VwGH 2008/22/0833

VwGH2008/22/08336.8.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Heinzl sowie die Hofräte Dr. Robl, Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Merl und den Hofrat Dr. Lukasser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde des M, vertreten durch Maga. Doris Einwallner, Rechtsanwältin in 1080 Wien, Buchfeldgasse 19a, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 27. März 2008, Zl. 150.996/2- III/4/07, betreffend Niederlassungsbewilligung, zu Recht erkannt:

Normen

AuslBG §24;
AVG §45;
NAG 2005 §41 Abs3;
NAG 2005 §41;
AuslBG §24;
AVG §45;
NAG 2005 §41 Abs3;
NAG 2005 §41;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres (der belangten Behörde) vom 27. März 2008 wurde ein vom Beschwerdeführer, einem türkischen Staatsangehörigen, am 8. August 2007 gestellter Erstantrag auf Erteilung einer "Niederlassungsbewilligung - Schlüsselkraft" gemäß §§ 13 Abs. 1 und 2, 29 Abs. 1 und 41 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz - NAG sowie gemäß § 24 Ausländerbeschäftigungsgesetz - AuslBG abgewiesen.

Die belangte Behörde legte ihrer Entscheidung im Wesentlichen die Feststellungen zugrunde, dass der Beschwerdeführer beabsichtige, in Österreich als 50%-iger Gesellschafter der "H.B. GmbH" selbständig erwerbstätig zu werden. Die Tätigkeit dieses Unternehmens, das eine gewerberechtliche Bewilligung für das Gewerbe "Gastgewerbe in der Betriebsart Espresso" besitze, bestehe in der Zubereitung von Börek, Wasserbörek etc. sowie im Verkauf im eigenen Geschäft und im Weiterverkauf an Wiederverkäufer.

Der Beschwerdeführer habe für eine von ihm ins Treffen geführte Unternehmensexpansion weder einen konkreten Zeitplan noch ein konkretes betriebliches Konzept vorgelegt; die damit im Zusammenhang behauptete beabsichtigte Schaffung von Arbeitsplätzen habe auch nicht durch entsprechende betriebliche Unterlagen, aus denen die tatsächlich geplante Rekrutierung von Arbeitskräften glaubhaft hervorgehe, nachgewiesen werden können.

Die Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien habe mit Gutachten vom 4. Oktober und vom 17. Oktober 2007 festgestellt, dass der Beschwerdeführer nicht als selbständige Schlüsselkraft gemäß § 24 AuslBG zu qualifizieren sei.

In ihrer rechtlichen Beurteilung führte die belangte Behörde - unter Wiedergabe der Bestimmungen der §§ 13 Abs. 1 und 2, 29 Abs. 1 und 41 Abs. 1 und 3 NAG sowie § 24 AuslBG - im Wesentlichen aus, dass nach der schlüssigen Darstellung der beabsichtigten selbständigen Erwerbstätigkeit des Beschwerdeführers in den Gutachten des Arbeitsmarktservice Wien der Ausübung des Gastgewerbes in der Betriebsart eines Espressos durch die "H.B. GmbH" kein gesamtwirtschaftlicher Nutzen (im Sinn des § 24 AuslBG) zukomme.

Das Vorliegen eines solchen könne als gegeben erachtet werden, wenn durch die Verrichtung einer selbständigen Erwerbstätigkeit entweder ein nachhaltiger Transfer von Investitionskapital oder die Schaffung bzw. Sicherung von Arbeitsplätzen erfolge. Mit den Geschäftsaktivitäten der Gesellschaft sei kein Geldfluss in das Bundesgebiet verbunden. Soweit der Beschwerdeführer in seiner Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid einen Betrag von EUR 68.000,-- anführe, den er an die "H.B. GmbH" überwiesen habe, sei festzuhalten, dass der konkrete Zweck dieser Zahlung selbst nach Vorlage einer Überweisungsbestätigung völlig offen bleibe; ein Transfer von Kapital zu Investitionszwecken sei daraus jedenfalls nicht schlüssig erkennbar.

Der Beschwerdeführer habe vorgebracht, Geschäftsführer der Gesellschaft sei sein Bruder H.E., der bereits seit 2004 in diesem Geschäftszweig tätig sei. Mit 7. September 2007 sei auch ein gewerberechtlicher Geschäftsführer angestellt worden. Die Qualität der Produkte sei in ganz Wien und Niederösterreich bekannt; die Rezepte seien in Österreich patentrechtlich geschützt. Der Beschwerdeführer und sein Bruder hätten vor, zwei weitere Filialen zu eröffnen, weshalb die Mithilfe des Beschwerdeführers im Betrieb erforderlich sei. Der Beschwerdeführer gehe von durchschnittlich 400 Kunden in einem Monat aus; er habe in der Türkei als Börek-Bäcker gearbeitet und verfüge über ausgezeichnete Fachkenntnisse. Der Betrieb habe derzeit vier Arbeitnehmer; nach Vergrößerung des Betriebs würden entsprechend mehr Arbeitskräfte eingestellt werden. Im ersten Geschäftsjahr erwarte der Geschäftsführer einen Umsatz von EUR 240.000,-- im Jahr, nach Eröffnung der zwei neuen Filialen im zweiten Geschäftsjahr einen Umsatz von EUR 600.000,--. Weiters erwarte er monatliche Bruttoeinkünfte zwischen EUR 3.000,--

und EUR 10.000,--.

Damit - so die belangte Behörde weiter - könne sich der Beschwerdeführer nicht auf irgendwelche von ihm "selbst zu treffende unternehmerische Entscheidungen" berufen, die einen positiven Effekt für die Wirtschaft haben könnten. Der Ausübung des Gastgewerbes in der Betriebsart eines Espressos durch die "H.B. GmbH", als deren Gesellschafter der Beschwerdeführer fungiere, komme kein gesamtwirtschaftlicher Nutzen zu. Da der Erbringung der Arbeitsleistung durch den Beschwerdeführer ausschließlich ein einzelbetriebliches bzw. persönliches Interesse zuzumessen sei, sei dieser nicht als selbständige Schlüsselkraft gemäß § 24 AuslBG zu qualifizieren.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen hat:

Die hier relevanten Bestimmungen des § 41 NAG lauten - unter der Überschrift "Niederlassungsbewilligung - Schlüsselkraft" - auszugsweise wie folgt:

"§ 41. (1) Drittstaatsangehörigen kann eine 'Niederlassungsbewilligung - Schlüsselkraft' erteilt werden, wenn

  1. 1. sie die Voraussetzungen des 1. Teiles erfüllen;
  2. 2. ein Quotenplatz vorhanden ist und
  3. 3. eine schriftliche Mitteilung der regionalen Geschäftsstelle oder ein Gutachten der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice gemäß §§ 12 Abs. 4 oder 24 AuslBG vorliegt.

(2) Entscheidungen über die Erteilung einer 'Niederlassungsbewilligung - Schlüsselkraft' sind überdies von der zuständigen Behörde gemäß §§ 12 oder 24 AuslBG unverzüglich, längstens jedoch binnen sechs Wochen ab Einbringung des Antrages, zu treffen. Von der Einholung einer schriftlichen Mitteilung der regionalen Geschäftsstelle oder eines Gutachtens der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice ist abzusehen, wenn der Antrag

1. wegen eines Formmangels (§§ 21 bis 24) zurückzuweisen ist;

2. wegen zwingender Erteilungshindernisse (§ 11 Abs. 1) abzuweisen ist oder

3. mangels eines Quotenplatzes zurückzuweisen ist.

(3) Erwächst die negative Entscheidung der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice über die Zulassung als unselbständige Schlüsselkraft (§ 12 AuslBG) in Rechtskraft, ist das Verfahren ohne weiteres einzustellen. Ist das Gutachten der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice in einem Verfahren über den Antrag zur Zulassung als selbständige Schlüsselkraft negativ (§ 24 AuslBG), ist der Antrag ohne weiteres abzuweisen.

§ 24 AuslBG lautet unter der Überschrift "Erstellung von Gutachten für selbständige Schlüsselkräfte" wie folgt:

"§ 24. Die nach der beabsichtigten Niederlassung der selbständigen Schlüsselkraft zuständige Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice hat binnen drei Wochen das im Rahmen des fremdenrechtlichen Zulassungsverfahrens gemäß § 41 NAG erforderliche Gutachten über den gesamtwirtschaftlichen Nutzen der Erwerbstätigkeit, insbesondere hinsichtlich des damit verbunden Transfers von Investitionskapital und/oder der Schaffung und Sicherung von Arbeitsplätzen zu erstellen. Vor der Erstellung dieses Gutachtens ist das Landesdirektorium anzuhören."

§ 41 Abs. 3 zweiter Satz NAG normiert zwar, dass bei Vorliegen eines negativen Gutachtens im Sinn des § 24 AuslBG der Antrag auf Erteilung der "Niederlassungsbewilligung - Schlüsselkraft" (als selbständige Schlüsselkraft) abzuweisen ist, dies bedeutet allerdings - bei verfassungskonformer Interpretation der Bestimmungen des § 41 Abs. 3 NAG und des § 24 AuslBG - nicht, dass das Gutachten durch den Antragsteller nicht entkräftet oder widerlegt werden kann oder dass die Behörde an ein unschlüssiges Gutachten gebunden wäre. Vielmehr gilt auch in Bezug auf die Würdigung dieses Beweismittels, dass die in § 45 AVG verankerten allgemeinen Verfahrensgrundsätze der materiellen Wahrheit, der freien Beweiswürdigung und des Parteiengehörs uneingeschränkt Anwendung finden (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 3. April 2009, 2008/22/0110, sowie vom 28. August 2008, 2008/22/0270, mwN).

Die Beschwerde bringt in ihrer Verfahrensrüge vor, dass die belangte Behörde, die sich im Wesentlichen auf die Gutachten der Landesgeschäftstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom 4. Oktober und 17. Oktober 2007 gestützt habe, das Recht des Beschwerdeführers auf Parteiengehör (§ 45 Abs. 3 AVG) dadurch verletzt habe, dass dem Beschwerdeführer keine Gelegenheit zur Stellungnahme oder Vorlage weiterer Urkunden eingeräumt worden sei. Dem ist allerdings zu erwidern, dass bereits die Erstbehörde das Gutachten vom 4. Oktober 2007 an den Beschwerdeführer übermittelte und ihm die Möglichkeit zur Stellungnahme dazu binnen zwei Wochen einräumte (die dieser durch seinen rechtsfreundlichen Vertreter auch erstattete). Dem erstinstanzlichen Bescheid war wiederum das zweite Gutachten des Arbeitsmarktservice vom 17. Oktober 2007 angeschlossen, sodass eine allfällige Verletzung des Parteiengehörs durch die mit der Berufung verbundene Möglichkeit einer Stellungnahme saniert wurde, weil dem Beschwerdeführer durch die Übermittlung des Erstbescheides eine vollständige Kenntnis von den Beweisergebnissen verschafft wurde (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG § 45 Rz 40 mit Nachweisen aus der hg. Rechtsprechung).

Die Beschwerde wendet sich im Übrigen gegen die durch die belangte Behörde vorgenommene Beweiswürdigung hinsichtlich der nach § 24 AuslBG erstatteten Gutachten und bringt dazu im Wesentlichen vor, dass mit der selbständigen Tätigkeit des Beschwerdeführers in Österreich als Mitgesellschafter der "H.B. GmbH" ein maßgeblicher gesamtwirtschaftlicher Nutzen verbunden sei (wobei auf die im Verwaltungsverfahren ausgeführten Erwartungen hinsichtlich Umsatzsteigerung und Bruttoeinkünfte der Gesellschaft verwiesen wurde); weiters führt die Beschwerde die nachgewiesene Zahlung von EUR 68.000,-- an die GmbH und die Beteiligung des Beschwerdeführers an dieser mit 50 % ins Treffen.

Diese Ausführungen sind nicht geeignet, Zweifel an der Schlüssigkeit der von der belangten Behörde vorgenommenen Beweiswürdigung (zu der dem Verwaltungsgerichtshof in dieser Hinsicht zukommenden Überprüfungsbefugnis vgl. das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Oktober 1985, 85/02/0053, mwN) zu begründen:

Nach ständiger Rechtsprechung ergibt sich aus § 24 AuslBG, dass für die Beurteilung, ob eine beabsichtigte selbständige Tätigkeit zur Stellung als "Schlüsselkraft" führt, der gesamtwirtschaftliche Nutzen der Erwerbstätigkeit maßgeblich ist. Bei der Beurteilung, ob ein derartiger gesamtwirtschaftlicher Nutzen vorliegt, ist insbesondere zu beurteilen, ob mit der selbständigen Erwerbstätigkeit ein Transfer von Investitionskapital verbunden ist und/oder ob die Erwerbstätigkeit der Schaffung von neuen oder der Sicherung von vorhandenen Arbeitsplätzen dient. Das Gesetz stellt also darauf ab, ob ein zusätzlicher Impuls für die Wirtschaft zu erwarten ist (vgl. wiederum das hg. Erkenntnis vom 3. April 2009, mwN).

Die Beschwerde legt nun nicht dar, weshalb die selbständige Tätigkeit des Beschwerdeführers selbst - der zwar Hälftegesellschafter der "H.B. GmbH" ist, die aber laut Firmenbuch ohnehin durch den Bruder des Beschwerdeführers vertreten werden kann - im Rahmen der Gesellschaft notwendig wäre, um die vom Beschwerdeführer eher vage beschriebene beabsichtigte Unternehmensexpansion (und damit die Schaffung und Sicherung von Arbeitsplätzen) zu bewerkstelligen; insbesondere wurde nicht dargetan, weshalb der weitere Betrieb und eine Erweiterung des Unternehmens der "H.B. GmbH" nicht auch unter der (weiterhin alleinigen) Geschäftsleitung des Bruders des Beschwerdeführers, der unstrittig bereits seit 2004 im Geschäftszweig des Unternehmens tätig ist, erfolgen könnte. Weshalb es also bei der beabsichtigten Schaffung und Erhaltung von Arbeitsplätzen gerade auf die Erwerbstätigkeit des Beschwerdeführers ankommen sollte, ist nicht erkennbar.

Hinsichtlich der Zahlung von EUR 68.000,-- an die Gesellschaft hat die belangte Behörde zutreffend darauf hingewiesen, dass der konkrete Zweck dieser Zahlung weder aus dem Vorbringen der Berufung noch aus der mit der Berufung vorgelegten Buchungsbestätigung hervorgeht. Als derartiger Zweck kommt - neben der Finanzierung geplanter Investitionen - etwa auch die Abdeckung von Verlusten, von Personalaufwand oder von anderen Verbindlichkeiten der Gesellschaft in Betracht. Die Zahlung dieses Betrages an die GmbH im November 2007 reicht daher nicht aus, um die Schlüssigkeit der Beweiswürdigung der belangten Behörde, dass ein Transfer von Kapital zu Investitionszwecken nicht erkennbar sei, im Sinn des § 41 Abs. 1 VwGG in Zweifel zu ziehen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. Dezember 2006, 2005/21/0262).

Aus diesen Gründen liegt auch der in der Beschwerde geltend gemachte Begründungsmangel nicht vor, sodass die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen war.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008. Wien, am 6. August 2009

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