VwGH 2008/09/0206

VwGH2008/09/020610.12.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Rosenmayr, Dr. Bachler und Dr. Doblinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Plankensteiner, über die Beschwerde des S K in F, vertreten durch Dr. Farhad Paya, Rechtsanwalt in 9020 Klagenfurt, Herrengasse 12/I, gegen den Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Kärnten vom 19. Juni 2008, Zl. 08114 / ABB-Nr. 3015481, betreffend Nichterteilung einer Beschäftigungsbewilligung, zu Recht erkannt:

Normen

AuslBG §4 Abs6 Z2 idF 2007/I/078;
FrPolG 2005 §50 Abs4;
FrPolG 2005 §50 Abs5;
FrPolG 2005 §54 Abs3;
EMRK Art8;
NAG 2005 §14 Abs1;
VwGG §34 Abs1;
VwRallg;
AuslBG §4 Abs6 Z2 idF 2007/I/078;
FrPolG 2005 §50 Abs4;
FrPolG 2005 §50 Abs5;
FrPolG 2005 §54 Abs3;
EMRK Art8;
NAG 2005 §14 Abs1;
VwGG §34 Abs1;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Arbeitsmarktservice Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Eingabe vom 10. März 2008 beantragte der Beschwerdeführer die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung für einen namentlich genannten iranischen Staatsangehörigen für die Tätigkeit als Hilfsarbeiter bei einer monatlichen Entlohnung von brutto EUR 1.400,-- und 40 Wochenarbeitsstunden.

Mit Bescheid vom 19. März 2008 wies die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice diesen Antrag im Wesentlichen mit dem Hinweis auf § 4 Abs. 6 AuslBG ab, weil "das Ermittlungsverfahren nicht ergeben" hätte, "dass eine der Voraussetzungen der Ziffern 2 bis 6 dieser Gesetzesstelle" vorlägen.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung.

Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wurde dieser Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 4 Abs. 3 und Abs. 6 AuslBG keine Folge gegeben. Die belangte Behörde begründete die Abweisung des Antrages im Wesentlichen damit, dass nach der (dem Bescheid beigefügten) Statistik für Mai 2008 die Landeshöchstzahl von 7000 mit 12.005 anrechenbaren Ausländern beträchtlich überschritten sei. Der beantragte Ausländer lebe bereits seit dem Jahr 2001 im Bundesgebiet, spreche gut Deutsch, habe einen ordentlichen Wohnsitz und beabsichtige seine Lebensgefährtin zu ehelichen. Dennoch seien als "fortgeschritten integriert" im Sinne des § 4 Abs. 6 Z. 2 AuslBG nur Ausländer anzusehen, die bereits niedergelassen seien und die Integrationsvereinbarung erfüllt hätten bzw. nicht erfüllen müssten und sich schon längere Zeit im Bundesgebiet aufhielten (mindestens ein Jahr), aber noch nicht aufenthaltsverfestigt seien, oder deren Lebenssituation unter Berücksichtigung familiärer Sorgepflichten eine Zulassung zu einer Beschäftigung - unabhängig von der Aufenthaltsdauer und der Erfüllung der Integrationsvereinbarung - geboten erscheinen lasse (z.B.:

Alleinverdiener/in mit schulpflichtigem/n Kind/ern; oder denen die österreichische Staatsbürgerschaft bereits nachweislich zugesichert, aber noch nicht verliehen worden sei). Sofern die Stellung des Asylwerbers eine schwebende, das heißt vom Ergebnis des Asylverfahrens abhängende sei, könne eine "fortgeschrittene Integration" im Sinne des § 4 Abs. 6 Z. 2 AuslBG nicht vorliegen, weil der Aufenthalt des Asylwerbers nicht auf einem zu dauerndem Aufenthalt berechtigenden Aufenthaltstitel beruhe. Insoweit sich der Beschwerdeführer darauf berufe, der Ausländer erfülle alle Anspruchsvoraussetzungen für die Erteilung einer humanitären Aufenthaltsbewilligung gemäß § 72 Abs. 1 NAG sei zu erwidern, dass es Tatsache sei, dass diese Aufenthaltsbewilligung (noch) nicht vorliege. Somit sei keiner der Tatbestände des § 4 Abs. 6 Z. 2 bis 6 AuslBG erfüllt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, welche die Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie die Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend macht.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in welcher sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte, und legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 4 Abs. 6 des Ausländerbeschäftigungsgesetzes - AuslBG, BGBl. Nr. 218/1975 in der Fassung BGBl. I Nr. 78/2007, lautet:

"(6) Nach Überschreitung festgelegter Landeshöchstzahlen gemäß § 13 dürfen weitere Beschäftigungsbewilligungen nur dann erteilt werden, wenn die Voraussetzungen der Abs. 1 bis 3 vorliegen und

1. der Regionalbeirat die Erteilung der Beschäftigungsbewilligung einhellig befürwortet oder

2. die Beschäftigung des Ausländers im Hinblick auf seine fortgeschrittene Integration geboten erscheint oder

3. die Beschäftigung im Rahmen eines Kontingents gemäß § 5 ausgeübt werden soll oder

  1. 4. der Ausländer die Voraussetzungen des § 2 Abs. 5 erfüllt oder
  2. 4a. der Ausländer Ehegatte oder unverheiratetes minderjähriges Kind (einschließlich Stief- und Adoptivkind) eines auf Dauer rechtmäßig niedergelassenen und beschäftigten Ausländers ist oder

    5. die Beschäftigung auf Grund einer zwischenstaatlichen Vereinbarung ausgeübt werden soll oder

    6. der Ausländer einer Personengruppe angehört, die auch nach Überziehung der Bundeshöchstzahl zu einer Beschäftigung zugelassen werden darf (§ 12a Abs. 2)."

    Dass eine einhellige Befürwortung der Erteilung der beantragten Beschäftigungsbewilligung durch den Regionalbeirat nach § 4 Abs. 6 Z. 1 AuslBG nicht vorliegt, wird in der Beschwerde nicht in Abrede gestellt. Auch dass einer der Fälle der Z. 3 bis 5 dieser Bestimmung im Beschwerdefall vorliege, wurde weder vorgebracht noch ergibt sich dies aus den Verwaltungsakten.

    Unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften verweist der Beschwerdeführer zusammengefasst darauf, dass der beantragte Ausländer, dessen Asylverfahren rechtskräftig negativ abgeschlossen sei, Refoulementschutz genieße und aus dem Bundesgebiet nicht abgeschoben werden dürfe, worauf die belangte Behörde in ihrer Begründung nicht eingegangen sei.

    Die belangte Behörde habe dem Beschwerdeführer auch nicht die Überziehung der Landeshöchstzahl laut Statistik Mai 2008 im Verfahren zur Kenntnis gebracht und ihm dadurch die Möglichkeit genommen, dazu Stellung zu beziehen. Die ihm übermittelten Statistiken der Monate März und April 2008 ermöglichten ihm nicht, zu beurteilen, ob in absehbarer Zeit damit zu rechnen sei, dass die Landeshöchstzahl wieder unterschritten werde.

    Unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides macht der Beschwerdeführer geltend, der beantragte Ausländer sei im Hinblick auf seinen bereits fast sieben Jahre währenden Aufenthalt in Österreich im Sinne des § 4 Abs. 6 Z. 2 AuslBG fortgeschritten integriert, er erfülle die Voraussetzungen des § 72 Abs. 1 NAG; sein diesbezüglicher Antrag behänge bereits seit eineinhalb Jahren bei der zuständigen Behörde.

    Ferner habe die belangte Behörde übersehen, dass der beantragte Ausländer auch die Voraussetzung des § 4 Abs. 6 Z. 6 AuslBG erfülle, da der Bescheid der Bundespolizeidirektion Klagenfurt vom 11. Juli 2007, mit welchem sein Antrag auf Feststellung der Unzulässigkeit seiner Abschiebung in den Iran zurückgewiesen worden sei, mit Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Kärnten vom 18. Dezember 2007 aufgehoben worden sei, er daher gemäß § 50 FPG nicht aus Österreich abgeschoben werden dürfe.

    Mit diesem Vorbringen zeigt der Beschwerdeführer keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.

    Insoweit der Beschwerdeführer geltend macht, ihm sei die von der belangten Behörde herangezogene Statistik Mai 2008 nicht vorgehalten worden, ist darauf hinzuweisen, dass die Tatsache der Überschreitung der Landeshöchstzahl bereits im erstinstanzlichen Bescheid ziffernmäßig dargelegt wurde, sodass es dem Beschwerdeführer möglich gewesen wäre, die Unrichtigkeit dieser Annahme in seiner Berufung geltend zu machen. Verfahrensfehler im erstinstanzlichen Verfahren sind im Berufungsverfahren sanierbar bzw. durch die Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides saniert (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 11. November 1998, Zl. 97/04/0242, mwN). Zum anderen ist er darauf zu verweisen, dass die belangte Behörde dem Beschwerdeführer nicht nur die Statistik Februar 2008 anlässlich der Einräumung des Parteiengehörs mit Schreiben vom 4. Juni 2008 zur Kenntnis gebracht, sondern ihm auch den elektronischen Pfad zur selbständigen Ermittlung der aktuellen anrechenbaren Beschäftigtenzahlen mitgeteilt und erklärt hat; dass ihm darüber hinaus die Statistiken per März und April 2008 bekannt waren, gesteht er in der Beschwerde zu. Es kann daher der belangten Behörde nicht als Verfahrensmangel angelastet werden, wenn sie dem Beschwerdeführer die Überschreitungszahlen per Mai 2008 vor Erlassung ihres Bescheides nicht mehr übermittelte, sondern in ihrem Bescheid vom 19. Juni 2008 die aktuelle Statistik per Mai 2008 anführte, weil die Forderung nach stetiger Aktualisierung einem "perpetuum mobile" (also einer niemals zu einem Ende führenden Anhörung der Partei zum Ergebnis von Ermittlungsergebnissen) gleich käme, welches eine Bescheiderlassung auf Dauer unmöglich machen würde. Im Übrigen zeigt die Beschwerde auch keine Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels auf.

    Zur Frage der in § 4 Abs. 6 Z. 2 AuslBG angesprochenen "fortgeschrittenen Integration" hat der Verwaltungsgerichtshof bereits wiederholt Stellung genommen (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 6. April 2005, Zl. 2003/09/0127, vom 21. September 2005, Zl. 2004/09/0117, vom 6. November 2006, Zl. 2005/09/0100, vom 20. November 2006, Zl. 2005/09/0136, sowie vom 8. August 2008, Zl. 2006/09/0129). Insbesondere in seinem hg. Erkenntnis vom 18. September 2008, Zl. 2006/09/0176, setzte er sich mit den Voraussetzungen, unter denen von einer "fortgeschrittenen Integration" gesprochen werden könnte, ausführlich auseinander, sodass es genügt, gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG auf dieses Erkenntnis zu verweisen. Dass der beantragte Ausländer die dort angeführten Voraussetzungen erfülle, ist nicht aktenkundig; die behauptete Absicht, seine mittlerweile eingebürgerte Freundin heiraten zu wollen, reicht zur Darlegung berücksichtigungswürdiger familiärer Bindungen nicht aus. Dass auch bei länger dauerndem Aufenthalt eines Ausländers im Bundesgebiet, bedingt durch die lange Dauer seines Asylverfahrens, nicht ohne Weiteres von einer fortgeschrittenen Integration ausgegangen werden kann, hat der Verwaltungsgerichtshof schon in seinem Erkenntnis vom 3. April 2008, Zl. 2007/09/0005, ausgeführt.

    Insoweit sich der Beschwerdeführer auf einen aufrechten Refoulementschutz des beantragten Ausländers beruft, ist ihm entgegen zu halten, dass nach seinen eigenen Behauptungen lediglich die zurückweisende (Formal-)Entscheidung der Bundespolizeidirektion Klagenfurt behoben wurde und daher dem Rechtsbestand nicht mehr angehört; dass vor Erlassung des angefochtenen Bescheides seinem Feststellungsantrag (materiell) hingegen Folge gegeben worden sei, hat der Beschwerdeführer nicht behauptet. Gemäß § 50 Abs. 5 des Fremdenpolizeigesetzes - FPG, BGBl. I Nr. 100/2005, ist aber das Vorliegen der Voraussetzungen gemäß Abs. 4 (Unzulässigkeit der Abschiebung) - konstitutiv- mit Bescheid festzustellen. Solange daher kein positiver Feststellungsbescheid erlassen wurde, kommt dem Ausländer auch noch kein Abschiebeschutz nach dieser Gesetzesstelle zu, auf die er sich hätte berufen können. Schon aus diesem Grunde war auch dieses Argument nicht geeignet, der Beschwerde zum Erfolg zu verhelfen.

    Die Beschwerde war aus den dargelegten Gründen gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

    Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung BGBl. II Nr. 455/2008, insbesondere deren § 3 Abs. 2.

    Wien, am 10. Dezember 2009

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