VwGH 2008/21/0549

VwGH2008/21/054930.4.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher, Dr. Pfiel und Mag. Eder als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Kühnberg, über die Beschwerde des D, vertreten durch Mag. Irene Haase, Rechtsanwältin in 1230 Wien, An der Au 9, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 18. Juli 2008, Zl. St 159/08, betreffend Aufhebung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §68 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z1;
FrPolG 2005 §65 Abs1;
EMRK Art8 Abs2;
VwRallg;
AVG §68 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z1;
FrPolG 2005 §65 Abs1;
EMRK Art8 Abs2;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer reiste erstmals am 18. April 1998 nach Österreich. Er gab an, sudanesischer Staatsangehöriger zu sein und stellte unter der Identität Cliff D. einen Asylantrag, der letztlich mit im Instanzenzug ergangenem Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 28. März 2000 "gemäß §§ 6 und 8 Asylgesetz 1997" abgewiesen wurde.

Mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes Linz vom 17. Jänner 2000 war der Beschwerdeführer wegen des Verbrechens nach § 28 Abs. 2 SMG, des Vergehens nach § 27 Abs. 1 SMG und des Vergehens nach § 50 Abs. 1 Z 2 WaffG zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von zwei Jahren verurteilt worden. Gemäß dem gerichtlichen Schuldspruch habe er in Linz

"A) den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgift in einer großen Menge in Verkehr gesetzt, und zwar dadurch, dass er in der Zeit von September 1998 bis Ende August 1999 in mehreren Teilmengen insgesamt ca. 1 kg Haschisch und ca. 250 bis 300 g Kokain an ... verkaufte;

B) am 29.9.1999 den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgift, nämlich vier Stückchen Haschisch besessen

C) am 29.9.1999 eine verbotene Waffe, nämlich einen Schlagring unbefugt besessen."

Im Hinblick auf diese Verurteilung und das ihr zu Grunde liegende Fehlverhalten verhängte die belangte Behörde mit im Instanzenzug ergangenem Bescheid vom 2. März 2001 gegen den Beschwerdeführer gemäß § 36 Abs. 1 und Abs. 2 Z 1 sowie §§ 37 und 39 Fremdengesetz 1997 - FrG ein unbefristetes Aufenthaltsverbot.

Der am 2. Juli 2001 nach 21-monatiger Haft bedingt entlassene Beschwerdeführer verließ in der Folge das Bundesgebiet. Jedenfalls ab 10. April 2002 hielt er sich in der Schweiz auf, wo er ebenfalls einen Asylantrag stellte, Nigeria als seinen Herkunftsstaat bezeichnete und unter seiner nunmehr durch einen Pass legitimierten Identität Ch.D. auftrat. Am 9. Mai 2003 heiratete er in der Schweiz eine österreichische Staatsbürgerin. Im Hinblick auf diese Eheschließung wurde dem Beschwerdeführer zunächst am 14. August 2003 eine Niederlassungsbewilligung erteilt, auf Grund derer er - unter seiner nunmehrigen Identität - in das Bundesgebiet einreiste. Nach Erteilung weiterer Niederlassungsbewilligungen erhielt er hier zuletzt am 20. Oktober 2005 einen Niederlassungsnachweis.

Mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes Linz vom 31. August 2007 wurde der Beschwerdeführer neuerlich strafgerichtlich verurteilt. Er wurde insbesondere für schuldig erkannt, im Spätsommer 2006 in bewusstem und gewolltem Zusammenwirken mit einem anderen als Mittäter ein Päckchen mit ca. 150 bis 200 g Heroin im Wert von EUR 3.700,-- an eine weitere Person zum gewinnbringenden Verkauf übergeben und die Übergabe von 50 g Kokain vermittelt zu haben. Er wurde deshalb wegen des Verbrechens nach § 28 Abs. 2 4. Fall und Abs. 3 2. Fall SMG sowie wegen der - hier nicht näher dargestellten - Vergehen nach § 27 Abs. 1 1. und 2. Fall SMG und der falschen Beweisaussage vor Gericht nach § 288 Abs. 1 StGB zu einer 16-monatigen Freiheitsstrafe verurteilt. Nach Verbüßung von 13 Monaten wurde er am 14. März 2008 bedingt entlassen. In der Folge beantragte er die Aufhebung des über ihn verhängten Aufenthaltsverbotes aus dem Jahr 2001, was er im Wesentlichen mit einer Änderung seiner familiären Verhältnisse - neben der Eheschließung führte er die Geburt eines ehelichen Sohnes am 9. Juni 2004 ins Treffen - begründete.

Mit dem nunmehr angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 18. Juli 2008 wies die belangte Behörde diesen Antrag gemäß § 65 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG ab.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage erwogen:

Klarstellend ist zunächst festzuhalten, dass der Beschwerdeführer bei Erlassung des bekämpften Bescheides nach der Aktenlage über einen Aufenthaltstitel, und zwar im Hinblick auf den zuletzt am 20. Oktober 2005 ausgestellten Niederlassungsnachweis zufolge § 11 Abs. 1 Abschnitt C der Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz - Durchführungsverordnung über einen Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt-Familienangehöriger", verfügte. Das gegenständliche Aufenthaltsverbot ändert daran nichts, weil es vor den dem Beschwerdeführer - offenkundig wegen des Wechsels seiner Identität in Unkenntnis des bestehenden Aufenthaltsverbotes - erteilten Niederlassungsbewilligungen erlassen wurde. Denn die Rechtskraft des über den Beschwerdeführer schon 2001 verhängten Aufenthaltsverbotes bewirkte nicht die Unwirksamkeit der in der Folge - zu Unrecht - erteilten Aufenthaltstitel, sondern die in Rechtskraft erwachsenen Titel verdrängten jeweils als spätere Norm die Rechtswirksamkeit dieses zuvor verhängten Aufenthaltsverbotes für die Zeit ihrer Geltungsdauer (vgl. das hg. Erkenntnis vom 31. März 2008, Zl. 2008/21/0123). Schon im Hinblick auf die Möglichkeit einer Wiederaufnahme der Titelverfahren ist das Aufenthaltsverbot damit aber nicht endgültig obsolet geworden, weshalb die belangte Behörde ungeachtet der dargestellten Verdrängung über den gegenständlichen Aufhebungsantrag zu Recht in der Sache selbst entschieden hat.

Gemäß § 65 Abs. 1 FPG ist ein Aufenthaltsverbot auf Antrag oder von Amts wegen aufzuheben, wenn die Gründe, die zu seiner Erlassung geführt haben, weggefallen sind.

Ein darauf abzielender Antrag kann nur dann zum Erfolg führen, wenn sich seit der Erlassung der Maßnahme die dafür maßgebenden Umstände zu Gunsten des Fremden geändert haben, wobei im Rahmen der Entscheidung über einen solchen Antrag auch auf die nach der Verhängung des Aufenthaltsverbotes eingetretenen und gegen die Aufhebung dieser Maßnahme sprechenden Umstände Bedacht zu nehmen ist. Bei der Beurteilung nach § 65 Abs. 1 FPG ist maßgeblich, ob eine Gefährlichkeitsprognose dergestalt (weiterhin) zu treffen ist, dass die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes erforderlich ist, um eine vom Fremden ausgehende erhebliche Gefahr im Bundesgebiet abzuwenden, und ob die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes im Grunde des § 66 FPG zulässig ist. Darüber hinaus hat die Behörde auch bei dieser Entscheidung das ihr eingeräumte Ermessen zu üben (vgl. zuletzt etwa das hg. Erkenntnis vom 17. März 2009, Zl. 2007/21/0259). Bei Fremden, die seit der Erlassung des Aufenthaltsverbotes - wie der Beschwerdeführer - die Stellung eines Familienangehörigen (§ 2 Abs. 4 Z 12 FPG) eines Österreichers erlangt haben, ist überdies zu beachten, dass die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes nur im Grunde des § 87 iVm § 86 Abs. 1 FPG in Betracht kommt (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 23. Oktober 2008, Zl. 2008/21/0432).

Der Beschwerdeführer wurde wegen des eingangs dargestellten massiven Suchtgiftdeliktes zu einer zweijährigen Haftstrafe verurteilt. Nach bedingter Entlassung aus der Strafhaft und trotz der in seinem Aufhebungsantrag geltend gemachten grundlegenden Änderung seiner Lebensverhältnisse ist er im Spätsommer 2006 einschlägig rückfällig geworden. Von daher kann vor dem Hintergrund des großen öffentlichen Interesses an der Bekämpfung der Suchtgiftkriminalität sowohl unter dem Blickwinkel der öffentlichen Ordnung und Sicherheit als auch unter dem Gesichtspunkt anderer in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannter öffentlicher Interessen kein Zweifel bestehen, dass der Beschwerdeführer nunmehr auch die Voraussetzungen für die verschärfte Gefährdungsprognose nach § 86 Abs. 1 FPG erfüllt. Auch die Beschwerde stellt dies nicht ernsthaft in Abrede. Sie argumentiert allerdings damit, dass § 66 FPG der Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes entgegenstehe. Dem kann nicht gefolgt werden, weil sich das Aufenthaltsverbot nach wie vor zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele als dringend geboten erweist und nach wie vor nach Interessenabwägung zulässig ist:

Zum einen hat das öffentliche Interesse an der Unterbindung der (zumal auch "harte Drogen" wie Heroin betreffenden) Suchtgiftkriminalität einen sehr großen Stellenwert. Zum anderen konnte der Umstand, dass der Beschwerdeführer (nunmehr) in Österreich eine familiäre Bindung aufweist, nur eingeschränkt zu seinen Gunsten ausschlagen, weil die Eheschließung und die Geburt des Kindes erst zu einem Zeitpunkt erfolgten, zu dem der Beschwerdeführer wissen musste, dass er rechtens nicht mit einem Verbleib in Österreich rechnen durfte (vgl. dazu sinngemäß etwa das hg. Erkenntnis vom 22. Mai 2007, Zl. 2006/21/0115). Insgesamt ist daher die Trennung des Beschwerdeführers von seiner österreichischen Familie infolge des dargestellten großen öffentlichen Interesses in Kauf zu nehmen.

Die eben angestellten Überlegungen lassen sich - gerade noch -

der Sache nach auch dem bekämpften Bescheid entnehmen. Der Beschwerdevorwurf, die belangte Behörde habe jede Interessenabwägung unterlassen, ist daher verfehlt.

Nach dem Gesagten kann der vorliegenden Beschwerde kein Erfolg beschieden sein. Sie war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am 30. April 2009

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