VwGH 2008/09/0219

VwGH2008/09/021924.3.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Rosenmayr, Dr. Bachler und Dr. Doblinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Jantschgi, über die Beschwerde des H J R in F, vertreten durch Dr. Thomas Stampfer und Dr. Christoph Orgler, Rechtsanwälte in 8010 Graz, Schmiedgasse 21, gegen den Bescheid der Disziplinaroberkommission für Beamte der Landeshauptstadt Graz vom 26. Mai 2008, Zl. Präs. 18935/2007-10, betreffend Disziplinarstrafe der Entlassung, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §58 Abs2;
AVG §60;
BDG 1979 §92 Abs1 Z4 impl;
BDG 1979 §93 Abs1 impl;
BDG 1979 §95 Abs3 impl;
DGO Graz 1957 §79 Abs1 Z5;
DGO Graz 1957 §80 Abs1;
DGO Graz 1957 §82 Abs3;
StGB §32;
StGB §33;
StGB §34;
VwRallg;
AVG §58 Abs2;
AVG §60;
BDG 1979 §92 Abs1 Z4 impl;
BDG 1979 §93 Abs1 impl;
BDG 1979 §95 Abs3 impl;
DGO Graz 1957 §79 Abs1 Z5;
DGO Graz 1957 §80 Abs1;
DGO Graz 1957 §82 Abs3;
StGB §32;
StGB §33;
StGB §34;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat der Landeshauptstadt Graz Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I. Der Beschwerdeführer stand als Beamter in einem öffentlichrechtlichen Dienstverhältnis zur Landeshauptstadt Graz und war zuletzt der Magistratsabteilung K und F zugeteilt.

Mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom 4. März 2005 wurde der Beschwerdeführer des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Diebstahls von Gerätschaften der Berufsfeuerwehr Graz (vier Tauchpumpen und ein Notstromaggregat) im Gesamtwert von EUR 10.500,-- nach den §§ 127, 128 Abs. 1 Z. 4, 130 erster Deliktsfall StGB für schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe von fünf Monaten verurteilt, wobei der Vollzug der Strafe unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde.

Wegen dieses im Strafurteil vom 4. März 2005 festgestellten Verhaltens wurde der Beschwerdeführer mit dem im Instanzenzug ergangenen, rechtskräftigen Disziplinarerkenntnis der belangten Behörde vom 6. Februar 2006 schuldig erkannt, die Bestimmungen des § 19 Abs. 1 und 2 DO schuldhaft verletzt und eine Dienstpflichtverletzung gemäß § 78 DO begangen zu haben. Gleichzeitig hat die belangte Behörde die von der (erstinstanzlichen) Disziplinarkommission über den Beschwerdeführer verhängte Disziplinarstrafe der Entlassung gemäß § 79 Abs. 1 Z. 3 DO in die Disziplinarstrafe der Geldstrafe in der Höhe von fünf Monatsbezügen, unter Ausschluss der Kinderzulage, umgewandelt (und dies damit begründet, dass man dem Beschwerdeführer "noch eine zweite Chance" geben sollte).

Mit Bescheid der Disziplinarkommission vom 10. März 2008 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, gegen § 19 Abs. 2 der Dienst- und Gehaltsordnung der Beamten der Landeshauptstadt Graz 1956, LGBl. 30/1957 idF LGBl. I/2008 (DO), wonach der Beamte in seinem ganzen Verhalten darauf Bedacht zu nehmen hat, dass das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben erhalten bleibt, dadurch schuldhaft verstoßen und eine Dienstpflichtverletzung gemäß § 78 DO begangen zu haben, dass er am 1. Juni 2007 in F das Verbrechen des versuchten Diebstahls durch Einbruch begangen hat und deswegen auch strafrechtlich rechtskräftig verurteilt wurde. (Mit Urteilen des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom 21. September 2007 und des Oberlandesgerichtes Graz vom 15. Jänner 2008 wurde über ihn gemäß § 129 StGB unter Anwendung des § 43a Abs. 2 StGB eine Geldstrafe von 180 Tagessätzen zu je EUR 7,-- und eine Freiheitsstrafe von sieben Monaten, die unter Bestimmung eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde, verhängt. Gemäß § 494a Abs. 1 Z. 2 StPO wurde aus Anlass der neuerlichen strafrechtlichen Verurteilung vom Widerruf der bedingten Strafnachsicht zum Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom 4. März 2005 abgesehen und die Probezeit auf fünf Jahre verlängert.)

Gemäß § 79 Abs. 1 Z. 3 DO verhängte die Disziplinarkommission über den Beschwerdeführer wegen dieser Dienstpflichtverletzung die Disziplinarstrafe der Geldstrafe in der Höhe von fünf Monatsbezügen unter Ausschluss der Kinderzulage.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde nach Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung am 26. Mai 2008 der Berufung des Disziplinaranwaltes vom 19. März 2008 gegen das erstinstanzliche Disziplinarerkenntnis wegen des Ausspruches über die Höhe der Strafe Folge und verhängte über den Beschwerdeführer gemäß § 79 Abs. 1 Z. 5 DO die Disziplinarstrafe der Entlassung.

In der Begründung stützte sie diese Entscheidung ausgehend davon, dass sich die Berufung ausschließlich gegen die Strafbemessung richtete, im Wesentlichen auf folgende Erwägungen (Anonymisierungen durch den Verwaltungsgerichtshof):

"... dass aufgrund der Schwere der dem (Beschwerdeführer) zur Last gelegten Dienstpflichtverletzung über ihn die Disziplinarstrafe die Entlassung zu verhängen ist, da eine gelindere Disziplinarstrafe nicht geeignet erscheint, den (Beschwerdeführer) von der Begehung weiterer Dienstpflichtverletzungen abzuhalten. Gerade Mitglieder der Berufsfeuerwehr stehen auf Grund ihrer Stellung und Funktion besonders im Rampenlicht der Öffentlichkeit und haben besonders häufig Kontakt mit der Bevölkerung. Im Einsatz kommt es häufig vor, dass Feuerwehrmänner unversperrte Wohnungen zu betreten haben und auf diese Weise mit fremdem Eigentum unmittelbar in Berührung kommen. Durch die wiederholte Begehung einer gleich gearteten Straftat (Eigentumsdelikt) hat der (Beschwerdeführer) das Erscheinungsbild der Beamtenschaft in der Öffentlichkeit schwerstens beschädigt und das Vertrauen der Allgemeinheit und auch seiner Vorgesetzten in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben derart erschüttert, dass es nicht wieder herstellbar erscheint.

Da im Disziplinarrecht andere Gesichtspunkte als bei der Verhängung einer gerichtlichen Strafe, wie etwa das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung der dienstlichen Aufgaben durch den Beamten und das Funktionieren der Verwaltung, zu berücksichtigen sind, kommt die Disziplinaroberkommission zu einer anderen Gewichtung der Milderungs- und Erschwerungsgründe als das Strafgericht und die Disziplinarkommission.

Als Milderungsgründe werden angesehen:

o Der Umstand, dass es beim Versuch des Einbruchsdiebstahls geblieben ist;

o die volle Schadenswiedergutmachung;

o die Feststellung im Urteil des Oberlandesgerichtes Graz vom 15.1.2008, wonach der (Beschwerdeführer) von den Therapeuten als befähigt angesehen wird, einer diesbezüglichen Selbsthilfegruppe für seinen Heimatbezirk F und andere oststeirische Bezirke vorzustehen;

o die persönliche Einsicht des (Beschwerdeführers), dass eine Therapie gegen die Spielsucht erforderlich ist, wobei er am 28.6.2007, wenn auch als Auflage des Strafgerichtes, einen Beratungs-/Therapievertrag mit der b.a.s.-Steirische Gesellschaft für Suchtfragen abgeschlossen hat;

o der positive Zwischenbericht der b.a.s. vom 5.3.2008, wonach der (Beschwerdeführer) regelmäßig Beratungs- /Therapiegespräche in Anspruch genommen hat, die Vereinbarungen des Therapievertrages bislang eingehalten wurden, eine vorläufige Stabilisierung erreicht wurde, die Termine verlässlich eingehalten wurden und die Therapie weitergeführt wird;

o die Therapiebestätigung von Frau H.B., Psychotherapeutin der b.a.s.-Steirische Gesellschaft für Suchtfragen, wonach bestätigt wird, dass sich der (Beschwerdeführer) auf Grund von pathologischem Glücksspiel seit 28.6.2007 in regelmäßiger psychotherapeutischer Behandlung in der b.a.s.- Suchtberatungsstelle befindet; die Termine verlässlich eingehalten hat; sich trotz Stabilisierung um weitere Termine bemüht hat und die Therapie auch künftig weitergeführt wird;

o die auf 'ausgezeichnet' lautende gültige

Dienstbeschreibung.

Als erschwerend hingegen werden angesehen:

o Die Art und Schwere der Dienstpflichtverletzung, da durch das Verhalten des (Beschwerdeführers) sowohl das Erscheinungsbild der Beamtenschaft in der Öffentlichkeit schwerstens beschädigt wurde als auch das Vertrauen der Allgemeinheit und seiner Vorgesetzten in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben derart erschüttert wurde, dass es nicht wieder herstellbar erscheint;

o die Wiederholung einer einschlägigen strafrechtlichen Handlung (Eigentumsdelikt) innerhalb der gesetzten Probefrist;

o die disziplinäre einschlägige Vorstrafe, wobei der (Beschwerdeführer) in diesem Falle den Arbeitgeber bestohlen hat;

o die Tatsache, dass der (Beschwerdeführer) die ihm von der Disziplinaroberkommission mit dem Disziplinarerkenntnis vom 6.2.2006, ... , eingeräumte 'letzte' Chance nicht genützt, sondern er eine weitere einschlägige Dienstpflichtverletzung innerhalb der gem. § 113 Abs. 2 DO festgelegten Berücksichtigungsfrist von drei Jahren begangen hat;

o der mit der Begehung der Dienstpflichtverletzung verbundene, nicht wieder herstellbar scheinende Vertrauensverlust.

Nach neuerlicher Abwägung der Milderungs- und Erschwerungsgründe ist somit festzustellen, dass die Erschwerungsgründe die Milderungsgründe bei weitem überwiegen. Die Tatsache, dass es beim versuchten Diebstahl geblieben ist, ist eher darauf zurück zu führen, dass der (Beschwerdeführer) auf frischer Tat betreten worden ist. Die Wiedergutmachung der vom (Beschwerdeführer) verursachten Schäden ist strafrechtlich sicher relevanter einzustufen als disziplinarrechtlich. Weiters hat die 'ausgezeichnete' Dienstbeschreibung im gegenständlichen Falle bei dem vom (Beschwerdeführer) insgesamt gezeigten Verhalten (wiederholte Eigentumsdelikte, davon einmal Arbeitgeberdiebstahl) nicht den Stellenwert, um die negativen Auswirkungen seines Verhaltens nach außen (schwerste Schädigung des Erscheinungsbildes der Beamtenschaft in der Öffentlichkeit, Vertrauensverlust der Allgemeinheit und der Vorgesetzten) in geeigneter Weise zu kompensieren. Seitens der Disziplinaroberkommission wird zwar eingeräumt, dass die Spielsucht des (Beschwerdeführers) bei den von ihm begangenen Eigentumsdelikten als Motiv eine Rolle gespielt hat, jedoch ist anzumerken, dass die Spielsucht keinen Schuldausschließungsgrund darstellt und nicht jeder Spielsüchtige zwangsläufig Eigentumsdelikte verübt. So ist dem (Beschwerdeführer) bereits anlässlich seiner Erstverurteilung als Milderungsgrund angerechnet worden, dass er sich in ständiger ärztlicher Behandlung befinde, stabil erscheine und aufrichtig bemüht sei, seine Spielsucht zu besiegen, sodass ihm eine 'letzte' Chance eingeräumt wurde. Dem Umstand, dass positive Prognosen der b. a.s. vorliegen, ist daher entgegen zu halten, dass dies bereits einmal der Fall war und er diese 'letzte' Chance nicht genützt hat. Vielmehr hat es sich gezeigt, dass die damals von der Disziplinaroberkommission über den (Beschwerdeführer) unbedingt verhängte Disziplinarstrafe der Geldstrafe in der Höhe von fünf Monatsbezügen nicht geeignet war, ihn davon abzuhalten, danach - innerhalb der Probezeit - eine weitere gleich geartete Straftat bzw. schwerwiegende Dienstpflichtverletzung zu begehen.

Unter Berücksichtigung des vom (Beschwerdeführer) nach seiner Erstverurteilung gezeigten Verhaltens, seines Rückfalls sowie der Art, Schwere und Auswirkungen der Dienstpflichtverletzung bzw. seines Verhaltens, gelangt die Disziplinaroberkommission zur Ansicht, dass aus spezialpräventiven, aber auch generalpräventiven Erwägungen die Einräumung einer nochmaligen 'letzten' Chance nicht mehr möglich ist. Der (Beschwerdeführer) ist ledig und für niemanden sorgepflichtig, sodass ihn die Konsequenzen seines Verhaltens alleine treffen.

Es war daher über den (Beschwerdeführer) - als einzige mögliche schuldangemessene Strafe - die Disziplinarstrafe der Entlassung zu verhängen."

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, worin sich der Beschwerdeführer in seinem Recht, auf Grund des gegebenen Sachverhaltes nicht mit der disziplinarrechtlichen Höchststrafe bestraft zu werden, verletzt erachtet und die Aufhebung des angefochtenen Bescheides begehrt.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, erstattete eine Gegenschrift und beantragte, die Beschwerde kostenpflichtig als unbegründet abzuweisen.

II. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

II.1. Die maßgebenden Bestimmungen der Dienst- und Gehaltsordnung der Beamten der Landeshauptstadt Graz 1956 (DO) lauten:

"§ 19

Allgemeine Dienstpflichten

(1) Der Beamte ist verpflichtet, seine dienstlichen Aufgaben unter Beachtung der geltenden Rechtsordnung treu, gewissenhaft und unparteiisch mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln aus eigenem zu besorgen.

(2) Der Beamte hat in seinem ganzen Verhalten darauf Bedacht zu nehmen, dass das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben erhalten bleibt.

...

§ 79

Disziplinarstrafen

(1) Disziplinarstrafen sind

  1. 1. der Verweis,
  2. 2. die Geldbuße bis zur Höhe eines halben Monatsbezuges unter Ausschluss der Kinderzulage,

    3. die Geldstrafe bis zur Höhe von fünf Monatsbezügen unter Ausschluss der Kinderzulage,

  1. 4. (entfallen),
  2. 5. die Entlassung.

(2) ...

§ 80

Strafbemessung

(1) Das Maß für die Höhe der Strafe ist die Schwere der Dienstpflichtverletzung. Dabei ist jedoch darauf Rücksicht zu nehmen, inwieweit die beabsichtigte Strafhöhe erforderlich ist, um den Beamten von der Begehung weiterer Dienstpflichtverletzungen abzuhalten. Die nach dem Strafgesetzbuch für die Strafbemessung maßgebenden Gründe sind dem Sinne nach zu berücksichtigen; weiters ist auf die persönlichen Verhältnisse und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Beamten Bedacht zu nehmen.

(2) Hat der Beamte durch eine Tat oder durch mehrere selbständige Taten mehrere Dienstpflichtverletzungen begangen und wird über diese Dienstpflichtverletzung gleichzeitig erkannt, so ist nur eine Strafe zu verhängen, die nach der schwersten Dienstpflichtverletzung zu bemessen ist, wobei die weiteren Dienstpflichtverletzungen als Erschwerungsgrund zu werten sind.

(3) Wird der Beamte, über den bereits eine Disziplinarstrafe verhängt wurde, einer anderen vor Verhängung der Strafe begangenen Pflichtverletzung schuldig befunden, so ist bei Bemessung der Strafe für die neue festgestellte Pflichtverletzung auf die frühere verhängte Strafe angemessene Rücksicht zu nehmen.

...

§ 82

Zusammentreffen von gerichtlich oder verwaltungsbehördlich strafbaren Handlungen mit Dienstpflichtverletzungen

(1) Wurde der Beamte wegen einer gerichtlich oder verwaltungsbehördlich strafbaren Handlung rechtskräftig verurteilt und erschöpft sich die Dienstpflichtverletzung in der Verwirklichung des strafbaren Tatbestandes, so ist von der Verfolgung abzusehen, wenn anzunehmen ist, dass die Verhängung einer Disziplinarstrafe nicht erforderlich ist, um den Beamten von der Begehung weiterer Dienstpflichtverletzungen abzuhalten.

(2) Die Disziplinarbehörde ist an die dem Spruch eines rechtskräftigen Urteiles zu Grunde gelegte Tatsachenfeststellung eines Strafgerichtes (Straferkenntnis einer Verwaltungsbehörde) gebunden. Sie darf auch nicht eine Tatsache als erwiesen annehmen, die das Gericht (die Verwaltungsbehörde) als nicht erweisbar angenommen hat.

(3) Wird von der Verfolgung nicht abgesehen, dann ist, wenn sich eine strafgerichtliche oder verwaltungsbehördliche Verurteilung auf denselben Sachverhalt bezieht, eine Strafe nur auszusprechen, wenn und soweit dies zusätzlich erforderlich ist, um den Beamten von der Begehung weiterer Dienstpflichtverletzungen abzuhalten."

II.2. Im Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 14. November 2007, Zl. 2005/09/0115, wurde - zu der mit den im gegenständlichen Fall maßgeblichen Bestimmungen der DO übereinstimmenden Rechtslage des BDG 1979 vor der Novelle BGBl. I Nr. 147/2008 - von dem in der früheren Judikatur entwickelten "Untragbarkeitsgrundsatz" abgegangen und betont, dass § 93 Abs. 1 erster Satz BDG 1979 die Schwere der Dienstpflichtverletzung als "Maß für die Höhe der Strafe" festlegt. Dieser Maßstab richtet sich nach dem Ausmaß der Schuld im Sinne der "Strafbemessungsschuld" des Strafrechtes. Für die Strafbemessung ist danach sowohl das objektive Gewicht der Tat maßgebend wie auch der Grad des Verschuldens (vgl. die ErläutRV zur Vorgängerbestimmung des § 93 BDG 1979 im BDG 1977, 500 BlgNR 14. GP 83). Das objektive Gewicht der Tat (der "Unrechtsgehalt") wird dabei in jedem konkreten Einzelfall - in Ermangelung eines typisierten Straftatbestandskatalogs im Sinne etwa des StGB - wesentlich durch die objektive Schwere der in jedem Einzelfall konkret festzustellenden Rechtsgutbeeinträchtigung bestimmt. Es ist ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass bei Beurteilung der Schwere einer Dienstpflichtverletzung gemäß § 93 Abs. 1 BDG 1979 (entspricht § 80 Abs. 1 DO) als gravierend ins Gewicht fällt, wenn ein Beamter durch die ihm vorgeworfenen Dienstpflichtverletzungen gerade jene Werte verletzt, deren Schutz ihm in seiner Stellung oblag (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 20. November 2001, Zl. 2000/09/0021). An dieser Auffassung hat sich auch durch das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 14. November 2007, Zl. 2005/09/0115, nichts Grundsätzliches geändert. Hinsichtlich des Grades des Verschuldens ist nach dem gemäß § 93 Abs. 1 dritter Satz BDG 1979 zu berücksichtigenden § 32 StGB darauf Bedacht zu nehmen, inwieweit die Tat auf eine gegenüber rechtlich geschützten Werten ablehnende oder gleichgültige Einstellung des Täters und inwieweit sie auf äußere Umstände oder Beweggründe zurückzuführen ist, durch die sie auch einem mit rechtlich geschützten Werten verbundenen Menschen naheliegen können.

Für die Strafbemessung im engeren Sinn ist weiters zu prüfen, inwieweit eine Disziplinarstrafe erforderlich ist, um den Täter von der weiteren Begehung von Dienstpflichtverletzungen abzuhalten; ferner sind die Erschwerungs- und Milderungsgründe iS der §§ 33 ff StGB zu berücksichtigen, die nicht die Tatbegehungsschuld betreffen, also im Zeitpunkt der Tatausübung noch nicht vorhanden waren, wie etwa die seither verstrichene Zeit, Schadenswiedergutmachung oder das reumütige Geständnis. Wiegt die Dienstpflichtverletzung besonders schwer - insbesondere unter Berücksichtigung des objektiven Unrechtsgehalts der Tat - so kann von der Verhängung einer hohen (der höchsten) Disziplinarstrafe allerdings nur abgesehen werden, wenn die Milderungsgründe die Erschwerungsgründe erheblich überwiegen oder wenn keine spezialpräventiven Gründe die Verhängung einer Strafe in diesem Ausmaß gebieten. Soweit es um eine Entlassung geht, ist die spezialpräventive Erforderlichkeit einer solchen (der disziplinarrechtlichen Tatschuld angemessenen) schweren Disziplinarstrafe nicht erst dann anzunehmen, wenn sich die Aussichten auf ein künftiges Unterbleiben von Dienstpflichtverletzungen - bei Beschränkung auf eine mildere Strafe - in einer vagen Hoffnung erschöpfen, und wird umgekehrt nicht nur bei besonderer Gewähr dafür zu verneinen sein. Abzustellen ist auf einen dazwischen liegenden Maßstab einer begründeten Wahrscheinlichkeit. Dabei ist freilich eine Entlassung schon nach der ersten schweren Dienstpflichtverletzung nicht ausgeschlossen, wenn auf Grund ihrer Eigenart und der Persönlichkeit des Täters die Wahrscheinlichkeit besteht, dass dieser im Falle einer geringeren Sanktion weitere Dienstpflichtverletzungen begehen werde.

Ist nach einer gerichtlichen oder verwaltungsbehördlichen Verurteilung ein Schuldspruch zu fällen, ist gemäß § 95 Abs. 3 BDG 1979 (entspricht § 82 Abs. 3 DO) zu prüfen, ob und inwieweit es - zusätzlich zu den vom Gericht oder der Verwaltungsbehörde verhängten Sanktionen - einer Disziplinarstrafe bedarf, um den Beschwerdeführer von der Begehung weiterer Dienstpflichtverletzungen abzuhalten (vgl. dazu im Einzelnen das schon erwähnte Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 14. November 2007, Zl. 2005/09/0115, auf dessen nähere Begründung gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird). Die Verhängung einer Disziplinarstrafe zusätzlich zu einer gerichtlichen oder verwaltungsbehördlichen Strafe ist daher nur zulässig, wenn und soweit dies aus spezialpräventiven Gründen erforderlich ist, oder anders gewendet: Wenn und soweit die gerichtliche oder verwaltungsbehördliche Strafe für sich alleine nicht mit ausreichender Wahrscheinlichkeit erwarten lassen, dass der Beamte keine weiteren Dienstpflichtverletzungen begehen wird.

Diese Überlegungen gelten insbesondere auch, soweit es um die schwerste Disziplinarstrafe der Entlassung geht: Liegt eine strafgerichtliche oder verwaltungsbehördliche Verurteilung vor, die sich auf denselben Sachverhalt bezieht, so ist auch für die Disziplinarstrafe der Entlassung gemäß § 95 Abs. 3 BDG 1979 zu begründen, dass und aus welchen Gründen es ihrer Verhängung bedarf, um den Beamten - mit ausreichender Wahrscheinlichkeit - von der Begehung weiterer Dienstpflichtverletzungen abzuhalten. An die nur teilweise - nämlich in Bezug auf weitere gerichtlich strafbare Handlungen - auf die gleiche Gefahr bezogene Prognose des Strafgerichts ist die Disziplinarbehörde dabei freilich, anders als hinsichtlich der Tatsachenfeststellungen des Strafgerichts, nicht gebunden, geht es im Disziplinarverfahren doch um die Gefahr der Verletzung der spezifisch die öffentlichrechtlich Bediensteten treffenden aus dem Dienstrecht erfließenden Dienstpflichten.

II.3. Der angefochtene Bescheid hält - entgegen der Behauptung in der Beschwerde - diesen zum BDG 1979 vom Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 14. November 2007, Zl. 2005/09/0115, dargestellten Anforderungen zur Strafbemessung, die grundsätzlich infolge der Ähnlichkeit der Dienst- und Gehaltsordnung der Beamten der Landeshauptstadt Graz 1956 (DO) auch hier maßgeblich sind, stand:

Die belangte Behörde hat die gerade vor dem Hintergrund der Funktion des Beschwerdeführers offenkundige Schwere der Tat aufgezeigt, woraus sich auch das Vorliegen eines "disziplinären Überhanges" ergibt. Mit dem vom Beschwerdeführer ins Treffen geführten Umstand des zahlenmäßigen Überwiegens der Milderungsgegenüber den Erschwerungsgründen ist für ihn nichts zu gewinnen, zumal es bei der gebotenen Gegenüberstellung und Gewichtung der Strafbemessungsgründe vor allem auf eine qualitative Bewertung und Abwägung ankommt. Dazu hat die belangte Behörde einerseits dargelegt, warum die Gewichtung der Milderungs- und Erschwerungsgründe bei der disziplinarrechtlichen Beurteilung nach anderen Gesichtspunkten - wie etwa auf das zu berücksichtigende Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung der dienstlichen Aufgaben durch den Beamten und das Funktionieren der Verwaltung - vorzunehmen sei als bei der Verhängung einer gerichtlichen Strafe. Andererseits hat sie sich bei ihrer Abwägung auch mit den aufgezeigten Aspekten ausreichend auseinander gesetzt; dabei kommt insbesondere dem Argument Bedeutung zu, wonach bereits bei der letzten disziplinarrechtlichen Verurteilung (durch das Disziplinarerkenntnis der belangten Behörde vom 6. Februar 2006) der Umstand, dass der Beschwerdeführer sich in ständiger ärztlicher Behandlung befinde, stabil erscheine und aufrichtig bemüht sei, seine Spielsucht zu besiegen, mildernd berücksichtigt worden sei, jedoch der Beschwerdeführer die dazu gewährte "letzte" Chance nicht genützt habe: Die (damalige) Abstandnahme von einer Entlassung und Verhängung der Disziplinarstrafe der Geldstrafe in der Höhe von fünf Monatsbezügen habe den Beschwerdeführer nicht von der Begehung einer weiteren gleich gearteten Straftat bzw. (der gegenständlichen) Dienstpflichtverletzung (am 1. Juni 2007) abgehalten. Wenn daher die belangte Behörde vor allem angesichts dieser zuletzt genannten spezialpräventiven Erwägungen als Ergebnis ihrer nachvollziehbaren Begründung zusätzlich zur strafgerichtlichen Verurteilung die Verhängung der disziplinarrechtlichen Höchststrafe über den Beschwerdeführer als notwendig erachtet, ist sie frei von Rechtsirrtum.

II.4. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung, BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 24. März 2009

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