VwGH 2007/16/0096

VwGH2007/16/00962.4.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Dr. Mairinger, Dr. Köller, Dr. Thoma und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Bayer, über die Beschwerde des KG in L, vertreten durch die Bröll Gasser Treuhand GmbH, Wirtschaftsprüfungsgesellschaft in 6850 Dornbirn, Färbergasse 15, gegen den Bescheid der Vorarlberger Landesregierung vom 26. April 2007, Zl. IIIa-230.435, betreffend Festsetzung der Getränkesteuer (mitbeteiligte Partei: Marktgemeinde Wolfurt), zu Recht erkannt:

Normen

61997CJ0437 Evangelischer Krankenhausverein Wien VORAB;
AbgVG Vlbg 1984 §132 Abs1 litb;
AbgVG Vlbg 1984 §54 Abs1;
AbgVG Vlbg 1984 §83 Abs2;
FinStrG §254 Abs1;
GetränkesteuerG Vlbg 1993 §6 Abs3 idF 1994/061;
VStG §5 Abs2;
61997CJ0437 Evangelischer Krankenhausverein Wien VORAB;
AbgVG Vlbg 1984 §132 Abs1 litb;
AbgVG Vlbg 1984 §54 Abs1;
AbgVG Vlbg 1984 §83 Abs2;
FinStrG §254 Abs1;
GetränkesteuerG Vlbg 1993 §6 Abs3 idF 1994/061;
VStG §5 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Vorarlberg Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer reichte am 28. März 2000 bei der mitbeteiligten Marktgemeinde die seine Imbissstube betreffende (und unter Verwendung eines Vordrucks erstellte) Jahresgetränkesteuererklärung 1999 (Mai 1999 bis Dezember 1999) ein. Dabei hatte er für alkoholfreie Getränke und "Küchengetränke" eine Getränkesteuer von insgesamt ATS 5.351,-- berechnet. Die Bemessungsgrundlagen sowie die Getränkesteuer für die alkoholischen Getränke sowie für Speiseeis hatte der Beschwerdeführer jeweils mit ATS 0,-- ausgewiesen.

Mit Bescheid vom 24. August 2006 setzte der Bürgermeister der mitbeteiligten Marktgemeinde die Getränkesteuer für das Jahr 1999 mit EUR 3.097,22 fest und forderte unter Berücksichtigung der bereits entrichteten EUR 388,87 Getränkesteuer in Höhe von EUR 2.708,34 nach.

In seiner dagegen erhobenen Berufung wandte der Beschwerdeführer den Eintritt der Bemessungsverjährung gemäß § 83 Abs. 2 Vorarlberger Abgabenverfahrensgesetz (AbgVG) ein.

Nach Ergehen einer nicht stattgebenden Berufungsvorentscheidung stellte der Beschwerdeführer einen Vorlageantrag.

Mit Bescheid vom 2. Jänner 2007 gab die Abgabenkommission der mitbeteiligten Marktgemeinde der Berufung keine Folge und führte begründend aus, die im zweiten Halbsatz des § 83 Abs. 2 AbgVG angeführte 10-Jahres-Frist sei noch nicht verstrichen und eine Verjährung somit noch nicht eingetreten. Die Fälligkeit der Getränkesteuer auf alkoholische Getränke für Zeiträume des Jahres 1999 sei bei Erlass des Urteils des EuGH vom 9. März 2000 in der Rs. C-437/97 zweifellos eingetreten gewesen. Es hätte vom Beschwerdeführer, einem Kaufmann, bei der von ihm im Rechts- und Geschäftsverkehr zu verlangenden Sorgfalt erwartet werden können, dass er die an dieses EuGH-Urteil geknüpften Rechtsfolgen geprüft hat und auf der Grundlage dieses Wissens die Abgabenerklärung abgegeben hat.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der dagegen erhobenen Vorstellung des Beschwerdeführers keine Folge gegeben. Begründend führte die belangte Behörde aus, die monatlichen Aufzeichnungen des Beschwerdeführers hätten nur die Getränkesteuer für alkoholfreie Getränke und Küchengetränke wiedergegeben. In der Folge sei die Bemessungsgrundlage für die alkoholischen Getränke geschätzt worden. Die Schätzung habe einen Umsatz für 1999 für alkoholische Getränke von S 372.676,-- ergeben. Die Schätzung sei vom Abgabepflichtigen nicht beeinsprucht worden. In der Folge sei es zur bescheidmäßigen Festsetzung der Getränkesteuer für 1999 gekommen, welche eine Nachforderung von S 37.267,61 (EUR 2.708,34) ergeben habe. Im Beschwerdefall habe der Gewerbeinhaber bewusst die Bemessungsgrundlagen für die alkoholischen Getränke nicht angeführt und dadurch die gesetzliche Offenlegungspflicht verletzt. Er habe durch die Nichtentrichtung der Abgabe bewusst die Abgabenverkürzung bewirkt. Selbst wenn die EU-Konformität der Getränkesteuer zu diesem Zeitpunkt umstritten gewesen sei, habe er bewusst entgegen dem damals geltenden Getränkesteuergesetz gehandelt. Bei einem Gewerbeinhaber oder einem Kaufmann würden besondere Sorgfaltspflichten gelten. Im Übrigen habe es auch zu jenem Zeitpunkt die gesetzliche Möglichkeit gegeben, zu Unrecht entrichtete Abgaben zurückzufordern. Der Beschwerdeführer habe selbst in seiner Vorstellung vorgebracht, es sei zum Zeitpunkt der Abgabe der Erklärung im März 2000 keineswegs klar gewesen, ob Getränkesteuer für alkoholische Getränke seit dem EU-Beitritt zu entrichten sei. Er sei sich daher durchaus bewusst gewesen, dass er eine Verletzung des Getränkesteuergesetzes begehe, weil ihm die Verpflichtung zur Abgabe der Jahressteuererklärung gem. § 6 Getränkesteuergesetz bekannt gewesen sei. Da von Vorsatz auszugehen sei, gehe der geltend gemachte Irrtum von vornherein ins Leere. Vorsatz und Irrtum schlössen einander aus. Der Tatbildirrtum betreffe die Wissenskomponente des Vorsatzes. Der Täter erkenne nicht, dass er einen gesetzlichen Sachverhalt verwirkliche, der einem gesetzlichen Tatbild entspreche, was der Beschwerdeführer jedoch durch seine Argumentation widerlege. Im Übrigen habe der EuGH im "Frankfurter Erkenntnis" klargestellt, dass die Getränkesteuer auf alkoholische Getränke bei Restaurationsumsätzen EU-rechtskonform sei. Das Vorgehen des Beschwerdeführers, seine bewusste Nichtentrichtung der ausständigen Getränkesteuer - entsprechend seinen unvollständigen Aufzeichnungen in der Getränkesteuerjahreserklärung 1999 - sei als vorsätzliche Abgabenverkürzung zu qualifizieren und zu behandeln. Eine solche sei bereits bewirkt, wenn die Abgabe, die nicht bescheidmäßig festzusetzen sei, den Abgabenvorschriften zuwider nicht oder nur teilweise entrichtet (abgeführt) worden sei. Im Beschwerdefall habe der Abgabepflichtige die Abgabe nur teilweise abgeführt. Es liege somit eine Abgabenverkürzung iSd § 132 Abs. 1 lit. b AbgVG vor. Die Gemeinde verweise daher zu Recht auf die Bemessungsverjährungsfrist von 10 Jahren gemäß § 83 Abs. 2 AbgVG, welche für die Festsetzung von hinterzogenen Abgaben gelte.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, in welcher der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend macht. Er erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in seinem Recht verletzt, "dass trotz Verjährung die Getränkesteuer in Höhe von EUR 3.097,22 für das Jahr 1999 nachträglich gemäß § 82 Abgabenverfahrensgesetz festgesetzt wurde". Die Festsetzung der Getränkesteuer für 1999 sei nach Ablauf der fünfjährigen Verjährungsfrist erfolgt.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in welcher sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Die mitbeteiligte Marktgemeinde erstattete keine Stellungnahme.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Strittig ist ausschließlich, ob der Beschwerdeführer mit Bescheid vom 24. August 2006 noch zur Entrichtung von Getränkesteuer für das Jahr 1999 hatte herangezogen werden dürfen. Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die von der Abgabenbehörde vertretene Auffassung, es sei im Beschwerdefall von der zehnjährigen Verjährungsfrist für hinterzogene Abgaben auszugehen, mit dem Vorbringen, er habe sich in einem Rechtsirrtum befunden, der den Hinterziehungsvorsatz ausschließe.

Nach § 83 Abs. 2 Vorarlberger Abgabenverfahrensgesetz (in der Folge: AbgVG), LGBl. Nr. 23/1984, beträgt die Verjährungsfrist fünf Jahre, bei hinterzogenen Abgaben zehn Jahre.

Ob eine Abgabe hinterzogen ist, ist eine Vorfrage, deren Beantwortung eindeutige, ausdrückliche und nachprüfbare Feststellungen über die Abgabenhinterziehung voraussetzt (vgl. Ritz, BAO3, Tz 15 zu § 207, nwN).

Nach § 132 Abs. 1 lit. b AbgVG (idF LGBl. Nr. 27/1991) begeht eine Abgabenhinterziehung, wer zu seinem oder eines anderen Vorteil als Abgabepflichtiger oder bei Wahrnehmung der Angelegenheiten Abgabepflichtiger vorsätzlich eine Abgabenverkürzung dadurch bewirkt, dass er eine abgabenrechtliche Offenlegungs-, Anzeige- oder Wahrheitspflicht (§§ 54, 55, 57 Abs. 1, 59 und 60) verletzt. Eine Abgabenverkürzung ist bewirkt, wenn Abgaben, die nicht bescheidmäßig festzusetzen sind, den Abgabenvorschriften zuwider nicht oder nur teilweise entrichtet (abgeführt) wurden.

Die Abgabenhinterziehung ist bei einem verkürzten Betrag bis einschließlich EUR 30.000 von der Bezirkshauptmannschaft mit einer Geldstrafe bis zum Zweifachen des Verkürzungsbetrages zu bestrafen (§ 132 Abs. 2 AbgVG idF LGBl. Nr. 58/2001).

Die für den Bestand und Umfang einer Abgabepflicht bedeutsamen Umstände sind gemäß § 54 Abs. 1 leg. cit. vom Abgabepflichtigen nach Maßgabe der Abgabenvorschriften offen zu legen. Die Offenlegung muss vollständig und wahrheitsgemäß erfolgen. Der Offenlegung dienen insbesondere die Abgabenerklärungen (§ 54 Abs. 1 leg. cit.). Die Abgabenvorschriften bestimmen, wer zur Einreichung einer Abgabenerklärung verpflichtet ist (§ 57 Abs. 1 leg. cit.).

Gemäß § 5 Abs. 2 Vorarlberger GetränkesteuerG, LGBl. Nr. 51/1993 idF LGBl. Nr. 61/1994, ist die Getränkesteuer vom Steuerschuldner für jeden Kalendermonat selbst zu berechnen und innerhalb eines Monats und 15 Tagen nach Ablauf des Monats, in dem die Lieferung erfolgte, zu entrichten.

Der Steuerschuldner hat weiters nach § 6 Abs. 3 leg. cit. für jedes abgelaufene Kalenderjahr bis zum 30. Juni des folgenden Jahres bei jener Gemeinde, in deren Gebiet die Lieferung ausgeführt wurde, über die gemäß Abs. 1 ermittelte Steuerschuld eine nach Kalendermonaten aufgegliederte Getränkesteuererklärung über die Berechnungsgrundlagen sowie die Steuerschuld, getrennt für alkoholhältige und alkoholfreie Getränke sowie für Speiseeis abzugeben.

Nach § 254 Abs. 1 Finanzstrafgesetz gilt für den Bereich des landesgesetzlichen Abgabenstrafrechtes das VStG.

Nach § 5 Abs. 2 VStG entschuldigt die Unkenntnis der Verwaltungsvorschrift, der der Täter zuwidergehandelt hat, nur, wenn sie erwiesenermaßen unverschuldet ist und der Täter das Unerlaubte seines Verhaltens ohne Kenntnis der Verwaltungsvorschrift nicht einsehen konnte.

Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, das Tatbild der Abgabenhinterziehung verwirklicht zu haben. Er wendet sich aber gegen die Annahme seines Verschuldens mit dem Vorbringen, ihm sei ein Rechtsirrtum unterlaufen und das Unrecht seiner Tat nicht bewusst gewesen. Nach Ergehen des Urteils des Europäischen Gerichtshofes vom 9. März 2000, Rs. 437/97, sei die Meinung "herrschend" gewesen, dass für alkoholische Getränke nun endgültig keine Getränkesteuer mehr zu entrichten sei. Selbst "anerkannte Juristen" seien im März 2000 unterschiedlicher Meinung gewesen, "ab wann und unter welchen Voraussetzungen nun genau die Getränkesteuer nicht mehr zu bezahlen ist".

Tatsächlich hat der Europäische Gerichtshof in dem genannten Urteil ("Evangelischer Krankenhausverein Wien" u. a.) ausgesprochen, dass Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie 92/12/EWG des Rates vom 25. Februar 1992 über das allgemeine System, den Besitz, die Beförderung und die Kontrolle verbrauchsteuerpflichtiger Waren der Beibehaltung einer auf alkoholische Getränke erhobene Steuer wie derjenigen, um die es im Ausgangsverfahren gegangen sei, entgegenstehe. Er hat allerdings zur Wirkung seines Urteils auch ausgesprochen, dass sich niemand auf Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 92/12/EWG des Rates berufen kann, um Ansprüche betreffend Abgaben wie die Steuer auf alkoholische Getränke, die vor Erlass dieses Urteils entrichtet wurden oder fällig geworden sind, geltend zu machen, es sei denn, er hätte vor diesem Zeitpunkt Klage erhoben oder einen entsprechenden Rechtsbehelf eingelegt.

Zur Vorschrift des § 5 Abs. 2 VStG vertritt der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, dass auch eine irrige Gesetzesauslegung einen Beschuldigten dann nicht zu entschuldigen vermag, wenn dieser es unterlassen hat, Erkundigungen einzuholen, ob die von ihm zum vorliegenden Fragenkreis vertretene Rechtsansicht zutrifft. Solche Erkundigungen haben an der geeigneten Stelle zu erfolgen, worunter im Zweifelsfall die zur Entscheidung der Rechtsfrage zuständige Behörde zu verstehen ist. Die Argumentation mit einer auch plausiblen Rechtsauffassung kann ein Verschulden am objektiv unterlaufenen Rechtsirrtum nicht ausschließen, vielmehr trägt das Risiko des Rechtsirrtums der, der es verabsäumt, sich an geeigneter Stelle zu erkundigen (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 28. Mai 2008, Zl. 2007/21/0021, und vom 23. April 2007, Zl. 2004/10/0030).

Gerade im Zusammenhang mit der von ihm behaupteten allgemeinen Unsicherheit in Bezug auf die zeitlichen Auswirkungen des EuGH-Urteils vom 9. März 2000 wäre der Beschwerdeführer somit gehalten gewesen, Erkundigungen insbesondere bei der zuständigen Behörde über das Bestehen seiner Erklärungspflichten einzuholen. Dass er irgendwelche Maßnahmen getroffen hätte, um rechtswidriges Handeln hintanzuhalten, hat der Beschwerdeführer weder in seiner Beschwerde noch im Abgabenverfahren behauptet. Das Unterlassen derartiger Maßnahmen kann aber nur als Außerachtlassung der objektiv gebotenen und subjektiv möglichen Sorgfalt gewertet werden, welche einer Beurteilung eines Rechtsirrtums als Schuldausschließungsgrund jedenfalls entgegensteht.

Eine dem § 9 Finanzstrafgesetz vergleichbare Regelung, wonach dem Täter weder Vorsatz noch Fahrlässigkeit zugerechnet wird, wenn ihm bei einer Tat ein entschuldbarer Irrtum unterlief, der ihn das Vergehen oder das darin liegende Unrecht nicht erkennen ließ, und auf welche die vorliegende Beschwerde inhaltlich abstellt, besteht im VStG nicht.

Es kann daher nicht als rechtswidrig erachtet werden, wenn die Abgabenbehörde im Beschwerdefall von der zehnjährigen Verjährungsfrist ausgegangen ist.

Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008. Wien, am 2. April 2009

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