VwGH 2009/06/0194

VwGH2009/06/019417.12.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kail und die Hofräte Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten, Dr. Rosenmayr und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Zykan, über die Beschwerde der J GmbH in S, vertreten durch Concin & Partner Rechtsanwälte GmbH, in 6700 Bludenz, Mutterstraße 1a, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Vorarlberg vom 17. Juli 2009, Zl. UVS-318-003/E8-2007, betreffend eine Bausache (mitbeteiligte Partei: BM in B; weitere Partei: Vorarlberger Landesregierung), zu Recht erkannt:

Normen

BauG Vlbg 1972 §6 Abs9;
BauG Vlbg 2001 §7 Abs1 litb;
BauRallg;
BauG Vlbg 1972 §6 Abs9;
BauG Vlbg 2001 §7 Abs1 litb;
BauRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Land Vorarlberg Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Das Bauvorhaben der Beschwerdeführerin betrifft ein Grundstück in Vorarlberg. Die mitbeteiligte Partei (in der Folge kurz: Nachbarin) ist Eigentümerin eines unmittelbar nördlich angrenzenden Grundstückes.

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Bludenz (kurz: BH) vom 1. März 2006 wurde der Beschwerdeführerin die baubehördliche Bewilligung zur Errichtung einer (mit einem Hotel in Verbindung stehenden) Ferienwohnanlage auf dem Baugrundstück erteilt (es handelt sich dabei um ein mehrgeschossiges, abgewinkeltes Gebäude mit neun Ferienwohnungen und einer Tiefgarage). Dagegen erhob die Nachbarin zwar Berufung, die sie aber sodann mit Eingabe vom 24. April 2006 zurückzog.

In der Folge gab die Nachbarin mit Eingabe vom 31. Oktober 2006 der BH bekannt, dass das Vorhaben abweichend von der Bewilligung ausgeführt werde.

Mit Eingabe vom 21. November 2006 (bei der BH eingelangt am Tag darauf) beantragte die Beschwerdeführerin unter Anschluss von Planunterlagen die Erteilung der baubehördlichen Bewilligung für "Planabweichungen"; unstrittig ist, dass das geänderte Projekt u. a. nun um 38 cm Richtung Norden (also zum Grundstück der Nachbarin hin) verschoben werden sollte.

Die Nachbarin erhob Einwendungen gegen das Vorhaben und machte insbesondere geltend, dass das Vorhaben nicht die erforderlichen Abstände zu ihrem Grundstück einhalte, dies auch nicht die eingehauste Tiefgarageneinfahrt an ihrer Grundgrenze. Die seitlichen Anschüttungen bewirkten jedenfalls nicht, dass es sich dabei um einen unterirdischen Bauteil handle.

Nach verschiedenen Verfahrensschritten erteilte die BH mit dem erstinstanzlichen Bescheid vom 27. März 2007 die angestrebte Baubewilligung mit Vorschreibungen, darunter, dass die "seitliche Flügelmauer", die bis zur Grundgrenze reiche, (nur) maximal 1,8 cm über das benachbarte Gelände reichen dürfe (Anmerkung: wie den Akten zu entnehmen ist, handelt es sich bei dieser "Flügelmauer" um eine Mauer im Frontbereich der Tiefgarageneinfahrt, die an der Seitenwand der Einhausung beginnt und abfallend bis nahezu zum Grundstück der Beschwerdeführerin reicht).

Die BH hielt die Einwendungen der Nachbarin für unbegründet, die erforderlichen Abstände würden eingehalten, bei der eingehausten Tiefgarageneinfahrt handle es sich nämlich um ein unterirdisches Bauwerk.

Die Nachbarin erhob Berufung.

Die belangte Behörde ergänzte das Ermittlungsverfahren und führte sodann am 17. Dezember 2007 eine mündliche Verhandlung durch.

Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde gemäß § 66 Abs. 4 AVG der Berufung Folge gegeben, den bekämpften erstinstanzlichen Bescheid "aufgehoben" und die mit Antrag vom 21. November 2006 angestrebte Baubewilligung versagt.

Nach Darstellung des Verfahrensganges (sowie unter Hinweis auf den von der Behörde erster Instanz festgestellten Sachverhalt) führte die belangte Behörde aus, in einem Abstand von 1,4 m (an der engsten Stelle) vom Grundstück der Nachbarin sei eine umhauste Tiefgarageneinfahrt errichtet worden. Diese solle auf der dem Grundstück der Nachbarin zugewandten Seite zur Gänze überschüttet werden. Die Oberkante dieser Tiefgarageneinfahrt liege um 1,96 m höher als das angrenzende Gelände auf dem Grundstück der Nachbarin. Weiters sei stirnseitig an der Tiefgarageneinfahrt eine Trockensteigleitung für die Feuerwehr errichtet worden. Diese werde nicht überschüttet, um sie zu verdecken, sei ein Sockel aufgesetzt worden. Auch dieser Sockel werde nicht überschüttet und sei daher vom Grundstück der Nachbarin aus sichtbar.

Weiters sei anschließend an die Tiefgarageneinfahrt eine abgeschrägte Flügelmauer errichtet worden, die bis auf rund 10 cm an das Grundstück der Nachbarin heranreiche. Die größte Höhe dieser Mauer betrage 1,96 m über dem angrenzenden Niveau des Grundstückes der Nachbarin und sei in einem Winkel von 44 Grad abgeschrägt. Sie habe den Zweck, die Böschung entlang der Tiefgarageneinfahrt vertikal in Richtung der Zufahrt abzuschließen. Die Mauer sei für die Nachbarin sichtbar.

Der Schnittpunkt der nordseitigen Außenwand der Ferienwohnanlage mit der vor Bauführung bestehenden Oberfläche des Gelände liege auf einer Höhe von 890,19 m ü.A. Im Zuge des Bauvorhabens sei das ursprünglich genehmigte Projekt nach Norden versetzt worden. Es sei im Dachbereich auf der dem Grundstück der Nachbarin zugewandten Seite derart abgeschrägt worden, dass sich der Giebel nunmehr in einer Höhe von 901,02 m ü.A. befinde. Der Abstand der Seitenwand zum Grundstück der Nachbarin betrage 6,52 m.

Nach Darlegung der Überlegungen zur Beweiswürdigung und Rechtsausführungen führte die belangte Behörde insbesondere aus, unzweifelhaft und auch unstrittig sei, dass es sich bei der umhausten Tiefgarageneinfahrt um ein Gebäude handle, weil die Umhausung lediglich in Richtung Einfahrt offen sei, während sonst die Umfassungswände zur Gänze geschlossen seien. Es liege somit ein Bauwerk vor, welches mindestens einen Raum überwiegend umschließe. Zu klären sei nun, ob es sich dabei um ein oberirdisches oder um ein unterirdisches Gebäude handle und welchen Abstand dieses Gebäude daher gegenüber dem Grundstück der Nachbarin einzuhalten habe.

Im Baugesetz werde nicht näher definiert, wann es sich bei einem Bauwerk um ein oberirdisches oder um ein unterirdisches handle. Gemäß dem Motivenbericht zu § 6 Abs. 3 BauG seien als unterirdische Teile im Sinne dieser Bestimmung jene Teile eines Bauwerkes anzusehen, die unterhalb der Schnittstelle des Bauwerkes mit der Geländeoberfläche lägen, wobei maßgeblich sei, ob sich der Bauwerksteil - auf Grund des geplanten oder des von der Behörde verfügten Geländes - nach der Bauführung unter dem Gelände befinde. Die Behörde erster Instanz vertrete offenbar die Auffassung, dass es sich auf Grund der projektierten vollständigen seitlichen Überschüttung der Garagenzufahrt mit einer Böschung um ein unterirdisches Bauwerk handle. Es sei jedoch zu bezweifeln, dass im Motivenbericht eine Anschüttung des Bauwerkes wie im Beschwerdefall (Anschüttung einer 2,57 m hohen Garageneinfahrt mit einer 44 Grad steilen Erdböschung mit dem offenkundigen Ziel, das Bauwerk zu einem unterirdischen Bauwerk zu machen und so den strengeren Abstandsvorschriften für oberirdische Gebäude zu entkommen) mitbedacht habe. Die Abstandsvorschriften der §§ 5 und 6 BauG dienten dem Nachbarschutz. Unter diesem Gesichtspunkt gehe die belangte Behörde davon aus, dass im Motivenbericht mit dem Hinweis, dass es auf das Gelände nach der Bauführung ankomme, lediglich Anschüttungen geringeren Ausmaßes mitbedacht worden seien, welche erkennbar dem Zweck dienten, einen durch die Bauführung entstandenen Niveauunterschied mit dem umgebenden ursprünglichen Gelände auszugleichen. Dass eine Anschüttung solcherart ein Bauwerk zu einem unterirdischen mache, erscheine unter dem Gesichtspunkt des Nachbarschutzes sachgerecht. Im Beschwerdefall gebe es aber für die steile Anschüttung mit Erdreich weder bautechnische noch sonstige berücksichtigungswürdige Gründe (wie etwa eine angemessene gärtnerische Ausgestaltung des Geländes). Auf Grund der Aktenlage liege es vielmehr auf der Hand, dass diese Anschüttung der Tiefgarageneinfahrt nur deshalb erfolge, um den Abstand zum Nachbargrundstück verkürzen, bzw. die näher zum Nachbargrundstück gerückte Tiefgarage bestehen lassen zu können (weiterer Hinweis auf die hg. Erkenntnisse vom 17. November 1994, Zl. 93/06/0207 und vom 14. Dezember 1995, Zl. 94/06/0203 und Ausführungen hiezu).

Dass der Baugesetzgeber bei unterirdischen Bauwerken und unterirdischen Teilen von Bauwerken lediglich einen Mindestabstand von 1 m vorgesehen habe, sei nur dadurch zu erklären, dass diese für den Nachbarn optisch nicht in Erscheinung träten. Keineswegs dürfte mit der Regelung in § 6 Abs. 3 BauG gemeint sein, dass Bauwerke mit einer Höhe von fast 2 m aus der Sicht des Nachbarn eingeschüttet würden und dadurch für den Nachbarn sehr wohl massiv räumlich in Erscheinung träten, wenngleich nicht durch eine Mauer, sondern durch die diese umgebende Anschüttung.

Die gegenständliche Tiefgarageneinfahrt sei somit nicht als unterirdisches, sondern als oberirdisches Gebäude zu bewerten, weshalb ein Mindestabstand von 3 m einzuhalten wäre.

Die abgeschrägte Flügelmauer sei als "sonstige Wand" im Sinne des § 6 Abs. 4 BauG zu qualifizieren. Da sie nur die Funktion habe, die Anschüttung der Tiefgarageneinfahrt in Richtung der Zufahrt abzustützen, für das Bauwerk selbst aber keine bautechnische Funktion erfülle, sei sie nicht als Bestandteil der Tiefgarageneinfahrt anzusehen. Eine solche Wand (Hinweis auf § 6 Abs. 4 BauG) dürfe nicht höher als 1,80 m über dem Nachbargrundstück sein. Bei der Berechnung der Höhe des Nachbargrundstückes sei von der gegenwärtigen Situation auszugehen. Da die Flügelmauer an der höchsten Stelle das Grundstück der Nachbarin aber um 1,96 m überrage und nicht überschüttet werde, sei sie als oberirdisches Bauwerk, das kein Gebäude sei, anzusehen, womit ein Mindestabstand von 2 m von der Nachbargrenze einzuhalten wäre. Dies sei jedoch nicht der Fall. Die Flügelmauer sei somit in dieser Form nicht bewilligungsfähig.

Daran könne auch die Auflage im erstinstanzlichen Bescheid, wonach diese Flügelmauer maximal 1,80 m über das benachbarte Gelände reichen dürfe, nichts ändern. Eine solche Höhenreduzierung stehe im Widerspruch sowohl zu dem von der Bauwerberin vorgelegten Plänen als auch zur tatsächlichen Ausführung der Mauer. Auflagen dürfen das Wesen des Projektes nicht verändern. Das wäre aber bei einer Reduzierung der Höhe der Mauer auf 1,80 m der Fall. Denn die von der Beschwerdeführerin geplante vollständige seitliche Anschüttung der Garage könne nur dann erreicht werden, wenn die Flügelmauer beim Anschluss an die Wand des Einfahrtbauwerkes die gleiche Höhe erreiche wie die Tiefgarageneinfahrt selbst. Eine Mauer in der Höhe von nur 1,80 m könnte somit den von der Beschwerdeführerin angestrebten Zweck der Abstützung des Schüttmaterials nicht ausreichend erfüllen.

Sodann führte die belangte Behörde näher aus, dass ansonsten das Gebäude zum Grundstück der Nachbarin die erforderliche Abstandsfläche einhalte.

Abschließend heißt es, die Tiefgarageneinfahrt wie auch die Flügelmauer verletzten die Nachbarin in ihrem Recht auf Einhaltung des erforderlichen Mindestabstandes. Auch wenn sich die projektgemäße Höhenlage des Gebäudes und somit die Abstandsfläche gegenüber dem Grundstück der Nachbarin als richtig herausgestellt habe, sei der erstinstanzliche Bescheid im Gesamten "aufzuheben" gewesen, weil es sich um kein trennbares Bauvorhaben handle.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Beschwerdefall ist das Vorarlberger Baugesetz, LGBl. Nr. 52/2001 (BauG), in der Fassung LGBl. Nr. 32/2009 anzuwenden (gemäß den Übergangsbestimmungen zu dieser Novelle - § 56 Abs. 6 und 7 BauG in der Fassung dieser Novelle - sind lediglich einzelne Bestimmungen in der Fassung vor dieser Novelle anzuwenden, die aber im Beschwerdefall nicht von Belang sind).

Die §§ 5, 6, 7 und 19 BauG lauten auszugsweise:

"§ 5

Abstandsflächen

(1) Oberirdische Gebäude sind so anzuordnen, dass vor jeder Außenwand eine Abstandsfläche liegt, nicht jedoch vor den Ecken. Dasselbe gilt für sonstige oberirdische Bauwerke, soferne sie Wände mit einer Höhe von mehr als 3,5 m über dem Gelände haben oder Flugdächer u.dgl. mit einer solchen Höhe sind. Die Abstandsfläche muss so tief sein, wie sechs Zehntel des Abstandes zwischen der Außenwand und dem Schattenpunkt. Sie muss auf dem Baugrundstück selbst liegen, bis zur Mitte einer angrenzenden öffentlichen Verkehrsfläche darf sie sich jedoch erstrecken.

(2) Als Außenwand nach Abs. 1 gilt eine lotrechte Ebene in der äußersten Begrenzungslinie des Gebäudes oder sonstigen Bauwerkes. Bauteile gemäß Abs. 5 lit. b und c sind nur so weit zu berücksichtigen, als sie das dort genannte Ausmaß überschreiten.

(3) Der Schattenpunkt nach Abs. 1 ergibt sich auf einer Waagrechten, die in der Höhe des jeweiligen Fußpunktes der Außenwand gelegt wird, wenn über das Gebäude oder sonstige Bauwerk Licht unter einem Winkel von 45 Grad einfällt. Bei der Ermittlung des Schattenpunktes sind untergeordnete Bauteile in lotrechter Richtung und untergeordnete Bauteile gemäß Abs. 5 lit. b und c bis zu dem dort genannten Ausmaß in waagrechter Richtung nicht zu berücksichtigen.

(4) Der jeweilige Fußpunkt nach Abs. 3 ergibt sich an der Schnittstelle der Außenwand mit der bestehenden Oberfläche des Geländes. Wurde die Geländeoberfläche durch eine Bauführung oder im Hinblick auf eine beabsichtigte Bauführung verändert, so ist von der Geländeoberfläche vor dieser Veränderung auszugehen. Untergeordnete Geländeerhebungen und -vertiefungen sind nicht zu berücksichtigen. Im Falle einer Verfügung nach den §§ 3 Abs. 5 oder 29 Abs. 2 ist von der verfügten Geländeoberfläche auszugehen.

(5) Innerhalb der Abstandsflächen auf dem Baugrundstück dürfen andere Bauwerke sowie Teile von solchen weder bestehen noch errichtet werden. Ausgenommen sind

a) Bauwerke, die an keiner Stelle eine Höhe von mehr als 3,5 m über dem Gelände haben und selbst nicht dem länger dauernden Aufenthalt von Menschen dienen, sofern durch sie eine ausreichende Belichtung von Räumen, die zum länger dauernden Aufenthalt von Menschen bestimmt sind, nicht vereitelt wird;

b) Sockel, Gesimse, Tür- und Fensterumrahmungen, Rollladenkästen, u.dgl. bis zu 0,20 m Ausladung;

c) Dachvorsprünge, Sonnenblenden, Windfänge, offene Balkone, Erker, Kamine, Freitreppen, Werbeanlagen u.dgl., sofern es sich bei ihnen um untergeordnete Bauteile handelt, bis zu 1,30 m Ausladung.

(6) Innerhalb desselben Baugrundstückes dürfen Abstandsflächen gegenüberliegender Außenwände einander nicht überdecken. Dies gilt nicht im Falle des Abs. 5 lit. a. Gegenüberliegende Außenwände sind solche, deren Fluchten zueinander parallel verlaufen oder einen kleineren Winkel als 90 Grad einschließen.

(7) Ergeben sich aus einem Bebauungsplan oder einer Verordnung über die Art der Bebauung kleinere Abstandsflächen als nach den Abs. 1 bis 6, gelten diese.

§ 6

Mindestabstände

(1) Oberirdische Gebäude, ausgenommen kleine Gebäude nach § 19 lit. a bis c, müssen von der Nachbargrenze mindestens 3 m entfernt sein. Abweichend davon dürfen Bauteile nach § 5 Abs. 5 lit. b und c bis zu 2 m an die Nachbargrenze heranreichen.

(2) Oberirdische Bauwerke, die keine Gebäude sind, sowie oberirdische kleine Gebäude nach § 19 lit. a bis c müssen mindestens 2 m von der Nachbargrenze entfernt sein.

(3) Unterirdische Bauwerke und unterirdische Teile von Bauwerken müssen mindestens 1 m von der Nachbargrenze entfernt sein; für befestigte Flächen, insbesondere Hauszufahrten und Abstellplätze, gilt jedoch kein Mindestabstand.

(4) Für Einfriedungen oder sonstige Wände oder Geländer bis zu einer Höhe von 1,80 m über dem Nachbargrundstück gilt kein Mindestabstand.

(5) Ergeben sich aus einem Bebauungsplan oder einer Verordnung über die Art der Bebauung kleinere Mindestabstände als nach den Abs. 1 bis 3, gelten diese.

§ 7

Abstandsnachsicht

(1) Die Behörde kann Ausnahmen von den Vorschriften des § 5 Abs. 1 bis 6 sowie des § 6 Abs. 1 bis 3 zulassen (Abstandsnachsicht), wenn die Interessen der Sicherheit, der Gesundheit sowie des Schutzes des Orts- und Landschaftsbildes nicht beeinträchtigt werden und überdies

a) der betroffene Nachbar zustimmt; die Zustimmung ist ab ihrem Einlangen bei der Behörde unwiderruflich; oder

b) ohne Abstandsnachsicht eine zweckmäßige Bebauung, z. B. wegen der besonderen Lage oder Form des Baugrundstückes, nicht möglich wäre; oder

c) bei einer Änderung eines nach den baurechtlichen Vorschriften rechtmäßig bestehenden Bauwerkes oder bei seinem Wiederaufbau innerhalb von sieben Jahren die Schattenpunkte nicht tiefer in das Nachbargrundstück hineinragen als bisher und die bisherigen Abstände nicht unterschritten werden; oder

d) dies für eine Sanierung durch die nachträgliche Anbringung einer Außenwärmedämmung bis zu 0,25 m notwendig ist; oder

e) bei der Errichtung oder Änderung von Nebengebäuden oder Nebenanlagen bis zu einer Höhe von 1,80 m über dem Nachbargrundstück die Nachbarn nicht stärker beeinträchtigt werden, als dies bei Errichtung einer Einfriedung oder einer sonstigen Wand bis zur selben Höhe der Fall wäre; oder

f) bei der Änderung der Verwendung eines Gebäudes der Nachbar nicht stärker beeinträchtigt wird als bisher oder anzunehmen ist, dass bei Neuerrichtung des Gebäudes mit einer solchen Verwendung die Abstandsnachsicht erteilt werden könnte.

(2) Soweit eine Abstandsnachsicht eine öffentliche Verkehrsfläche oder das Baugrundstück selbst (§ 5 Abs. 5 und 6) betrifft, kann sie auch ohne Vorliegen einer Voraussetzung nach Abs. 1 lit. a bis f erteilt werden.

(3) Ergeben sich aus einer nach dem Raumplanungsgesetz bewilligten Ausnahme von einem Bebauungsplan oder einer Verordnung über die Art der Bebauung kleinere Abstandsflächen oder Mindestabstände als nach § 5 Abs. 1 bis 6 oder § 6 Abs. 1 bis 3, ist zusätzlich eine Abstandsnachsicht im Sinne des Abs. 1 oder 2 erforderlich."

"§ 19

Anzeigepflichtige Bauvorhaben

Wenn die Abstandsflächen und Mindestabstände eingehalten werden, sind folgende Bauvorhaben anzeigepflichtig:

a) die Errichtung oder wesentliche Änderung von Nebengebäuden zu Wohngebäuden, wenn das Nebengebäude eine überbaute Fläche von höchstens 25 m2 und eine Höhe von höchstens 3,5 m über dem Gelände hat und in einer Baufläche liegt;

b) die Errichtung oder wesentliche Änderung von Wartehäuschen bei Haltestellen des öffentlichen Personenverkehrs;

c) die Errichtung oder wesentliche Änderung von Telefonzellen und ähnlich kleinen Gebäuden;

d) ..."

Im Beschwerdefall ist insbesondere strittig, welchen Abstand die Tiefgarageneinhausung von der Grundgrenze einzuhalten hat.

Nach den maßgeblichen Projektunterlagen handelt es sich dabei nicht um ein eigenständiges Gebäude, sondern konstruktiv um einen Teil des "Gesamtgebäudes". Die Sachverhaltsfeststellungen im angefochtenen Bescheid hinsichtlich dieses Bauteiles sind unstrittig; ergänzend ergibt sich aus den Planunterlagen, dass die Einhausung im Bereich des Portals einen Abstand zur Grenze von rund (aus den Plänen heraus gemessen) 1,60 m aufweist (die Grenze in diesem Bereich verläuft leicht schräg zur Front des Gebäudes wie auch zur Seitenwand der Einhausung). Die Einhausung erstreckt sich nicht über die gesamte Länge der gemeinsamen Grundgrenze des Grundstückes der Nachbarin einerseits und des Baugrundstückes andererseits, sie endet vielmehr in einer Entfernung von rund 12,50 m (abermals aus den Plänen heraus gemessen) vom westlichen Ende der gemeinsamen Grundgrenze, die nach dem Lageplan rund 22 m lang ist, wobei sich im östlichen Bereich des Grundstückes der Nachbarin auch die Einfahrt (Zufahrtsstraße) zum Baugrundstück befindet, die zum Teil aber auch auf einem weiteren Nachbargrundstück liegt (in den Verwaltungsakten ist von einer Wegeservitut die Rede). Der Bereich entlang der gemeinsamen Grundgrenze zwischen dem Portal (dem Ende der Einhausung) und der Einfahrt (Zufahrtsstraße) ist nach dem Erdgeschoßplan rund 7,70 m lang.

Die Tiefgarageneinhausung ist zwar (auch projektgemäß) seitlich eingeschüttet, aber nicht im Frontbereich / Bereich des Portals (d.h., auch nicht im Bereich zwischen der Durchfahrtöffnung und der Grundgrenze). Diese Front, die vom Grundstück der Nachbarin aus einzusehen ist (wenn man sich im Bereich der gemeinsamen Grundgrenze östlich des Endes der Einhausung befindet und vom Grundstück der Nachbarin aus nach schräg rechts blickt), tritt in ihrer gesamten Breite zur Gänze oberirdisch in Erscheinung und muss daher den für oberirdische Gebäudeteile erforderlichen Mindestabstand von 3 m zur gemeinsamen Grundgrenze einhalten, was aber nicht der Fall ist. Damit kann dahingestellt bleiben, ob aus dem Gesichtspunkt der Einhaltung der Mindestabstände der seitliche Bereich der Einhausung auf Grund seiner Einschüttung als unterirdisch oder oberirdisch zu qualifizieren ist.

Die Beschwerdeführerin vertritt - erstmals in der Beschwerde -

aber auch die Auffassung, die Behörde hätte diesfalls von Amts wegen zu prüfen gehabt, ob die Voraussetzungen für die Erteilung einer Abstandsnachsicht nach § 7 BauG erfüllt seien, und zwar hier nach § 7 Abs. 1 lit. b BauG. Dass ein gesonderter Antrag auf Erteilung einer Abstandsnachsicht erforderlich sei, sei dem BauG nicht zu entnehmen. Im Übrigen sei vom Antrag auf Baubewilligung auch der Antrag auf Erteilung der Abstandsnachsicht umfasst. Der Grund, weshalb eine "zweckmäßige Bebauung" nicht ohne Abstandsnachsicht möglich sei, ergebe sich allein aus der Lage und Form sowie der Hanglage des Baugrundstückes, aber auch aus der bereits bestehenden Bebauung der umliegenden Liegenschaften. Weder die Lage noch die Form des Baugrundstückes ließen eine andere Situierung der Tiefgarageneinfahrt und der Mauer zu. Die belangte Behörde habe daher zu Unrecht diese Prüfung unterlassen.

Dem ist Folgendes zu entgegnen: Nach dem Akteninhalt (Angaben der Beschwerdeführerin in der seinerzeitigen Baubeschreibung) ist das trapezförmige Baugrundstück "ca. 1.096 m2" groß, das Ausmaß der bebauten Fläche wird mit "ca. 389,12 m2" angegeben, das Gesamtausmaß der Geschoßflächen (Kellergeschoß, Erdgeschoß, Obergeschoß und Dachgeschoß) mit 1.443,90 m2.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Rechtsprechung zur früheren, aus dem Blickwinkel des nunmehrigen Beschwerdefalles aber gleich gelagerten Bestimmung des § 6 Abs. 9 des Vorarlberger Baugesetzes 1972 mehrfach ausgesprochen, dass bei der Frage der zweckmäßigen Bebauung zwar auch wirtschaftliche Gesichtspunkte eine Rolle spielen, weil jedes Grundstück nur dann als zweckmäßig bebaubar beurteilt werden kann, wenn eine wirtschaftlich vernünftige Bauführung zulässig ist, also ein entsprechend langer und breiter Baukörper unter Einhaltung der gesetzlichen Abstandsvorschriften errichtet werden kann. Nur wenn die Errichtung eines solchen Baukörpers derart nicht möglich wäre, könnte eine zweckmäßige Bebauung verneint werden, und es wäre durch die Gewährung einer Ausnahme eine zweckmäßigere Bebauung zuzulassen. Eine Ausnahmebestimmung dürfe aber keinesfalls so ausgelegt werden, dass zu Lasten des Nachbarn jede beliebige größere Ausnutzung des Bauplatzes zulässig wäre (siehe beispielsweise das hg. Erkenntnis vom 23. Mai 2001, Zl. 99/06/0037, m.w.N.).

Dies hat gleichermaßen bei der Anwendung des § 7 Abs. 1 lit. b BauG (2001) zu gelten.

Es mag nun sein, dass das konkrete Projekt nicht ohne Erwirkung einer Abstandsnachsicht zum Grundstück der Nachbarin realisiert werden könnte (auch in anderen Bereichen waren, wie sich aus den Verwaltungsakten ergibt, Abstandsnachsichten erforderlich). Daraus ist aber nicht abzuleiten, dass nicht auch ein kleineres Vorhaben (mit einem geringeren Volumen) eine wirtschaftlich sinnvolle Ausnützung des Bauplatzes im zuvor umschriebenen Sinn zuließe. Dazu führt die Beschwerdeführerin überhaupt nichts aus und es ist dies auch nicht erkennbar. Die Voraussetzungen für die Erteilung der angestrebten Abstandsnachsicht nach § 7 Abs. 1 lit. b BauG sind daher nicht ersichtlich (wobei nicht unbemerkt bleiben soll, dass das nunmehrige Bauverfahren erst dadurch erforderlich wurde, dass die Beschwerdeführerin den Bau abweichend von der rechtskräftig erteilten Baubewilligung errichtet hat; dass die ursprüngliche Planung "unzweckmäßig" i.S. des § 7 Abs. 1 lit. b BauG war, behauptet die Beschwerdeführerin nicht).

Damit kann die Frage dahingestellt bleiben, ob die belangte Behörde verpflichtet gewesen wäre, auf diese Frage von Amts wegen einzugehen.

Die Beschwerdeführerin meint weiters, den Gegenstand ihres Antrages vom 21. November 2006 hätten im Wesentlichen die Abrückung des Gebäudes in Richtung Norden, die gänzliche Überschüttung der Tiefgarageneinfahrt und die Errichtung der (Flügel-)Mauer gebildet. Diesbezüglich liege entgegen der Annahme der belangten Behörde Teilbarkeit vor, denn das Abrücken des Gebäudes in Richtung Norden sei völlig trennbar von der gänzlichen Überschüttung der Tiefgarageneinfahrt und der Errichtung der Mauer. Die Trennbarkeit sei auch deshalb gegeben, weil die Teilbewilligung des Abrückens des Gebäudes in Richtung Norden gänzlich ohne Einflussnahme auf die Gestaltung des Bauwillens der Beschwerdeführerin möglich sei. Es wäre daher eine Teilbewilligung für das Abrücken nach Norden zu erteilen gewesen, führe die belangte Behörde doch selbst aus, dass diesbezüglich die Abstandsvorschriften eingehalten würden.

Diese Auffassung trifft nicht zu. Das Verschieben des gesamten Gebäudes nach Norden bewirkt naturgemäß auch einen Verschub der Tiefgarageneinfahrt samt ihrer Einhausung, die - wie dargelegt - einen Gebäudeteil darstellt. Mit der Entfernung der Überschüttung und der (Flügel-)Mauer wäre es ja nicht getan, weil das die Einhausung der Tiefgarageneinfahrt unberührt ließe und diese damit auch seitlich keinesfalls mehr als unterirdisch angesehen werden könnte. Wie eine Teilbewilligung diesbezüglich abzugrenzen wäre, zeigt die Beschwerdeführerin nicht auf. Vielmehr hat die belangte Behörde zu Recht eine Untrennbarkeit des Vorhabens angenommen.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Von der Durchführung der von der Beschwerdeführerin beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden, zumal die belangte Behörde (ein Tribunal im Sinne des Art. 6 EMRK) bereits eine mündliche Verhandlung durchgeführt hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 17. Dezember 2009

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