Normen
AVG §71 Abs1 Z1;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §46 Abs1;
AVG §71 Abs1 Z1;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §46 Abs1;
Spruch:
- 1. Der Wiedereinsetzungsantrag wird abgewiesen.
- 2. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 8. Mai 2009 wurde die Beschwerdeführerin, eine äthiopische Staatsangehörige, gemäß § 53 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100, ausgewiesen.
2. Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin die mit "23. Juni 2008" datierte, am 23. Juni 2009 zur Post gegebene und zur hg. Zl. 2009/18/0249 protokollierte Beschwerde, in der u. a. vorgebracht wurde, dass ihr der Bescheid am 11. Mai 2009 zugestellt worden sei.
3. Mit hg. Verfügung vom 26. Juni 2009 (zugestellt am 3. Juli 2009) wurde der Beschwerdeführerin mitgeteilt, dass auf Grund des Beschwerdevorbringens die Versäumung der Frist zur Erhebung der Beschwerde angenommen und sie aufgefordert werde, zu dieser Annahme binnen zwei Wochen Stellung zu nehmen.
4. Mit dem vorliegenden, am 17. Juli 2009 zur Post gegebenen Schriftsatz vom selben Tag stellte die Beschwerdeführerin den Antrag, ihr die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschwerdefrist zu bewilligen und brachte dazu Folgendes vor:
Sämtliche Schriftstücke, die in der Kanzlei einlangten, würden umgehend von den Mitarbeiterinnen des Sekretariats mit dem Eingangsstempel des jeweiligen Tages versehen. Die Eingangspost werde einmal täglich nach dem Einlangen der Tagespost (etwa zwischen 8.30 Uhr und 9.30 Uhr) erfasst und bearbeitet. Dazu würden die jeweils dazugehörigen Akten herausgesucht und etwaige Fristen zunächst in den Fristenkalender eingetragen und dann auf dem jeweiligen Schriftstück vermerkt. Die Akten mit den dazugehörigen Schriftstücken würden dem rechtsfreundlichen Vertreter vorgelegt, der die weitere Bearbeitung veranlasse und auch die Eintragung in den Kalender stichprobenartig überprüfe.
Um eine Fristversäumnis zu vermeiden, gebe es die klare und ausdrückliche Weisung betreffend die Erledigung des Posteinganges und -ausganges an das Sekretariatspersonal. Zunächst müsse anhand des Eingangsstempels "händisch" die Frist berechnet werden. Dazu würden die jeweils eine Woche erfassenden Doppelseiten im Papierkalender, einem Rechtsanwaltskalender (Verlag S & S) umgeblättert und die Frist - in diesem Fall also sechs Wochen - durch Abzählen errechnet. Die so ermittelte Frist werde sofort in diesen Kalender eingetragen. Erst danach erfolge die Eintragung in RA-Software "j" am Computer. Dieses Programm gehe immer vom tagesaktuellen Datum aus und berechne selbständig die Fristen. Bei der Eingabe einer neuen Frist müsse daher, wenn das Zustelldatum nicht mit dem Tagesdatum übereinstimme, zunächst das Tagesdatum auf den tatsächlichen Beginn des Fristenlaufes korrigiert werden. Die vom Computer errechnete Frist werde schließlich abschließend mit der selbst berechneten Frist gegengeprüft. Sollte also tatsächlich im ersten Schritt ein Fehler passieren, müsse jedenfalls durch die zweite Sicherheitsüberprüfung ein solcher auffallen und korrigiert werden.
Da es sich bei der zuständigen Mitarbeiterin um eine bisher einwandfrei und zuverlässig arbeitende Angestellte handle, habe der rechtsfreundliche Vertreter selbstverständlich darauf vertrauen dürfen, dass seine Anweisungen, die gerade zur Sicherung des Fristenwesens dienten, befolgt würden.
Es erfolge auch eine stichprobenartige Kontrolle der Eintragungen. Eine 100 %ige Kontrolle auch der eingearbeiteten, einwandfrei arbeitenden Angestellten sei allerdings nicht möglich, da damit das System der Delegation an sich obsolet würde und der Arbeitsbetrieb der Kanzlei nicht aufrecht erhalten werden könnte.
Der gegenständliche Bescheid sei nach Bearbeitung der Tagespost in der Kanzlei per Fax eingelangt und in den Posteingang zur weiteren Bearbeitung für den nächsten Tag gelegt worden. Am nächsten Tag, dem 12. Mai 2009, sei weisungswidrig zuerst die Eintragung im Computer vorgenommen und dabei offenbar die Korrektur des Eingangsdatums nicht durchgeführt worden. In weiterer Folge sei das vom Computer errechnete Datum in den Papierkalender wiederum weisungswidrig ohne händische Kontrolle übertragen worden. Durch die Umkehrung der angeordneten Arbeitsschritte sei somit das Kontrollsystem unwirksam geworden.
Die Missachtung einer direkten Weisung durch die bisher einwandfrei und zuverlässig arbeitende Sekretariatsangestellte stelle ein Versehen dar und sei nicht vorherzusehen gewesen, die daraus resultierende Nichteintragung stelle ein unvorhergesehenes und unabwendbares Ereignis im Sinn des § 71 Abs. 1 Z. 1 AVG dar.
Im gegenständlichen Fall sei es trotz Einhaltung der berufsgebotenen Sorgfaltspflicht im Sinn eines Kontrollsystems zur Einhaltung des Fristenwesens zu einem Fristversäumnis gekommen, weshalb nicht von einem Verschulden ausgegangen werden könne. Durch die verspätete Einbringung der Beschwerde als Folge der Fristversäumnis sei die Beschwerdeführerin an der Einbringung eines außerordentlichen Rechtsmittels gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion überhaupt gehindert worden. Da mit der Beschwerde der Antrag auf aufschiebende Wirkung verbunden sei, sei auch der weitere Aufenthalt der Beschwerdeführerin in Österreich unmittelbar gefährdet. Aus diesen Gründen habe sie einen Rechtsnachteil erlitten.
Dieses Vorbringen wurde durch eine eidesstattliche Erklärung der Mitarbeiterin im Sekretariat des rechtsfreundlichen Vertreters der Beschwerdeführerin bestätigt.
II.
1. Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis - so dadurch, dass sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat - eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.
2. Nach der ständigen hg. Judikatur trifft das Verschulden des Parteienvertreters die von diesem vertretene Partei. Wie der Verwaltungsgerichtshof weiters ausgesprochen hat, ist in einer Rechtsanwaltskanzlei für die richtige Berechnung der jeweiligen Rechtsmittelfrist in einem bestimmten Fall stets der Anwalt und nicht etwa jene Kanzleiangestellte allein verantwortlich, die den Termin weisungsgemäß in den Kalender einträgt. Der Anwalt selbst hat die entsprechende Frist festzusetzen, ihre Vormerkung anzuordnen sowie die richtige Eintragung im Kalender im Rahmen der gebotenen Aufsichtspflicht zu überwachen. Tut er dies nicht oder unterläuft ihm dabei ein Versehen, ohne dass er dartun kann, dass die Fristversäumnis auf einem ausgesprochen weisungswidrigen Verhalten der Kanzleiangestellten beruht und in seiner Person keinerlei Verschulden vorliegt, so trifft ihn ein Verschulden, welches sich gegen die von ihm vertretene Partei auswirkt (vgl. den hg. Beschluss vom 28. März 2001, Zl. 2001/04/0005).
Damit ergibt sich eindeutig, dass die Frage der Fristsetzung und Fristvormerkung keine Angelegenheit ist, die einer Kanzleiangestellten in alleiniger Verantwortlichkeit übertragen werden kann. Wird eine solche Fristsetzung und Vormerkung von der Kanzleiangestellten vorgenommen, so obliegt dem Anwalt die Beaufsichtigungs- und Kontrollpflicht. Im vorliegenden Fall wurde nach dem Vorbringen im Wiedereinsetzungsantrag die Fristberechnung und Eintragung sowohl in den Papierkalender als auch im Computer ausschließlich von der Kanzleiangestellten des Rechtsvertreters vorgenommen. Im Wiedereinsetzungsantrag wird nicht vorgebracht, dass der Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin die von der Kanzleiangestellten am Schriftstück vermerkte Frist kontrolliert habe bzw. warum ihm der falsche Fristvermerk nicht aufgefallen sei. Die weisungswidrige Vorgangsweise der Kanzleiangestellten bei der Eintragung der Frist entbindet den Rechtsvertreter nicht von seiner Verpflichtung, die Frist selbst festzusetzen bzw. den Vermerk der Kanzleiangestellten entsprechend zu kontrollieren, weshalb sein Verhalten nicht mehr als bloß minderer Grad des Versehens angesehen werden kann.
Es ist der Antragstellerin zuzugestehen, dass eine regelmäßige Kontrolle rein manipulativer Tätigkeiten einer erfahrenen und zuverlässigen Kanzleikraft dem Rechtsanwalt nicht zuzumuten ist, will man nicht seine Sorgfaltspflichten überspannen. Bei der kanzleimäßigen Bestimmung einer Rechtsmittelfrist handelt es sich jedoch nicht um einen solchen rein manipulativen Vorgang. Wenn der Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin die Beschwerdefrist daher nicht selbst kalendermäßig konkret bestimmte, sondern diese Bestimmung seiner Kanzleikraft überließ, so wäre es ihm im Rahmen der gebotenen Überwachungspflicht jedenfalls oblegen, diesen Vorgang bzw. die richtige Eintragung im Kalender zu kontrollieren (vgl. nochmals den hg. Beschluss Zl. 2001/04/0005).
Ausgehend vom Vorbringen im vorliegenden Wiedereinsetzungsantrag kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin wirksame Maßnahmen zur Kontrolle der richtigen Bestimmung und Eintragung von Fristen getroffen hätte.
3. Dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschwerdefrist war daher nicht stattzugeben.
4. Da sich somit die am 23. Juni 2009 zur Post gegebene Beschwerde gegen den genannten Bescheid der belangten Behörde als verspätet erweist, war sie gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
Wien, am 24. September 2009
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