VwGH 2009/18/0319

VwGH2009/18/031915.12.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger sowie die Hofräte Dr. Enzenhofer, Dr. Strohmayer, die Hofrätin Mag. Merl und den Hofrat Dr. Lukasser als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Schmidl, über die Beschwerde des R S in W, geboren am 10. Februar 1984, vertreten durch DDr. Wolfgang Schulter, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Marxergasse 21, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 23. Juni 2009, Zl. E1/240.301/2009, betreffend Ausweisung gemäß § 53 FPG, zu Recht erkannt:

Normen

FrPolG 2005 §53 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
MRK Art8;
FrPolG 2005 §53 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
MRK Art8;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 23. Juni 2009 wurde der Beschwerdeführer, ein indischer Staatsangehöriger, gemäß § 53 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100, ausgewiesen.

Die belangte Behörde legte ihrer Entscheidung im Wesentlichen die Feststellungen zugrunde, dass der Beschwerdeführer am 2. Dezember 2002 illegal in das Bundesgebiet gelangt sei und einen Asylantrag gestellt habe, der am 14. Juli 2006 im Instanzenzug rechtskräftig abgewiesen worden sei. Die Behandlung einer dagegen eingebrachten "höchstgerichtlichen Beschwerde" sei abgelehnt worden. Seither sei der Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet jedenfalls unrechtmäßig.

Der Beschwerdeführer sei ledig und habe keine Sorgepflichten; familiäre Bindungen im Bundesgebiet seien nicht geltend gemacht worden. Seit 1. März 2009 gehe der Beschwerdeführer einer selbständigen Erwerbstätigkeit nach.

In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass die Voraussetzungen zur Erlassung einer Ausweisung - vorbehaltlich der Bestimmung des § 66 Abs. 1 FPG - im Grunde des § 53 Abs. 1 FPG gegeben seien.

Angesichts der festgestellten Umstände sei zwar von einem mit der Ausweisung verbundenen Eingriff in das Privatleben des Beschwerdeführers auszugehen, dieser Eingriff erweise sich jedoch zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele - hier:

zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens - als dringend geboten. Gerade den die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften und deren Befolgung durch den Normadressaten komme aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung ein besonders hoher Stellenwert zu. Gegen dieses Interesse verstoße der unrechtmäßige Aufenthalt des Beschwerdeführers jedoch gravierend. Der Beschwerdeführer könne auch auf keine schwerwiegende Integration verweisen, weil sich der Großteil seines Aufenthaltes auf einen Asylantrag stütze, der sich als unberechtigt erwiesen habe.

Dass der Beschwerdeführer einer selbständigen Erwerbstätigkeit nachgehe, ändere an dieser Beurteilung nichts, weil der Beschwerdeführer für die Ausübung einer Erwerbstätigkeit in Österreich eines Aufenthaltstitels bedürfe. Mangels jeglicher familiärer Bindung in Österreich erweise sich das dem Beschwerdeführer insgesamt zuzusprechende Interesse an einem Weiterverbleib im Bundesgebiet als kaum ausgeprägt. Solcherart könne von einer erheblichen Integration "wohl keine Rede sein". Dass dem Beschwerdeführer - aus welchen Gründen auch immer - eine Rückkehr in sein Heimatland nicht möglich sei, sei nicht einmal geltend gemacht worden. Solcherart wögen seine privaten Interessen keinesfalls derart schwer, dass demgegenüber das genannte hohe öffentliche Interesse in den Hintergrund zu treten hätte. Die Erlassung der Ausweisung erweise sich daher auch im Sinn des § 66 Abs. 1 FPG als zulässig.

Mangels sonstiger, besonders zu Gunsten des Beschwerdeführers sprechender Umstände habe die belangte Behörde keine Veranlassung gesehen, von der Erlassung der Ausweisung im Rahmen des ihr zustehenden Ermessens Abstand zu nehmen.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1.1. Die Beschwerde bestreitet nicht, dass der Beschwerdeführer am 2. Dezember 2002 illegal nach Österreich eingereist ist, sein Asylantrag mit im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 14. Juli 2006 abgewiesen, die Behandlung einer dagegen erhobenen Beschwerde abgelehnt wurde und sich der Beschwerdeführer somit unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhält. In Hinblick darauf begegnet die Auffassung der belangten Behörde, dass der Tatbestand des § 53 Abs. 1 FPG erfüllt sei, keinen Bedenken.

1.2. Entgegen der in der Beschwerde vertretenen Auffassung führt auch das "parallel laufende Bleiberechtsverfahren" zu keiner Einschränkung der behördlichen Ermächtigung zur Erlassung einer Ausweisung (vgl. aus der ständigen hg. Rechtsprechung etwa das Erkenntnis vom 25. September 2009, Zl. 2009/18/0135, mwN).

2.1. Die Beschwerde bekämpft den angefochtenen Bescheid unter dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK bzw. des § 66 FPG und bringt im Wesentlichen vor, es sei nicht dargetan worden, worin die "Sozialschädlichkeit" des Beschwerdeführers bestehe, und die belangte Behörde habe den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz außer Acht gelassen.

2.2. Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.

Bei der Prüfung der Zulässigkeit der Ausweisung im Grunde des § 66 FPG (idF der Novelle BGBl. I Nr. 29/2009) und des Art. 8 Abs. 2 EMRK hat die belangte Behörde den inländischen Aufenthalt des Beschwerdeführers seit 2. Dezember 2002 und seine daraus resultierenden persönlichen Interessen berücksichtigt. Die aus der Dauer seines inländischen Aufenthaltes ableitbare Integration wird in ihrem Gewicht jedoch dadurch entscheidend gemindert, dass sein Aufenthalt zuerst nur aufgrund des von ihm gestellten Asylantrages, der in der Folge abgewiesen wurde, vorläufig erlaubt und seit dem Zeitpunkt der Abweisung des Asylantrages unrechtmäßig war (vgl. § 66 Abs. 2 Z. 1 FPG). Die Beschwerde behauptet nicht, dass sich Familienangehörige oder sonstige Verwandte des Beschwerdeführers im Bundesgebiet aufhielten.

Diesen nicht besonders ausgeprägten persönlichen Interessen des Beschwerdeführers an einem weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet steht gegenüber, dass er sich nunmehr unrechtmäßig in Österreich aufhält, was eine erhebliche Beeinträchtigung des großen öffentlichen Interesses an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften darstellt, dem aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zukommt (vgl. dazu aus der ständigen hg. Judikatur etwa das Erkenntnis vom 7. Juli 2009, Zl. 2009/18/0215, mwN).

Entgegen der Beschwerdeansicht erscheint die Ausweisung des Beschwerdeführers auch nach den in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) zu Art. 8 EMRK aufgestellten Kriterien nicht als unzulässig.

Im vorliegenden Beschwerdefall befinden sich - wie bereits erwähnt - weder Familienangehörige des Beschwerdeführers im Bundesgebiet, noch ist ihm ein Aufenthaltstitel erteilt worden. Dazu sei beispielsweise auf die Entscheidung des EGMR vom 11. April 2006, Nr. 61292/00 (Useinov gegen die Niederlande), hingewiesen, der ein Fall zugrunde lag, in dem ein Fremder ausgewiesen wurde, der mit einer Inländerin zwei gemeinsame minderjährige Kinder hatte und bereits mehrere Jahre lang in den Niederlanden lebte, aber nicht damit rechnen durfte, sich auf Dauer in diesem Staat niederlassen zu dürfen; in dieser Entscheidung erachtete der EGMR die Bestimmung des Art. 8 EMRK als durch die Ausweisung des Fremden nicht verletzt (vgl. zu dieser Entscheidung auch das hg. Erkenntnis vom 4. Juni 2009, Zl. 2009/18/0138, mwH auf das hg. Erkenntnis vom 19. Februar 2009, Zl. 2008/18/0721).

Nach der hg. Judikatur (vgl. dazu nochmals das vorzitierte Erkenntnis vom 7. Juli 2009, mwN) wäre der Beschwerdeführer nur dann vor einer Ausweisung geschützt und damit unter dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK in weiterer Folge zu einer Legalisierung seines Aufenthaltes vom Inland aus berechtigt, wenn eine rasche bzw. sofortige Erteilung einer (humanitären) Niederlassungsbewilligung zur Abwendung eines unzulässigen Eingriffes in ein durch Art. 8 EMRK geschütztes Privat- oder Familienleben erforderlich wäre. Die angeführten persönlichen Bindungen des Beschwerdeführers in Österreich stellen jedoch nach den oben dargestellten Kriterien der Judikatur des EGMR keine besonderen Umstände im Sinn des Art. 8 EMRK dar, die es ihm unzumutbar machen würden, für die Dauer eines ordnungsgemäß geführten Niederlassungsverfahrens auszureisen.

Vor diesem Hintergrund ist auch das weitere Beschwerdevorbringen, dass der Beschwerdeführer sich in Österreich wohlverhalten habe und niemals rechtskräftig bestraft worden sei, nicht zielführend.

Die Ansicht der belangten Behörde, dass die Ausweisung zur Erreichung von in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen (Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens) dringend geboten und daher im Sinn des § 66 FPG zulässig sei, begegnet daher keinen Bedenken.

3. Schließlich sind auch keine besonderen Umstände ersichtlich, die die belangte Behörde dazu hätten veranlassen müssen, von der Ausweisung im Rahmen des ihr gemäß § 53 Abs. 1 FPG eingeräumten Ermessens Abstand zu nehmen.

4. Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 15. Dezember 2009

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