VwGH 2008/05/0270

VwGH2008/05/027027.5.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Pallitsch, Dr. Handstanger, Dr. Hinterwirth und Dr. Moritz als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Crnja, über die Beschwerde 1. des J S und 2. der I S, beide in H, beide vertreten durch Dr. Lorenz Edgar Riegler, Rechtsanwalt in 1040 Wien, Rilkeplatz 8, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 6. November 2008, Zl. RU1-BR-323/005-2008, betreffend baurechtliche Bewilligung (mitbeteiligte Partei: Gemeinde K in K), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §1;
AVG §7 Abs1 Z4;
AVG §7 Abs1;
BauO NÖ 1996 §48 Abs1 Z1;
BauO NÖ 1996 §6 Abs2 Z2;
BauRallg;
GewO 1994 §74 Abs2 Z1;
GewO 1994 §77 Abs1;
AVG §1;
AVG §7 Abs1 Z4;
AVG §7 Abs1;
BauO NÖ 1996 §48 Abs1 Z1;
BauO NÖ 1996 §6 Abs2 Z2;
BauRallg;
GewO 1994 §74 Abs2 Z1;
GewO 1994 §77 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Hinsichtlich des Sachverhaltes wird auf dessen Darstellung in den im vorliegenden Fall bereits ergangenen hg. Erkenntnissen vom 28. April 2006, Zl. 2005/05/0169, und vom 20. November 2007, Zl. 2007/05/0211, verwiesen. Mit dem letztgenannten Erkenntnis war der im zweiten Rechtsgang ergangene Bescheid der belangten Behörde vom 27. Juli 2007 wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben worden.

Im vorliegenden Fall geht es um die baubehördliche Bewilligung zur Aufstellung einer Sirene auf dem Dach des Gemeindeamtes H. Die Beschwerdeführer, die Anrainer des Gemeindeamtes sind, hatten gegen die durch die Gemeindebehörden erteilte Baubewilligung Vorstellung erhoben, die mit dem damals angefochtenen Bescheid als unbegründet abgewiesen worden war.

Der Verwaltungsgerichtshof vertrat im zitierten Erkenntnis vom 20. November 2007 unter anderem die Ansicht, dass im vorliegenden Fall eine rechtliche Verpflichtung zur Verstärkung der vorhandenen, aber nicht ausreichenden Warneinrichtung bestehe und dass daher jede Maßnahme, die zur Umsetzung dieser Verpflichtung diene, also auch die zusätzliche Errichtung einer zweiten Sirene, mit der im vorliegenden Fall gegebenen Widmungsart "Bauland - Agrargebiet" im Einklang stehe. Die davon ausgehenden Lärmbelästigungen stellten demgemäß in Bezug auf die Widmung zulässige Auswirkungen des Bauwerkes bzw. dessen Nutzung dar. Der Verwaltungsgerichtshof vertrat weiter näher begründet die Ansicht, dass die Belästigung durch Lärm einer auf Grund einer gesetzlichen Verpflichtung errichteten Sirene jedenfalls örtlich zumutbar im Sinne des § 48 Abs. 1 Z 2 der Niederösterreichischen Bauordnung 1996 (NÖ BauO 1996) sei.

Weiters hielt der Verwaltungsgerichtshof im Zusammenhang mit den geltend gemachten Belästigungen durch Erschütterungen nach § 48 Abs. 1 Z 2 NÖ BauO 1996 fest, dass der schalltechnische Sachverständige auf den Aspekt der Vibrationen und ihrer Auswirkungen auf Glasflächen eingegangen sei und dass keine auf gleicher fachlicher Ebene erfolgte gegenteilige Ansicht vorliege. Im Zusammenhang mit der Prüfung der Kriterien des § 48 Abs. 1 Z 1 NÖ BauO 1996 wurde im zitierten Erkenntnis festgehalten, dass es im vorliegenden Fall auf eine objektiven Gegebenheiten Rechnung tragende Durchschnittsbetrachtung, nicht aber auf den konkreten Gesundheitszustand der Zweitbeschwerdeführerin ankomme.

Einziger Grund für die erfolgte Aufhebung des damals angefochtenen Bescheides vom 27. Juli 2007 war der Umstand, dass Ermittlungsmängel im Bezug auf die erhobenen Messwerte vorlagen. Der Verwaltungsgerichtshof hatte in seinem ersten Erkenntnis vom 28. April 2006 darauf verwiesen, dass den damals vorgelegenen Gutachten nicht zu entnehmen gewesen sei, ob eine allenfalls bestehende Immissionsbelastung durch die zweite Sirene am Feuerwehrhaus bei den Messungen Berücksichtigung gefunden habe, zumal nicht ausgeschlossen werden könne, dass im Falle eines gleichzeitigen Einsatzes beider Sirenen möglicherweise eine kumulative Wirkung eintreten könne, die auch bei der medizinischen Beurteilung der Gesundheitsgefährdung entsprechend zu berücksichtigen wäre. In diesem Zusammenhang lag aber unverändert die im ersten Rechtsgang bereits aufgezeigte Ergänzungsbedürftigkeit des angefochtenen Bescheides vor.

Die belangte Behörde behob mit Bescheid vom 5. Februar 2008 den Bescheid des Gemeindevorstandes der mitbeteiligten Gemeinde vom 28. März 2007 und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an den Gemeindevorstand zurück.

Aus einer ersten Stellungnahme des beigezogenen bautechnischen Sachverständigen Dipl. Ing. R. vom 9. März 2008 ergibt sich, dass bei den früheren Messungen tatsächlich nur die Sirene auf dem Gemeindeamt in Betrieb gewesen sei. Aus einem Katasterplan, den er im Zuge der früheren Bearbeitungen erhalten habe, habe er die Entfernung der Sirene auf dem Feuerwehrhaus zum Wohnhaus der Beschwerdeführer mit ziemlich genau 300 m herausmessen können. Daraus ergebe sich nach den Regeln der Akustik, dass - gleiche Lautstärke der beiden Sirenen vorausgesetzt - der Immissionspegel der Sirene auf dem Feuerwehrhaus um ca. 20 dB leiser sei als jener der Sirene auf dem Gemeindeamt. Das bedeute, dass diese Sirene bei gleichzeitigem Einsatz nicht als ein eigenes Geräusch wahrgenommen werde. Dies lasse sich durch ein entsprechendes Gutachten gut darstellen und benötige keine weitere Messung. Seine Empfehlung laute aber, die Sirene auf dem Feuerwehrhaus im Nahbereich des Feuerwehrhauses zu messen, um den exakten Emissionswert zu erhalten. Damit ließen sich die Immissionen bei den Beschwerdeführern einwandfrei und unanfechtbar darstellen, getrennt für die beiden Sirenen und als Summe. Dies könne als Grundlage für eine ergänzende Stellungnahme des ärztlichen Sachverständigen dienen.

Der Sachverständige erstattete daraufhin ein schalltechnisches Gutachten vom 20. Mai 2008 über den gleichzeitigen Betrieb zweier Sirenen im Ortsgebiet von H beim Wohnort der Beschwerdeführer. Diesem Gutachten ist unter Punkt 2 zu entnehmen, dass im Zuge des bisherigen Verfahrens bereits im Jahr 2006 ein schalltechnisches Gutachten erstellt worden sei. Dazu seien Schallmessungen im Wohnhaus der Beschwerdeführer und im Freien durchgeführt, ausgewertet und einer Beurteilung unterzogen worden. Die durchgeführten Schallmessungen hätten ausschließlich die nächstgelegene Sirene auf dem Dach des Gemeindeamtes betroffen. Aus dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes werde das Erfordernis abgeleitet, einen Nachweis über die Auswirkungen des gleichzeitigen Betriebes beider Sirenen zu führen. Es werde daher so vorgegangen, dass die Schallimmissionen durch den Betrieb der Sirene auf dem Gemeindeamt, durch den Betrieb der Sirene auf dem Feuerwehrhaus, und durch den gleichzeitigen Betrieb beider Sirenen gemessen würden und es danach zu einer Beurteilung der Schallimmissionen durch den Betrieb der Sirene auf dem Gemeindeamt im Verhältnis zu jenen durch den Betrieb beider Sirenen komme.

Hinsichtlich der Messdurchführung heißt es in dem Gutachten, dass diese am 26. März 2008 unter Nutzung näher bezeichneter amtlich geeichter Messgeräte in möglichster Anlehnung an die einschlägige ÖNORM S 5004 erfolgt sei. Alle Messungen hätten an der Grundstücksgrenze zur Liegenschaft der Beschwerdeführer stattgefunden. Es sei ein Messpunkt gewählt worden, der mit dem Messpunkt 2 aus dem Gutachten vom 3. November 2006 vergleichbar sei. Er weise bei ebenso freier Schallabstrahlung etwa die gleiche Entfernung zur Sirene auf dem Gemeindeamt auf. Ein Unterschied liege in den örtlichen Reflektionen am seinerzeitigen Messpunkt MP 2, die erwarten ließen, dass die Messungen am diesmal gewählten Punkt an der Grundstückgrenze etwas geringer seien. Mit der Wahl dieses Messpunktes werde aber wieder die Situation für den ungünstigst gelegenen Wohnnachbarschaftsbereich erfasst.

In weiterer Folge stellte der Sachverständige die meteorologischen Bedingungen und schließlich die Messergebnisse für die Schallimmissionen der Sirenentöne dar. Aus diesen leitete er als Schlussfolgerung ab, dass das Umgebungsgeräusch mehr als 10 dB unter den Messergebnissen für die Sirenentöne liege, die Messungen also als ungestört zu bezeichnen seien. Der gemessene Schallpegel von 111 dB für die Sirene auf dem Gemeindeamt decke sich sehr gut mit den Ergebnissen im Gutachten vom 3. November 2006. Aus den Regeln der Akustik ergebe sich, dass bei einer Differenz zwischen zwei Pegeln von mehr als 10 dB die Summe beider Pegel so hoch sei wie der höhere der beiden Pegel. Der Immissionspegel zufolge Sirene auf dem Gemeindeamt betrage 111 dB, jener der Sirene auf dem Feuerwehrhaus 64 dB. Die Differenz betrage 47 dB, demnach müsse sich gemäß den Regeln der Akustik bei der Messung bei gleichzeitigem Betrieb der beiden Sirenen ein Summenpegel von ebenfalls 111 dB ergeben. Der gemessene Immissionspegel bei gleichzeitigem Betrieb der beiden Sirenen betrage 111 dB. Das entspreche den Regeln der Akustik und auch der Wahrnehmung bei der Messung: Die Sirene auf dem Feuerwehrhaus sei akustisch nicht wahrzunehmen.

Ergänzend werde ausgeführt, dass der Betrieb der Sirene auf dem Feuerwehrhaus akustisch verifiziert worden sei, indem diese einige Sekunden vor dem zusätzlichen Betrieb der Sirene auf dem Gemeindeamt (und damit einige Sekunden vor der Messung) in Betrieb genommen worden sei. Abschließend werde angemerkt, dass der Betrieb der Sirene auf dem Feuerwehrhaus alleine für eine Alarmierung oder Warnung der Bevölkerung im Bereich des Gemeindeamtes aus schalltechnischer Sicht nicht ausreichend erscheine, da z.B. Geräusche wie Hundegebell oder auch Fahrzeugvorbeifahrten lauter seien als der Warn- bzw. Alarmton.

Zusammenfassend werde als Ergebnis der Messungen festgestellt, dass der gleichzeitige Betrieb der Sirenen auf dem Dach des Gemeindeamtes und auf dem Dach des Feuerwehrhauses keine Veränderung der Wahrnehmung am Standort des Hauses der Beschwerdeführer bedeute. Es stelle sich keine messbare oder wahrnehmbare Erhöhung der Immissionsbelastung ein.

Zu diesem ihnen im Zuge der Wahrung des Parteiengehörs übermittelten Gutachten nahmen die Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 11. Juni 2008 Stellung und rügten den Umstand, dass offenbar neue Messpunkte zur Beurteilung der Schallimmissionen herangezogen worden seien. Weiters gebe es keine Beurteilung der Vibrationen, und die abschließende Anmerkung, wonach der Betrieb der Sirene vom Feuerwehrhaus für eine Alarmierung im Bereich des Gemeindeamtes nicht ausreichend sei, sei nicht richtig, da die Sirene beim wöchentlichen Probealarm jedes Mal gehört worden sei. Auf Grund dieser Schallimmissionen sei davon auszugehen, dass die Antragsteller in ihrem Leben und in ihrer Gesundheit gefährdet würden und es fehlten daher nach wie vor die Voraussetzungen zur Erteilung der baurechtlichen Bewilligung für die zusätzliche Sirene am Gemeindeamt.

Mit Schreiben vom 16. Juni 2008 nahm der Sachverständige zu diesem Vorbringen dahingehend Stellung, dass Grund für die neuerliche Messung der Nachweis gewesen sei, ob es durch den gleichzeitigen Betrieb der beiden Sirenen zu einer wahrnehmbaren Überlagerung der Erhöhung der Schallimmissionen komme oder nicht. Die Messkonfiguration, also die Wahl der Messmethode sowie des Messpunktes, seien auf diesen Zweck hin abzustimmen gewesen. Es sei daher nicht erforderlich gewesen, die gleichen Messpunkte zu wählen wie im Gutachten vom 3. November 2006, da die Verhältnisse aus schalltechnischer Sicht innerhalb und außerhalb des Grundstücks bei annähernd gleicher Entfernung zur Sirene auf dem Gemeindeamt als ohnehin gleich anzusehen seien. Die Immissionspegel der Sirene seien immer gewissen Schwankungen unterworfen, was sich aus der Technik der Tonerzeugung, den Ausbreitungsbedingungen und dergleichen ergebe. Dazu komme, dass auch gemäß der einschlägigen Normung eine Messungenauigkeit von 1 bis 2 dB zu berücksichtigen sei; vor dem Hintergrund dieser physikalischen Tatsachen gesehen, seien die gemessenen Pegelunterschiede zu vernachlässigen. Im Bezug auf die Vibrationen führte der Sachverständige aus, dass es der Alltagserfahrung entspreche, dass eine Sirene (in diesem Fall die Sirene auf dem Feuerwehrhaus) in einer Entfernung von 300 m mit Sicherheit keine irgendwie gearteten Vibrationen verursachen und es somit auch zu keiner Überlagerung mit den Vibrationen der näher gelegenen Sirene kommen könne.

Aus der ergänzenden Stellungnahme des Amtsarztes vom 19. Juni 2008 ergibt sich, dass sich das Ergebnis des erstmaligen Gutachtens der Schallimmission, vor allem in Bezug auf das am ungünstigsten gelegene und daher am lautesten beschallte Fenster, de facto bestätigt habe (113 dB/Messung vom 3. November 2006, 111 dB/Messung 26. März 2008). Auf Grund der Kongruenz hätten sich daher die gemessenen Werte als nachproduzierbar gefestigt, von medizinischer Seite bleibe die vorbestehende Einschätzung (vgl. die Gutachten vom 8. November 2006 und vom 29. Jänner 2007) betreffend möglicher Gesundheitsschäden dadurch ebenfalls unverändert.

Mit Bescheid des Gemeindevorstandes der mitbeteiligten Gemeinde vom 26. Juni 2008 wurde die Berufung der Beschwerdeführer neuerlich als unbegründet abgewiesen. Dies wurde im Wesentlichen mit dem Inhalt der im Bescheid wiedergegebenen Gutachten begründet.

Dagegen erhoben die Beschwerdeführer Vorstellung, in der sie neuerlich die Wahl der Messpunkte bemängelten und das Fehlen eines weiteren bautechnischen Gutachtens rügten. Schließlich seien auch keine ausreichenden Feststellungen über die Notwendigkeit der neuen zusätzlichen Sirene getroffen worden. Schließlich sei der Baubewilligungsbescheid auch deshalb rechtswidrig, weil es dem Rechtsstaatsprinzip widerspreche, dass die Gemeinde gleichzeitig Bauwerber und Bewilligungsbehörde sei. Dieser Umstand erkläre auch, warum es vorerst zu gar keinem Verfahren gekommen sei.

Mit dem nun angefochtenen Bescheid vom 6. November 2008 wies die belangte Behörde die Vorstellung der Beschwerdeführer als unbegründet ab. Dies wurde damit begründet, dass die eingeholten Gutachten eine umfangreiche Befundaufnahme enthielten, hinsichtlich ihres Inhaltes widerspruchsfrei seien und den logischen Denkgesetzen entsprächen. Den Sachverständigen mangle es nicht an Ortskenntnis, Sachwissen und Berufserfahrung auf Grund ihrer jahrelangen Tätigkeit. Alle Gutachter kämen übereinstimmend zum Ergebnis, dass vom gegenständlichen Bauvorhaben bei Einhaltung der vorgeschriebenen Auflagen keinerlei Gefahren oder Belästigungen zu erwarten seien, die das örtlich zumutbare Ausmaß überstiegen. Die Beschwerdeführer seien den Gutachten auch nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten. Die Aufsichtsbehörde sei daher der Auffassung, dass durch den angefochtenen Bescheid weder formelle noch materielle Rechte der Einschreiter verletzt worden seien.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der die Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machen.

Unter dem Aspekt einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit wenden die Beschwerdeführer ein, die Beeinträchtigungen seien örtlich unzumutbar und begründen dies mit der willkürlichen und zu ihrem Nachteil erfolgten Auswahl des neuen Messpunktes MP 2. Weiters vertreten sie die Ansicht, dass neben dem schalltechnischen Gutachten auch ein bautechnisches Gutachten beim Betrieb beider Sirenen eingeholt hätte werden müssen. Die Ausführungen des Sachverständigen vom 16. Juni 2008 im Bezug auf die Vibrationen fielen nicht in das Fachgebiet dieses Sachverständigen, sodass der Behörde hier eine Unterlassung vorzuwerfen sei.

Unter dem Aspekt einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften meinen die Beschwerdeführer, das Verfahren sei unzulässig, weil die Gemeinde gleichzeitig Bauwerber und Bewilligungsbehörde sei. Weiters sei der Sachverhalt ergänzungsbedürftig zumal sich die Behörde mit dem Vorbringen der Beschwerdeführer, es handle sich nicht um nur einen einzigen einminütigen Probealarm in der Woche, sondern die Sirene werde zum Zweck des Zivilschutzes immer öfter in Betrieb genommen, nicht auseinandergesetzt habe. Schließlich hätte die konkrete gesundheitliche Situation der Beschwerdeführer von der belangten Behörde berücksichtigt werden müssen.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

Die mitbeteiligte Gemeinde hat sich am Verfahren nicht beteiligt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerdeführer sind als Nachbarn, die rechtzeitig Einwendungen erhoben haben, Parteien im Sinne des § 6 Abs. 1 Z 3 NÖ BauO 1996. Nach dieser Bestimmung sind Nachbarn nur dann Parteien, wenn sie durch das Bauwerk und dessen Benützung in den in Abs. 2 erschöpfend festgelegten subjektiv-öffentlich Rechten berührt sind.

§ 6 Abs. 2 und § 48 leg. cit. haben folgenden Wortlaut:

"§ 6. (1) ....

(2) Subjektiv-öffentliche Rechte werden begründet durch jene Bestimmungen dieses Gesetzes, des NÖ Raumordnungsgesetzes 1976, LGBl. 8000, der NÖ Aufzugsordnung, LGBl. 8200, sowie der Durchführungsverordnungen zu diesen Gesetzen, die

1. die Standsicherheit, die Trockenheit und den Brandschutz der Bauwerke der Nachbarn (Abs. 1 Z. 4) sowie

2. den Schutz vor Immissionen (§ 48), ausgenommen jene, die sich aus der Benützung eines Gebäudes zu Wohnzwecken oder einer Abstellanlage im gesetzlich vorgeschriebenen Ausmaß (§ 63) ergeben, gewährleisten und über

3. die Bebauungsweise, die Bebauungshöhe, dem Bauwich, die Abstände zwischen Bauwerken oder deren zulässige Höhe, soweit diese Bestimmungen der Erzielung einer ausreichenden Belichtung der Hauptfenster (§ 4 Z. 9) der zulässigen (bestehende bewilligte und zukünftig bewilligungsfähige) Gebäude der Nachbarn dienen.

Immissionsschutz

§ 48. (1) Emissionen, die von Bauwerken oder deren Benützung ausgehen, dürfen

  1. 1. das Leben oder die Gesundheit von Menschen nicht gefährden;
  2. 2. Menschen durch Lärm, Geruch, Staub, Abgase, Erschütterungen, Blendung oder Spiegelung nicht örtlich unzumutbar belästigen.

(2) Ob Belästigungen örtlich zumutbar sind, ist nach der für das Baugrundstück im Flächenwidmungsplan festgelegten Widmungsart und der sich daraus ergebenden zulässigen Auswirkung des Bauwerks und dessen Benützung auf einen gesunden, normal empfindenden Menschen zu beurteilen."

Die Beschwerdeführer haben sowohl die Gefährdung ihres Lebens und ihrer Gesundheit nach § 48 Abs. 1 Z 1 NÖ BauO 1996 als auch die örtlich unzumutbare Belästigung durch Lärm und Erschütterung nach § 48 Abs. 1 Z 2 leg. cit. geltend gemacht. Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits im Vorerkenntnis Zl. 2007/05/0211 mit näherer Begründung die örtliche Zumutbarkeit der Sirene im Sinne des § 48 Abs. 1 Z 2 NÖ BauO 1996 in Verbindung mit § 48 Abs. 2 leg. cit. bejaht. Fraglich ist, ob eine Gefährdung des Lebens oder Gesundheit von Menschen im Sinne des § 48 Abs. 1 Z 1 NÖ BauO 1996 vorliegt.

Zum Vorbringen der Beschwerdeführer, der Verwaltungsgerichtshof habe zu erkennen gegeben, dass er - abgeleitet von dem in der Gewerbeordnung vorgegebenen Prüfungsmaßstab im Zusammenhang mit der Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen - die konkrete gesundheitliche Situation der Beschwerdeführer als relevant erachte, was von der belangten Behörde hätte berücksichtigt werden müssen, ist zu bemerken, dass das Gegenteil zutrifft. Der Verwaltungsgerichtshof hat im zitierten Vorerkenntnis (Zl. 2007/05/0211) unter Punkt 4.1. mit näherer Begründung darauf hingewiesen, dass die Prüfung der Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen (im Sinne des § 48 Abs. 1 Z 1 NÖ BauO 1996) auf eine Durchschnittsbetrachtung und nicht auf die konkrete gesundheitliche Situation einer Einzelperson abstelle. Dass der medizinische Sachverständige in seiner fachlichen Bewertung auf den konkreten Gesundheitszustand der Zweitbeschwerdeführerin nicht eingegangen sei, sei daher - so der Verwaltungsgerichtshof wörtlich - ebenso wenig zu beanstanden wie der Umstand, dass er die Beschwerdeführer nicht selbst untersucht habe. Entgegen der in der Beschwerde geäußerten Ansicht war die konkrete Berücksichtigung des Gesundheitszustandes der Beschwerdeführer gerade nicht geboten.

Die Beschwerdeführer rügen weiters den Umstand, dass der Sachverständige andere Messpunkte zur Beurteilung der Schallimmissionen herangezogen habe als im ursprünglichen Gutachten vom 3. November 2006. Aus dem Gutachten selbst ergebe sich, dass eine Lärmmessung am alten Messpunkt zu anderen Verfahrensergebnissen geführt hätte; deshalb sei das Gutachten mangelhaft und könne nicht zur Begründung des stattgebenden Bescheides herangezogen werden.

Dazu ist zu bemerken, dass der Sachverständige in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 16. Juni 2008 dargelegt hat, dass es nicht erforderlich gewesen sei, die gleichen Messpunkte wie bei der dem Gutachten vom 3. November 2006 zugrunde gelegenen Messung zu wählen, da die Verhältnisse innerhalb und außerhalb des Grundstückes bei annähernd gleicher Entfernung zur Sirene auf dem Gemeindeamt als gleich anzusehen seien. Die Messkonfiguration, also die Wahl der Messmethode sowie des Messpunktes, seien auf den Zweck der neuerlichen Messung (Messung bei gleichzeitiger Inbetriebnahme beider Sirenen) hin abzustimmen gewesen. Schließlich bestehe auch eine Messtoleranz im Ausmaß von 1 bis 2 dB.

Der Verwaltungsgerichtshof hat keinen Zweifel an der Fachkunde des hier einschreitenden Sachverständigen; solche Zweifel sind auch in Bezug auf die Schlüssigkeit und Nachvollziehbarkeit des ergänzten Gutachtens nicht aufgetreten. Die Wahl der Messpunkte und der Messmethode sowie des Messzeitpunktes und der Rahmenbedingungen sind Parameter, die der Fachkunde eines Sachverständigen zuzuordnen sind. Die Beschwerdeführer sind dem Gutachten aber nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegen getreten. Es begegnet daher keinen Bedenken, wenn die belangte Behörde bzw. der Gemeindevorstand dieses Gutachten ihren beweiswürdigenden Erwägungen zu Grunde legten.

Aus dem Gutachten vom 20. Mai 2008 ergab sich ein Höchstwert von 111 dB, wobei die Sirene am Feuerwehrhaus bei gleichzeitiger Inbetriebnahme den Wert der Sirene am Gemeindehaus nicht erhöhte. Dieser Wert weicht nicht wesentlich von dem dem Gutachten vom 3. November 2006 zugrunde liegenden, am anderen Messpunkt gemessenen Wert von 113 dB ab. Das Gutachten vom 3. November 2006, dem der höhere der gemessenen Werte zugrunde lag, ergab mit näherer Begründung, dass keine Überschreitung der zur Verfügung stehenden Immissionsgrenzwerte vorlag. Dies gilt umso mehr für den nun gemessenen Wert von 111 dB. Der Sachverständige für Medizin blieb unter Hinweis auf seine bereits erstatteten Gutachten vom 8. November 2006 bzw. 29. Jänner 2007 bei seiner Einschätzung, wonach keine Gefahr für das Leben und die Gesundheit von Menschen gegeben sei.

Die Ausführungen der Beschwerdeführer, wonach ein bautechnisches Gutachten im Bezug auf die Inbetriebnahme beider Sirenen fehle, weil es dem Sachverständigen diesbezüglich an Fachkunde mangle, können nicht nachvollzogen werden. Der Sachverständige Dipl. Ing. R. ist staatlich befugter und beeideter Zivilingenieur für Bauwesen, dessen Fachkunde zur Beurteilung der Vibrationen und deren Auswirkungen jedenfalls ausreicht. Seiner Beurteilung der Vibrationen in der Stellungnahme vom 16. Juni 2008 sind die Beschwerdeführer ebenfalls nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten. Die Schlussfolgerungen, die der Sachverständige in Bezug auf die Auswirkungen der Vibrationen gezogen hat, erweisen sich als nachvollziehbar und schlüssig, sodass auch in diesem Zusammenhang keine mangelhaften Feststellungen des Sachverhaltes vorliegen.

Die Beschwerdeführer rügen weiters, es fehlten Feststellungen dazu, ob eine neue zusätzliche Sirene überhaupt erforderlich sei. Dazu ist zu bemerken, dass der Verwaltungsgerichtshof im zitierten Vorerkenntnis Zl. 2007/05/0211 unter Punkt 2 seiner Begründungsausführungen dem bereits damals erhobenen gleichlautenden Einwand der Beschwerdeführer mit näherer Begründung nicht gefolgt ist. Neue Argumente wurden im fortgesetzten Verfahren aber nicht vorgebracht, sodass auch diese Rüge keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzeigt.

Die Beschwerdeführer meinen, es gebe nicht nur einen einzigen einminütigen Probealarm in der Woche, sondern es werde die Sirene zum Zweck des Zivilschutzes "immer öfter" für eine Dauer von bis zu drei Minuten in Betrieb genommen. Sie behaupten damit aber keine dem Betriebszweck - der auch die Erprobung umfasst - fremde Verwendung der Anlage, sodass sich das Vorbringen im Hinblick auf die obigen Ausführungen als irrelevant erweist.

Schließlich meinen die Beschwerdeführer, es sei unzulässig, wenn die Gemeinde gleichzeitig Bauwerber und Bewilligungsbehörde sei. Den genannten Bescheid habe sich die Gemeinde daher "selbst ausgestellt", weshalb es auch nicht verwunderlich sei, dass zunächst gar kein Verfahren abgeführt worden sei.

Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführer ist ein derartiges Entscheiden "in eigener Sache" nicht unzulässig. Der Umstand, dass Gemeindeorgane über einen Antrag der Gemeinde entscheiden, stellt, wenn nicht besondere Umstände hervorkommen, grundsätzlich keinen wichtigen Grund im Sinne des § 7 Abs. 1 Z 4 AVG dar, der geeignet wäre, die Unbefangenheit der Gemeindeorgane in Zweifel zu ziehen (vgl. dazu die hg. Erkenntnisse vom 14. September 1995, Zl. 94/06/0160, vom 14. Dezember 1995, Zl. 94/06/0203, und vom 21. Jänner 1999, Zl. 97/06/0202). Das Vorliegen solcher besonderer Umstände wird von den Beschwerdeführern aber nicht behauptet. Die Entscheidung der Gemeindebehörden erweist sich daher als rechtlich unbedenklich.

Aus den oben dargelegten Gründen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Die Beschwerdeführer haben die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung war jedoch aus folgenden Gründen nicht erforderlich:

Gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG kann der Verwaltungsgerichtshof ungeachtet eines Parteiantrages von einer Verhandlung absehen, wenn die Schriftsätze der Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und die dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt und wenn Art. 6 Abs. 1 EMRK dem nicht entgegensteht.

Der EGMR hat in seiner Entscheidung vom 10. Mai 2007, Zl. 7401/04 (Hofbauer Nr. 2/Österreich) und vom 3. Mai 2007, Nr. 17.912/05 (Bösch/Österreich) unter Hinweis auf seine frühere Rechtsprechung dargelegt, dass der Beschwerdeführer grundsätzlich ein Recht auf eine mündliche Verhandlung vor einem Tribunal hat, außer es lägen außergewöhnliche Umstände vor, die eine Ausnahme davon rechtfertigten. Der EGMR hat das Vorliegen solcher außergewöhnlicher Umstände angenommen, wenn das Verfahren ausschließlich rechtliche oder "hoch-technische" Fragen betrifft. Der Gerichtshof verwies im Zusammenhang mit den Verfahren betreffend "ziemlich technische" Angelegenheiten ("rather technical nature of disputes") auch auf das Bedürfnis der nationalen Behörden nach zweckmäßiger und wirtschaftlicher Vorgangsweise, das angesichts der sonstigen Umstände des Falles zum Absehen von einer mündlichen Verhandlung berechtigte.

Im vorliegenden Fall handelt sich zum einen um rein rechtliche Fragen, wie die Zulässigkeit der Entscheidung der Gemeindebehörden, zum anderen um "hoch-technische" bzw um "ziemlich technische" Fragen. Angesichts des mittlerweile dritten Rechtsganges erweist es sich auch vor dem Gebot einer zweckmäßigen und wirtschaftlichen Vorgangsweise nicht als geboten, eine mündliche Verhandlung durchzuführen. Art. 6 EMRK steht daher dem Absehen von einer mündlichen Verhandlung nicht entgegen. Die Entscheidung konnte daher im Sinne des § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Wien, am 27. Mai 2009

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