VwGH 2009/06/0198

VwGH2009/06/019817.11.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kail und die Hofräte Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten, Dr. Rosenmayr und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Crnja, über die Beschwerde 1. des A und 2. der B, beide in Y, beide vertreten durch Dr. Hans-Moritz Pott, Rechtsanwalt in 8970 Schladming, Ritter-von-Gersdorff-Straße 64, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 20. Juli 2009, Zl. FA18E- 80.20 238/2002-12 (in der Fassung des Berichtigungsbescheides vom 26. August 2009, Zl. FA18E- 80.20 238/2002-15), betreffend eine Enteignung nach dem Steiermärkischen Landes-Straßenverwaltungsgesetz (mitbeteiligte Partei: Land Steiermark - Landesstraßenverwaltung), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §8;
LStVwG Stmk 1964 §49 Abs1;
LStVwG Stmk 1964 §7 Abs1 Z4 litb;
LStVwG Stmk 1964 §8 Abs3;
LStVwG Stmk 1964 §8 Abs4;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;
AVG §8;
LStVwG Stmk 1964 §49 Abs1;
LStVwG Stmk 1964 §7 Abs1 Z4 litb;
LStVwG Stmk 1964 §8 Abs3;
LStVwG Stmk 1964 §8 Abs4;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Steiermark hat den Beschwerdeführern zusammen Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Im zugrundeliegenden Verwaltungsverfahren geht es um die Enteignung von Teilen des Grundstückes Nr. 162/1, KG X, gelegen im Ennstal, das den Beschwerdeführern je zur Hälfte gehört.

Das Grundstück der Beschwerdeführer grenzte ursprünglich unmittelbar an das Grundstück Nr. 1199/1 (des Eisenbahnbuches - in der Folge kurz: Eisenbahngrundstück), auf dem in der Natur die Bahnstrecke Bischofshofen-Selzthal verläuft.

Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 29. Jänner 2002, Zl. FA13B-80.20.238-02/6, (der nach der Aktenlage unbekämpft blieb) wurden auf Grundlage des Bundesstraßengesetzes 1971 für die "Ausführung des Straßenbauvorhabens an der Bundesstraße Nr. 320 / R 7 Ennstal-Radweg, im Baulos (...), von Proj.-km 1,00 bis km 3,526", unter Hinweis auf ein Projekt der Steiermärkischen Landesregierung vom 11. Juni 2001 näher bezeichnete Flächen des Grundstückes der Beschwerdeführer im Ausmaß von 285 m2 dauernd und lastenfrei zu Gunsten des Bundes, Bundesstraßenverwaltung, enteignet.

Aus dem "Grundeinlöseplan" ist ersichtlich, dass die beanspruchte (und sodann enteignete) Fläche einen Grundstreifen entlang der nördlichen Grenze des Grundstückes, unmittelbar angrenzend an das Eisenbahngrundstück, betraf.

Im Zuge der vorangegangenen, im November und Dezember 2001 durchgeführten Verhandlung, hatte der beigezogene straßenbautechnische Amtssachverständige ein Gutachten abgegeben (das auch im Enteignungsbescheid wiedergegeben ist). Darin heißt es unter anderem, die projektierte Baumaßnahme solle der Hebung der Verkehrssicherheit auf der B 320 dienen. Mit der Errichtung dieses Begleitweges solle die mit überaus hohem Verkehrsaufkommen belastete Ennstalstraße vom landwirtschaftlichen Verkehr entlastet werden. Zugleich diene der Begleitweg als Teilabschnitt des R 7 Ennstalradweges, welcher derzeit in diesem Bereich eine Lücke aufweise. Durch die Errichtung des Begleitweges sei es weiters möglich, in diesem Abschnitt insgesamt vier dem landwirtschaftlichen Verkehr dienende Eisenbahnübergänge aufzulassen. Der Begleitweg habe eine Länge von 2526 m und solle unmittelbar südlich der bestehenden Bahnstrecke Bischofshofen-Selzthal errichtet werden. Die Projektierung sei auf eine von den Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) vorgesehene Linienverbesserung in diesem Abschnitt abgestimmt und im Einvernehmen mit den ÖBB ausgearbeitet worden. Zwischen dem Dammfuß der geplanten ÖBB-Trasse und der befestigten Fahrbahn sei eine Streifenbreite von mindestens 1,00 m vorgesehen.

Den Akten ist zu entnehmen, dass zur Realisierung des Vorhabens an einigen Stellen auch Teile des Eisenbahngrundstückes in Anspruch genommen werden sollten. Im Zuge des Enteignungsverfahrens wurde am 15. November 2001 zwischen dem "Amt der Steiermärkischen Landesregierung", der betroffenen Gemeinde und den Österreichischen Bundesbahnen ein Übereinkommen abgeschlossen (ebenfalls im Enteignungsbescheid vom 29. Jänner 2002 wiedergegeben), in dem es auch um die Auflassung näher bezeichneter Eisenbahnkreuzungen geht und in dem die ÖBB "grundsätzlich" der Abtretung von Teilen des Eisenbahngrundstückes zustimmten. Hingegen verpflichtete sich das "Amt der Steiermärkischen Landesregierung", den ÖBB "die für die Linienverbesserung notwendigen Grundflächen" zu veräußern (Hinweis auf eine zu erstellende "Teilungsurkunde").

Mit allen betroffenen Grundeigentümern wurde eine Einigung erzielt, bloß mit den Beschwerdeführern nicht, sodass es mit dem zuvor angeführten Bescheid vom 29. Jänner 2002 zur Enteignung kam.

Mit dem Bundesstraßen-Übertragungsgesetz, BGBl. I Nr. 50/2002, wurden unter anderem die Bundesstraßen B (mit hier nicht zutreffenden Ausnahmen) als Bundesstraßen aufgelassen (das Gesetz enthält auch nähere Bestimmungen zum Eigentumsübergang).

Dazu erging das Steiermärkische Landesgesetz vom 16. April 2002, LGBl. Nr. 89, mit dem das Landes-Straßenverwaltungsgesetz 1964 geändert und das Gesetz über die Übernahme von Bundesstraßen (Steiermärkisches Bundesstraßen-Übernahmegesetz 2002) erlassen wurde; damit wurde unter anderem die bisherige Bundesstraße B 320 Ennstalstraße als Landesstraße übernommen.

Den Verwaltungsakten ist weiters zu entnehmen, dass der mit der "Endvermessung" beauftragte DI D. (Ingenieurkonsulent für Vermessungswesen) am 12. Juni 2006 dem Amt der Steiermärkischen Landesregierung berichtete, er sei mit der Durchführung der Katasterendvermessung dieses Begleitweges beauftragt worden. Der Grundeinlöseplan sei auf Grund der Darstellung der Grenzen im Kataster erstellt worden, die Einlöseflächen seien daraus grafisch ermittelt worden. Eine Vermessung der Grundgrenzen vor dem Bau sei nicht durchgeführt worden. Im Zuge der Endvermessung seien die Grundgrenzen auf Grund der vorhandenen Vermessungspläne und mit Einbindung der noch vorhandenen Grenzzeichen berichtigt worden. Im Bereich des Grundstückes der Beschwerdeführer sei die Grenze um ca. 2,5 m Richtung Norden (Anmerkung: zur Bahnstrecke hin, zu Lasten des Eisenbahngrundstückes) berichtigt worden. Daraus habe sich eine Flächendifferenz von 77 m2 ergeben, woraus sich ergebe, dass bei Kenntnis dieses Umstandes vor der "Grundeinlöse" beim Grundstück der Beschwerdeführer nicht 285 m2, sondern 362 m2 "abgelöst bzw. enteignet" worden wären. Die auf Grund der Endvermessung benötigte Fläche betrage 335 m2, d.h., dass entgegen der ursprünglichen Annahme "eigentlich" um 27 m2 weniger beansprucht worden seien.

Im "Mappenberichtigungsplan" des DI D. vom 15. September 2004 ist, soweit hier erheblich, im Vergleich zur Katastergrenze eine "Verschiebung" der (nunmehr als zutreffend erachteten) Grenze zwischen dem Grundstück der Beschwerdeführer und dem Eisenbahngrundstück in nördlicher Richtung (also zu Lasten des Eisenbahngrundstückes) eingezeichnet. Dazu gibt es einen Teilungsplan des DI D. ebenfalls vom 15. September 2004.

Einer tabellarischen Aufstellung (sichtlich eine Beilage zum Teilungsplan) des DI D. vom 15. September 2004 ist zu entnehmen, dass aus dem Grundstück der Beschwerdeführer 142 m2 mit dem Eisenbahngrundstück (Trennstück Nr. 21) und 193 m2 mit dem Grundstück Nr. 1145/2 (Trennstück Nr. 22) vereinigt werden sollen (Anmerkung: das ist nach einem Ausdruck aus der digitalen Katastermappe die Grundstücksnummer des fraglichen Begleitweges;

anzumerken ist, dass die Summe dieser beiden Teilflächen, nämlich 142 m2 und 193 m2, die mehrfach genannte Fläche von 335 m2 ergibt;

die Darstellung in dieser tabellarischen Aufstellung steht auch im Einklang mit dem korrespondierenden Teilungsplan).

Das Verwaltungsverfahren, welches dem nunmehrigen Beschwerdeverfahren zu Grunde liegt, wurde mit einer Eingabe der mitbeteiligten Partei (Land Steiermark) vom 25. März 2009 an die belangte Behörde eingeleitet (bei der belangten Behörde eingelangt am 1. April 2009). Vorgebracht wurde, das "Land Steiermark, Landesstraßenverwaltung", habe (seinerzeit) die Enteignung von 285 m2 des Grundstückes der Beschwerdeführer beantragt. Diese Enteignung sei mit Bescheid vom 29. Jänner 2002, Zl. FA13B-

80.20 238-02/6, ausgesprochen worden. "Ebenso wurde mit diesem Bescheid die straßenrechtliche Bewilligung zum Bau des o.a. Bauvorhabens erteilt." Auf Grund einer Mappenberichtigung im Endvermessungsplan des DI D. vom 15. September 2004 habe sich die beanspruchte Fläche von 285 m2 auf 335 m2 vergrößert. Auf Grund einer "Aufforderung" des örtlich zuständigen Bezirksgerichtes müsse die Enteignung der Differenzfläche von 50 m2 nachgewiesen werden. Beantragt werde daher die Enteignung von zusätzlichen 50 m2 des Grundstückes der Beschwerdeführer. Die Flächendifferenz ergebe sich nicht durch eine Abweichung zwischen dem genehmigten Projekt und seiner Realisierung, sondern durch eine Mappenberichtigung, die im Vorfeld der Endvermessung durchgeführt worden sei.

Die belangte Behörde führte am 25. Mai 2009 eine Verhandlung durch. Der Erstbeschwerdeführer erklärte im eigenen Namen und im Namen der Zweitbeschwerdeführerin, mit dem Vorhaben nicht einverstanden zu sein und aus terminlichen Gründen am weiteren Verlauf der Verhandlung nicht teilnehmen zu können.

Der Vertreter der mitbeteiligten Partei führte aus, dass die in Anspruch genommene Fläche in der Natur von der Straßenverwaltung und der Eisenbahnverwaltung als gemeinsamer Entwässerungsgraben genutzt werde.

Der beigezogene Amtssachverständige erstattete sodann ein Gutachten über den Wert der in Anspruch genommenen Flächen.

Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde die angestrebte Enteignung ausgesprochen und hiefür eine Entschädigung bemessen.

In der Begründung des angefochtenen Bescheides heißt es, das Land Steiermark, Landesstraßenverwaltung, habe den Antrag gestellt, die straßenrechtliche Bewilligung für die Ausführung des Straßenbauvorhabens an der Landesstraße B 320 im fraglichen Baulos zu erteilen. Diese Bewilligung sei mit Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 29. Jänner 2002, Zl. FA13B-

80.20 238-02/6, erteilt worden. Weiters sei beantragt worden, Grundstücke, Objekte und sonstige Anlagen, die für die Ausführung des Straßenbauvorhabens an der Landstraße in Anspruch genommen werden müssten, abzulösen. Über diesen Antrag sei eine mündliche Verhandlung am 25. Mai 2009 durchgeführt worden. Der Grundeigentümer (gemeint: beide Grundeigentümer) hätte(n) erklärt, mit der angestrebten Grundabtretung nicht einverstanden zu sein.

Sodann werden die Ausführungen des Vertreters der Mitbeteiligten in der Verhandlung und das Schätzungsgutachten wiedergegeben.

Im Anschluss daran heißt es im angefochtenen Bescheid, die Entscheidung stütze sich auf die im Spruch angeführten gesetzlichen Bestimmungen sowie auf das Ergebnis der Ortsverhandlung, insbesondere auf das hiebei vom gerichtlich zertifizierten Sachverständigen abgegebene Gutachten. Die Inanspruchnahme der im Spruch näher bezeichneten Grundstücke und sonstigen Anlagen, wie sie im Enteignungsplan ausgewiesen seien, sei für die von der Steiermärkischen Landesregierung genehmigte Ausführung des Straßenbauvorhabens an der Landesstraße B 320 betreffend dieses Baulos erforderlich.

Mit Berichtigungsbescheid vom 26. August 2009 wurde die Bezeichnung der Einlagezahl richtig gestellt.

Dagegen (gegen den Bescheid in seiner berichtigten Fassung) richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde, inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und, ebenso wie die mitbeteiligte Partei, in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Beschwerdefall ist das Steiermärkische Landes-Straßenverwaltungsgesetz 1964, LGBl. Nr. 154 (Wiederverlautbarung - LStVG 1964), in der Fassung der (am 5. Juli 2008 in Kraft getretenen) Novelle LGBl. Nr. 60/2008 anzuwenden.

Im Beschwerdefall sind insbesondere folgende Bestimmungen von Bedeutung:

"§ 7.

Gattungen von öffentlichen Straßen

(1) Die unter dieses Gesetz fallenden Straßen sind in folgende Gattungen eingereiht:

1. Landesstraßen, das sind Straßen, die wegen ihrer besonderen Bedeutung für den Verkehr oder für die Wirtschaft des Landes oder größerer Teile desselben zu solchen erklärt wurden (§ 8).

2. Eisenbahn-Zufahrtstraßen, das sind jene außerhalb eines Ortsstraßennetzes gelegenen öffentlichen Straßen, welche die Verbindung der Bahnhöfe und Aufnahmestellen mit der nächst erreichbaren, dem Bahnhofverkehr entsprechenden öffentlichen Straße (Ortsplatz) vermitteln und als solche erklärt wurden (§ 8).

3. Konkurrenzstraßen, das sind solche Straßen, die vom Land auf Grund von Vereinbarungen unter Beitragsleistung des Bundes oder einer oder mehrerer Gemeinden oder Interessenten neu angelegt, instandgesetzt oder erhalten werden (§ 8).

4. Gemeindestraßen, das sind

a) Straßen, die vorwiegend dem Verkehr innerhalb von Gemeinden oder zwischen Nachbargemeinden dienen und zu solchen erklärt wurden;

b) gleichlaufend zu Landesstraßen führende Straßen von örtlicher Bedeutung, die vor allem dem Langsamverkehr dienen, der von der Benutzung der sie begleitenden Landesstraßen ausgeschlossen ist, oder überwiegend nur zur Erreichung einer bestimmten Anzahl von Liegenschaften bestimmt sind und zu solchen erklärt wurden (Begleitstraßen);

c) alle öffentlichen Verkehrsanlagen, die nicht zu einer anderen Gattung der Straßen gehören.

5. Öffentliche Interessentenwege, das sind Straßen für den öffentlichen Verkehr von örtlicher Bedeutung, die überwiegend nur für die Besitzer oder Bewohner einer beschränkten Anzahl von Liegenschaften dienen und als solche erklärt wurden (§ 8).

(2) Besonders angelegte Radfahrwege bilden, sofern sie neben einer Straße führen, in der Regel einen Bestandteil der betreffenden Straße.

§ 8.

Erklärung, Änderung und Endigung

(1) Die Einreihung (Erklärung) und Neuanlage, sowie die Auflassung einer Straße als Landesstraße (§ 7 Abs. 1 Z. 1) beschließt der Landtag über Antrag der Landesregierung. Die Einreihung (Erklärung) und Neuanlage sowie die Auflassung einer Eisenbahn-Zufahrt- oder Konkurrenzstraße (§ 7 Abs. 1 Z. 2 u. 3) beschließt die Landesregierung.

(2) Die Verlegung, den Umbau, die Verbreiterung oder wesentliche Verbesserung einer Landesstraße, Eisenbahn-Zufahrt- oder einer Konkurrenzstraße beschließt nach Maßgabe der vom Landtag hiefür bewilligten Mittel sowie der für die Konkurrenzstraße getroffenen Vereinbarung die Landesregierung.

(3) Die Einreihung, Neuanlage, Verlegung, den Umbau, die Verbreiterung und wesentliche Verbesserung sowie die Auflassung einer Gemeindestraße (§ 7 Abs. 1 Z. 4) sowie eines öffentlichen Interessentenweges (§ 7 Abs. 1 Z. 5) erfolgt durch Verordnung der Gemeinde.

(4) Landes- , Eisenbahn-Zufahrt- und Konkurrenzstraßen oder Teile dieser Straßen sind, wenn sie als solche entbehrlich geworden sind, aufzulassen. Sie können aber im Verhandlungsweg auch anderen Zwecken zugeführt oder jenen Gemeinden entschädigungslos als Gemeindestraßen überlassen werden, auf deren Gebiet sie liegen.

(5) Durch die Auflassung von Gemeindestraßen darf das Recht der Anlieger auf Wahrung des Zuganges nicht beeinträchtigt werden.

§ 47.

Ermittlungsverfahren und Bescheid

(1) Vor Neuanlage, Verlegung oder Umbau der im § 7 unter Z. 1, 2, 3 und 4 genannten Straßen hat die im Abs. 3 genannte Behörde den beabsichtigten Straßenbau in den in Betracht kommenden Gemeinden kundzumachen. Überdies sind hievon die bekannten Anrainer und sonstigen Beteiligten durch besondere Mitteilung zu verständigen. In diesen Verständigungen ist auch zugleich eine mündliche Verhandlung auf einen Zeitpunkt binnen zwei bis vier Wochen anzuberaumen. Von der Anberaumung der Verhandlung ist auch die Militärbehörde zu verständigen. Kommen auch Grundstücke in Betracht, die Zwecken des öffentlichen Eisenbahn - oder Luftverkehrs dienen, so ist auch die Eisenbahn - oder Luftfahrtbehörde zu benachrichtigen. Die Beteiligten sind aufzufordern, die zum Nachweis ihrer Vertretungsbefugnis nötigen Vollmachten und sonst zur Begründung ihrer Ansprüche nötigen Urkunden, Pläne u. dgl. bei der mündlichen Verhandlung vorzuweisen.

(2) Bei Bauvorhaben von geringfügigem Umfang kann von der in Abs. 1 vorgeschriebenen Verhandlung abgesehen werden, wenn dies ohne Beeinträchtigung des öffentlichen Interesses und des Interesses der Beteiligten geschehen kann.

(3) Auf Grund der Ergebnisse dieser mündlichen Verhandlung hat bei Straßen gemäß § 7 Abs. 1 Z. 1, 2, 3, und 4 lit. b die Landesregierung, sonst die Gemeinde mit Bescheid die Bedingungen festzusetzen, welche bei der Ausführung der beabsichtigten Straßenbauten vom Standpunkt des öffentlichen Interesses und der mit diesem nicht in Widerspruch stehenden Interessen der Beteiligten zu erfüllen sind. Der Bescheid hat sich auch auf die künftige Bestimmung und die Erhaltung jener Straßenteile zu erstrecken, welche durch den Straßenbau ihrer ursprünglichen Verkehrswidmung unmittelbar entzogen werden. Weitere Bedingungen können nachträglichen Verfügungen vorbehalten werden, insofern sich solche bei der Durchführung des Straßenbaues als notwendig erweisen. Für die Ausführung des Straßenbaues kann eine Frist bestimmt werden, die aus rücksichtswürdigen Gründen verlängert werden kann.

§ 48.

Umfang des Enteignungsanspruches

(1) Bei Neuanlage, Verlegung und Umbau von Straßen gemäß § 7 Abs. 1 Z. 1 bis 4 sowie für die dazugehörigen baulichen Anlagen und für die Erhaltung solcher Straßen und Anlagen besteht ein Anspruch auf Enteignung auf Grund der nach § 47 vorgenommenen Feststellungen unter der Voraussetzung, dass deren Notwendigkeit für die Herstellung und Benützung der Straße für den öffentlichen Verkehr erwiesen ist. Ebenso besteht ein Anspruch auf Enteignung hinsichtlich jener Landesstraßen, die durch das Bundesstraßen-Übernahmegesetz 2002, LGBl. Nr. 89/2002, als Landesstraßen übernommen wurden und für die bereits vor der Übernahme durch das Land eine Verordnung gemäß § 4 des Bundesstraßengesetzes 1971 bestanden hat. Zu diesem Zweck kann das Eigentum an Liegenschaften, die dauernde oder zeitweilige Einräumung, Einschränkung oder Aufhebung von dinglichen Rechten an solchen Liegenschaften durch Enteignung in Anspruch genommen werden. Auch können hiefür durch Enteignung die Grundstücke erworben werden,

(2) Für die Neuanlage, die Verlegung, den Umbau und für Zwecke der Erhaltung öffentlicher Interessentenwege kann die Enteignung von der Gemeinde unter den im Abs. 1 angeführten Bedingungen in Anspruch genommen werden.

§ 49

Enteignungsbehörden

(1) Um die Enteignung ist unter Vorlage der zur Beurteilung der Angelegenheit erforderlichen Pläne und sonstigen Behelfe, insbesondere eines Verzeichnisses der hievon betroffenen Personen, der beanspruchten dinglichen Rechte, des voraussichtlichen Ausmaßes der beanspruchten Grundflächen sowie der in Betracht kommenden Grundbuchauszüge anzusuchen, und zwar bei Straßen gemäß § 7 Abs. 1 Z. 1, 2, 3 und 4 lit. b bei der Landesregierung, bei allen anderen Straßen bei der Bezirksverwaltungsbehörde.

(2) Die Behörde hat die Einleitung des Verfahrens dem zuständigen Grundbuchgericht im Sinne des § 13 Abs. 1 Eisenbahn-Enteignungsentschädigungsgesetz zur Anmerkung anzuzeigen.

§ 50.

Enteignungsverfahren

(1) Über die Notwendigkeit, den Gegenstand und Umfang der Enteignung entscheidet die im § 49 genannte Behörde unter sinngemäßer Anwendung der Abschnitte II und IV des Eisenbahn-Enteignungsentschädigungsgesetzes, wobei auch auf die Wirtschaftlichkeit der Bauausführung Rücksicht zu nehmen ist. Kommen hiebei Grundstücke in Betracht, die öffentlichen Zwecken dienen, so ist im Einvernehmen mit den zur Wahrung dieser öffentlichen Interessen zuständigen Behörden vorzugehen.

(2) Das Enteignungserkenntnis hat zugleich eine Bestimmung über die Höhe der Entschädigung zu enthalten. (...)

(3) ..."

Die Beschwerdeführer bringen vor, die belangte Behörde sei unzuständig: Sie stütze ihre Zuständigkeit offensichtlich auf § 7 Abs. 1 Z 4 lit. b LStVG 1964. Bei richtiger Beurteilung sei diese Straße aber kein derartiger Begleitweg, sondern höchstens eine "sonstige Gemeindestraße" oder eine öffentliche Verkehrsanlage, die nicht zu einer anderen Gattung der Straßen gehöre, und es könne auch nicht die Sonderbestimmung des § 7 Abs. 2 leg. cit. herangezogen werden. Diese Straße verlaufe zwar rein faktisch im Großen und Ganzen parallel zur Landesstraße B 320, stelle aber einen vollkommen selbständigen Baukörper dar, der nur über eine Bahnüberführung zu erreichen sei, und es sei auch der Charakter als öffentliche Straße an sich zweifelhaft, weil ab dem Ende des von den Beschwerdeführern in Anspruch genommenen Grundstückes eine Fahrverbotstafel angebracht sei, wonach das Befahren nur durch Anrainer und landwirtschaftliche Fahrzeuge sowie Radfahrer gestattet sei. Weiters sei Voraussetzung für eine derartige Einordnung, die eine Zuständigkeit der belangten Behörde bedingen würde, dass die Straße gemäß § 8 Abs. 3 LStVG 1964 durch Verordnung der Gemeinde zur Begleitstraße erklärt worden sei, wobei aber eine solche Verordnung nicht hervorgekommen sei. Sollte man von der Neuanlage einer Landesstraße als Radweg im Sinne des § 7 Abs. 2 LStVG 1964 ausgehen, wäre sogar ein Landtagsbeschluss nötig, der aber offensichtlich ebenfalls nicht vorliege.

Im Übrigen sei das Verfahren mangelhaft geblieben. In der mündlichen Verhandlung vom 5. Mai 2009 sei überhaupt nicht aufgeklärt worden, weshalb der Endvermessungsplan vom Enteignungsplan abweiche. Eine Mappenberichtigung könne bei verständiger Betrachtung nicht der Grund sein, weil sich ja die Fläche laut Projektplan nicht verändert haben könne, wenn das Bauvorhaben projektgemäß ausgeführt worden sei. Wie der Sachverständige im Schätzungsgutachten ausführe, sei das Grundstück der Beschwerdeführer 38,6 m lang und es betrage die projektgemäße Straßenbreite 3,5 m + 1 m für beide Bankette, sohin 4,5 m. Maximal sei noch ein Streifen von 1 m für den Bereich zwischen dem Dammfuß der ÖBB-Trasse und der befestigten Fahrbahn hinzuzurechnen, sodass ein halber Meter (ein halber Meter sei Bankett) verbleibe. Die Gesamtbreite des Vorhabens über ihr Grundstück betrage daher maximal 5 m, was bei einer Länge von 38,6 m eine Fläche von 193 m2 ergebe, sodass es nunmehr vollkommen unerklärlich sei, weshalb insgesamt statt ursprünglich 285 m2 (schon dies sei zu viel) noch weitere 50 m2 benötigt würden. Auch wenn man von einer Breite der Straßenanlage von insgesamt 7 m ausginge, ergebe sich lediglich eine benötigte Fläche von 270 m2.

Dadurch, dass mehr enteignet werde, als überhaupt erforderlich sei, sei der angefochtene Bescheid auch inhaltlich rechtswidrig.

Die Beschwerde ist berechtigt: Das LStVG 1964 regelt ua. (vereinfacht ausgedrückt) die Enteignung von Grundflächen zu Straßenzwecken (siehe insbesondere § 48 Abs. 1 leg. cit.). Hiezu sind die im LStVG 1964 genannten Behörden zuständig. Dass die 50 m2, um die es hier geht, für einen der im § 48 Abs. 1 LStVG 1964 genannten Zweck erforderlich sind, hat die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid nicht nachvollziehbar dargetan, zumal ein entsprechenden Grundeinlöseplan (wie im vorangegangenen Verfahren), dem die Lage der nun beanspruchten Fläche und die Lage der Straße zu entnehmen wären (und aus dem daher die Notwendigkeit der Beanspruchung abzuleiten wäre), in diesem Verfahren nicht vorgelegt wurde. Diese Unklarheiten werden durch den Teilungsplan vom 15. September 2004 und die Beilage hiezu verschärft, wonach vom Grundstück der Beschwerdeführer nur 193 m2 dem Weggrundstück zufallen (Nr. 1145/2), 142 m2 hingegen mit dem Einsenbahngrundstück vereinigt werden sollen.

Die belangte Behörde ist vom Bestehen einer "Begleitstraße" im Sinne des § 7 Abs. 1 Z 4 lit. b LStVG 1964 ausgegangen; daraus nahm sie gemäß § 49 Abs. 1 leg. cit. ihre Zuständigkeit in Anspruch. Allerdings erfordern die Einreihung wie auch Neuanlage einer Gemeindestraße (§ 7 Abs. 1 Z 4 leg. cit.), also auch einer Begleitstraße, gemäß § 8 Abs. 4 leg. cit. die Erlassung einer Verordnung durch die Gemeinde (in diesem Sinne auch die Erläuterungen zur Regierungsvorlage zu dieser Novelle, XV GPStLT EZ. 1028/1, hier S 5). Dass eine Verordnung erlassen wurde, ist nicht aktenkundig; wie der Verwaltungsgerichtshof aber in seinem Erkenntnis vom 20. Mai 1998, Zl. 96/06/0217, ausgesprochen hat, stellt das Vorliegen einer solchen Verordnung auch eine wesentliche Tatbestandsvoraussetzung für (hier) das Enteignungsverfahren dar.

Die belangte Behörde hat daher bislang nicht aufgezeigt, dass diese Voraussetzungen für eine Enteignung nach dem LStVG 1964 vorlägen. Der angefochtene Bescheid war somit gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 17. November 2009

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