VwGH 2007/08/0060

VwGH2007/08/006014.10.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer, Dr. Moritz, Dr. Lehofer und Dr. Doblinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Peck, über die Beschwerde des Mag. Dr. H B in Waldstein, vertreten durch Dr. Friedrich Piffl-Percevic, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Schmiedgasse 31, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftstelle des Arbeitsmarktservice Steiermark vom 14. Februar 2007, Zl. LGS600/SfA/0566/2007-He/S, betreffend Verlust der Notstandshilfe, zu Recht erkannt:

Normen

AlVG 1977 §36b;
UStG 1994 §4 Abs1;
UStG 1994 §4 Abs10;
AlVG 1977 §36b;
UStG 1994 §4 Abs1;
UStG 1994 §4 Abs10;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer bezog seit 17. Juli 2002 Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung, zuletzt Notstandshilfe.

Mit Bescheid des Arbeitsmarktservice Graz vom 15. Jänner 2007 wurde die dem Beschwerdeführer gewährte Notstandshilfe ab 1. Dezember 2006 mit der Begründung eingestellt, dass sein Umsatz aus selbständiger Tätigkeit die Geringfügigkeitsgrenze gemäß § 12 Abs. 6 lit. c AlVG übersteige.

In der dagegen erhobenen Berufung wendete der Beschwerdeführer im Wesentlichen ein, dass er bei den Vordruckformularen des AMS für die "Erklärung über das Bruttoeinkommen sowie den Umsatz" in der Spalte "Umsatz" immer den "Bruttoumsatz" angegeben habe, da aus dem Formular nicht hervorgehe, ob der Brutto- oder Nettoumsatz gemeint sei und er umsatzsteuerpflichtig sei; sein "Bruttoumsatz" (erkennbar gemeint: "Nettoumsatz") würde nicht über der Geringfügigkeitsgrenze liegen.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 14. Februar 2007 gab die belangte Behörde der Berufung nicht statt und bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid.

Darin wurden nachstehende Feststellungen zu den Umsätzen des - nach seinen Angaben - seit Mai 2005 selbständig erwerbstätigen Beschwerdeführers getroffen:

"... die Erklärungen über den Umsatz füllten Sie

folgendermaßen aus:

Zeitraum

Umsatz

Januar 2006

EUR 0,00

Februar 2006

EUR 5800,00

März 2006

EUR 3600,00

April 2006

EUR 0,00

Mai 2006

EUR 0,00

Juni 2006

EUR 6000,00

Juli 2006

EUR 0,00

August 2006

EUR 1800,00

September 2006

EUR 6000,00

Oktober 2006

EUR 0,00

November 2006

EUR 5100,00

Dezember 2006

EUR 12460,00

Berechnung

Summe: EUR 40760,00 : 12 = EUR 3396,67

davon 11,1 % =

EUR 377,03 monatlich

> Geringfügigkeitsgrenze

Die Geringfügigkeitsgrenze für 2006 beträgt brutto EUR 333,16."

Nach Zitierung der zur Anwendung gelangenden gesetzlichen Bestimmungen führte die belangte Behörde zur rechtlichen Beurteilung aus:

"Umsatz sind sämtliche Entgelte, die auf Grund einer nachhaltigen gewerblichen oder freien Tätigkeit für Lieferungen und sonstige Leistungen, die der Arbeitslose getätigt hat, bei ihm einlaufen (= Einnahmen).

Unter Bruttoeinkommen sind die (Betriebs)Einnahmen abzüglich der (Betriebs)Ausgaben inklusive der Hinzurechnungsbeträge zu verstehen.

11,1 % des von Ihnen erklärten Umsatzes für 1-12/2006 (in Ihrem Fall EUR 377,03) liegen - wie Sie aus der obigen Berechnung entnehmen können - eindeutig über der Geringfügigkeitsgrenze 2006 und war daher Ihrer Berufung keine Folge zu geben und der Bescheid der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Graz zu bestätigen.

Sie werden darauf hingewiesen, dass die Beurteilung eine vorläufige darstellt und eine endgültige erst anhand der von Ihnen nach Veranlagung vorzulegenden Einkommen- und Umsatzsteuerbescheide für 2006 vorgenommen wird."

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde. Darin wird im Wesentlichen - in Wiederholung des Berufungsvorbringens - behauptet, dass aus dem Vordruckformular des AMS für die Erklärung über das Bruttoeinkommen sowie den Umsatz nicht ersichtlich sei, ob es sich - im Sprachgebrauch des Beschwerdeführers um den "Bruttoumsatz" (gemeint: Umsatz mit Umsatzsteuer) oder den "Nettoumsatz" (gemeint: Umsatz ohne Umsatzsteuer) handle und vorgebracht, der Beschwerdeführer habe immer den "Bruttoumsatz" angegeben, da er umsatzsteuerpflichtig sei.

In einer dazu angeschlossenen Tabelle wird nach jeweiligem Abzug von 20 % USt. aus den in den gegenständlichen Erklärungen angegebenen Beträgen (lediglich für das Monat Dezember 2006 wird von einem davon um EUR 20,-- abweichenden, höheren Bruttoumsatz von EUR 12.480,-- ausgegangen) einen Gesamtnettoumsatz von EUR 33.983,33 ermittelt und dazu vorgebracht, dass die daraus abgeleiteten 11,1 % in Höhe von EUR 314,34 die gegenständliche Geringfügigkeitsgrenze unterschreiten würden.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 7 Abs. 1 und 2 AlVG in der hier zeitraumbezogen anzuwendenden Fassung BGBl. I Nr. 102/2005 ist Voraussetzung für den Anspruch auf Arbeitslosengeld u.a., dass Arbeitslosigkeit vorliegt.

Nach § 12 Abs. 3 lit. b AlVG in der hier zeitraumbezogen anzuwendenden Fassung BGBl. I Nr. 77/2004 gilt nicht als arbeitslos, wer selbständig erwerbstätig ist. Als arbeitslos gilt jedoch gemäß § 12 Abs. 6 lit. c leg. cit., wer selbständig erwerbstätig ist bzw. selbständig arbeitet und daraus ein Einkommen gemäß § 36a AlVG erzielt oder im Zeitraum der selbständigen Erwerbstätigkeit bzw. der selbständigen Arbeit einen Umsatz gemäß § 36b AlVG erzielt, wenn weder das Einkommen zuzüglich Sozialversicherungsbeiträge, die als Werbungskosten geltend gemacht wurden, noch 11,1 v.H. des Umsatzes die im § 5 Abs. 2 ASVG angeführten Beträge übersteigt.

Gemäß § 36b Abs. 1 AlVG in der hier maßgebenden Fassung BGBl. I Nr. 148/1998 wird der Umsatz auf Grund des Umsatzsteuerbescheides für das Kalenderjahr, in dem die Leistung nach diesem Bundesgesetz bezogen wird, festgestellt. Bis zum Vorliegen dieses Bescheides ist der Umsatz auf Grund einer jeweils monatlich im nachhinein abzugebenden Erklärung des selbständig Erwerbstätigen und geeigneter Nachweise festzustellen. Nach Abs. 2 dieser Bestimmung gilt als monatlicher Umsatz bei durchgehender selbständiger Erwerbstätigkeit ein Zwölftel des sich ergebenden Jahresumsatzes, bei nur vorübergehender selbständiger Erwerbstätigkeit der anteilsmäßige Umsatz in den Monaten, in denen selbständige Erwerbstätigkeit vorlag. Bis zum Vorliegen des Umsatzsteuerbescheides für das betreffende Kalenderjahr ist der Umsatz in einem bestimmten Kalendermonat jeweils durch Zusammenrechnung des für diesen Kalendermonat nachgewiesenen Umsatzes mit den für frühere Kalendermonate desselben Kalenderjahres nachgewiesenen Umsätzen geteilt durch die Anzahl der Monate im Kalenderjahr, für die eine Umsatzerklärung vorliegt, zu ermitteln.

Gemäß § 36c Abs. 1 AlVG in der hier zeitraumbezogen anzuwendenden Fassung BGBl. I Nr. 47/1997 haben Personen, deren Einkommen oder Umsatz zur Feststellung des Anspruches auf Leistungen nach diesem Bundesgesetz heranzuziehen ist, die erforderlichen Erklärungen und Nachweise auf Verlangen der regionalen Geschäftsstelle abzugeben bzw. vorzulegen.

§§ 1 und 4 Umsatzsteuergesetz 1994 in der hier maßgebenden Fassung BGBl. I Nr. 103/2005 lauten auszugsweise:

"§ 1. (1) Der Umsatzsteuer unterliegen die folgenden Umsätze:

1. Die Lieferungen und sonstigen Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt. Die Steuerbarkeit wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Umsatz auf Grund gesetzlicher oder behördlicher Anordnung bewirkt wird oder kraft gesetzlicher Vorschrift als bewirkt gilt;

2. ...

§ 4. (1) Der Umsatz wird im Falle des § 1 Abs. 1 Z 1 nach dem Entgelt bemessen. Entgelt ist alles, was der Empfänger einer Lieferung oder sonstigen Leistung aufzuwenden hat, um die Lieferung oder sonstige Leistung zu erhalten (Solleinnahme); dazu gehören insbesondere auch Gebühren für Rechtsgeschäfte und andere mit der Errichtung von Verträgen über Lieferungen oder sonstige Leistungen verbundene Kosten, die der Empfänger einer Lieferung oder sonstigen Leistung dem Unternehmer zu ersetzen hat.

(2) Zum Entgelt gehört auch,

...

(10) Die Umsatzsteuer gehört nicht zur Bemessungsgrundlage."

Im vorliegenden Fall ist unstrittig, dass im Entscheidungszeitpunkt weder ein Einkommens- noch ein Umsatzsteuerbescheid vom Beschwerdeführer vorgelegt worden war. Da der Beschwerdeführer lediglich Angaben zu seinem Umsatz getätigt hat, ist die Beurteilung, ob er als arbeitslos zu gelten hat, ausschließlich danach vorzunehmen, ob sein Umsatz die Geringfügigkeitsgrenze gemäß § 5 Abs. 2 ASVG überstiegen hat.

In dem dazu verwendeten Formular des AMS für die "Erklärung über das Bruttoeinkommen sowie den Umsatz" lautet es im Wesentlichen wie folgt:

"Ich (gemeint: der Leistungswerber) nehme zur Kenntnis, dass ich den Einkommens- bzw. Umsatzsteuerbescheid für ... binnen 14 Tagen ab Bescheiddatum unaufgefordert dem Arbeitsmarktservice vorzulegen habe, da der Leistungsanspruch aufgrund dieses Bescheides endgültig beurteilt wird. Sollte kein Bescheid ergehen, erfolgt die endgültige Beurteilung aufgrund geeigneter Nachweise (z.B. Honorarnote, Einnahmen- Ausgabenrechnung).

Ich erkläre, dass ich im nachstehend angeführten Zeitraum aus selbständiger Erwerbstätigkeit ein Bruttoeinkommen (unter Berücksichtigung allfälliger Hinzurechnungsbeträge gemäß § 36a Abs. 3 AlVG) bzw. einen Umsatz in folgender Höhe erzielt habe:"

(Es folgt eine Tabelle mit drei, mit "Zeitraum von- bis", "Einkommen brutto" sowie "Umsatz" bezeichneten Spalten.)

Wenn § 36b AlVG die Umsatzfeststellung auf Grund des Umsatzsteuerbescheides für das (jeweilige) Kalenderjahr normiert, so wird damit erkennbar der Begriff "Umsatz" im Sinne des Umsatzsteuergesetzes übernommen. Wie den Bestimmungen des § 4 Abs. 1 und Abs. 10 UStG 1994 zu entnehmen ist, verwendet der Gesetzgeber den Begriff des Umsatzes als Entgelt, das die Umsatzsteuer noch nicht enthält (vgl. dazu die hg. Erkenntnisse vom 28. Oktober 1998, Zl. 98/14/0057, und vom 18. April 2007, Zl. 2004/13/0025).

In diesem Sinne hat(te) daher die belangte Behörde mangels Vorliegens eines Einkommens- oder Umsatzsteuerbescheides auf Grundlage der Erklärungen des Beschwerdeführers zu prüfen, ob der Umsatz ohne Umsatzsteuer des Beschwerdeführers im relevanten Beobachtungszeitraum die in § 12 Abs. 6 lit. c AlVG normierte Schwelle überschritten hat oder nicht. Die belangte Behörde ist daher insofern grundsätzlich im Recht, als sie im angefochtenen Bescheid in ihrer dazu angeführten Definition des Begriffes "Umsatz" diesen mit sämtlichen Entgelten, die auf Grund einer nachhaltigen gewerblichen oder freien Tätigkeit für Lieferungen und sonstige Leistungen, die der Arbeitslose getätigt hat, beim Anspruchswerber einlaufen, gleichsetzt.

Sie übersieht aber, dass der Beschwerdeführer mit seinem Berufungsvorbringen, er habe - zusammengefasst - immer den "Bruttoumsatz" (gemeint: Umsatz unter Hinzurechnung der vereinnahmten Umsatzsteuer) angegeben, erkennbar zum Ausdruck gebracht hat, dass er in den angegebenen Beträgen zum Umsatz auch die jeweils anfallende Umsatzsteuer eingerechnet hat. Dabei ist dem Beschwerdeführer zuzugestehen, dass der zitierte Formulartext mangels einer eindeutigen Definition die Möglichkeit eines solchen Missverständnisses nicht auszuschließen vermag. Ungeachtet einer späteren endgültigen Prüfung anhand des Einkommens- bzw. Umsatzsteuerbescheides hätte sich die belangte Behörde daher bereits in diesem Verfahrensstadium mit diesem Vorbringen auseinanderzusetzen und allenfalls nach weiteren Erhebungen festzustellen gehabt, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang in den angegebenen Beträgen Umsatzsteuer beinhaltet war und - gegebenenfalls - diese zur Ermittlung des für die Gewährung von Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung relevanten Umsatzes herausrechnen müssen, bevor sie über den Anspruch des Beschwerdeführers entscheidet.

Indem die belangte Behörde dies verkannte, ist der angefochtene Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet und war gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Kostenersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 14. Oktober 2009

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte