Normen
FrPolG 2005 §60 Abs1;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z1;
FrPolG 2005 §60 Abs6;
FrPolG 2005 §60;
FrPolG 2005 §61;
FrPolG 2005 §66;
NAG 2005 §28 Abs1;
NAG 2005 §8 Abs1 Z3;
NAG 2005 §8;
NAG 2005 §81 Abs2;
NAGDV 2005 §11 Abs2 litA Z1;
NAGDV 2005 §11 Abs3 Z1;
FrPolG 2005 §60 Abs1;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z1;
FrPolG 2005 §60 Abs6;
FrPolG 2005 §60;
FrPolG 2005 §61;
FrPolG 2005 §66;
NAG 2005 §28 Abs1;
NAG 2005 §8 Abs1 Z3;
NAG 2005 §8;
NAG 2005 §81 Abs2;
NAGDV 2005 §11 Abs2 litA Z1;
NAGDV 2005 §11 Abs3 Z1;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres (der belangten Behörde) vom 22. November 2007 wurde das Ende der der Beschwerdeführerin, einer chilenischen Staatsangehörigen, am 3. März 1999 erteilten unbefristeten Niederlassungsbewilligung für "jeglichen Aufenthaltszweck" festgestellt.
Die Beschwerdeführerin habe am 10. April 2006 einen Antrag auf Ausstellung eines Aufenthaltstitels "Daueraufenthalt - EG" gestellt. Mit Bescheid vom 14. August 2006 habe die Behörde erster Instanz gemäß § 28 Abs. 1 NAG das Ende des unbefristeten Niederlassungsrechts der Beschwerdeführerin festgestellt.
Unter Hinweis auf § 28 Abs. 1 NAG führte die belangte Behörde aus, die zuständige Fremdenrechtsbehörde sei um eine fachliche Beurteilung hinsichtlich des Vorliegens der Voraussetzungen gemäß § 60 Fremdenpolizeigesetz - FPG ersucht worden. Diese habe das Vorliegen der Voraussetzungen gemäß § 60 iVm § 66 FPG bestätigt.
Gegen die Beschwerdeführerin lägen zwei rechtskräftige Verurteilungen des Landesgerichtes für Strafsachen Wien, und zwar vom 8. Juli 1999, rechtskräftig mit 13. Juli 1999, gemäß § 27 Abs. 1 und 2 SMG, und vom 15. Mai 2002, rechtskräftig mit 15. Februar (richtig: Mai) 2002, gemäß §§ 27 und 28 Abs. 2, 3 und 4 SMG sowie § 15 StGB vor. "Auf Grund dieser Verurteilung" sei der Tatbestand des § 60 Abs. 2 FPG verwirklicht.
Aus § 28 Abs. 1 NAG ergebe sich "eindeutig" die gesetzliche Verpflichtung, bei Vorliegen eines Tatbestandes des § 60 FPG eine Rückstufung und Entziehung des unbefristeten Aufenthaltsrechts vorzunehmen.
Die Beschwerdeführerin sei bereits im Jahr 1993 als "Flüchtling" nach Österreich eingereist und hier rechtmäßig aufhältig gewesen. Sie habe drei Kinder, die ebenfalls im Bundesgebiet aufhältig seien. Im Hinblick auf die Aufenthaltsverfestigung der Beschwerdeführerin und ihre familiäre Situation könnten zum Schutz ihres Privat- und Familienlebens gemäß § 66 FPG aufenthaltsbeendende Maßnahmen nicht verhängt werden.
Das "Amt der Wiener Landesregierung" werde der Beschwerdeführerin nunmehr von Amts wegen eine befristete "Niederlassungsbewilligung - unbeschränkt" auszustellen haben.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:
§ 28 Abs. 1 NAG (in der Fassung vor der Novelle BGBl. I Nr. 29/2009) lautet samt Überschrift:
"Rückstufung und Entziehung eines unbefristeten Niederlassungsrechts
§ 28. (1) Liegen gegen einen Inhaber eines Aufenthaltstitels 'Daueraufenthalt - EG' (§ 45) oder 'Daueraufenthalt - Familienangehöriger' (§ 48) die Voraussetzungen des § 54 FPG für die Erlassung einer Ausweisung oder die Voraussetzungen des § 60 FPG für die Erlassung eines Aufenthaltsverbots vor, können diese Maßnahmen aber im Hinblick auf § 66 FPG nicht verhängt werden, hat die Behörde das Ende des unbefristeten Niederlassungsrechts mit Bescheid festzustellen und von Amts wegen eine befristete 'Niederlassungsbewilligung - unbeschränkt' (§ 8 Abs. 2 Z 3) auszustellen (Rückstufung)."
Die Beschwerdeführerin bestreitet zunächst die Anwendbarkeit des § 28 Abs. 1 NAG und begründet dies damit, dass sie bisher noch keinen Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt - EG" oder "Daueraufenthalt - Familienangehöriger" innegehabt, sondern einen solchen mit ihrem Antrag vom 10. April 2006 erst beantragt habe.
Dem ist entgegenzuhalten, dass nach den Übergangsvorschriften des § 81 Abs. 2 erster Satz NAG vor dem Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes erteilte Aufenthalts- und Niederlassungsbewilligung innerhalb ihrer Gültigkeitsdauer und ihres Gültigkeitszwecks insoweit weitergelten, als sie nach dem Zweck des Aufenthaltes den Bestimmungen des NAG entsprechen. § 8 NAG regelt Arten und Formen der Aufenthaltstitel. Gemäß § 8 Abs. 1 Z. 3 NAG wird der (in § 28 Abs. 1 NAG genannte) Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt - EG" für die Dokumentation des unbefristeten Niederlassungsrechts erteilt. Dem entsprechend ordnet die (u.a.) auf Grund der Ermächtigung in § 81 Abs. 2 letzter Satz NAG erlassene Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz-Durchführungsverordnung - NAG-DV in § 11 Abs. 2 lit. A Z. 1 an, dass - worauf die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift zutreffend hinweist - nach dem Fremdengesetz in der Rechtslage vor dem 1. Jänner 2003 erteilte Niederlassungsbewilligungen für "jeglichen Aufenthaltszweck" als "Niederlassungsbewilligung - beschränkt" weitergelten. Gemäß § 11 Abs. 3 Z. 1 NAG-DV gelten unbefristet erteilte Niederlassungsbewilligungen nach Abs. 2 lit. A Z. 1 als Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt - EG" weiter.
Die Beschwerdeführerin war seit 3. März 1999 im Besitz einer unbefristeten Niederlassungsbewilligung für jeglichen Aufenthaltszweck, die somit seit dem Inkrafttreten des NAG am 1. Jänner 2006 als Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt - EG" weitergalt und (weiterhin) zur unbefristeten Niederlassung in Österreich berechtigte. § 28 Abs. 1 NAG war somit anwendbar.
Die Beschwerdeführerin kritisiert weiters, die belangte Behörde habe nicht festgestellt, wodurch der weitere Aufenthalt der Beschwerdeführerin die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährde oder anderen im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderlaufe.
Damit zeigt die Beschwerde einen relevanten Begründungsmangel auf.
Nach § 60 FPG kann gegen einen Fremden ein Aufenthaltsverbot nur erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass sein Aufenthalt die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet (Z. 1) oder anderen im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft (Z. 2). Nach dem fallbezogen in Betracht kommenden § 60 Abs. 2 Z. 1 FPG hat als bestimmte, eine Gefährdungsannahme im Sinn des Abs. 1 rechtfertigende Tatsache zu gelten, wenn der Fremde von einem inländischen Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten, zu einer teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe, zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten oder mehr als einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhender strafbarer Handlungen rechtskräftig verurteilt worden ist.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist bei der Erstellung der für jedes Aufenthaltsverbot zu treffenden Gefährlichkeitsprognose das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die in § 60 Abs. 1 FPG umschriebene Annahme gerechtfertigt ist. Für diese Beurteilung ist demnach nicht das Vorliegen von rechtskräftigen Bestrafungen oder Verurteilungen, sondern das diesen zugrunde liegende Verhalten des Fremden maßgeblich. Dabei ist also nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung bzw. Bestrafung des Fremden, sondern auf die Art und Schwere der zugrunde liegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild abzustellen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 31. März 2008, 2007/21/0533, mwN).
Demzufolge reichen die wiedergegebenen (offenbar nur dem Inhalt einer Strafregisterauskunft folgenden) Feststellungen der belangten Behörde zu den Verurteilungen der Beschwerdeführerin, denen weder die ihr im Schuldspruch konkret angelasteten Straftaten noch deren Begleitumstände oder das Strafausmaß zu entnehmen sind, nicht für die nachvollziehbare Darstellung einer Gefährdungsannahme im Sinn des § 60 Abs. 1 FPG. Deren Vorliegen - bei der diesbezüglichen Beurteilung ist auch auf ein Wohlverhalten seit Begehen der zugrunde liegenden Straftat Bedacht zu nehmen - wäre aber gesetzliche Voraussetzung für eine Rückstufung nach § 28 Abs. 1 NAG. Auch das Vorliegen eines Aufenthaltsverbots-Verbotstatbestandes (§ 61 FPG, gegebenenfalls in Verbindung mit § 56 leg. cit.) wäre zu prüfen gewesen.
Der angefochtene Bescheid war daher schon angesichts der aufgezeigten sekundären Begründungsmängel gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung BGBl. II Nr. 455/2008. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil die Umsatzsteuer im Pauschalbetrag bereits enthalten ist.
Wien, am 17. Dezember 2009
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