VwGH 2007/19/0671

VwGH2007/19/067122.1.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Heinzl und die Hofräte Mag. Nedwed und Dr. N. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. S. Giendl, in der Beschwerdesache des A, vertreten durch Dr. Günther Nowak, Rechtsanwalt in 9020 Klagenfurt, St.Veiter Ring 51A/II, gegen den am 13. November 2006 verkündeten und am 24. April 2007 ausgefertigten Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates, Zl. 240.533/0/18E-II/06/03, betreffend § 7 Asylgesetz 1997 (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1997 §7;
AsylG 1997 §8;
AVG §58 Abs2;
AVG §60;
AVG §67;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
AsylG 1997 §7;
AsylG 1997 §8;
AVG §58 Abs2;
AVG §60;
AVG §67;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger und Angehöriger der Volksgruppe der Hazara, beantragte am 1. Juli 2001 Asyl.

Diesen Antrag wies das Bundesasylamt mit Bescheid vom 4. August 2003 gemäß § 7 Asylgesetz 1997 (AsylG) ab. Gleichzeitig erklärte es die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Afghanistan gemäß § 8 AsylG für nicht zulässig und erteilte ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung.

Gegen die Abweisung seines Asylantrages erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Berufung, die mit dem angefochtenen Bescheid nach Abhaltung von Berufungsverhandlungen und Einholung eines Sachverständigengutachtens abgewiesen wurde.

Dagegen wendet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

Die Beschwerde rügt als Mangelhaftigkeit des Verfahrens, die belangte Behörde erachte die vom Beschwerdeführer vorgebrachten Verfolgungsgründe für nicht glaubhaft, stütze sich dabei aber auf ein Sachverständigengutachten, das auf einer mangelhaften Befundaufnahme beruhe.

Der Beschwerdeführer hatte im Wesentlichen vorgebracht, als Offizier unter dem früheren afghanischen Machthaber Najibullah nachrichtendienstlich tätig gewesen zu sein. In dieser Funktion habe er - näher bezeichnete - Informationen weitergegeben, die zur Tötung des Bruders eines noch immer einflussreichen Kommandanten der Hezb-e Wahdat namens Zabet Akbar Qasemi geführt hätten, der ihm deshalb nach dem Leben trachte und ihn im Herkunftsstaat suche.

Die belangte Behörde sah dieses Fluchtvorbringen als nicht erwiesen an und stützte sich dabei - soweit sich dies aus der unübersichtlichen und schwer verständlichen Bescheidbegründung erkennen lässt - auf das ihr vorliegende Gutachten des Sachverständigen Muhammad Naeem Khan. Dieser Sachverständige hatte in seinem schriftlichen Gutachten vom 10. August 2006 u. a. wörtlich ausgeführt:

"... Zum Sachverhalt des Antragstellers ist nach den mir nun

vorliegenden ausführlichen, dokumentierten Recherchen klar und

unmissverständlich festzustellen, dass die Angaben des

Antragstellers hinsichtlich des feindschaftlichen Verhältnisses

mit dem Kommandanten der Heb-e Wahdat namens Zabet Akbar Quasemi

sowie die Ermordung des Bruders von Zabet Akbar Qasemi nicht

bestätigt und verifiziert wurden. Während der Recherchen in

Afghanistan am 30., 31. Jänner und am 01. Februar 2006 haben

mehrere Bewohner des Heimatortes des Antragstellers, darunter auch

der leibliche Bruder des Antragstellers namens Ghulam R die

Angaben des Antragstellers in dieser Hinsicht zweifelsfrei

widerlegt. Während der Recherchen ergab sich, dass kein Bruder des

Kommandanten ... ermordet worden ist. Es gebe ebenfalls kein

feindschaftliches Verhältnis zwischen dem Antragsteller und dem

obengenannten Kommandanten ... Daher ist von mir als eingesetztem

Sachverständigen klar festzustellen, dass die Angaben des

Antragstellers betreffend seine asylrelevante Verfolgung ... nicht

der Wirklichkeit und Realität entsprechen, und sind diese Angaben des Antragstellers als frei erfundene Schutzbehauptung einzustufen

..."

In der Verhandlung vom 13. November 2006 präzisierte der Sachverständige sein schriftliches Gutachten dahingehend, dass während der Recherchen der Bruder des Beschwerdeführers "Gholam R ... zweifelsfrei angegeben" habe, der Beschwerdeführer sei nach Österreich gegangen, "um dort zu arbeiten". Ein Mann namens Dr. M habe "ebenso bestätigt", dass der Beschwerdeführer "kein feindschaftliches Verhältnis mit irgendjemandem" habe. Es sei zwar auch ein Schreiben eines Dorfrichters übergeben worden, in dem das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers vom Unterzeichneten bestätigt werde. Der Sachverständige stelle dazu aber fest, dass dieses "nachträglich angefertigte Schreiben lediglich eine Gefälligkeitsbestätigung darstellt, wie dies in Afghanistan sehr häufig üblich" sei.

In seiner Stellungnahme zu diesem Gutachten bestritt der Beschwerdeführer, einen Bruder namens Gholam R zu haben (er habe vier Brüder und eine Schwester anderen Namens); er kenne auch keinen Dr. M. Im Übrigen beharrte er auf der Richtigkeit seines Fluchtvorbringens. Seine Rechtsvertreterin kritisierte die mangelnde Nachvollziehbarkeit der gutachterlichen Recherchen und stellte weitere Beweisanträge, denen die belangte Behörde jedoch nicht mehr nachkam. Vielmehr hielt der Verhandlungsleiter - ohne Bekanntgabe des Ursprungs dieser Information - fest, "dass aufgrund der klaren erfolgten Recherchen in (der( Heimatregion (des Beschwerdeführers( Dr. M eindeutig bestätige, dass der (Beschwerdeführer( sein Freund sei, dieser kenne den (Beschwerdeführer( schon seit einiger Zeit, ... der (Beschwerdeführer( habe kein feindschaftliches Verhältnis mit dem Kommandanten der Hezb-e Wahdat namens Zabet Akbar Qasemi, dieser habe auch bestätigt, dass es überhaupt keine Ermordung des Bruders von Zabet Akbar Qasemi gegeben habe".

Im angefochtenen Bescheid begründete die belangte Behörde ihre Entscheidung damit, dass "aufgrund der kardinalen widerlegten asylrelevanten Gründe" kein Asyl zu gewähren sei. Es sei "kein Bruder des Kommandanten der Hezb-e Wahdat, Zabet Akbar Qasemi ermordet worden" und "diese erfundenen Geschichten" seien "auch den Bewohnern der Heimatregion des (Beschwerdeführers(" sowie "seiner Familie gänzlich unbekannt", weshalb eine "Glaubhaftmachung von asylrelevanter Verfolgung eindeutig nicht vorliegt".

Im Ergebnis zu Recht rügt die Beschwerde die Mangelhaftigkeit dieser Begründung und der ihr zugrundeliegenden Begutachtung.

Nach dem gemäß § 67 AVG auch von der Berufungsbehörde anzuwendenden § 60 AVG sind in der Begründung des Berufungsbescheides die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen. Demnach muss in der Bescheidbegründung in einer eindeutigen, die Rechtsverfolgung durch die Partei ermöglichenden und einer nachprüfenden Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts zugänglichen Weise dargetan werden, welcher Sachverhalt der Entscheidung zu Grunde gelegt wurde, aus welchen Erwägungen die Behörde zu der Ansicht gelangte, dass gerade dieser Sachverhalt vorliege, und aus welchen Gründen sie die Subsumtion dieses Sachverhalts unter einen bestimmten Tatbestand als zutreffend erachtete (vgl. dazu etwa die hg. Erkenntnisse vom 26. Mai 2004, 2001/20/0550, mwN, und zuletzt vom 7. Oktober 2008, 2007/19/0056).

Diesen Anforderungen entspricht der angefochtene Bescheid nicht. Das schriftliche Gutachten, auf das die belangte Behörde ihre Beweiswürdigung zum Nachteil des Beschwerdeführers tragend stützte, ließ - mit Ausnahme des dort namentlich genannten angeblichen Bruders des Beschwerdeführers - nicht erkennen, mit welchen Personen die für den Sachverständigen agierenden Ermittlungspersonen gesprochen und welche Angaben diese Personen gemacht hatten, um das Fluchtvorbringen als "frei erfundene Schutzbehauptung" (so der Sachverständige) bzw. als "erfundene Geschichte" (so die belangte Behörde in der Bescheidbegründung) zu qualifizieren. In der Verhandlung vom 13. November 2006 ergänzte der Sachverständige zwar noch den Namen einer Auskunftsperson (Dr. M); nähere Angaben zu seinen Personalien bzw. zu seinem Verhältnis zum Beschwerdeführer machte der Sachverständige allerdings nicht, weshalb auch nicht nachvollzogen werden kann, wieso die belangte Behörde davon ausging, dass es sich bei Dr. M - entgegen der Aussage des Beschwerdeführers - um einen langjährigen Freund handle, der über entsprechendes Tatsachenwissen in Bezug auf die Ausreisegründe des Beschwerdeführers verfügt. Auch die Ungereimtheiten betreffend den angeblichen Bruder des Beschwerdeführers wurden weder vom Sachverständigen noch von der belangten Behörde aufgeklärt. Der Beschwerdeführer hatte stets bestritten, dass die Auskunftsperson mit dem Namen Gholam (oder Ghulam) R sein Bruder sei und er hatte der belangten Behörde die (anderslautenden) Namen seiner Geschwister genannt. Aus welchen Gründen es die Asylbehörde trotzdem als erwiesen ansah, dass Gholam R der leibliche Bruder des Beschwerdeführers sei, der das Fluchtvorbringen widerlegt habe, lässt die Bescheidbegründung nicht erkennen.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am 22. Jänner 2009

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