VwGH 2009/18/0417

VwGH2009/18/04179.11.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger sowie die Hofräte Dr. Enzenhofer, Dr. Strohmayer, die Hofrätin Mag. Merl und den Hofrat Dr. Lukasser als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Schmidl, über die Beschwerde des E N in W, geboren am 19. September 1980, vertreten durch Dr. Wolfgang Weber, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Wollzeile 12/1/27, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 1. September 2009, Zl. E1/330530/2009, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

FrPolG 2005 §60 Abs1;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z1;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs2 Z1 idF 2009/I/029;
FrPolG 2005 §66 Abs2 Z2 idF 2009/I/029;
EMRK Art8 Abs2;
FrPolG 2005 §60 Abs1;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z1;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs2 Z1 idF 2009/I/029;
FrPolG 2005 §66 Abs2 Z2 idF 2009/I/029;
EMRK Art8 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 1. September 2009 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen Staatsangehörigen von Bosnien und Herzegowina, gemäß § 60 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 1 sowie § 63 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von sieben Jahren erlassen.

Die belangte Behörde legte ihrer Entscheidung im Wesentlichen die Feststellungen zugrunde, dass der Beschwerdeführer im September 2001 mit einem Visum D zu Studienzwecken legal nach Österreich eingereist sei. Die erste Aufenthaltserlaubnis sei ihm für den Zeitraum vom 23. Oktober 2001 bis 30. Oktober 2002 erteilt und danach jährlich verlängert worden. Der Beschwerdeführer habe sich zunächst dem Studium der Rechtswissenschaften gewidmet, sei aber bald auf das Bakkalaureatstudium "Betriebswirtschaft" umgestiegen. Der Beschwerdeführer habe weder in den Studienjahren 2006/2007 und 2007/2008 noch im Studienjahr 2008/2009 den nach § 75 Abs. 6 Universitätsgesetz, BGBl. I Nr. 120/2002, erforderlichen Studienerfolg (von mindestens 16 ECTS-Anrechungspunkten im Studienjahr) erbracht. Der Studienfortschritt des Beschwerdeführers halte sich in Grenzen und spreche jedenfalls nicht für ihn.

Nach der Aktenlage sei der Beschwerdeführer ledig und ohne Sorgepflichten. An nahen Verwandten lebten in Österreich ein Bruder und eine Tante, allerdings nicht im gemeinsamen Haushalt mit dem Beschwerdeführer.

Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 14. Dezember 2007 sei der Beschwerdeführer wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen Diebstahls nach §§ 127, 130 erster Fall StGB zu einer bedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von sieben Monaten rechtskräftig verurteilt worden. Dem Urteil liege zugrunde, dass der Beschwerdeführer gewerbsmäßig mit einem Mittäter in B. am 15. Oktober 2007 in einem Geschäft sechs Pullover im Wert von EUR 320,-- und am 16. Oktober 2007 in einem anderen Geschäft fünf Paar Jeans im Wert von EUR 450,-- gestohlen habe.

Darüber hinaus sei der Beschwerdeführer auch verwaltungsstrafrechtlich mehrmals vorgemerkt. Er sei also keineswegs unbescholten.

Mit Schreiben der Erstbehörde vom 23. Jänner 2009 sei der Beschwerdeführer von der beabsichtigten Erlassung des Aufenthaltsverbotes in Kenntnis gesetzt worden. Gleichzeitig seien ihm verschiedene Fragen gestellt worden, deren Beantwortung eine gerechte Beurteilung der privaten bzw. persönlichen Verhältnisse erlauben hätte sollen. Der Beschwerdeführer habe diese Fragen kaum beantwortet.

In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde - unter Wiedergabe der Bestimmungen des § 60 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 1 FPG - im Wesentlichen aus, dass kein Zweifel daran bestehen könne, dass die Voraussetzungen zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes vorlägen. Zum einen sei aufgrund der Verurteilung des Beschwerdeführers der Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z. 1 FPG erfüllt; zum anderen lasse das dieser Verurteilung zugrunde liegende Verhalten, durch das immerhin zwei an sich selbständige Delikte verwirklicht worden seien, die Annahme als gerechtfertigt erscheinen, dass der weitere Aufenthalt des Beschwerdeführers die öffentliche Ordnung, Ruhe und Sicherheit gefährde und überdies anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen, nämlich vor allem der Verteidigung der Ordnung und der Verhinderung von strafbaren Handlungen, zuwiderlaufe.

Selbst wenn man aufgrund des etwa achtjährigen Aufenthaltes des Beschwerdeführers im Bundesgebiet, des Besitzes einer Aufenthaltserlaubnis und gewissen familiären Bindungen (Bruder und Tante) von einem mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen Eingriff in das Privatleben des Beschwerdeführers ausgehe, sei die Zulässigkeit dieser aufenthaltsbeendenden Maßnahme im Grunde des § 66 FPG zu bejahen. Das geschilderte Fehlverhalten des Beschwerdeführers verdeutliche nämlich augenfällig seine Gefährlichkeit für das Eigentum von Menschen im Bundesgebiet sowie ein Unvermögen oder den Unwillen, die Rechtsvorschriften des Gastlandes einzuhalten. Dasselbe gelte auch in Bezug auf die vom Beschwerdeführer zugestandenen, zahlreichen Verwaltungsübertretungen.

Hinsichtlich der nach § 66 FPG erforderlichen Interessenabwägung sei zu berücksichtigen, dass einer allfälligen aus dem bisherigen legalen Aufenthalt des Beschwerdeführers ableitbaren Integration insofern kein entscheidendes Gewicht zukomme, als die für jegliche Integration erforderliche soziale Komponente durch sein strafbares Verhalten, das immerhin als gewerbsmäßig qualifiziert worden sei, erheblich beeinträchtigt werde. Von daher gesehen hätten die privaten bzw. persönlichen Interessen des Beschwerdeführers am Weiterverbleib gegenüber den genannten, hoch zu veranschlagenden öffentlichen Interessen in den Hintergrund zu treten. Auch die familiären Bindungen in Österreich seien als eher lose zu beurteilen, zumal der Beschwerdeführer mit den einzigen hier lebenden näheren Verwandten nicht im gemeinsamen Haushalt lebe.

Die Straftaten des Beschwerdeführers lägen noch keine zwei Jahre zurück, sodass die dadurch bewirkte schwere Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung keineswegs als bedeutend gemindert eingeschätzt werden könne. Vom weiteren Aufenthalt des Beschwerdeführers gehe vielmehr nach wie vor eine schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit aus, zumal er wegen Begehung eines Verbrechens rechtskräftig verurteilt worden sei. Liege aber eine rechtskräftige Verurteilung des Fremden im Sinne des § 55 Abs. 3 Z. 1 FPG vor, so bestehe für die Behörde keine Veranlassung, im Rahmen der Ermessensübung gemäß § 60 Abs. 1 FPG von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes Abstand zu nehmen, sei doch bei einer rechtskräftigen Verurteilung eines Fremden wegen einer im § 55 Abs. 3 Z. 1 FPG genannten strafbaren Handlung das Vorliegen der Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltsverbotes eindeutig; eine auf einer Ermessenserwägung beruhende Abstandnahme von der Verhängung des Aufenthaltsverbotes würde in diesem Fall offensichtlich nicht im Sinn des Gesetzes erfolgen.

Hinsichtlich der Befristung des Aufenthaltverbotes gehe die belangte Behörde davon aus, dass die für seine Erlassung maßgeblichen Gründe, nämlich die durch den Beschwerdeführer bewirkte Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit bzw. die Verletzung öffentlicher Interessen, nach Ablauf von etwa sieben Jahren weggefallen sein würden.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Aufgrund der unstrittig feststehenden rechtskräftigen Verurteilung des Beschwerdeführers zu einer bedingten Freiheitsstrafe von sieben Monaten ist der Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z. 1 dritter Fall FPG erfüllt.

2. Nach den in der Beschwerde nicht bestrittenen Feststellungen des angefochtenen Bescheides hat der Beschwerdeführer gewerbsmäßig mit einem Mittäter in B. am 15. Oktober 2007 in einem Geschäft sechs Pullover im Wert von EUR 320,-- und am 16. Oktober 2007 in einem anderen Geschäft fünf Paar Jeans im Wert von EUR 450,-- gestohlen.

In Anbetracht des gravierenden Fehlverhaltens des Beschwerdeführers und des großen öffentlichen Interesses an der Verhinderung der Eigentumskriminalität begegnet die Ansicht der belangten Behörde, dass die im § 60 Abs. 1 FPG umschriebene Annahme gerechtfertigt sei, keinem Einwand (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 11. Mai 2009, Zl. 2008/18/0698). An dieser Beurteilung kann auch der behauptete Umstand, dass sich der Beschwerdeführer mit Ausnahme dieser Verurteilung in Österreich wohlverhalten habe, nichts ändern, zumal der zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides seit der Begehung der letzten Straftat verstrichene Zeitraum noch zu kurz ist, um auf einen Wegfall oder auch nur eine erhebliche Minderung der vom Beschwerdeführer ausgehenden Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit schließen zu können (vgl. dazu wiederum das hg. Erkenntnis vom 11. Mai 2009). Von daher erweist sich auch das Vorbringen des Beschwerdeführers, dass der von ihm verursachte Schaden zur Gänze gut gemacht worden sei, als nicht zielführend (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 3. Juli 2007, Zl. 2007/18/0309).

3.1. Die Beschwerde bekämpft auch die von der belangten Behörde gemäß § 66 FPG (in der zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides maßgeblichen Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 29/2009) vorgenommene Interessenabwägung und bringt dazu im Wesentlichen vor, dass nicht entsprechend berücksichtigt worden sei, dass sich der Beschwerdeführer bereits seit acht Jahren in Österreich befinde und ursprünglich Rechtswissenschaften, nunmehr Betriebswirtschaft studiere. Es sei auch von einem "entsprechenden Studienerfolg" auszugehen.

3.2. Dem Beschwerdeführer gelingt es allerdings mit diesem Vorbringen nicht, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen.

Bei der im angefochtenen Bescheid vorgenommenen Interessenabwägung nach § 66 FPG hat die belangte Behörde den etwa achtjährigen Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet, den Besitz einer Aufenthaltserlaubnis (vgl. § 66 Abs. 2 Z. 1 FPG) und seine familiären Bindungen zu seinem Bruder und seiner Tante (vgl. § 66 Abs. 2 Z. 2 FPG) berücksichtigt und zutreffend einen mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen Eingriff in das Privatleben des Beschwerdeführers angenommen. Der belangten Behörde ist auch darin beizupflichten, dass die aus seinem bisherigen inländischen Aufenthalt resultierende Integration in ihrer sozialen Komponente durch sein strafbares Verhalten erheblich gemindert wird (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 19. Februar 2009, Zl. 2007/18/0470, mwN). Von einem "entsprechenden Studienerfolg" kann angesichts der nicht bestrittenen Feststellungen des angefochtenen Bescheides nicht gesprochen werden.

Den - somit relativierten - persönlichen Interessen des Beschwerdeführers an einem weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet steht die aus seiner Straftat resultierende Gefährdung des großen öffentlichen Interesses an der Verhinderung der Eigentumskriminalität (vgl. oben unter II.2.) gegenüber, welches das Aufenthaltsverbot zum Schutz der öffentlichen Ordnung und Sicherheit und vor allem zur Verhinderung (weiterer) strafbarer Handlungen durch den Beschwerdeführer - somit zur Erreichung von in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen - als dringend geboten und somit als zulässig im Sinn des § 66 Abs. 1 FPG erscheinen lässt.

4. Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

5. Bei diesem Ergebnis erübrigt sich eine Entscheidung über den mit der Beschwerde verbundenen Antrag, dieser die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Wien, am 9. November 2009

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