Normen
AsylG 1997 §1 Z3;
FrPolG 2005 §125 Abs3;
FrPolG 2005 §41 Abs2 Z2;
FrPolG 2005 §60;
FrPolG 2005 §62 Abs4;
FrPolG 2005 §62;
FrPolG 2005 §65;
FrPolG 2005 §72;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;
AsylG 1997 §1 Z3;
FrPolG 2005 §125 Abs3;
FrPolG 2005 §41 Abs2 Z2;
FrPolG 2005 §60;
FrPolG 2005 §62 Abs4;
FrPolG 2005 §62;
FrPolG 2005 §65;
FrPolG 2005 §72;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Nigeria, reiste im Jahr 2001 nach Österreich ein und beantragte die Gewährung von Asyl. Am 17. August 2001 wurde ihm eine Aufenthaltsberechtigungskarte ausgestellt. In der Folge heiratete er eine polnische Staatsangehörige, reiste aus dem Bundesgebiet aus und begründete seinen Wohnsitz in Warschau; das erwähnte - über Berufung des Beschwerdeführers vor dem unabhängigen Bundesasylsenat anhängige - Asylverfahren wurde am 17. November 2006 gemäß § 30 AsylG 1997 eingestellt.
Am 6. März 2007 erteilte die französische Republik dem Beschwerdeführer ein Schengen-Visum der Kategorie C, gültig vom 6. März bis zum 6. Mai 2007, für eine Reisedauer von 35 Tagen. Am 11. April 2007 um 03.00 Uhr morgens stellte er sich der österreichischen Einreisekontrolle am Grenzübergang Drasenhofen. Dabei legte er seinen gültigen nigerianischen Reisepass und den genannten französischen Sichtvermerk vor.
Die daraufhin vorgenommene Priorierung ergab, dass gegen den Beschwerdeführer ein von Österreich erlassenes Aufenthaltsverbot mit Gültigkeit bis zum 2. November 2014 bestand. Mit Hinweis darauf wurde ihm die Einreise nicht gestattet und er gemäß § 41 Abs. 2 Z. 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG zurückgewiesen.
Dagegen erhob der Beschwerdeführer gemäß Art. 129a Abs. 1 Z. 2 B-VG Beschwerde an die belangte Behörde. Darin machte er geltend, die Einreiseverweigerung sei zu Unrecht erfolgt, weil das ihm am 6. März 2007 erteilte Schengen-Visum C einer Wiedereinreisebewilligung gemäß § 72 FPG gleichzuhalten sei. Auch dürfte ihm "als Asylwerber mit anhängigem Asyl-Berufungsverfahren" eine Einreise überhaupt nicht verwehrt werden, weil auch ein Aufenthaltsverbot (das nach dem FPG als Rückkehrverbot gelte) während der Anhängigkeit des Asylverfahrens nicht durchsetzbar sei. Zwar sei sein Berufungsverfahren vor dem unabhängigen Bundesasylsenat am 17. November 2006 gemäß § 30 AsylG 1997 eingestellt worden. Dieses sei jedoch "bei seiner Anwesenheit" wieder formlos fortzusetzen "bzw. wäre es schon auf Grund seiner Anwesenheit am Grenzübergang formlos fortzusetzen gewesen, wäre er nicht zurückgewiesen worden".
Mit dem angefochtenen Bescheid vom 16. Oktober 2007 wies die belangte Behörde - nach Einholung einer Stellungnahme des zuständigen Grenzkontrollorganes - die Beschwerde "gemäß § 67c Abs. 3 AVG" als unbegründet ab.
Dazu führte sie aus, bei der Zurückweisung handle es sich um eine Maßnahme der verwaltungsbehördlichen Befehls- und Zwangsgewalt, der kein formalisiertes Verwaltungsverfahren vorangehe. Den Fremden treffe insoweit eine Mitwirkungspflicht, als er den für die Beurteilung maßgeblichen Sachverhalt vorzubringen und glaubhaft zu machen habe.
Im Hinblick auf die im § 41 FPG umschriebenen Zwecke der Zurückweisung habe das Grenzkontrollorgan im Zeitpunkt der Setzung seiner Maßnahme nicht im Sinn eines Beweisverfahrens abschließend zu beurteilen, ob die im Gesetz angeführten Verdachtsgründe im Rahmen eines ordentlichen Verwaltungs- oder Verwaltungsstrafverfahrens erweislich wären. Es genüge vielmehr, wenn das Grenzkontrollorgan auf Grund der ihm bis zu diesem Zeitpunkt bekannten Umstände und miteinander logisch verknüpften Sachverhaltselemente berechtigten Grund zur Annahme habe, dass die im § 41 Abs. 2 FPG normierten Verdachtsgründe vorlägen. Die Regelung, dass der Fremde den maßgeblichen Sachverhalt "glaubhaft" zu machen habe, sei als Beweislastverteilung dahin zu verstehen, dass das Grenzorgan nicht zu Erhebungen verpflichtet werden könne. Der Fremde habe somit, auf die Frage des Grenzkontrollorganes über den Zweck der beabsichtigten Einreise, den entsprechenden Sachverhalt in einer solchen Form darzulegen und erforderlichenfalls unter Beweis zu stellen, dass es ihm gelinge, den Verdacht des Bestehens eines Zurückweisungsgrundes an Ort und Stelle zu entkräften.
Im Beschwerdefall sei vom Vorliegen eines rechtskräftigen gegen den Beschwerdeführer verhängten Aufenthaltsverbotes auszugehen. Daran könne weder eine für Polen gültige Aufenthaltsberechtigung noch "ein in Frankreich ausgestelltes Schengen-Visum" etwas ändern. Auf Grund der dargestellten Zweifel an der Einreiseberechtigung, die der Beschwerdeführer nicht an Ort und Stelle habe entkräften können, sei der auf § 41 Abs. 2 Z. 2 FPG gestützte Ausspruch der Zurückweisung nicht mit Rechtswidrigkeit belastet.
Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde erwogen:
Die §§ 41, 62 Abs. 4, 72 und 125 Abs. 3 FPG lauten
(auszugsweise):
"Hinderung an der Einreise und Zurückweisung
§ 41. (1) Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sind ermächtigt, Fremde, die versuchen, nicht rechtmäßig in das Bundesgebiet einzureisen, an der Einreise zu hindern.
(2) Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sind ermächtigt, Fremde, die versuchen, in das Bundesgebiet einzureisen oder die eingereist sind, bei Landgrenzübergangsstellen anlässlich der Grenzkontrolle sowie auf Flugplätzen, in Häfen und im Zugsverkehr innerhalb des Grenzkontrollbereiches an der Einreise oder Weiterreise zu hindern (Zurückweisung), wenn
- 1. deren Einreise nicht rechtmäßig ist;
- 2. gegen sie ein durchsetzbares Aufenthaltsverbot besteht und ihnen keine Bewilligung zur Wiedereinreise (§ 72) erteilt wurde;
...
(3) Über die Zulässigkeit der Einreise ist nach Befragen des Fremden auf Grund des von diesem glaubhaft gemachten oder sonst bekannten Sachverhaltes zu entscheiden. Die Zurückweisung ist im Reisedokument des Fremden ersichtlich zu machen. Diese Eintragung ist auf Antrag des Betroffenen zu streichen, sofern deren Rechtswidrigkeit durch den unabhängigen Verwaltungssenat festgestellt worden ist.
Voraussetzungen für das Rückkehrverbot
§ 62. ...
(4) Ein rechtskräftig durchgesetztes Rückkehrverbot gilt als Aufenthaltsverbot.
...
Wiedereinreise während der Gültigkeitsdauer eines Aufenthaltsverbots
§ 72. (1) Während der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes darf der Fremde ohne Bewilligung nicht wieder einreisen.
(2) Die Bewilligung zur Wiedereinreise kann dem Fremden auf Antrag erteilt werden, wenn dies aus wichtigen öffentlichen oder privaten Gründen notwendig ist, die für das Aufenthaltsverbot maßgeblichen Gründe dem nicht entgegenstehen und auch sonst kein Visumsversagungsgrund vorliegt. Mit der Bewilligung ist auch die sachlich gebotene Gültigkeitsdauer festzulegen.
(3) Die Bewilligung kann im Interesse der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit mit Auflagen belegt werden; hiebei ist auf den Zweck des Aufenthalts Bedacht zu nehmen. Auflagen sind insbesondere die Vorschreibung bestimmter Grenzübergänge und Reiserouten, die Beschränkung des Aufenthalts auf den Sprengel einer Bezirksverwaltungsbehörde sowie die Verpflichtung, sich in periodischen Abständen bei einem Polizeikommando zu melden. Die Erteilung von Auflagen ist im Reisedokument ersichtlich zu machen.
(4) Die Bewilligung wird ungeachtet des Bestehens eines rechtskräftigen Aufenthaltsverbotes in Form eines Visums erteilt.
...
Übergangsbestimmungen
§ 125. ...
(3) Aufenthaltsverbote, deren Gültigkeitsdauer bei In-Kraft-Treten dieses Bundesgesetzes noch nicht abgelaufen sind, gelten als nach diesem Bundesgesetz erlassene Aufenthaltsverbote mit derselben Gültigkeitsdauer. Besteht gegen einen Fremden, der am 1. Jänner 2006 Asylwerber ist, ein Aufenthaltsverbot, so gilt dieses Aufenthaltsverbot als Rückkehrverbot."
Die Regierungsvorlage (952 BlgNR 22. GP 92 f, 101 und 102) führt zu diesen Bestimmungen auszugsweise Folgendes aus:
"Zu § 41:
Die Zurückweisung soll im Verhältnis zur Zurückschiebung klarer abgegrenzt werden. Jedenfalls an der Einreise gehindert werden dürfen Fremde, die sich noch nicht im Bundesgebiet befinden und versuchen, über die so genannte 'grüne Grenze' rechtswidrig ins Bundesgebiet einzureisen (Abs. 1).
Nach Abs. 2 sollen Fremde, die versuchen, nicht rechtmäßig in das Bundesgebiet einzureisen oder die eingereist sind, anlässlich der Grenzkontrolle bei Landgrenzübergangstellen, Flugplätzen, Hafen und im Zugsverkehr innerhalb des Grenzkontrollbereiches zurückgewiesen werden.
Eine Zurückweisung ist jedenfalls nicht zulässig, wenn der Fremde im Bereich der 'grünen' Grenze die Staatsgrenze überschritten hat und sich in Österreich befindet oder sich in den Fällen des Abs. 2 nicht mehr in dem in Abs. 2 genannten Bereich befindet.
...
Bei der Zurückweisung handelt es sich um eine Maßnahme der verwaltungsbehördlichen Befehls- und Zwangsgewalt, der kein formalisiertes Verwaltungsverfahren vorangeht. Um die Mitwirkungsverpflichtung des Fremden deutlich zu machen, wurde in Abs. 3 die Beweislastverteilung festgelegt. Das Grenzkontrollorgan kann nicht zur Erhebung verpflichtet werden, sondern der Fremde hat den für die Beurteilung maßgeblichen Sachverhalt vorzubringen und glaubhaft zu machen. Werden dem Fremden konkrete Zurückweisungstatbestände vorgeworfen, bedarf dies einen begründeten 'Anfangsverdacht', den in weiterer Folge der Betroffene nach den Regeln der Beweislastumkehr zu entkräften hat.
Mit der Zurückweisung wird über einen zur sichtvermerksfreien Einreise berechtigten Fremden kein Einreiseverbot verhängt, sondern es wird ihm damit, sofern es sich um eine Zurückweisung nach Abs. 2 Z 4 und 6 handelt, eine besondere Bewilligungspflicht auferlegt. Die ersichtlich gemachte Zurückweisung soll daher der Vertretungsbehörde als Ansatzpunkt zur Erteilung der besonderen Bewilligung dienen.
Zu § 62:
...
Kommt es im Asylverfahren oder nach Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten zu einer Ausweisung, wird das Rückkehrverbot zu einem Aufenthaltsverbot. Die Fristen des Rückkehrverbotes beginnen allerdings schon ab Erlassung des Rückkehrverbots - also während des Asylverfahrens - zu laufen. ...
Zu § 72:
Die Wiedereinreise während der Geltungsdauer eines Aufenthaltsverbotes ist nur zulässig, wenn dem Fremden eine Bewilligung erteilt worden ist. Der Grund dafür kann im öffentlichen Interesse (z.B. Zeugenaussage in einem Strafprozess) oder im privaten Bereich (z.B. lebensgefährliche Erkrankung eines Familienmitgliedes) gelegen sein. Die Wiedereinreise darf, abgesehen von den für das Aufenthaltsverbot maßgeblichen Gründen, nur dann gestattet werden, wenn ihr kein Sichtvermerksversagungsgrund (§ 21) entgegensteht.
Die Wiedereinreisebewilligung wird grundsätzlich in Form eines Visums erteilt. Eines eigenen Bescheides bedarf es nur in jenen Fällen, in denen dem Antragsteller darüber hinaus noch Auflagen auferlegt werden sollen. Damit wird die Möglichkeit geschaffen, bei Ermessensentscheidungen zu Gunsten des Fremden zu entscheiden."
Das FPG unterscheidet in seinen §§ 60, 62 und 65 zwischen Aufenthaltsverbot und Rückkehrverbot. Durch die Übergangsbestimmung des § 125 Abs. 3 Satz 2 FPG wurde zum Ausdruck gebracht, dass in seinem Geltungsbereich Aufenthaltsverbote gegen Asylwerber weder bestehen noch erlassen werden sollen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. Februar 2007, Zl. 2006/21/0164).
Unter einem Asylwerber war gemäß § 1 Z. 3 AsylG 1997 ein Fremder ab Einbringung eines Asylantrages oder eines Asylerstreckungsantrages bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens oder bis zu dessen Einstellung zu verstehen (vgl. dazu Rohrböck, Das Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl (1999), Rz 148). Infolge Anhängigkeit des eingangs erwähnten Berufungsverfahrens des Beschwerdeführers vor dem unabhängigen Bundesasylsenat am 1. Jänner 2006 (Inkrafttreten des FPG) galt das unstrittig davor gegen ihn verhängte Aufenthaltsverbot somit gemäß § 125 Abs. 3 Satz 2 FPG als Rückkehrverbot. Ein solches rechtfertigt - nach dem klaren Wortlaut der Bestimmung - jedoch keine Hinderung an der Einreise (Zurückweisung) gemäß § 41 Abs. 2 Z. 2 FPG, der diese Maßnahme nur im Fall eines durchsetzbaren Aufenthaltsverbotes vorsieht. Dass ein solches vorläge, ist auch nicht aus § 62 Abs. 4 FPG abzuleiten, wonach ein rechtskräftig durchgesetztes Rückkehrverbot als Aufenthaltsverbot gilt. Eine Durchsetzung des erwähnten Rückkehrverbotes, die im Sinn der wiedergegebenen Materialien zu § 62 FPG (jedenfalls) die Erlassung eines Ausweisungsbescheides voraussetzt, ist infolge der ohne Ausweisung erfolgten freiwilligen Ausreise des Beschwerdeführers nämlich unterblieben.
Schon deshalb war der angefochtene Bescheid, in dem vom Vorliegen eines rechtskräftigen Aufenthaltsverbotes gegen den Beschwerdeführer ausgegangen wurde, gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.
Wien, am 22. Jänner 2009
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