VwGH 2006/18/0023

VwGH2006/18/002326.11.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und die Hofräte Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer, die Hofrätin Mag. Merl und den Hofrat Dr. Lukasser als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Schmidl, über die Beschwerde des B S in S, geboren am 28. Oktober 1977, vertreten durch die Rechtsanwaltsgemeinschaft Mory & Schellhorn OEG, 5020 Salzburg, Wolf-Dietrich-Straße 19, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Salzburg vom 16. Jänner 2006, Zl. Fr-8/1/06, betreffend Feststellung nach § 51 FPG, zu Recht erkannt:

Normen

FrG 1997 §75 Abs1;
VwGG §39 Abs2 Z3;
VwGG §39 Abs2 Z6;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
FrG 1997 §75 Abs1;
VwGG §39 Abs2 Z3;
VwGG §39 Abs2 Z6;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Der Beschwerdeführer, ein serbischer Staatsangehöriger, stellte während eines bei der Bezirkshauptmannschaft Zell am See (Erstbehörde) gegen ihn anhängigen Verfahrens zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes mit Schriftsatz vom 16. Dezember 2005 gemäß § 75 Abs. 1 und 2 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, den Antrag auf Feststellung, dass seine Abschiebung, Zurückschiebung oder Zurückweisung nach Serbien-Montenegro, insbesondere in das Gebiet des Kosovo in Serbien-Montenegro, gemäß § 57 Abs. 1 oder Abs. 2 leg. cit. unzulässig sei.

Die Erstbehörde holte mit Schreiben vom 19. Dezember 2005 eine Äußerung des Bundesasylamtes ein, der zufolge sich keine Gründe ergeben hätten, die einer Abschiebung, Zurückschiebung oder Zurückweisung des Beschwerdeführers in das von ihm in seinem Feststellungsantrag bezeichnete Staatsgebiet entgegenstünden. Ferner wurde der Erstbehörde vom Bundesasylamt ein Bericht über die Situation im Kosovo ("Länderfeststellung Kosovo") übermittelt.

Mit Bescheid vom 22. Dezember 2005 stellte die Erstbehörde gemäß § 75 Abs. 1 FrG fest, dass keine stichhaltigen Gründe für die Annahme bestünden, dass der Beschwerdeführer in "Serbien-Montenegro-Kosovo" gemäß § 57 Abs. 1 oder 2 leg. cit. bedroht sei.

In ihrer Begründung gab sie die genannte Äußerung des Bundesasylamtes und den Inhalt des ihr übermittelten Berichtes über die Situation im Kosovo wieder und führte sodann aus, dass sie auf Grund der Äußerung des Bundesasylamtes, der ausführlich beschriebenen Situation in "Serbien-Montenegro-Kosovo" und des Vorbringens des Beschwerdeführers zur Ansicht gelangt sei, dass keine stichhaltigen Gründe für die Annahme einer Bedrohung im Sinne des § 57 Abs. 1 oder 2 leg. cit. bestünden.

2. Mit dem vorliegend angefochtenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Salzburg (der belangten Behörde) vom 16. Jänner 2006 wurde die vom Beschwerdeführer gegen den erstinstanzlichen Bescheid erhobene Berufung vom 9. Jänner 2006 gemäß § 66 Abs. 4 AVG abgewiesen und der erstinstanzliche Bescheid bestätigt.

Begründend führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer habe in seiner Berufung im Wesentlichen vorgebracht, dass die Erstbehörde nicht erhoben hätte, welche Aussagen der Beschwerdeführer im Asylverfahren zu den fluchtkausalen Bedrohungsvorfällen gemacht hätte, was einen gravierenden Verfahrensfehler darstellte. Weiters erstatte der Beschwerdeführer ein neues Tatsachenvorbringen zu den Refoulement-Gründen mit ergänzenden Ausführungen.

Dazu werde festgestellt - so die belangte Behörde weiter - dass die Erstbehörde die im Refoulement-Verfahren vorgebrachten Argumente sorgfältig gewürdigt habe und es daher nicht nachvollziehbar sei, warum es unumgänglich gewesen wäre, den Asylakt beizuschaffen. Darüber hinaus habe die Erstbehörde die Meinung der Asylbehörde über die Verhältnisse im Heimatland des Beschwerdeführers eingeholt. Die Behörde sei an diese Feststellungen nicht gebunden gewesen, dennoch komme diesen entscheidungsmaßgeblicher Relevanz zu, zumal auch die einschlägigen Bestimmungen des FrG auf die große Erfahrung bzw. den Wissensstand der Asylbehörden über die Verhältnisse im Kosovo verwiesen.

Zu dem vom Beschwerdeführer ergänzend eingebrachten neuen Tatsachenvorbringen sei festzustellen, dass die nunmehr von ihm geltend gemachten Bedrohungen nicht geeignet seien, den Tatbestand des § 57 Abs. 1 oder 2 FrG zu erfüllen. Der Beschwerdeführer habe diese Gründe bereits im Asylverfahren geltend gemacht, und es sei auch hier von der Asylbehörde festgestellt worden, dass sich im Asylverfahren keine Gründe ergeben hätten, die einer Abschiebung, Zurückschiebung oder Zurückweisung nach Serbien und Montenegro in die Provinz Kosovo entgegenstehen würden. Ebenso hätten sich aus dem Amtswissen des Asylamts über die Situation im Kosovo keine Hinderungsgründe ergeben.

3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, inhaltliche Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn aufzuheben.

4. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens mit dem Antrag vor, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1.1. Die Beschwerde bringt vor, dass der Beschwerdeführer in seiner Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid in Bezug auf das Vorliegen der Refoulement-Gründe ein neues Tatsachenvorbringen erstattet habe. So habe er im Oktober 1998 wegen eines versuchten, nicht gelungenen Schussattentates auf ihn und seinen Bruder durch mehrere bewaffnete Männer den Kosovo im Oktober 1998 verlassen, worauf ihm in Österreich Asyl gewährt worden sei, während sein Bruder im Kosovo geblieben sei. Im Mai 2005 sei nunmehr auch sein Bruder geflüchtet, weil zwei Wochen davor neuerlich von mehreren bewaffneten Männern ein Schussattentat auf ihn stattgefunden habe. Grund sei eine lange Zeit zurückreichende Familienfehde, durch die sämtliche männliche Angehörige der Familie betroffen und gefährdet seien. Anknüpfend an dieses neue Tatsachenvorbringen sei in der Berufung darauf hingewiesen worden, dass dies die Gefährdung auch des Beschwerdeführers im Sinn des § 75 Abs. 1 FrG belegen würde und dessen Leben in Gefahr wäre, müsste er in den Kosovo zurückkehren, wobei diese Bedrohungen so intensiv seien, dass sie ein Schussattentat ausgelöst hätten. Dies stelle eine Gefährdung des Lebens und der körperlichen Unversehrtheit des Beschwerdeführers dar.

1.2. Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde einen wesentlichen Feststellungs- und Begründungsmangel des angefochtenen Bescheides auf.

Der angefochtene Bescheid enthält keine Begründung, die den Gerichtshof in die Lage versetzen würde, die rechtliche Schlussfolgerung der Behörde auf ihre Richtigkeit zu prüfen. Die belangte Behörde unterließ nämlich jegliche konkrete Feststellungen zu den in der Berufung aufgestellten ergänzenden Behauptungen hinsichtlich einer Gefährdung und Bedrohung auch des Lebens und der körperlichen Unversehrtheit des Beschwerdeführers im Zusammenhang mit dem behaupteten Schussattentat im Mai 2005 auf Grund der von ihm behaupteten Nachbarschafts- bzw. Familienfehde. Der bloße Hinweis auf ein Asylverfahren, ohne dessen Ergebnisse näher zu präzisieren, oder das Amtswissen der Asylbehörden vermag derartige Feststellungen nicht zu ersetzen.

3. Demzufolge war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

4. Gemäß § 39 Abs. 2 Z. 3 und 6 VwGG konnte von der beantragten Verhandlung Abstand genommen worden.

5. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 26. November 2009

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