VwGH 2007/21/0134

VwGH2007/21/013427.5.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher, Dr. Pfiel und Mag. Eder als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Kühnberg, über die Beschwerde des K, vertreten durch Dr. Franz Unterasinger, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Radetzkystraße 8, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark vom 26. Februar 2007, Zl. 2 F / 100 / 2007, betreffend Erlassung eines befristeten Rückkehrverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

FrPolG 2005 §60 Abs2 Z9;
FrPolG 2005 §62 Abs1;
FrPolG 2005 §62 Abs2;
FrPolG 2005 §62;
FrPolG 2005 §86 Abs1;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z9;
FrPolG 2005 §62 Abs1;
FrPolG 2005 §62 Abs2;
FrPolG 2005 §62;
FrPolG 2005 §86 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 41,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem zitierten, im Instanzenzug ergangenen Bescheid erließ die belangte Behörde gegen den Beschwerdeführer, einen türkischen Staatsangehörigen, gemäß § 62 Abs. 1 Z 1 und 2, Abs. 2, 3 und 4 sowie §§ 63 und 66 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG ein auf fünf Jahre befristetes Rückkehrverbot.

Die belangte Behörde stellte fest, dass der Beschwerdeführer am 1. März 2005 in der Türkei die österreichische Staatsbürgerin R. geheiratet und am 2. März 2005 bei der österreichischen Botschaft in Ankara einen Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung für den Zweck "Familiengemeinschaft mit Österreicher" gestellt habe. Im Zuge der Bearbeitung dieses Antrags habe die Ehefrau des Beschwerdeführers zunächst das Vorliegen einer "Scheinehe" bestritten. In der Folge habe sie jedoch gegen ihre - ebenfalls mit einem türkischen Staatsangehörigen, dem Bruder des Beschwerdeführers - verheiratete Mutter Strafanzeige erstattet und bei einer weiteren Befragung angegeben, sie sei mit ihrer Mutter und deren türkischem Ehegatten im Februar 2005 in die Türkei gereist; dort sei sie von ihrer Mutter aufgefordert worden, mit dem Beschwerdeführer die Ehe einzugehen; als sie sich geweigert habe, seien ihr von ihrer Mutter der Reisepass und das Rückflugticket abgenommen worden; sie habe sich somit alleine, ohne Flugticket, Reisepass und Geld in einem türkischen Dorf hilflos der Nötigung ihrer Mutter ausgesetzt gesehen und sei auf diese Weise zur Eheschließung mit dem Beschwerdeführer gezwungen worden; diese Eheschließung sollte lediglich dem Zweck dienen, dem Beschwerdeführer einen legalen Aufenthalt in Österreich und einen freien Zugang zum österreichischen Arbeitsmarkt zu sichern.

Die Mutter der Ehefrau des Beschwerdeführers sei in der Folge wegen des zur Anzeige gebrachten Sachverhaltes mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom 11. Juli 2006 wegen schwerer Nötigung und Urkundenunterdrückung (§§ 105 Abs. 1, 106 Abs. 1 Z 1 und 229 StGB) zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe in der Dauer von neun Monaten verurteilt worden.

Die belangte Behörde gehe - so die weitere Begründung des bekämpften Bescheides - davon aus, dass es sich bei der vom Beschwerdeführer mit der österreichischen Staatsbürgerin R. geschlossenen Ehe um eine Aufenthaltsehe handle. Der Beschwerdeführer habe sich im Verfahren für die Erteilung eines Aufenthaltstitels auf diese Ehe berufen, obwohl eine eheliche Lebens-, Vermögens- und Geschlechtsgemeinschaft, somit ein gemeinsames Familienleben im Sinn des Art. 8 EMRK, nie geführt worden und auch nie beabsichtigt gewesen sei. Dies ergebe sich aus den glaubhaften Angaben der ehemaligen Ehefrau des Beschwerdeführers - die Ehe sei mit 13. Dezember 2006 rechtskräftig geschieden worden -, die durch die oben angeführte strafrechtliche Verurteilung Bestätigung erfahren hätten. Die gegenteiligen Angaben des Beschwerdeführers würden demgegenüber als reine Schutzbehauptung gewertet, um fremdenpolizeiliche Maßnahmen hintanzuhalten.

Der Beschwerdeführer sei zufolge seinen eigenen Angaben am 31. Jänner 2006 illegal in das Bundesgebiet eingereist und habe am 2. Februar 2006 einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt. Über diesen Antrag sei noch nicht rechtskräftig entschieden worden. Gegen den Beschwerdeführer, der den Aufenthaltsverbotstatbestand des § 60 Abs. 2 Z 9 FPG erfülle, sei daher gemäß § 62 Abs. 2 FPG ein Rückkehrverbot zu erlassen. Der Missbrauch des Rechtsinstituts der Ehe zur Erlangung fremdenrechtlich bedeutsamer Rechte stelle nämlich eine schwerwiegende Gefährdung der öffentlichen Ordnung dar, die diese fremdenpolizeiliche Maßnahme rechtfertige.

Im Bundesgebiet lebten zwei Brüder des Beschwerdeführers, die ihn unterstützten und versorgten. Ein Bruder fungiere auch als Unterkunftgeber. Ungeachtet dieser verwandtschaftlichen Beziehungen erweise sich das Rückkehrverbot im Sinne des § 66 Abs. 1 FPG als dringend geboten und nach Abwägung der gegenläufigen Interessen des Beschwerdeführers nach § 66 Abs. 2 FPG als zulässig.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Gemäß § 62 Abs. 1 FPG kann gegen einen Asylwerber ein Rückkehrverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass sein Aufenthalt die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet (Z 1) oder anderen im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft (Z 2).

Gemäß § 62 Abs. 2 iVm § 60 Abs. 2 Z 9 FPG hat als bestimmte Tatsache im Sinne des § 62 Abs. 1 FPG zu gelten, wenn ein Fremder eine Ehe geschlossen, sich für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung oder eines Befreiungsscheines auf die Ehe berufen, aber mit dem Ehegatten ein gemeinsames Familienleben im Sinn des Art. 8 EMRK nie geführt hat.

Der Beschwerdeführer, der jedenfalls bei Erlassung des bekämpften Bescheides unstrittig Asylwerber war, vertritt die Ansicht, die Verhängung eines Rückkehrverbotes sei schon deshalb rechtswidrig, weil er sich im Gebiet der Republik Österreich aufhalte; Voraussetzung für ein Rückkehrverbot sei nämlich ein Aufenthalt im Ausland.

Mit diesem Vorbringen verkennt der Beschwerdeführer grundsätzlich das Rechtsinstitut des Rückkehrverbotes (siehe dazu grundlegend das hg. Erkenntnis vom 27. Februar 2007, Zl. 2006/21/0164). Dieses knüpft nämlich an die Eigenschaft als Asylwerber an, nicht aber an den Ort des Aufenthalts.

Was die von der belangten Behörde zu Grunde gelegte Verwirklichung des Aufenthaltsverbots- bzw. Rückkehrverbotstatbestandes des § 60 Abs. 2 Z 9 FPG anlangt, so bestreitet der Beschwerdeführer die Schließung einer Aufenthaltsehe. Mit einer "angeblichen Nötigung zur Eheschließung" habe er nichts zu tun gehabt, "die Abläufe" seien dadurch eingetreten, dass die Behörde trotz der Eheschließung keine "Aufenthaltsbewilligung" erteilt habe, die seinerzeitige Ehegattin nach Österreich zurückgekehrt sei, er in der Folge nicht habe ins Bundesgebiet einreisen können und deshalb die Ehe zerbrochen sei. Die ehemalige Ehegattin habe widersprüchliche Angaben gemacht, diese Widersprüche "im Verhältnis" zu seinem "menschlich nachvollziehbaren und homogenen Vorbringen" seien unbeachtet geblieben. Überdies habe er nur ein einziges Mal die Gelegenheit erhalten, zu seinem Vorbringen Stellung zu nehmen. Jedenfalls habe er (Beschwerdeführer) zum Zeitpunkt der Eheschließung und auch danach beabsichtigt, mit seiner Ehegattin ein gemeinsames Familienleben samt umfassender ehelicher Lebens-, Vermögens- und Geschlechtsgemeinschaft gemäß Art. 8 EMRK zu führen.

Mit diesem Vorbringen gelingt es dem Beschwerdeführer nicht, eine Unschlüssigkeit der behördlichen Beweiswürdigung aufzuzeigen. Richtig ist nur, dass auch seine ehemalige Ehegattin zunächst das Vorliegen einer Aufenthaltsehe in Abrede stellte. Ihre letzten Angaben zu diesem Thema sind allerdings nachvollziehbar und haben nach den unbestritten gebliebenen behördlichen Feststellungen auch zu einer strafgerichtlichen Verurteilung ihrer Mutter wegen schwerer Nötigung und Urkundenunterdrückung geführt. Wenn die belangte Behörde daher ihren und nicht den gegenteiligen Angaben des Beschwerdeführers folgte, so begegnet das im Rahmen der dem Verwaltungsgerichtshof zukommenden (eingeschränkten) Prüfungsbefugnis (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/02/0053) keinen Bedenken. Dass der Beschwerdeführer nur einmal niederschriftlich einvernommen wurde, vermag keinen Verfahrensmangel zu begründen, zumal ihm jederzeit die Möglichkeit zu einer Stellungnahme offen stand, wovon er im Übrigen auch Gebrauch gemacht hat.

Ausgehend von der Verwirklichung des Tatbestandes des § 60 Abs. 2 Z 9 FPG durfte die belangte Behörde auch die Gefährdungsprognose nach § 62 Abs. 1 FPG bejahen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 7. Februar 2008, Zl. 2007/21/0442, demzufolge der - gemeinschaftsrechtlich ebenfalls verpönte - Rechtsmissbrauch auch dem strengeren Maßstab des § 86 Abs. 1 FPG entspricht).

Nach § 62 Abs. 3 FPG "gilt" bei der Erlassung eines Rückkehrverbotes (u.a.) auch der - nach seinem Wortlaut nur auf Ausweisungen abstellende - § 66 FPG. Erkennbar unter diesem Blickwinkel macht der Beschwerdeführer geltend, dass er sich inzwischen "dem Zeitablauf entsprechend" in Österreich integriert habe, er hier von Verwandten versorgt werde und zur Türkei keinerlei Verbindungen mehr bestünden. Das Rückkehrverbot würde sämtliche sozialen Bindungen aufheben und den Beschwerdeführer vor unlösbare Aufgaben stellen.

Auch mit diesem Vorbringen vermag der Beschwerdeführer keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen. Angesichts der Missbrauchshandlung durch das Schließen einer Aufenthaltsehe ist das öffentliche Interesse an der Erlassung eines Rückkehrverbotes derart gewichtig, dass die - im Übrigen nur auf einem knapp mehr als einem Jahr inländischen Aufenthalt beruhenden - gegenläufigen Interessen des Beschwerdeführers zurückzutreten haben.

Vor dem Hintergrund des § 63 Abs. 1 FPG, demzufolge bei Verwirklichung des Tatbestandes des § 60 Abs. 2 Z 9 FPG ein Rückkehrverbot für die Dauer von bis zu zehn Jahren erlassen werden kann, begegnet letztlich aber auch die gegenständliche Verhängung eines fünfjährigen Rückkehrverbotes keinen Bedenken. Die vorliegende Beschwerde erweist sich damit insgesamt als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich - im Rahmen des gestellten Begehrens - auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am 27. Mai 2009

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