VwGH 2008/21/0206

VwGH2008/21/020617.3.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher, Dr. Pfiel und Mag. Eder als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Kühnberg, über die Beschwerde des C, vertreten durch Jürgen Stephan Mertens, Rechtsanwalt in 1080 Wien, Neudeggergasse 1/18, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 20. November 2006, Zl. Fr 2220/04, betreffend Aufhebung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

ARB1/80 Art6;
ARB1/80 Art7;
AVG §1;
FrPolG 2005 §125 Abs3;
FrPolG 2005 §60;
FrPolG 2005 §62;
FrPolG 2005 §9 Abs1 Z2;
VwRallg;
ARB1/80 Art6;
ARB1/80 Art7;
AVG §1;
FrPolG 2005 §125 Abs3;
FrPolG 2005 §60;
FrPolG 2005 §62;
FrPolG 2005 §9 Abs1 Z2;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein 1975 geborener türkischer Staatsangehöriger, hielt sich ab 14. Dezember 1998 im österreichischen Bundesgebiet auf. Am 23. November 1998 hatte er eine österreichische Staatsangehörige geheiratet, der Ehe entstammen zwei Söhne (geboren am 18. November 1999 bzw. am 2. Jänner 2001).

Mit in Rechtskraft erwachsenem Urteil des Landesgerichtes Korneuburg vom 23. Jänner 2004 wurde der Beschwerdeführer wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs. 2 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 14 Monaten verurteilt. Dem Urteil lag zu Grunde, der Beschwerdeführer habe am 25. August 2003 A. in zwei Angriffen mit Gewalt zur Duldung des Beischlafes genötigt.

Im Hinblick auf dieses Urteil und das vom Beschwerdeführer gesetzte Gesamtfehlverhalten erließ die belangte Behörde mit im Instanzenzug ergangenem Bescheid vom 25. August 2004 gemäß § 48 Abs. 1 iVm § 36 Abs. 1 Z 1 Fremdengesetz 1997 ein unbefristetes Aufenthaltsverbot. In Befolgung dieses Aufenthaltsverbotes reiste der Beschwerdeführer am 28. September 2004 in die Türkei aus.

Im Oktober 2005 reiste der Beschwerdeführer ungeachtet des bestehenden Aufenthaltsverbotes nach Österreich ein, wo er festgenommen wurde und wo er ab 14. Oktober 2005 die vom Landesgericht Korneuburg über ihn verhängte (restliche) Freiheitsstrafe verbüßte. Aus der Strafhaft stellte er in der Folge im April 2006 den Antrag auf Aufhebung des gegen ihn erlassenen Aufenthaltsverbotes.

Mit dem nunmehr bekämpften, gleichfalls im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 20. November 2006 wurde dieser Antrag gemäß § 65 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG abgewiesen. Das begründete die belangte Behörde im Wesentlichen damit, dass sich die vom Beschwerdeführer ausgehende Gefahr seit dem Zeitpunkt der Erlassung des Aufenthaltsverbotes nicht reduziert habe. Er sei, was die belangte Behörde im Einzelnen darstellte, bei Begehung seiner Straftat brutal vorgegangen, habe die Nötigung zum Beischlaf mit beträchtlicher Hartnäckigkeit und Energie verfolgt und sei trotz heftiger Gegenwehr nicht bereit gewesen, von seinem Vorhaben abzulassen. Durch die von ihm begangene Straftat habe er eine "krasse Verletzung der sexuellen Integrität einer Frau" begangen, dieses Fehlverhalten liege keineswegs solange zurück, dass auf Grund des seither verstrichenen Zeitraumes auf einen Wegfall oder eine entscheidende Minderung der von ihm ausgehenden Gefahr geschlossen werden könne, zumal die Verbüßung der Strafhaft in den Zeitraum des - vom Beschwerdeführer behaupteten - Wohlverhaltens nicht einzubeziehen sei. Soweit der Beschwerdeführer darüber hinaus seine Einreise nach Österreich im Oktober 2005 mit einem Autounfall seiner Frau begründet habe, sei er auf die Regelung des § 72 FPG hinzuweisen. Insgesamt sei nach wie vor davon auszugehen, dass vom Beschwerdeführer eine Gefährdung für die öffentliche Sicherheit ausgehe, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berühre. Soweit er auf familiäre Bindungen zu in Österreich lebenden Angehörigen hinweise, bringe er Umstände vor, die bereits vor Erlassung des Aufenthaltsverbotes vorgelegen hätten.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluss vom 5. März 2008, B 57/07-9, ablehnte und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat. Dieser hat über die daraufhin ergänzte Beschwerde nach Aktenvorlage und Erstattung einer Gegenschrift seitens der belangten Behörde erwogen:

Der Beschwerdeführer ist Ehegatte einer Österreicherin. Dass diese ihr gemeinschaftsrechtlich begründetes Recht auf Freizügigkeit in Anspruch genommen habe, wird in der vorliegenden Beschwerde nicht behauptet und lässt sich auch den Verwaltungsakten nicht entnehmen. Der Beschwerdeführer kommt daher zwar - wie im Ergebnis schon bei Erlassung des Aufenthaltsverbotes nach dem Fremdengesetz 1997 - gemäß § 87 FPG in den Genuss der verschärften Gefährdungsprognose nach § 86 Abs. 1 FPG, er gilt jedoch nicht als begünstigter Drittstaatsangehöriger nach § 2 Abs. 4 Z 11 FPG. Soweit er dies als unzulässige "Inländerdiskriminierung" erachtet, ist ihm einerseits der Ablehnungsbeschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 5. März 2008 entgegenzuhalten. Andererseits ist darauf hinzuweisen, dass die im vorliegenden Fall allein eine Ungleichbehandlung gegenüber begünstigten Drittstaatsangehörigen bewirkende Zuständigkeitsvorschrift des § 9 Abs. 1 FPG, wonach nur über Berufungen von begünstigten Drittstaatsangehörigen die unabhängigen Verwaltungssenate entscheiden, im Verfassungsrang steht, weshalb seinen Ausführungen insofern schon grundsätzlich der Boden entzogen ist (vgl. zum Ganzen das hg. Erkenntnis vom 18. Mai 2006, Zl. 2006/18/0119, Punkt 1.3. der Entscheidungsgründe). Das der Sache nach die sachliche Zuständigkeit der belangten Sicherheitsdirektion bekämpfende Beschwerdevorbringen zum Thema "begünstigter Drittstaatsangehöriger" geht damit ins Leere.

Nichts anderes gilt für das - gleichfalls unter dem Gesichtspunkt der Zuständigkeit der belangten Behörde erstattete - Vorbringen, der Beschwerdeführer sei assoziationsintegrierter türkischer Staatsangehöriger: Der Beschwerdeführer mag eine derartige Position allenfalls seinerzeit nach seiner ersten Einreise nach Österreich erworben haben, mit Erlassung des Aufenthaltsverbotes wäre diese Position aber jedenfalls verloren gegangen, weil das Aufenthaltsverbot als Maßnahme nach Art. 14 des Beschlusses Nr. 1/80 vom 19. September 1980 über die Entwicklung der Assoziation, der von dem auf Grund des Abkommens über eine Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei eingesetzten Assoziationsrat erlassen wurde, zu verstehen ist (vgl. aus jüngerer Zeit etwa das hg. Erkenntnis vom 23. Oktober 2008, Zl. 2008/21/0397). Auch von daher lässt sich somit im Fall des Beschwerdeführers eine Zuständigkeit des unabhängigen Verwaltungssenates als Berufungsbehörde nicht begründen.

Gemäß § 65 Abs. 1 FPG ist ein Aufenthaltsverbot auf Antrag oder von Amts wegen aufzuheben, wenn die Gründe, die zu seiner Erlassung geführt haben, weggefallen sind. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann ein solcher Antrag nur dann zum Erfolg führen, wenn sich seit Erlassung des Aufenthaltsverbotes die dafür maßgebenden Umstände zu Gunsten des Fremden geändert haben, wobei im Rahmen der Entscheidung über einen solchen Antrag auch auf die nach der Verhängung des Aufenthaltsverbotes eingetretenen und gegen die Aufhebung dieser Maßnahme sprechenden Umstände Bedacht zu nehmen ist. Bei der Entscheidung über die Aufhebung eines Aufenthaltsverbotes kann die Rechtmäßigkeit des Bescheides, mit dem das Aufenthaltsverbot erlassen wurde, nicht mehr überprüft werden (vgl. auch dazu das vorhin genannte Erkenntnis vom 23. Oktober 2008).

Als Änderungstatsache hat der Beschwerdeführer in seinem Aufhebungsantrag aus dem April 2006 geltend gemacht, dass sein deliktisches Verhalten bereits mehr als zweieinhalb Jahre zurückliege. Auf Grund dessen und infolge des Umstandes, dass er sich in der Zwischenzeit nichts habe zu Schulden kommen lassen, könne nicht davon ausgegangen werden, dass er iSd § 86 Abs. 1 FPG (noch) eine gegenwärtige und erhebliche Gefahr für die Ordnung und Sicherheit in Österreich darstelle.

Auch in der vorliegenden Beschwerde argumentiert der Beschwerdeführer mit dem "langen Zeitraum" seit seinem strafrechtlichen Fehlverhalten und seiner seitherigen "Rechtstreue". Dem ist allerdings mit der belangten Behörde zu erwidern, dass das strafrechtliche Fehlverhalten des Beschwerdeführers noch nicht solange zurückliegt, dass auf Grund des seither verstrichenen Zeitraumes auf einen Wegfall oder eine entscheidende Minderung der vom Beschwerdeführer ausgehenden Gefahr geschlossen werden könnte. Bezugnehmend auf den maßgeblichen Zeitpunkt der Erlassung des bekämpften Bescheides waren seit Tatbegehung nämlich nur knapp mehr als drei Jahre verstrichen, seit Erlassung des Aufenthaltsverbotes überhaupt erst ein Zeitraum von etwas mehr als zwei Jahren, wozu kommt, dass sich der Beschwerdeführer ab 14. Oktober 2005 in Strafhaft befand. Weiter ist zu bedenken, dass der Beschwerdeführer durch Wiedereinreise nach Österreich entgegen dem bestehenden Aufenthaltsverbot ein fremdenrechtliches Fehlverhalten setzte, weshalb insoweit auch nicht von "Rechtstreue" gesprochen werden kann. Zieht man zudem in Betracht, dass der Beschwerdeführer bei Begehung des Verbrechens nach § 201 Abs. 2 StGB 28 Jahre alt war und nicht ersichtlich ist, dass sich in seinen Lebensverhältnissen eine grundlegende Änderung ergeben hätte, so kann der belangten Behörde nicht entgegengetreten werden, wenn sie zu dem Ergebnis gelangte, dass vom Beschwerdeführer nach wie vor eine Gefährdung öffentlicher Interessen im Sinne des § 86 Abs. 1 FPG ausgehe.

Was die in der Beschwerde ergänzend angesprochenen familiären und privaten Bindungen des Beschwerdeführers zu Österreich anlangt, so ist die belangte Behörde auch insoweit im Recht, als sie darauf hingewiesen hat, dass in diesen Belangen seit Erlassung des Aufenthaltsverbotes keine Änderung eingetreten ist. Änderungstatsachen in dieser Hinsicht wurden vom Beschwerdeführer nicht einmal behauptet.

Als Verfahrensmangel macht der Beschwerdeführer schließlich geltend, die belangte Behörde habe es verabsäumt, seinen Strafakt in ihre Entscheidung einfließen zu lassen. Aus diesem Akt hätte sich entnehmen lassen, dass er einen Antrag auf Wiederaufnahme des Strafverfahrens gestellt habe. Der Beschwerdeführer räumt in diesem Zusammenhang indes selbst ein, dass dieser Antrag abgewiesen wurde. Wenn er ungeachtet dessen meint, die belangte Behörde hätte die "mit Zeugenaussagen fundierte Wiederaufnahme" berücksichtigen müssen, so verkennt er die aus der unangetasteten Rechtskraft des Strafurteiles erfließende Bindungswirkung.

Auch der geltend gemachte Verfahrensmangel liegt mithin nicht vor, weshalb sich die vorliegende Beschwerde insgesamt als unbegründet erweist. Sie war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am 17. März 2009

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