VwGH 2009/18/0038

VwGH2009/18/00382.4.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger, die Hofräte Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer, die Hofrätin Mag. Merl sowie den Hofrat Dr. Lukasser als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Schmidl, über die Beschwerde der J O in W, geboren am 15. Juni 1983, vertreten durch Edward W. Daigneault, Rechtsanwalt in 1170 Wien, Hernalser Gürtel 47/4, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 19. Jänner 2009, Zl. SD 1745/05, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

B-VG Art130 Abs2;
FrPolG 2005 §60 Abs1;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z7;
VwRallg;
B-VG Art130 Abs2;
FrPolG 2005 §60 Abs1;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z7;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) wurde gegen die Beschwerdeführerin, eine nigerianische Staatsangehörige, gemäß § 60 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 7 iVm § 63 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von fünf Jahren erlassen.

Die Beschwerdeführerin sei am 26. August 2003 illegal nach Österreich gelangt und habe am folgenden Tag einen Asylantrag gestellt, der im Instanzenzug mit Bescheid vom 11. Dezember 2004 rechtskräftig abgewiesen worden sei. Der Verwaltungsgerichtshof habe einer Beschwerde gegen diese Entscheidung vorerst die aufschiebende Wirkung zuerkannt, mit Beschluss vom 22. August 2005 jedoch die Behandlung der Beschwerde abgelehnt. Die Beschwerdeführerin habe während ihres Asylverfahrens über eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz verfügt.

Am 21. April 2005 sei die Beschwerdeführerin von Beamten der Bundespolizeidirektion Wien bei der Anbahnung bzw. Ausübung der Prostitution auf frischer Tat ertappt worden, weshalb über sie gemäß § 8 Abs. 1 Z. 2 des Wiener Prostitutionsgesetzes eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 220,-- rechtskräftig verhängt worden sei. Ab 23. Juni 2005 habe sich die Beschwerdeführerin unter sanitätspolizeiliche Kontrolle gestellt und somit ihre Tätigkeit legal ausgeübt. Seit März 2008 befinde sie sich jedoch auf "Urlaub" und übe seither das Gewerbe der Prostitution nicht mehr aus.

Die Beschwerdeführerin habe es auch in ihrer Berufung unterlassen, die ihr zur Verfügung stehenden Unterhaltsmittel von sich aus (initiativ) darzulegen. Sie verweise darauf, dem Gewerbe der Prostitution nachzugehen, und folgere daraus, dass sie über ausreichende finanzielle Mittel zur Deckung ihres Lebensunterhaltes verfügen müsse. Weiters führe sie aus, dass "abgelehnte Asylwerber im Regelfall" grundversorgt würden. Mit diesem Vorbringen könne die Beschwerdeführerin jedoch nicht nachweisen, dass ihr die erforderlichen Mittel zu ihrem Unterhalt aus eigenem Einkommen oder Vermögen zur Verfügung stünden. Erstens übe sie ihr Gewerbe seit März 2008 nicht mehr aus, weshalb sie über kein "Einkommen" mehr verfüge. Außerdem habe sie weder behauptet noch belegt, dass eine andere Person auf Grund einer tragfähigen Haftungserklärung den erforderlichen Unterhalt sicherstellen könne. Auch eine allfällige "Grundversorgung" reiche vor dem Hintergrund der Rechtsprechung nicht aus, da die Beschwerdeführerin keinen Rechtsanspruch auf eine solche Versorgung habe.

Die Beschwerdeführerin sei somit weiterhin als mittellos anzusehen, weshalb der Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z. 7 FPG erfüllt sei. Die Mittellosigkeit der Beschwerdeführerin sowie ihr unrechtmäßiger Aufenthalt beeinträchtigten die öffentliche Ordnung in hohem Maß, sodass sich die Erlassung des Aufenthaltsverbotes - vorbehaltlich der Bestimmung des § 66 leg. cit. - im Grunde des § 60 Abs. 1 leg. cit. als gerechtfertigt erweise.

Die Beschwerdeführerin verfüge über keine familiären Bindungen im Bundesgebiet. Auf Grund ihres mehr als fünfjährigen Aufenthaltes in Österreich sei jedoch von einem mit der vorliegenden Maßnahme verbundenen relevanten Eingriff in ihr Privatleben auszugehen. Dessen ungeachtet sei die Erlassung der vorliegenden Maßnahme zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele als dringend geboten zu erachten.

Der Befolgung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften durch den Normadressaten komme aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein sehr hoher Stellenwert zu. Gegen diese Regelung habe die Beschwerdeführerin, die ihren unrechtmäßigen Aufenthalt trotz des rechtskräftigen Abschlusses ihres Asylverfahrens fortgesetzt habe, in gravierender Weise verstoßen. Ihre Mittellosigkeit beeinträchtige die öffentliche Ordnung zusätzlich, sodass das Aufenthaltsverbot im Grunde des § 66 Abs. 1 FPG zulässig sei.

Hinsichtlich der nach § 66 Abs. 2 FPG erforderlichen Interessenabwägung sei auf den mehr als fünfjährigen inländischen Aufenthalt Bedacht zu nehmen. Gleichzeitig sei zu berücksichtigen, dass einer daraus ableitbaren Integration insofern kein entscheidendes Gewicht zukomme, als der Asylantrag der Beschwerdeführerin rechtskräftig abgewiesen worden sei und sich somit nachträglich herausgestellt habe, dass "die der Beschwerdeführerin erteilte vorläufige Aufenthaltsberechtigung im Bundesgebiet zu Unrecht erteilt worden sei". Jedenfalls müssten die privaten Interessen der Beschwerdeführerin gegenüber den genannten - hoch zu veranschlagenden - öffentlichen Interessen in den Hintergrund treten. Die belangte Behörde sei daher insgesamt zu der Auffassung gelangt, dass die Auswirkungen der vorliegenden Maßnahme auf die Lebenssituation der Beschwerdeführerin keinesfalls schwerer wögen als die Auswirkungen ihres Verbleibes im Bundesgebiet auf die gegenläufigen öffentlichen Interessen. Die Erlassung des Aufenthaltsverbotes erweise sich somit auch gemäß § 66 Abs. 2 FPG als zulässig.

Auf Grund der erheblichen Gefährdung der öffentlichen Ordnung durch die Mittellosigkeit der Beschwerdeführerin könne von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes auch nicht im Rahmen des der Behörde zustehenden Ermessens Abstand genommen werden. Dies umso weniger, als die Beschwerdeführerin unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig sei, und der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens ein sehr hoher Stellenwert zukomme.

Die von der Erstbehörde vorgenommene Befristung der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes erscheine auch nach Ansicht der belangten Behörde gerechtfertigt.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragte.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gemäß § 60 Abs. 1 FPG kann gegen einen Fremden ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen eine der in den Z. 1 und 2 dieser Bestimmung umschriebenen Annahmen gerechtfertigt ist.

Gemäß § 60 Abs. 2 Z. 7 FPG hat als bestimmte Tatsache im Sinn des Abs. 1 leg. cit. zu gelten, wenn ein Fremder den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt nicht nachzuweisen vermag, es sei denn, er wäre rechtmäßig zur Arbeitsaufnahme eingereist und innerhalb des letzten Jahres im Inland mehr als sechs Monate einer erlaubten Erwerbstätigkeit nachgegangen.

Der Fremde hat initiativ, untermauert durch Vorlage entsprechender Bescheinigungsmittel, nachzuweisen, dass er nicht bloß über Mittel zur kurzfristigen Bestreitung seines Unterhalts verfügt, sondern dass sein Unterhalt für die beabsichtigte Dauer seines Aufenthalts gesichert erscheint. Die Verpflichtung, die Herkunft der für den Unterhalt zur Verfügung stehenden Mittel nachzuweisen, besteht insoweit, als für die Behörde ersichtlich sein muss, dass der Fremde einen Rechtsanspruch darauf hat und die Mittel nicht aus illegalen Quellen stammen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 20. Jänner 2009, Zl. 2007/18/0080).

2. In der Beschwerde wird die behördliche Annahme bestritten, die Beschwerdeführerin sei im Sinne des § 60 Abs. 2 Z. 7 FPG mittellos. Die Beschwerdeführerin verweist in diesem Zusammenhang darauf, dass ihre Abschiebung nach dem rechtskräftigen negativen Abschluss des Asylverfahrens aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich sei, ein Verfahren auf Gewährung eines Abschiebungsaufschubs noch in erster Instanz anhängig sei und ihr daher - hätte sie keinen Lebensgefährten - ein Rechtsanspruch auf Grundversorgung zukäme.

Abgesehen davon, dass die Beschwerdeführerin selbst nicht behauptet, tatsächlich einen Rechtsanspruch auf Grundversorgung zu haben, würde auch ein allenfalls bestehender Rechtsanspruch nichts daran ändern, dass der Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z. 7 FPG verwirklicht und die in § 60 Abs. 1 leg. cit. umschriebene Annahme gerechtfertigt ist, und auch nicht dazu führen, dass die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes der nach den gesetzlichen Wertungen gebotenen Ermessensübung widerspricht (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 5. September 2006, Zl. 2005/18/0659, und vom 23. Oktober 2008, Zl. 2007/21/0245).

Die Beschwerde rügt weiters, bereits die Erstbehörde habe der Beschwerdeführerin kein Parteiengehör gewährt, was die belangte Behörde jedoch nicht aufgegriffen habe, und diese habe die mittlerweile erfolgte Änderung in den Lebensverhältnissen (laut Seite 2 des angefochtenen Bescheides befinde sich die Beschwerdeführerin seit März 2008 auf "Urlaub") ebenfalls nicht dem Parteiengehör unterzogen. Andernfalls hätte die Beschwerdeführerin vorbringen können, dass sie seit März einen Lebensgefährten habe, der für ihren Unterhalt aufkomme und sich dazu auch vor der Behörde verpflichten könne, weshalb sie nunmehr nicht mehr als mittellos angesehen werden dürfe.

Dem ist zunächst entgegenzuhalten, dass eine allfällige Verletzung des Parteiengehörs im erstinstanzlichen Verfahren durch die Möglichkeit, ein entsprechendes Vorbringen in der Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid zu erstatten, saniert wird.

Zunächst ist der Beschwerde zuzustimmen, dass die belangte Behörde laut Aktenvermerk vom 15. Jänner 2009 auf Grund einer Auskunft des Prostitutionsreferates des PK Innere Stadt Wien davon Kenntnis erlangte, dass sich die Beschwerdeführerin seit März 2008 auf "Urlaub" befinde und der Tätigkeit als Prostituierte nicht mehr nachgehe, dieses Ergebnis des Ermittlungsverfahrens ihrem Bescheid zu Grunde legte, ohne dass dem Verwaltungsakt zu entnehmen ist, dass die Beschwerdeführerin zuvor Gelegenheit gehabt hätte, dazu Stellung zu nehmen. Die Beschwerdeführerin hat es jedoch auch in der Beschwerde unterlassen, einen Rechtsanspruch auf ausreichende Mittel für ihren Lebensunterhalt gegenüber ihrem Lebensgefährten darzulegen, weshalb bereits deshalb der behauptete Verfahrensmangel nicht vorliegt.

Die Ansicht der belangten Behörde, dass die Beschwerdeführerin der Verpflichtung zum initiativen Nachweis ausreichender Unterhaltsmittel nicht nachgekommen und somit der Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z. 7 FPG erfüllt sei, ist daher unbedenklich.

In Anbetracht der aus der Mittellosigkeit resultierenden Gefahr der illegalen Mittelbeschaffung und der Gefahr einer finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft sowie des unrechtmäßigen Aufenthaltes der Beschwerdeführerin seit rechtskräftigem Abschluss des Asylverfahrens, wodurch die öffentliche Ordnung in hohem Maß beeinträchtigt wird, ist auch die in § 60 Abs. 1 FPG umschriebene Maßnahme gerechtfertigt.

3. Das Ergebnis der Beurteilung der belangten Behörde nach § 66 FPG kann - auch unter Berücksichtigung einer seit März 2008 bestehenden Lebensgemeinschaft - nicht als rechtswidrig angesehen werden. Einerseits resultiert nämlich aus der Mittellosigkeit eines Fremden die Gefahr strafbarer Handlungen oder einer finanziellen Belastung der öffentlichen Hand, andererseits sprechen der nach rechtskräftiger Abweisung ihres Asylantrages unrechtmäßige Aufenthalt der Beschwerdeführerin im Bundesgebiet gegen die Bereitschaft der Beschwerdeführerin, die österreichische Rechtsordnung anzuerkennen. Die Dauer ihres inländischen Aufenthaltes und die Beziehung zu einem Lebensgefährten fallen nicht so schwer ins Gewicht, dass sie das öffentliche Interesse an der Erlassung des Aufenthaltsverbotes überwiegen könnten, zumal die Beschwerdeführerin nie über einen Aufenthaltstitel verfügt hat und nicht mehr damit rechnen konnte, im Bundesgebiet bleiben zu dürfen. Zu Recht ist die belangte Behörde daher davon ausgegangen, dass sich die Erlassung des Aufenthaltsverbotes zur Wahrung eines geordneten Fremdenwesens als gemäß § 66 Abs. 1 FPG dringend geboten und im Rahmen der Interessenabwägung gemäß § 66 Abs. 2 FPG als zulässig erweise.

4. Da letztlich auch kein Umstand dafür spricht, dass die belangte Behörde im Rahmen des ihr eingeräumten Ermessens von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes Abstand hätte nehmen müssen, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008. Wien, am 2. April 2009

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte