VwGH 2008/22/0190

VwGH2008/22/019027.1.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Heinzl sowie die Hofräte Dr. Robl, Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Merl und den Hofrat Dr. Lukasser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde des E, vertreten durch Dr. Wolfgang Pitzal, Rechtsanwalt in 1040 Wien, Paulanergasse 9, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 12. April 2007, Zl. 147.986/2-III/4/06, betreffend Niederlassungsbewilligung, zu Recht erkannt:

Normen

32004L0038 Unionsbürger-RL Art2 Z2 litc;
32004L0038 Unionsbürger-RL Art7 Abs2;
32004L0038 Unionsbürger-RL Art7;
EURallg;
NAG 2005 §1 Abs2 Z1;
NAG 2005 §57;
32004L0038 Unionsbürger-RL Art2 Z2 litc;
32004L0038 Unionsbürger-RL Art7 Abs2;
32004L0038 Unionsbürger-RL Art7;
EURallg;
NAG 2005 §1 Abs2 Z1;
NAG 2005 §57;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Ein vom Beschwerdeführer, einem nigerianischen Staatsangehörigen, am 26. April 2006 gestellter Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung für Angehörige wurde mit Bescheid des Landeshauptmannes von Wien (der Erstbehörde) vom 5. Oktober 2006 gemäß § 21 Abs. 1 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) abgewiesen.

Die dagegen gerichtete Berufung des Beschwerdeführers wurde mit Bescheid des Bundesministers für Inneres (der belangten Behörde) vom 12. April 2007 gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 1 Abs. 2 Z. 1 NAG abgewiesen.

Die belangte Behörde legte ihrer Entscheidung im Wesentlichen die Feststellungen zugrunde, dass der Beschwerdeführer am 11. März 2003 unter einem Aliasnamen illegal in das Bundesgebiet eingereist sei und am selben Tag einen Antrag auf Gewährung von Asyl gestellt habe. Mit Berufungsbescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 3. August 2006 sei dieser Asylantrag gemäß § 7 und § 8 Asylgesetz abgewiesen worden; einer dagegen erhobenen Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof sei mit Beschluss vom 1. Dezember 2006 die aufschiebende Wirkung zuerkannt worden. Der Beschwerdeführer sei daher nach wie vor gemäß dem Asylgesetz vorläufig zum Aufenthalt im Bundesgebiet bis zum rechtskräftigen Abschluss des Asylverfahrens berechtigt; das Asylverfahren sei noch nicht rechtskräftig beendet.

In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde im Wesentlichen - unter Wiedergabe der Bestimmung des § 1 Abs. 2 Z. 1 NAG - aus, dass das NAG angesichts der vorläufigen Aufenthaltsberechtigung des Beschwerdeführers nach dem Asylgesetz auf dessen Fall nach dem klaren Wortlaut des § 1 Abs. 2 Z. 1 NAG nicht anzuwenden sei.

In Hinblick auf die Anwendung der Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten (Freizügigkeitsrichtlinie), werde festgehalten, dass der Beschwerdeführer die dort festgelegten Voraussetzungen nicht erfülle und daher kein Recht auf Freizügigkeit gemäß den gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften in Anspruch nehmen könne; der Beschwerdeführer habe nicht einmal behauptet, dass sein Wahlvater das Recht auf die gemeinschaftsrechtliche Freizügigkeit in Anspruch genommen habe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen hat:

§ 1 NAG lautet:

"Geltungsbereich

§ 1. (1) Dieses Bundesgesetz regelt die Erteilung, Versagung

und Entziehung von Aufenthaltstiteln von Fremden, die sich länger als sechs Monate im Bundesgebiet aufhalten oder aufhalten wollen, sowie die Dokumentation von bestehenden Aufenthalts- und Niederlassungsrechten.

(2) Dieses Bundesgesetz gilt nicht für Fremde, die

         

1. nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100, und nach vorigen

asylgesetzlichen Bestimmungen zum Aufenthalt berechtigt sind, soweit dieses

Bundesgesetz nicht anderes bestimmt;

2. nach § 95 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100, über einen

Lichtbildausweis für Träger von Privilegien und Immunitäten verfügen oder

3. nach § 24 FPG zur Ausübung einer bloß vorübergehenden Erwerbstätigkeit

berechtigt sind."

Die Beschwerde stellt nicht in Abrede, dass der Beschwerdeführer aufgrund der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 1. Dezember 2006 zu dem hier relevanten Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides über eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung aufgrund der asylgesetzlichen Bestimmungen verfügt hat und sein Asylverfahren noch nicht rechtskräftig beendet ist.

Angesichts dieser Berechtigung zum Aufenthalt nach asylgesetzlichen Bestimmungen ist das NAG nach dem klaren Wortlaut des § 1 Abs. 2 Z. 1 NAG im vorliegenden Fall nicht anzuwenden (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 8. November 2006, 2006/18/0315, mwN).

Die Beschwerde vertritt schließlich die Auffassung, dass der Beschwerdeführer als Wahlkind eines österreichischen Staatsbürgers ein Aufenthaltsrecht nach Art. 7 der Richtlinie 2004/38/EG habe. Das hätte allerdings im Ergebnis zur Folge, dass das Prozesshindernis des § 1 Abs. 2 Z. 1 NAG infolge Verdrängung durch das Gemeinschaftsrecht einer Entscheidung nicht entgegenstehen würde (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. Jänner 2009, 2008/21/0671).

Zu diesem Beschwerdevorbringen ist allerdings anzumerken, dass Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie - unter bestimmten Voraussetzungen - ein Aufenthaltsrecht von "Familienangehörigen" von Unionsbürgern nur dann begründet, wenn ein grenzüberschreitender Sachverhalt in dem Sinn vorliegt, dass der Zusammenführende nicht die Staatsangehörigkeit des Aufnahmemitgliedstaats besitzt (vgl. etwa den hg. Beschluss vom 2. Oktober 2008, 2008/18/0507, mwN).

Verwandte in gerader absteigender Linie eines Unionsbürgers sind überdies gemäß Art. 2 Z. 2 lit. c der Richtlinie 2004/38/EG nur dann "Familienangehörige" im Sinn der Richtlinie, wenn sie das 21. Lebensjahr noch nicht vollendet haben oder wenn ihnen durch den Unionsbürger Unterhalt gewährt wird.

Der Beschwerdeführer war zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides mehr als 24 Jahre alt. Er hat in seinem Vorbringen im Administrativverfahren nicht behauptet, dass ihm von seinem österreichischen Adoptivvater, der nach einer im Verwaltungsakt enthaltenen Auskunft des Arbeitsmarktservice vom 30. Mai 2005 ab 18. Mai 2005 Notstandshilfe in Höhe von EUR 15,92 pro Tag bezog (AS 25), Unterhalt gewährt werde. Vielmehr hat der Beschwerdeführer vorgebracht, dass sein Adoptivvater nach einer erfolgreichen Alkoholentwöhnungskur wieder eine Eingliederung in den Arbeitsprozess anstrebe und die Unterstützung des Beschwerdeführers benötige (Antrag vom 26. April 2006); sein Wahlvater sei aufgrund von Alkoholproblemen in einem Heim untergebracht und werde vom Beschwerdeführer, der viele Angelegenheiten für ihn erledige, mehrmals pro Woche besucht (Berufung vom 24. Oktober 2006).

Da somit der Beschwerdeführer gar nicht Familienangehöriger im Sinn der zitierten Bestimmung des Art. 2 Z. 2 lit. c der Richtlinie 2004/38/EG ist, ist der vorliegende Fall auch von den dem hg. Beschluss vom 2. Oktober 2008, A 2008/0041 (2008/18/0507), zugrunde liegenden gleichheitsrechtlichen Bedenken zu § 57 NAG nicht berührt.

Mangels Anwendbarkeit des Gemeinschaftsrechts kann sich der Beschwerdeführer auch nicht etwa auf das Urteil des EuGH vom 25. Juli 2008, Metock u.a., C-127/08 , oder den Beschluss des EuGH vom 19. Dezember 2008, Deniz Sahin, C-551/07 , berufen.

Letztlich gehen die Beschwerdeausführungen zu §§ 21, 72 ff NAG ins Leere, weil dieses Bundesgesetz - wie oben dargelegt - auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar ist.

Da dem angefochtenen Bescheid somit die behauptete Rechtswidrigkeit nicht anhaftet, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008 (vgl. insbesondere deren § 3 Abs. 2).

Wien, am 27. Jänner 2009

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