VwGH 2009/18/0261

VwGH2009/18/026124.9.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und die Hofräte Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer, die Hofrätin Mag. Merl und den Hofrat Dr. Lukasser als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Schmidl, über die Beschwerde des P T, geboren am 1. Januar 1977, vertreten durch Mag. Susanne Singer, Rechtsanwältin in 4600 Wels, Maria-Theresia-Straße 9, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 12. Mai 2009, Zl. E1/6197/2009, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:

Normen

FrPolG 2005 §53 Abs1;
FrPolG 2005 §60 Abs1;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z9;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs2 idF 2009/I/029;
EMRK Art8 Abs2;
NAG 2005 §11 Abs1 Z4;
NAG 2005 §11 Abs2 Z1;
NAG 2005 §30 Abs1;
FrPolG 2005 §53 Abs1;
FrPolG 2005 §60 Abs1;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z9;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs2 idF 2009/I/029;
EMRK Art8 Abs2;
NAG 2005 §11 Abs1 Z4;
NAG 2005 §11 Abs2 Z1;
NAG 2005 §30 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich (der belangten Behörde) vom 12. Mai 2009 wurde der Beschwerdeführer, ein türkischer Staatsangehöriger, gemäß § 53 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100, ausgewiesen.

Aus der Begründung des angefochtenen Bescheides sei hervorgehoben:

Der Beschwerdeführer sei auf Grund eines von der deutschen Botschaft in Ankara ausgestellten, vom 13. Mai 2002 bis 31. Juli 2002 gültigen Visums zunächst in Deutschland und im Mai 2002 in Österreich eingereist. Am 11. Juli 2002 habe er die österreichische Staatsbürgerin A. geheiratet und am 30. Juli 2002 einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels für den Aufenthaltszweck "Familiengemeinschaft mit Österreicher" gestellt. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 21. März 2007 sei dieser Antrag (im zweiten Rechtsgang) wegen des Vorliegens einer Aufenthaltsehe gemäß § 11 Abs. 1 Z. 4 iVm § 30 Abs. 1 NAG abgewiesen worden. Eine dagegen an den Verwaltungsgerichtshof erhobenen Beschwerde sei mit hg. Erkenntnis vom 3. Juli 2007, Zl. 2007/18/0270, als unbegründet abgewiesen worden.

In der Folge habe die Bezirkshauptmannschaft Wels-Land gegen den Beschwerdeführer gemäß § 60 Abs. 1 und 2 Z. 9 FPG ein auf zehn Jahre befristetes Aufenthaltsverbot erlassen. Dieser Bescheid sei auf Grund seiner Berufung mit Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 26. November 2007 behoben worden, weil seit der rechtsmissbräuchlichen Eheschließung bereits mehr als fünf Jahre vergangen gewesen seien.

Der Beschwerdeführer habe - abgesehen von erlaubten touristischen Aufenthalten - zu keiner Zeit über einen gültigen Aufenthaltstitel verfügt und halte sich daher seit Ablauf des vom 13. Mai 2002 bis 31. Juli 2002 gültigen Visums seit 1. August 2002 nicht rechtmäßig im Bundesgebiet auf.

Begründend führte die belangte Behörde weiter aus, dass das Vorliegen einer Aufenthaltsehe von der Niederlassungsbehörde im Rahmen eines ausführlichen Ermittlungsverfahrens in nachvollziehbarer Beweiswürdigung festgestellt worden sei, welche Beurteilung vom Verwaltungsgerichtshof mit dem genannten Erkenntnis, Zl. 2007/18/0270, bestätigt worden sei. Die belangte Behörde nehme es als erwiesen an, dass der Beschwerdeführer mit einer österreichischen Staatsbürgerin eine Ehe lediglich deswegen eingegangen sei, um in den Genuss eines Aufenthaltstitels zu gelangen, welches Verhalten die Annahme rechtfertige, dass sein Aufenthalt im Bundesgebiet die öffentliche Ordnung gefährde, und einen evidenten Rechtsmissbrauch darstelle.

Der Beschwerdeführer sei seit 1. Jänner 2006 als Arbeiter bei einem Unternehmen für Bedachungen und Spenglerei in Österreich beschäftigt. Außer seiner Ehegattin, mit der er jedoch kein Familienleben führe, lebten hier keine Angehörigen. Seine Familienangehörigen lebten in der Türkei. Hinsichtlich des behaupteten Freundeskreises habe er keine näheren Angaben gemacht. Es sei davon auszugehen, dass durch die Ausweisung in sein Privatleben eingegriffen werde. Zu seinen Gunsten sei zu berücksichtigen, dass er sich seit sieben Jahren in Österreich aufhalte und einer Beschäftigung nachgehe und somit über berufliche Bindungen hier verfüge. Die aus der Berufstätigkeit des Beschwerdeführers ableitbare Integration werde als geschmälert angesehen, weil er nur auf Grund der Scheinehe mit einer Österreicherin keine Bewilligung nach dem AuslBG zur Ausübung einer Beschäftigung benötigt habe. Die Integration eines Fremden in seinem Gastland setze auch ein gewisses Maß an Rechtstreue voraus. Auf Grund des von ihm an den Tag gelegten Verhaltens könne nicht davon ausgegangen werden, dass er besonders integriert wäre.

Der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften komme aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung ein hoher Stellenwert zu. Dieses maßgebliche öffentliche Interesse habe der Beschwerdeführer durch das Eingehen einer Aufenthaltsehe und das Berufen darauf zur Erlangung fremdenrechtlicher Vorteile erheblich beeinträchtigt.

Das Vorbringen des Beschwerdeführers, er hätte in der Türkei keinen relevanten Bezug und könnte dort seinen Unterhalt nicht bestreiten, führe zu keiner ausschlaggebenden Verstärkung seiner persönlichen Interessen an einem weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet. Der Umstand der behaupteten schlechten wirtschaftlichen Situation im Heimatland des Fremden sei vom Schutzbereich des § 66 FPG nicht umfasst. Im Übrigen lebten in der Türkei noch seine Familienangehörigen.

Die Ausweisung des Beschwerdeführers sei zur Erreichung von in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen dringend geboten und daher zulässig.

Die vorliegenden, sein Privatleben betreffenden Umstände in Verbindung mit der Aufenthaltsdauer von sieben Jahren reichten nicht aus, dass unter dem Gesichtspunkt des Art. 8 EMRK oder des Ermessens von einer Ausweisung hätte Abstand genommen werden müssen.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Auf dem Boden der insoweit unbestrittenen Feststellungen der belangten Behörde, dass der Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung eines Aufenthaltstitels rechtskräftig abgewiesen worden sei und er bisher noch nie über einen Aufenthaltstitel verfügt habe, begegnet die Ansicht, dass er sich unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte und die Tatbestandsvoraussetzung des § 53 Abs. 1 (zweiter Halbsatz) FPG erfüllt sei, keinen Bedenken.

2.1. Die Beschwerde bekämpft den angefochtenen Bescheid unter dem Blickwinkel der Interessenabwägung nach § 66 FPG und bringt vor, dass der Beschwerdeführer nach wie vor bestreite, mit A. eine Scheinehe eingegangen zu sein, und dem Verwaltungsgerichtshof kompetenzrechtlich nicht die Befugnis zukomme, eine Ehe für nichtig zu erklären, sodass nicht auf Grund des obgenannten Erkenntnisses, Zl. 2007/18/0270, und der darin vorgenommenen Beweiswürdigung von einer Aufenthaltsehe ausgegangen werden dürfe. Im gegenständlichen Fall hätten die Behörden fünf Jahre benötigt, um definitiv festzustellen, dass der Beschwerdeführer eine Scheinehe eingegangen wäre, und weitere zwei Jahre, um ihn auszuweisen. All die Jahre des offenen Verfahrens habe er sich rechtmäßig in Österreich aufgehalten und sei einer geregelten Arbeitstätigkeit nachgegangen. Er habe sich immer besser hier integrieren und eine Existenz aufbauen können. Er spreche die deutsche Sprache, habe hier einen ordentlichen Wohnsitz und ein aufrechtes Arbeitsverhältnis und habe sich einen großen Freundes- und Bekanntenkreis aufgebaut. Es sei ihm nicht anzulasten, dass seine Ehegattin A. jeglichen Kontakt zu ihm abgebrochen habe, und sie hätten, wenn auch nur kurze Zeit, zusammengelebt. Es überwögen daher die Interessen des Beschwerdeführers an einem weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet die gegenläufigen öffentlichen Interessen.

2.2. Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.

Mit dem obzitierten Erkenntnis, Zl. 2007/18/0270, wurde die vom Beschwerdeführer gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 21. März 2007, mit dem der am 30. Juli 2002 gestellte Antrag auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung für den Aufenthaltszweck "Familiengemeinschaft mit Österreicher" gemäß § 11 Abs. 1 Z. 4 und Abs. 2 Z. 1 sowie § 30 Abs. 1 NAG abgewiesen worden war, erhobene Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Auf Grund dieser rechtskräftigen Berufungsentscheidung des Bundesministers für Inneres steht - in für das gegenständliche Ausweisungsverfahren bindender Weise - fest, dass im Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides vom 21. März 2007 vom Beschwerdeführer der Versagungsgrund des § 11 Abs. 1 Z. 4 NAG erfüllt war, weil es sich bei der vom Beschwerdeführer mit A. geschlossenen Ehe um eine Aufenthaltsehe (Scheinehe, vgl. § 30 Abs. 1 NAG) handelte. Entgegen der Beschwerdeansicht bedurfte es für diese Beurteilung nicht einer vorangegangenen Nichtigerklärung der Ehe durch ein ordentliches Gericht (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 2. Oktober 2008, Zl. 2007/18/0504, mwN). In Anbetracht dieses rechtskräftigen Abspruches über das Vorliegen des genannten Versagungsgrundes ist die von der belangten Behörde im vorliegend angefochtenen Bescheid getroffene Annahme, dass der Beschwerdeführer die Ehe mit A. eingegangen sei, um in den Genuss eines Aufenthaltstitels und fremdenrechtlicher Vorteile zu gelangen, und es sich dabei somit eine Aufenthaltsehe (Scheinehe) handle, nicht zu beanstanden.

Im Rahmen der Interessenabwägung nach § 66 FPG (idF des BGBl. I Nr. 29/2009) hat die belangte Behörde den inländischen Aufenthalt des Beschwerdeführers seit Mai 2002 und seine Beschäftigung als Arbeiter in einem Unternehmen berücksichtigt und zutreffend einen mit der Ausweisung verbundenen relevanten Eingriff im Sinn des § 66 Abs. 1 leg. cit. angenommen. Zu Recht hat die belangte Behörde jedoch auch darauf hingewiesen, dass die aus dem bisherigen inländischen Aufenthalt und der Beschäftigung resultierende Integration des Beschwerdeführers an Gewicht entscheidend dadurch gemindert ist, dass er eine Scheinehe eingegangen ist und nur auf Grund dieses rechtsmissbräuchlichen Verhaltens keine Bewilligung nach dem AuslBG benötigte.

Den die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften kommt, worauf die belangte Behörde zutreffend hingewiesen hat, aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zu (vgl. aus der ständigen hg. Judikatur etwa das Erkenntnis vom 2. April 2009, Zl. 2009/18/0107, mwN). Gegen dieses große öffentliche Interesse hat der Beschwerdeführer durch sein rechtsmissbräuchliches Verhalten (Eingehen einer Scheinehe zur Erlangung fremdenrechtlicher Bewilligungen) und seinen unrechtmäßigen Aufenthalt gravierend verstoßen.

Wägt man dieses große öffentliche Interesse gegen die persönlichen Interessen des Beschwerdeführers, dessen Verwandte nicht in Österreich, sondern in der Türkei leben, ab, so kann die Ansicht der belangten Behörde, dass § 66 FPG seiner Ausweisung nicht entgegenstehe, auch dann nicht als rechtswidrig beurteilt werden, wenn man dieser Beurteilung die Beschwerdebehauptungen zugrunde legte, dass er als zuverlässiger und gewissenhafter Arbeitnehmer bekannt sei und sich hier einen großen Freundes- und Bekanntenkreis aufgebaut habe.

3. Da somit bereits der Beschwerdeinhalt erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 24. September 2009

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