverfahren genügt aber - wie erwähnt - für die Einhaltung dieser Entscheidungsfrist, dass der Bescheid gegenüber einer der Parteien fristgerecht erlassen wurde. Die Säumnisbeschwerde ist diesfalls unzulässig. Dies gilt auch dann, wenn der Bescheid jener Partei des Verwaltungsverfahrens nicht wirksam zugestellt wurde, die die Säumnisbeschwerde erhob (siehe beispielsweise den hg. Beschluss vom 14. Dezember 2007, Zl. 2007/10/0198, uva).

Da somit die vom Beschwerdeführer behauptete Säumnis der belangten Behörde in Wahrheit nicht vorlag, erweist sich die gegenständliche Beschwerde als unzulässig.

Im Übrigen ist noch anzumerken, dass die Unterlassung der Zustellung des Ersatzbescheides an den im Verwaltungsverfahren ausgewiesenen Vertreter, die im Übrigen nunmehr am 1. April 2009 von der belangten Behörde nachgeholt wurde, wesentlich effizienter und früher mit einem entsprechenden Zustellantrag hätte geltend gemacht werden können. Wenn ein solcher Antrag nicht gestellt und die Behörde auch nicht auf die irrtümliche Zustellung an einen im Verwaltungsverfahren nicht eingeschrittenen Vertreter hingewiesen wird, sondern der Ablauf der sechsmonatigen Frist des § 27 Abs. 1 VwGG abgewartet und unmittelbar danach - ausgehend von der nicht wirksamen Zustellung des der Schubhaftbeschwerde zur Gänze stattgebenden (!) Bescheides der belangten Behörde - durch denselben (nunmehr frei gewählten) Rechtsanwalt, dem dieser Bescheid bereits zugestellt worden war, eine Säumnisbeschwerde mit dem Ziel einer (neuerlichen) Entscheidung durch den Verwaltungsgerichtshof eingebracht wird, wirft das die schon im Erkenntnis vom 26. Februar 1998, Zl. 95/20/0411, in Punkt 3. der Entscheidungsgründe angesprochene "Problematik derartiger Säumnisbeschwerden" auf.

Ungeachtet dessen war die Beschwerde aber schon aus den oben angeführten Gründen jedenfalls mangels Vorliegens einer Säumnis der belangten Behörde gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

Wien, am 27. Mai 2009

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