Normen
FrPolG 2005 §53 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
EMRK Art8 Abs2;
VwGG §41 Abs1;
FrPolG 2005 §53 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
EMRK Art8 Abs2;
VwGG §41 Abs1;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 4. März 2009 wurde die Beschwerdeführerin, eine chinesische Staatsangehörige, gemäß § 53 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100, ausgewiesen.
Die belangte Behörde legte ihrer Entscheidung im Wesentlichen die Feststellungen zugrunde, dass die "noch minderjährige" Beschwerdeführerin nach ihren eigenen Angaben im April 2006 illegal und allein nach Österreich eingereist sei. Die Mutter der Beschwerdeführerin sei zwar mit ihr gemeinsam aus China ausgereist, aber in einem unbekannten Drittland zurückgeblieben. Die Beschwerdeführerin sei seit dem 7. September 2006 erstmals - in einem Krisenzentrum der Jugendwohlfahrt - behördlich gemeldet und habe sich somit etwa fünf Monate lang unangemeldet im Bundesgebiet aufgehalten.
Die Beschwerdeführerin besuche in Österreich die Schule und habe in Österreich keine Familienangehörigen. Sie sei weder im Besitz eines Reise- noch eines sonstigen Identitätsdokuments.
Am 22. August 2006 habe die Beschwerdeführerin einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus humanitären Gründen gestellt, über den "bis dato" nicht abgesprochen worden sei. Es sei auch nicht absehbar, wie dem Antrag entsprochen werden könne, entbehre doch die Beschwerdeführerin der nach § 19 Abs. 2 letzter Satz des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes - NAG, BGBl. I Nr. 100/2005, erforderlichen Urkunden bzw. Beweismittel, welche die zweifelsfreie Feststellung der Identität der Beschwerdeführerin und des Sachverhalts ermöglichen könnten. Auch eine Anfrage bei der chinesischen Botschaft habe keine Aufklärung über ihre Identität zu geben vermocht.
In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde - unter Wiedergabe der Bestimmung des § 53 Abs. 1 FPG - im Wesentlichen aus, dass sich die Beschwerdeführerin seit ihrer Einreise im April 2006 unrechtmäßig in Österreich aufhalte, sodass § 53 Abs. 1 FPG erfüllt sei.
Die Ausweisung eines Fremden dürfe aber dennoch nur vorbehaltlich der Bestimmung des § 66 Abs. 1 FPG vorgenommen werden, wonach im Falle des Eingriffs in das Privat- oder Familienleben des Fremden die Ausweisung nur zulässig sei, wenn dies zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele - diese Bestimmung nenne die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung, die Verhinderung von strafbaren Handlungen, den Schutz der Gesundheit und der Moral und den Schutz der Rechte und Freiheiten anderer - dringend geboten sei. Die Behörde habe daher bei ihrer Ermessensentscheidung gemäß § 53 Abs. 1 FPG in Erwägung zu ziehen, ob und - wenn ja - welche bestimmten Umstände im Einzelfall vor dem Hintergrund der gesamten Rechtsordnung für und gegen eine Ausweisung der Beschwerdeführerin sprächen, und sich dabei insbesondere von den Vorschriften des FPG leiten zu lassen.
Weil die Beschwerdeführerin sich schon fast drei Jahre lang in Österreich aufhalte und hier die Schule besuche, greife die Ausweisung in das Privatleben - nicht aber in das Familienleben - der Beschwerdeführerin ein. Der dadurch und durch das Erlernen der deutschen Sprache bewirkten Integration der Beschwerdeführerin stehe aber die Beeinträchtigung des hoch zu veranschlagenden maßgeblichen öffentlichen Interesses an der Wahrung eines geordneten Fremden- und Aufenthaltswesens und an ihrer Ausreise gegenüber, wobei die Relevanz des inländischen Aufenthaltes durch dessen Unrechtmäßigkeit entscheidend gemindert werde. Der Befolgung der den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften durch den Normadressaten komme aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und der geordneten Abwicklung des Fremdenwesens (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein sehr hoher Stellenwert zu. Der unrechtmäßige Aufenthalt eines Fremden in Österreich stelle eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung dar, weil er dem Gesetz (FPG und NAG), das diese Ordnung auf dem Gebiet des Fremden- und Aufenthaltswesens schützen wolle, widerspreche.
Die belangte Behörde vermöge nicht zu tolerieren, dass sich eine Fremde durch die illegale Einreise und den anschließenden mehrjährigen illegalen Aufenthalt gleichsam ein "Bleiberecht" erzwingen wolle, wobei nach den einschlägigen Erfahrungen der nächste Schritt in Form der gleichfalls illegalen Einreise und des ebenfalls illegalen Aufenthaltes der Mutter der Beschwerdeführerin folgen könnte. Eine Duldung bzw. Bewilligung der Vorgangsweise der Beschwerdeführerin müsse von all jenen Fremden, welche die Mühe eines Antrages auf Erteilung eines Einreise- bzw. Aufenthaltstitels und des zeitraubenden Zuwartens auf die Genehmigung vom Ausland aus in Kauf nehmen würden, als "behördlicher Affront" und Ungleichbehandlung angesehen werden. Damit werde zudem einer unkontrollierten Zuwanderung, die der Gesetzgeber verpönt habe, "Tür und Tor" geöffnet und das Gesetz eigentlich zu einer bloß unverbindlichen Formvorschrift degradiert.
Besondere Umstände, die für die Beschwerdeführerin eine positive Ermessensübung durch die Behörde zuließen oder humanitäre Aspekte entscheidend in den Vordergrund gestellt hätten, hätten weder erkannt werden können noch seien sie vorgebracht worden.
2. Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluss vom 22. Juni 2009, B 494/09, ablehnte und die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.
In der auftragsgemäß ergänzten Beschwerde macht die Beschwerdeführerin Rechtswidrigkeit des Inhaltes, in eventu Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1.1. Die Beschwerde bringt im Wesentlichen vor, dass es nicht zutreffe, dass die Beschwerdeführerin bei ihrer Einreise nach Österreich durch einen mehrjährigen Aufenthalt in Österreich ein Bleiberecht habe "erzwingen" wollen. Auch könne keine Rede davon sein, dass von der Beschwerdeführerin als nächstes der illegale Nachzug ihrer Mutter, zu der die Beschwerdeführerin seit ihrer Einreise keinen Kontakt mehr habe, geplant sei. Richtig sei vielmehr, dass die Beschwerdeführerin bereits - kurze Zeit nach ihrer Einreise - im Juli 2006 einen Versuch unternommen habe, gemäß den einschlägigen innerstaatlichen Vorschriften den Aufenthalt vom Inland aus durch Anregung der Erteilung eines Aufenthaltstitels aus humanitären Gründen zu legalisieren. Über dieses Ansuchen sei allerdings "bis dato" nicht abgesprochen worden. Die behauptete Gefährdung der öffentlichen Ordnung liege im Fall der Beschwerdeführerin gerade nicht vor. Diese sei von der belangten Behörde auch nicht substantiiert dargetan worden. Denn einerseits verdeutliche die "prompte Meldung" bei einer staatlichen Behörde sowie der dauernde Aufenthalt in einer staatlichen Betreuungseinrichtung den Unwillen der Beschwerdeführerin, das Fremden- und Aufenthaltswesen der Republik Österreich durch einen unangemeldeten Aufenthalt zu unterwandern. Andererseits zeige die frühe Anregung eines Aufenthaltstitels aus humanitären Gründen gemäß den innerstaatlichen Vorschriften des Fremden- und Aufenthaltsrechts deutlich den Wunsch der Beschwerdeführerin, ihren Aufenthalt in Österreich mit einem rechtmäßigen Fundament auszustatten.
1.2. Mit diesem Vorbringen gelingt es der Beschwerde allerdings nicht, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen.
Gemäß § 53 Abs. 1 FPG können Fremde mit Bescheid ausgewiesen werden, wenn sie sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten.
Die Beschwerdeführerin verfügt unstrittig über keinen Aufenthaltstitel. Der Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung aus humanitären Gründen, über den noch nicht entschieden worden ist, kann den Aufenthalt der Beschwerdeführerin in Österreich nicht legalisieren (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 14. Dezember 2006, Zl. 2006/18/0387). Ebenso führt die Anhängigkeit eines solchen Verfahrens zu keiner Einschränkung der behördlichen Ermächtigung zur Erlassung einer Ausweisung (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 2. Dezember 2008, Zl. 2008/18/0624, mwN). Andere Umstände, aus denen sich eine Aufenthaltsberechtigung der Beschwerdeführerin ableiten lassen könnte, ergeben sich weder aus den Verwaltungsakten noch aus der Beschwerde.
Die Ansicht der belangten Behörde, dass die Tatbestandsvoraussetzungen für eine Ausweisung gemäß § 53 Abs. 1 FPG vorliegen, kann daher nicht als rechtswidrig angesehen werden.
2.1. Die Beschwerde wendet sich gegen das Ergebnis der von der belangten Behörde gemäß § 66 Abs. 1 FPG vorgenommenen Interessenabwägung und bringt dazu im Wesentlichen vor, dass die belangte Behörde zu Gunsten der Beschwerdeführerin lediglich den Schulbesuch, den dreijährigen Aufenthalt in Österreich sowie das Erlernen der deutschen Sprache erwähnt habe, sich aber mit diesen Umständen nicht näher auseinandergesetzt habe. Weitere Umstände, wie etwa die Schutzwürdigkeit des Privatlebens und dessen Intensität, der Grad der Integration, die Bindungen zum Heimatstaat und die strafgerichtliche Unbescholtenheit seien zur Gänze unberücksichtigt geblieben. Insoweit beruhe der angefochtene Bescheid aber auch auf einer Verkennung der Rechtslage, als die vorgenommene Prüfung, ob die persönlichen Interessen der Beschwerdeführerin am Verbleib gegenüber den öffentlichen Interessen an der Ausweisung überwögen, den Anforderungen des Art. 8 EMRK in keiner Weise genügte, zumal die belangte Behörde gleich mehrere Aspekte, die bei einer entsprechenden Interessenabwägung zu berücksichtigen wären, gänzlich außer Acht gelassen habe. Die belangte Behörde hätte eine "individuelle, an den Umständen des Einzelfalls orientierte Abwägung zwischen den öffentlichen Interessen und den Interessen des Betroffenen vorzunehmen" gehabt.
2.2. Auch dieses Vorbringen ist nicht geeignet, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen.
Die belangte Behörde hat bei der Prüfung der Zulässigkeit der Ausweisung gemäß § 66 Abs. 1 FPG den Aufenthalt der Beschwerdeführerin im Bundesgebiet seit April 2006 sowie die Umstände, dass die Beschwerdeführerin in Österreich die Schule besucht und die deutsche Sprache erlernt hat, berücksichtigt und zutreffend einen mit der Ausweisung verbundenen Eingriff in das Privatleben der Beschwerdeführerin angenommen.
Die aus dieser Aufenthaltsdauer resultierenden persönlichen Interessen der Beschwerdeführerin sind allerdings an Gewicht insoweit zu relativieren, als diese zu keiner Zeit über einen Aufenthaltstitel oder eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz verfügt hat und somit ihr gesamter inländischer Aufenthalt unrechtmäßig war. Auch das Vorbringen der Beschwerdeführerin, dass sie zu ihrem Heimatstaat keine Bindung habe, ist - schon weil es nicht weiter substantiiert wird - nicht geeignet, das Gewicht ihrer persönlichen Interessen am Verbleib in Österreich zu verstärken (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 31. März 2008, Zl. 2008/18/0277).
Die Beschwerdeführerin beeinträchtigt durch ihren unrechtmäßigen Aufenthalt in Österreich - worauf die belangte Behörde zutreffend hingewiesen hat - das maßgebliche öffentliche Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften, dem aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zukommt. Bei Abwägung dieses großen öffentlichen Interesses und der gegenläufigen - wie oben dargestellt - relativierten Interessen der Beschwerdeführerin begegnet die Auffassung der belangten Behörde, dass die Ausweisung zur Erreichung von in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen dringend geboten und somit gemäß § 66 Abs. 1 FPG zulässig sei, keinen Bedenken.
Aufgrund des Gesagten gehen auch die in diesem Zusammenhang geltend gemachten Verfahrensmängel ins Leere.
2.3. Soweit die Beschwerde in diesem Zusammenhang darüber hinaus vorbringt, dass die Beschwerdeführerin auch "außerschulisch freundschaftliche Kontakte", insbesondere zu zwei österreichischen Familien unterhalte, die sie schon seit geraumer Zeit bei der Bewältigung des Alltags unterstützten, so ist dem zu entgegnen, dass dieses Vorbringen im Administrativverfahren nicht erstattet wurde, sodass es schon in Hinblick auf das im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltende Neuerungsverbot (§ 41 Abs. 1 VwGG) keine Berücksichtigung finden kann.
Aufgrund des Gesagten war die belangte Behörde - entgegen der Verfahrensrüge der Beschwerde - auch nicht gehalten, weitere Erhebungen zu den "außerschulisch freundschaftlichen Kontakten" der Beschwerdeführerin anzustellen.
3. Schließlich ist auch die Verfahrensrüge, dass die Feststellung des angefochtenen Bescheides, wonach eine erste behördliche Meldung der Beschwerdeführerin am 7. September 2006 stattgefunden, sowie die Folgerung, dass die Beschwerdeführerin sich etwa fünf Monate unangemeldet im Bundesgebiet aufgehalten habe, unrichtig und aktenwidrig seien, gänzlich ohne Relevanz.
4. Besondere Umstände, aus denen die belangte Behörde gehalten gewesen wäre, von der Ausweisung im Rahmen des ihr von § 53 Abs. 1 FPG eingeräumten Ermessens Abstand zu nehmen, werden in der Beschwerde nicht dargetan.
5. Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen. Wien, am 9. November 2009
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