Normen
AsylG 1997 §24b Abs1;
AsylG 1997 §32 Abs1;
AsylG 1997 §5;
AsylG 1997 §5a;
VwGG §42 Abs2 Z1;
AsylG 1997 §24b Abs1;
AsylG 1997 §32 Abs1;
AsylG 1997 §5;
AsylG 1997 §5a;
VwGG §42 Abs2 Z1;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von EUR 1106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführer sind Brüder und Staatsangehörige der Russischen Föderation tschetschenischer Volksgruppenzugehörigkeit. Sie reisten im September 2004 in das Gebiet der EU-Mitgliedstaaten ein und stellten am 29. September 2004 und am 20. September 2005 in Polen Asylanträge. Am 22. September 2005 reisten sie in das Bundesgebiet ein und brachten am folgenden Tag (weitere) Asylanträge ein. Der Erstbeschwerdeführer gab dazu - auch in Vertretung des minderjährigen Zweitbeschwerdeführers - an, der Feldkommandant Bassaew habe sich auf seiner Flucht im Haus der Familie der Beschwerdeführer aufgehalten, weshalb sie von russischem Militär verfolgt worden seien. Ihr Vater und dessen Freunde seien festgenommen worden, einer sei erschossen, ein anderer misshandelt und gefoltert worden. Der Vater der Beschwerdeführer sei verschollen. Der Erstbeschwerdeführer sei dreimal in den Jahren 2002, 2003 und 2004 von den Behörden mitgenommen und über den Aufenthalt seines Vaters sowie über seine Onkel befragt worden, die mit den Russen gekämpft hätten. Über den Zweitbeschwerdeführer sagte der Erstbeschwerdeführer aus, er habe bemerkt, dass sein kleiner Bruder manchmal schlecht träume. Eine weitere Befragung zu diesen Angaben fand ebenso wenig statt wie eine ärztliche Untersuchung der Beschwerdeführer.
Mit Bescheiden vom 27. Oktober 2005 wies das Bundesasylamt die Asylanträge der Beschwerdeführer - nach Konsultationen mit den zuständigen polnischen Behörden - gemäß § 5 Abs. 1 Asylgesetz 1997 in der Fassung der Asylgesetz-Novelle 2003, BGBl. I Nr. 101 (AsylG), als unzulässig zurück, stellte die Zuständigkeit Polens für die Prüfung der Asylanträge fest und wies die Beschwerdeführer dorthin aus. In der Begründung der Bescheide wurde u.a. ausgeführt, es hätten sich keine medizinisch belegbaren Tatsachen ergeben, die die Annahme rechtfertigten, die Beschwerdeführer seien durch Geschehnisse in Zusammenhang mit dem die Flucht auslösenden Ereignis traumatisiert.
In der gegen diese Bescheide gemeinsam erhobenen Berufung wurde vorgebracht, der Erstbeschwerdeführer sei, als er von den Soldaten mitgenommen und über seinen Vater befragt worden sei, geschlagen worden und seither traumatisiert. Obwohl darum ersucht worden sei, habe weder beim Erstbeschwerdeführer noch bei seinem minderjährigen Bruder eine fachärztliche oder psychologische Untersuchung stattgefunden, was als Verfahrensmangel gerügt wurde.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung "gemäß §§ 5, 5a" AsylG ab. Zum erwähnten Berufungsvorbringen führte sie aus, die Beschwerdeführer seien "nicht traumatisiert oder schwer krank". Die entgegenstehenden Angaben in der Berufung seien, "da dieses Vorbringen durch keinen über die bloße Behauptung hinausgehenden Anhaltspunkt gestützt wird, nicht glaubhaft". Überdies wären sie im Berufungsverfahren angesichts des Neuerungsverbotes des § 32 Abs. 1 AsylG unbeachtlich.
Über die dagegen erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
1. Gemäß § 24b Abs. 1 AsylG ist das Asylverfahren zuzulassen, wenn medizinisch belegbare Tatsachen die Annahme rechtfertigen, der Asylwerber könnte Opfer von Folter oder durch die Geschehnisse im Zusammenhang mit dem die Flucht auslösenden Ereignis traumatisiert sein. Die Auslegung dieser Bestimmung durch die hg. Judikatur hat der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 11. November 2008, Zl. 2006/19/0497, auf das gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen wird, zusammengefasst.
2. Vor dem Hintergrund dieser Judikatur hätten die sich aus dem - von den Asylbehörden nicht in Zweifel gezogenen - Fluchtvorbringen (iZm der Aussage, der Zweitbeschwerdeführer träume manchmal schlecht) ergebenden Anhaltspunkte für eine mögliche Traumatisierung Anlass für weitere Ermittlungen, etwa eine ärztliche Untersuchung der Beschwerdeführer, sein müssen (vgl. dazu insbesondere das in Punkt 1.4. des Erkenntnisses vom 11. November 2008 zitierte Erkenntnis vom 30. Mai 2007, Zlen. 2006/19/0433 bis 0436).
Da der Verwaltungsgerichtshof auch die von der belangten Behörde vertretene Rechtsansicht, die in der Berufung aufgestellte Behauptung einer Traumatisierung unterliege dem Neuerungsverbot des § 32 Abs. 1 AsylG, nicht teilt (vgl. das in Punkt 1.6. des Erkenntnisses vom 11. November 2008 zitierte Erkenntnis vom 17. April 2007, Zl. 2006/19/0675), erweist sich der angefochtene Bescheid - abgesehen vom erwähnten Verfahrensmangel - auch als inhaltlich rechtswidrig.
Er war daher (vorrangig) wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
3. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl II Nr. 455.
Wien, am 21. Jänner 2009
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