VwGH 2009/18/0155

VwGH2009/18/015524.9.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger sowie die Hofräte Dr. Enzenhofer, Dr. Strohmayer, die Hofrätin Mag. Merl und den Hofrat Dr. Lukasser als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Schmidl, über die Beschwerde des M A M in W, geboren am 23. April 1980, vertreten durch Dr. Thomas Pittner, Rechtsanwalt in 1040 Wien, Waaggasse 5/10, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 2. Dezember 2008, Zl. E1/468.212/2008, betreffend Versagung der Ausstellung eines Konventionsreisepasses, zu Recht erkannt:

Normen

B-VG Art130 Abs2 impl;
FrG 1997 §104 Abs1;
FrG 1997 §104 Abs3;
FrG 1997 §81 Abs1;
FrPolG 2005 §92 Abs1 Z4;
FrPolG 2005 §92 Abs1 Z5;
FrPolG 2005 §92 Abs1;
FrPolG 2005 §94 Abs1;
VwRallg impl;
VwRallg;
B-VG Art130 Abs2 impl;
FrG 1997 §104 Abs1;
FrG 1997 §104 Abs3;
FrG 1997 §81 Abs1;
FrPolG 2005 §92 Abs1 Z4;
FrPolG 2005 §92 Abs1 Z5;
FrPolG 2005 §92 Abs1;
FrPolG 2005 §94 Abs1;
VwRallg impl;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 2. Dezember 2008 wurde der Antrag des Beschwerdeführers, eines pakistanischen Staatsangehörigen, vom 13. Juni 2008 auf Ausstellung eines Konventionsreisepasses gemäß § 94 Abs. 1 iVm § 92 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100, abgewiesen.

Die belangte Behörde legte ihrer Entscheidung im Wesentlichen die Feststellungen zugrunde, dass dem Beschwerdeführer mit Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 9. Juni 2008 die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt worden sei.

Der Beschwerdeführer sei im Jahr 2001 mit Hilfe von Schleppern bis in die Slowakei gelangt und von dort nach Österreich gekommen, wo er sich freiwillig der Polizei gestellt habe. Aufgrund seiner Angaben über slowakische Schleppergruppen sei er von den Sicherheitsbehörden als Informant eingesetzt worden. Der Beschwerdeführer habe den Auftrag gehabt, möglichst viel über im Großraum W. und in T. tätige Schlepperbanden in Erfahrung zu bringen und diese Informationen an den Kontaktmann der "Soko Grenze" zu übermitteln. In weiterer Folge habe der Beschwerdeführer als Küchenhilfe im Flüchtlingslager T. gearbeitet und Kontakte zu Mitgliedern von Schlepperorganisationen unterhalten. Die dadurch gewonnenen Erkenntnisse habe er teilweise an den Kontaktmann per Telefon oder bei persönlichen Treffen übermittelt, teilweise habe er sie für sich behalten.

Mit Urteil des Landesgerichtes Korneuburg vom 19. Februar 2004 sei der Beschwerdeführer wegen des Verbrechens der Schlepperei nach § 104 Abs. 1 und 3 Fremdengesetz 1997 zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von zwanzig Monaten, davon sechs Monate unbedingt, rechtskräftig verurteilt worden. Dem Urteil liege zugrunde, dass der Beschwerdeführer zumindest in der Zeit von Anfang Oktober 2001 bis 6. Mai 2002 fortgesetzt in mehrfachen Tathandlungen gewerbsmäßig und als Mitglied einer Bande die rechtswidrige Einreise von mehreren Hundert Personen, die aus ihrem Heimatland unter Verwendung falscher Dokumente nach Russland, in die Ukraine, in die Türkei, nach Bulgarien, Rumänien, Ungarn, Tschechien bzw. in die Slowakei und von dort nach Österreich und dann in andere Staaten Europas gebracht worden seien, in einen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einen Nachbarstaat Österreichs mit dem Vorsatz gefördert habe, dass dies gegen einen nicht bloß geringen Vermögensvorteil für ihn oder einen anderen geschehe; er sei dabei gegen ein der Höhe nach nicht bekanntes Entgelt an der Schlepperei unmittelbar beteiligt gewesen, indem er mit diversen Personen "schlepperrelevante Telefongespräche" geführt, für Österreich Aufträge entgegen genommen und die Weiterschleusung in vorausbestimmte Zielländer organisiert habe. Der Beschwerdeführer habe für "geschleppte Staatsangehörige eine Weiterschleusung in vorherbestimmte und auch vorherbezahlte Zielländer" durch Bahn-, Auto- und Flugzeugschlepper organisiert. Des Weiteren habe der Beschwerdeführer Abhol- bzw. Übergabeorte für "schleusungswillige Personen" von Österreich in Zielländer über weitere Mittelspersonen vereinbart und bestimmt. Er habe Preise und Entgelte für Schleppungen festgesetzt, sich den im Ausgangsland von "schleusungswilligen Personen" im Voraus kassierten Schlepperlohn von Mitgliedern der Organisation auf sein Konto auf seinen Namen überweisen lassen und seinerseits die Bezahlung von weiteren Organisationsmitgliedern vorgenommen.

In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde - unter Wiedergabe der Bestimmungen der §§ 94 Abs. 1 und 92 Abs. 1 Z. 4 und 5 FPG - aus, dass aufgrund dieser schwerwiegenden Straftaten zweifelsfrei die in § 92 Abs. 1 Z. 4 und 5 FPG normierten Annahmen gerechtfertigt seien.

Dem Einwand des Beschwerdeführers, seine Verurteilung liege bereits mehr als viereinhalb Jahre zurück, er habe sich seither wohlverhalten und sich nichts mehr zu schulden kommen lassen, müsse Nachstehendes erwidert werden:

Den die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften komme aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung ein sehr hoher Stellenwert zu. Mit der ständigen Zunahme der Emigration steige auch das öffentliche Interesse an einer geordneten Überwachung der Reise- und Wanderbewegung solcher Fremder. Diesem öffentlichen Interesse stehe das Schlepperunwesen entgegen. Die durch Schlepperei bewirkte erhebliche Gefährdung der öffentlichen (inneren) Sicherheit stelle ein von den Strafgerichten zu ahndendes Delikt dar. Der Beschwerdeführer habe durch sein erhebliches Fehlverhalten seine außerordentliche Geringschätzung für maßgebliche die Einreise und den Aufenthalt Fremder regelnde Vorschriften zu erkennen gegeben und sich noch während seines anhängigen Asylverfahrens dazu hinreißen lassen, eine Vielzahl - dem Urteil zufolge mehrere Hundert Personen - zu schleppen.

Die solcherart vom Beschwerdeführer ausgehende Gefahr im Sinn des § 92 Abs. 1 Z. 4 und 5 FPG bzw. die solcherart gerechtfertigte Annahme sei auch durch das seitherige Wohlverhalten des Beschwerdeführers nicht entscheidend zu relativieren, sei doch der seit Begehung seiner Straftaten verstrichene Zeitraum jedenfalls noch zu kurz, um nunmehr von einem Wegfall der aufgrund der Verurteilung des Beschwerdeführers gerechtfertigten Annahme im Sinn der genannten Gesetzesstellen ausgehen zu können. Es werde noch eines längeren Zeitraumes des Wohlverhaltens bedürfen, um begründet von einem Wegfall der genannten Versagungsgründe ausgehen zu können.

Solcherart sei der begehrte Konventionsreisepass zu versagen, ohne dass der belangten Behörde hierbei Ermessen zukomme. Daran vermöge auch sein Vorbringen, ohne Konventionspass werde ihm die Arbeitssuche massiv erschwert, etwas (gemeint offenbar: nichts) zu ändern.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragt.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gemäß § 94 Abs. 1 FPG sind Fremden, denen in Österreich der Status des Asylberechtigten zukommt, auf Antrag Konventionsreisepässe auszustellen.

Gemäß § 94 Abs. 5 FPG gelten für die Festsetzung der Gültigkeitsdauer und des Geltungsbereiches von Konventionsreisepässen sowie der Gültigkeitsdauer der Rückkehrberechtigung in Konventionsreisepässen die Bestimmungen des Anhanges der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge; im Übrigen gelten die § 88 Abs. 3 FPG sowie §§ 89 bis 93 FPG.

Gemäß § 92 Abs. 1 FPG ist die Ausstellung, die Erweiterung des Geltungsbereiches und die Änderung eines Fremdenpasses u.a. zu versagen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass (Z. 4) der Fremde das Dokument benützen will, um Schlepperei zu begehen oder an ihr mitzuwirken, oder (Z. 5) durch den Aufenthalt des Fremden im Ausland die innere oder äußere Sicherheit der Republik Österreich gefährdet würde.

2.1. Die Beschwerde bringt im Wesentlichen vor, dass die Verurteilung nunmehr fünf Jahre zurückliege. Während dieser gesamten Zeit habe sich der Beschwerdeführer nichts mehr zu Schulden kommen lassen und sich wohlverhalten. Die Verbüßung der sechsmonatigen Untersuchungshaft habe eine derart abschreckende Wirkung auf den Beschwerdeführer gehabt, dass er seit diesem Zeitpunkt keine weiteren strafbaren Handlungen mehr begangen habe und auch nicht begehen werde. Daher sei die Annahme einer vom Beschwerdeführer ausgehenden Gefahr, im Schlepperwesen tätig zu werden und die Sicherheit Österreichs zu gefährden, nicht gerechtfertigt. Insbesondere der Umstand, dass der Beschwerdeführer als Informant für die Sicherheitsbehörden tätig gewesen sei und wichtige Informationen über Schlepperbanden an diese übermittelt habe, zeige auf, dass er vielmehr die Aufrechterhaltung von Sicherheit und Ordnung tatkräftig unterstützt habe und diese keineswegs gefährde. Dies hätte von der belangten Behörde ausreichend berücksichtigt werden müssen, sodass die Annahme nicht gerechtfertigt sei, dass der Beschwerdeführer das Reisedokument zur weiteren Begehung von Schlepperei benützen werde.

2.2. Mit diesem Vorbringen gelingt es der Beschwerde nicht, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen.

Der Beschwerdeführer bestreitet nicht seine von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid festgestellte rechtskräftige Verurteilung und insbesondere auch nicht die Feststellungen der belangten Behörde betreffend die dieser Verurteilung zugrunde liegenden Straftaten. Dem Beschwerdeführer liegt somit zur Last, dass er in der Zeit von Anfang Oktober 2001 bis 6. Mai 2002 gewerbsmäßig und als Mitglied einer Bande die rechtswidrige Einreise von mehreren Hundert Personen aus ihrem Heimatland in einen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einen Nachbarstaat Österreichs gefördert hat, indem er durch verschiedene schlepperrelevante Tätigkeiten an der Schlepperei unmittelbar beteiligt war.

Bei dieser Sachlage und auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass es sich vorliegend um ein schon mehrere Jahre zurückliegendes Fehlverhalten handelt, kann aufgrund der gewerbsmäßigen Tatbegehung und der erheblichen Gefährdung jedenfalls der inneren Sicherheit durch das Schlepperunwesen die Beurteilung der belangten Behörde, dass vorliegend der Ausstellung des beantragten Konventionsreisepasses die Versagungsgründe des § 92 Abs. 1 Z. 4 und 5 FPG entgegenstehen, nicht als rechtswidrig erkannt werden (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 4. April 2001, Zl. 2001/18/0054).

2.3. Wie der Wortlaut des § 92 Abs. 1 FPG ("... ist zu versagen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen ...") zeigt, ist der belangten Behörde kein Ermessen eingeräumt, das ein Absehen von der Versagung erlaubt hätte (vgl. das zu § 81 Abs. 1 FrG 1997 ergangene hg. Erkenntnis vom 17. Februar 2006, Zl. 2006/18/0030). Es bestand daher auch kein Raum für die Berücksichtigung der in der Beschwerde genannten Umstände - soweit diese nicht ohnehin gegen das im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltende Neuerungsverbot (vgl. § 41 Abs. 1 erster Satz VwGG) verstoßen -, dass der Beschwerdeführer sich samt seiner Familie gut integriert habe, hervorragend Deutsch spreche und seit zwei Jahren an der Medizinischen Universität Wien erfolgreich studiere.

3. Soweit der Beschwerdeführer rügt, die belangte Behörde habe keine Zukunftsprognose erstellt, sondern lediglich ausgesprochen, dass es eines längeren Zeitraumes bedürfe, um von einem Wegfall der genannten Versagungsgründe ausgehen zu können, ist ihm zu erwidern, dass er in der Beschwerde keine Umstände aufzeigt, die nach den obigen Ausführungen geeignet wären, einen anders lautenden Bescheid herbeizuführen. Die Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels wird somit nicht aufgezeigt. Im Übrigen ist bei der Versagung eines Konventionsreisepasses - entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers - auf persönliche oder wirtschaftliche Interessen des Betroffenen nicht Rücksicht zu nehmen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 4. Juni 2009, Zl. 2006/18/0204, mwN).

4. Da sich die Beschwerde somit als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

5. Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 24. September 2009

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