VwGH 2006/11/0178

VwGH2006/11/017817.11.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Gall, Dr. Schick, Dr. Grünstäudl und Mag. Samm als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Trefil, über die Beschwerde des E B in G, vertreten durch Dr. Elmar Reinitzer, Rechtsanwalt in 1060 Wien, Theobaldgasse 16/2, gegen den Bescheid der Bundesberufungskommission für Sozialentschädigungs- und Behindertenangelegenheiten vom 6. Juli 2006, Zl. 41.550/1087-9/05, betreffend Neufestsetzung des Grades der Behinderung sowie Streichung einer Zusatzeintragung im Behindertenpass, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §37;
AVG §45 Abs2;
AVG §52;
BBG 1990 §40;
BBG 1990 §41 Abs1;
BBG 1990 §42 Abs1;
KfzStG 1992 §2 Abs1 Z12 litb;
AVG §37;
AVG §45 Abs2;
AVG §52;
BBG 1990 §40;
BBG 1990 §41 Abs1;
BBG 1990 §42 Abs1;
KfzStG 1992 §2 Abs1 Z12 litb;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Schreiben vom 22. April 2003 wurde dem Beschwerdeführer ein ihm ausgestellter, bis 30. April 2005 befristeter Behindertenpass übersendet. Ausgegangen wurde von einer 80%-igen Minderung der Erwerbsfähigkeit des Beschwerdeführers.

Mit Schreiben vom 17. März 2005 beantragte der Beschwerdeführer die Ausstellung eines unbefristeten Behindertenpasses, weil sich an seinem körperlichen Zustand nichts verändert habe. Der Beschwerdeführer verwies auf einen Befund der Universitätsklinik für Orthopädie des Allgemeinen Krankenhauses der Stadt Wien vom 4. März 2005.

Ein vom Bundessozialamt eingeholtes ärztliches Sachverständigengutachten Dris. K. (einer Fachärztin für Orthopädie) vom 23. Juni 2005 gelangte nach Untersuchung des Beschwerdeführers zu folgender "Beurteilung und Begründung":

"Lfd. Nr.

Art der Gesundheitsschädigung

Position in den Richtsätzen

Höhe der MdE:

1

Degenerative Wirbelsäulenveränderung und Z.n. Spondylodese L4- S1

Unterer Rahmensatz, da leicht- bis mittelgradige Funktionsstörung vorliegt.

191

40%

2

Z.n. Osteotomie rechte Hüfte wegen Hüftkopfnekrose - geheilt

Oberer Rahmensatz, da die Beugung über den rechten Winkel möglich und die übrigen Bewegungsrichtungen frei sind

96

20%

3

Beinlängendifferenz rechts - 2,5 cm

Oberer Rahmensatz, da die Verkürzung 2,5 cm beträgt.

g.z. 111

20%

4

Streckdefizit rechter Ellbogen (Gebrauchsarm).

Mittlerer Rahmensatz, da lediglich ein endlagiges Streckdefizit vorliegt.

45

10%"

Die Gesamtminderung der Erwerbsfähigkeit betrage somit 50 %, weil der führende Grad der Behinderung (GdB) 1 durch GdB 2 und 3 um eine Stufe erhöht werde. Eine weitere Erhöhung durch GdB 4 sei wegen Geringfügigkeit nicht gegeben.

Nachdem der Beschwerdeführer im Rahmen des Parteiengehörs vorgebracht hatte, die Voraussetzungen für die Eintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel" lägen in seinem Fall vor, ergänzte Dr. K. ihre fachärztliche Stellungnahme. Die Einschätzung des Grades der Behinderung mit 50% sei entsprechend der Summe der festgestellten Behinderungen, wie aus dem orthopädischen Status ersichtlich, absolut gerechtfertigt und ausreichend hoch. Es bestehe eine Verkürzung rechts nach der 1992 erfolgten "varisier. Osteotomie" der rechten Hüfte, wobei dieses mit dem vorhandenen Verkürzungsausgleich am Schuh zu keiner wesentlichen Gehbehinderung führe. Die vom Beschwerdeführer vorgelegten Befunde seien aus den Jahren 1993 bis 2003, nicht mehr aktuell und gäben keine weiteren Aufschlüsse. Sie seien im Wesentlichen bei der Erstellung des Gutachtens bereits bekannt gewesen. Eine Änderung gegenüber den Vorgutachten ergebe sich nicht.

Mit Bescheid vom 28. Oktober 2005 setzte das Bundessozialamt den Grad der Behinderung im Behindertenpass des Beschwerdeführers gemäß § 43 Abs. 1 des Bundesbehindertengesetzes 1990 (BBG) mit 50 % neu fest und ordnete die Streichung der Eintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung" an. Bei diesem Bescheid ist ersichtlich, dass dem Beschwerdeführer als Beilage der neue Behindertenpass übermittelt wurde. Das Bundessozialamt stützte sich dabei auf das Sachverständigengutachten Dris. K.

Der Beschwerdeführer erhob Berufung. Aus Anlass der Berufung wurde ein Ambulanzjournalblatt der Universitätsklinik für Orthopädie des Allgemeinen Krankenhauses der Stadt Wien vom 30. November 2005 mit folgenden Wortlaut vorgelegt (anonymisiert):

"(Beim Beschwerdeführer) bestehen folgende orthopädische Diagnosen:

  1. 1. Dorsale Spondylodese L4/5 1998
  2. 2. Dorsale Respondylodese L4 bis S1 1989
  3. 3. Zustand nach Hüftkopfnekrose rechts 1992mit Varisierungs- und Flexionsosteotomie
  4. 4. Zustand nach Pseudarthrose der Osteotomie 1993
  5. 5. Beinlängenverkürzung rechts -2,5cm
  6. 6. Ellbogenarthrodose beidseits
  7. 7. OSG-Arthrose rechts

    Aufgrund der oben genannten Befunde ist die Gehstrecke des Patienten auf 250 Meter eingeschränkt.

    Eine Verbesserung der klinischen Befunde ist bei gegebenen Bedingungen nicht zu erwarten. Eine im Jahr 2001 durchgeführte Arthrotomie des rechten Ellbogengelenkes mit der Entfernung der freien Körper hat keine Besserung der Beschwerdesymptomatik und des Streckdefizites gebracht. Derzeit besteht eine schmerzhafte Beugekontraktur des Ellenbogen beidseits von jeweils 20 Grad, sowie eine schmerzhafte Einschränkung der Dorsalflexion des oberen Sprunggelenkes von 5 Grad.

    Zusammenfassend ist der Patient aus orthopädischer Sicht nicht in der Lage schwere körperliche Tätigkeiten (Heben und Tragen) zu verrichten."

    Die belangte Behörde holte ein ärztliches Sachverständigengutachten Dris. S., eines Arztes für Allgemeinmedizin, vom 16. Februar 2006 ein, welches zu folgender abschließender "Beurteilung" gelangte:

    "1. Degenerative Veränderungen, der Wirbelsäule, Zustand nach Spondylodese L4-S1

    191 40%

    Unterer Rahmensatz, da leicht- bis mittelgradige

    Funktionsstörung nachweisbar.

    2. Zustand nach Knochenbohrung des rechten Hüftgelenks wegen Hüftkopfnekrose, geheilt

    96 20%

    Oberer Rahmensatz, da die Beugung über den rechten Winkel möglich und die übrigen Bewegungsrichtungen frei sind.

    3. Beinverkürzung rechts - 2,5 cm

    g.Z. 111 20%

    Oberer Rahmensatz, da Verkürzung bei 2,5 cm liegt.

    4. Streckdefizit des rechten Ellenbogengelenkes 45 10%

    Mittlerer Rahmensatz, da endlagige Funktionsstörung nachweisbar-

    5. Bewegungseinschränkung des linken Ellenbogengelenkes (Gegenarm)

    45 10%

    Oberer Rahmensatz, da nachgewiesene Funktionsstörung

    6. Bewegungseinschränkung des rechten Sprunggelenkes 136 20%

    Eine Stufe über dem unteren Rahmensatz, da nachgewiesene Funktionsstörung.

    Gesamt-MdE 50%, da der führende GdB 1 durch die Leiden 2, 3 und 6 um 1 Stufe erhöht wird, da wechselseitige negative Leidensbeeinflussung besteht. Leiden 4 und 5 erhöhen nicht, da kein Zusammenwirken."

    Zur Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel führt das Gutachten aus, der Beschwerdeführer könne kurze Wegstrecken aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe sowie ohne Unterbrechung zurücklegen. Es würden keine Behelfe verwendet, welche die Benützung eines öffentlichen Verkehrsmittels im hohen Maße erschwerten. Die dauernde Gesundheitsschädigung wirke sich nicht auf die Möglichkeit des Ein- und Aussteigens sowie die sichere Beförderung in einem öffentlichen Verkehrsmittel unter Berücksichtigung der beim üblichen Betrieb dieser Verkehrsmittel gegebenen Bedingungen aus.

    Die Einwendungen des Beschwerdeführers seien eingesehen und gutachterlich erfasst worden. Die Bewegungseinschränkung des linken Ellenbogengelenkes sowie die Bewegungseinschränkung des rechten Sprunggelenkes seien unter den laufenden Nummern 5 und 6 dem Gutachten angeschlossen. Durch die neu aufgenommenen Leiden ergäbe sich keine Änderung der Gesamteinschätzung. Die vom Beschwerdeführer vorgelegten Befunde seien eingesehen worden, aus ihnen ergebe sich kein zusätzliches einschätzenswertes Substrat. Beim letzten "rechtskräftigen Gutachten" seien für die Einschätzung des Wirbelsäulenleidens die postoperativen Befunde und die darin beschriebene Funktionseinschränkung herangezogen worden. Bei der durch die orthopädische Sachverständige Dr. K. durchgeführten Untersuchung am 23. Juni 2005 habe sich bei gleichbleibender Morphologie der Wirbelsäule eine Besserung der funktionellen Beeinträchtigung dargestellt. Nunmehr sei der aktuelle klinische Befund als Basis der richtsatzmäßigen Einschätzung heranzuziehen, im Vergleich zu Vorgutachten sei bei den gutachterlich relevanten Parametern eine Verbesserung eingetreten, wodurch eine abweichende Einschätzung gerechtfertigt sei. Auch hinsichtlich der "Zumutbarkeit öffentlicher Verkehrsmittel" ergebe sich nach eingehender klinischer Untersuchung im Vergleich zum letzten Gutachten ein abweichendes Kalkül. Im Vergleich zum erstinstanzlichen Gutachten ergebe sich hingegen diesbezüglich ein gleichlautendes Ergebnis.

    Im Rahmen des Parteiengehörs legte der Beschwerdeführer ein Gutachten Dris. G., eines Facharztes für Orthopädie und orthopädische Chirurgie, vom 19. Mai 2006 vor. Diesem zufolge bestünden beim Beschwerdeführer multiple Veränderungen der gesamten Wirbelsäule, in der rechten Schulter, in den beiden Ellenbogengelenken, in den Hüftgelenken rechts stärker als links, in den Kniegelenken und im rechten Sprunggelenk. Weiters bestünden eine Beinverkürzung rechts von 2,5 cm, eine skoliotische Fehlhaltung der Wirbelsäule und deutliche Bewegungseinschränkungen in beiden Ellenbogengelenken. Als "Einschätzung der Minderung der Erwerbsfähigkeit" wurde Folgendes angegeben:

"Position Bemerkung

Prozent

29 Rechte Schulter 40 %

46 Rechter Ellenbogen 40 %

46 Linker Ellenbogen 20 %

97 Rechte Hüfte 30 %

111 Verkürzung rechtes Bein 20 %

122 Kniegelenke 20 %

136 Rechtes Sprunggelenk 20 %

191 Wirbelsäule 50 %

Zusammenfassung:

Zusammenfassend wird festgestellt, dass eine Minderung der Erwerbsfähigkeit besteht im Ausmaß von 90%."

Im Verwaltungsakt erliegt weiter eine medizinische Stellungnahme Dris. L. vom 31. Mai 2006, derzufolge das Gutachten Dris. G. nicht begründet sei. Hingegen sei das Gutachten des freien Sachverständigen vom 16. Februar 2006 in sich schlüssig. Dem Gutachten Dris. G. sei nicht zu folgen.

Mit Bescheid vom 6. Juli 2006 wies die belangte Behörde die Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG ab und bestätigte den erstbehördlichen Bescheid. Als Rechtsgrundlage waren § 40 Abs. 1, § 41 Abs. 1, § 42 Abs. 1 und § 43 Abs. 1 BBG angegeben. In der Begründung gab sie das Gutachten Dris. S. sowie die Stellungnahme Dris. L. wieder. Nach Wiedergabe der einschlägigen Rechtsvorschriften führte sie aus, nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes sei die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel dann unzumutbar, wenn eine kurze Wegstrecke nicht aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe, allenfalls unter Verwendung zweckmäßiger Behelfe ohne Unterbrechung zurückgelegt werden könne oder wenn die Verwendung der erforderlichen Behelfe die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in hohem Maße erschwere. Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel sei auch dann nicht zumutbar, wenn sich die dauernde Gesundheitsschädigung auf die Möglichkeit des Ein- und Aussteigens und die sichere Beförderung in einem öffentlichen Verkehrsmittel unter Berücksichtigung der beim üblichen Betrieb dieser Verkehrsmittel gegebenen Bedingungen auswirke. Das eingeholte ärztliche Sachverständigengutachten vom 16. Februar 2006 sowie die medizinische Stellungnahme vom 31. Mai 2006 seien ausführlich begründet, schlüssig, nachvollziehbar und wiesen keine Widersprüche auf. Die getroffenen Einschätzungen, basierend auf dem im Rahmen der persönlichen Untersuchungen erhobenen Befund, entsprächen den festgestellten Funktionseinschränkungen. Auf die Art der Leiden, deren Ausmaß und Auswirkung auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel werde ausführlich eingegangen und diese schlüssig beurteilt. Das im Rahmen des Parteiengehörs vorgelegte Gutachten Dris. G. sei nicht geeignet gewesen, das Ergebnis der Beweisaufnahme zu entkräften bzw. eine Erweiterung der Beweisaufnahme zu bedingen. In den von der Behörde eingeholten Sachverständigengutachten und in der Stellungnahme sei auf die geltend gemachten Leiden ausführlich und schlüssig eingegangen worden. Dem Gutachten Dris. G. hingegen seien lediglich unbegründete und nicht nachvollziehbare Einschätzungen zu entnehmen, wobei die Beurteilung im Hinblick auf Erwerbsfähigkeit erfolge. Das Sachverständigengutachten und die Stellungnahme Dris. L. würden daher in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zugrunde gelegt. Im Vergleich zu dem der ursprünglichen Einschätzung des Grades der Behinderung und der durchgeführten rechtskräftigen Zusatzeintragung in den Behindertenpass zugrundegelegten ärztlichen Sachverständigengutachten sei insofern eine Änderung eingetreten, als der damaligen Einschätzung der postoperative Zustand zugrunde gelegt worden sei. Da zwischenzeitlich beim Wirbelsäulenleiden sowohl im erstinstanzlichen als auch im nunmehr erhobenen Befund eine Verbesserung im Leidenszustand habe objektiviert werden können, ergebe sich eine geringere Bewertung des Gesamtgrades der Behinderung. Bezugnehmend auf das Berufungsvorbringen, dem Beschwerdeführer sei das Heben und Tragen über längere Strecken, beispielsweise von Einkaufstaschen, nicht möglich, werde bemerkt, dass die Einschätzung des Grades der Behinderung nach rein medizinischen Gesichtspunkten erfolge, bezogen auf das allgemeine Erwerbsleben, also unabhängig von konkreten Tätigkeiten oder Fähigkeiten. Hinsichtlich des Berufungsvorbringens, wonach das nächste öffentliche Verkehrsmittel 250 Meter vom Haus des Beschwerdeführers entfernt sei, werde festgehalten, dass es für die Berechtigung der zusätzlichen Eintragung in den Behindertenpass hinsichtlich der "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel" nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes entscheidend auf die Art und die Schwere der dauernden Gesundheitsschädigung und deren Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ankomme, nicht aber auf andere Umstände, welche die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel erschweren. Aus diesem Grund sei der Umstand betreffend die mangelnde Infrastruktur (Vorhandensein und Erreichbarkeit, Entfernung zum nächsten öffentlichen Verkehrsmittel) nicht von Relevanz und könne daher bei der Beurteilung der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel nicht berücksichtigt werden. Da somit festgestellt worden sei, dass der Grad der Behinderung 50 % betrage und die dauernden Gesundheitsschädigungen kein Ausmaß mehr erreichten, welches die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel bedinge, sei spruchgemäß zu entscheiden gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:

1. Im Beschwerdefall sind folgende Bestimmungen des BBG (idF. BGBl. I Nr. 82/2005) maßgebend:

"BUNDESBEHINDERTENGESETZ - BBG

Ziel

§ 1. Behinderten und von konkreter Behinderung bedrohten Menschen soll durch die in diesem Bundesgesetz vorgesehenen Maßnahmen die bestmögliche Teilnahme am gesellschaftlichen Leben gesichert werden.

...

ABSCHNITT VI

BEHINDERTENPASS

§ 40. (1) Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpaß auszustellen, wenn

...

2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder

...

(2) Behinderten Menschen, die nicht dem im Abs. 1 angeführten Personenkreis angehören, ist ein Behindertenpaß auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hiezu ermächtigt ist.

§ 41. (1) Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen gilt der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3) oder ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach den Vorschriften der §§ 7 und 9 Abs. 1 des Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957, BGBl. Nr. 152, einzuschätzen, wenn

1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Bestimmungen keine Einschätzung vorsehen oder

2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder

3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.

...

§ 42. (1) Der Behindertenpaß hat den Vor- und Familiennamen, das Geburtsdatum, eine allfällige Versicherungsnummer, den Wohnort und einen festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.

(2) Der Behindertenpaß ist unbefristet auszustellen, wenn keine Änderung in den Voraussetzungen zu erwarten ist.

§ 43. (1) Treten Änderungen ein, durch die behördliche Eintragungen im Behindertenpaß berührt werden, hat das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen diese zu berichtigen oder erforderlichenfalls einen neuen Behindertenpaß auszustellen. Bei Wegfall der Voraussetzungen ist der Behindertenpaß einzuziehen.

...

§ 45. (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluß der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben oder der Paß eingezogen wird.

(3) (Verfassungsbestimmung) Über Berufungen gegen Bescheide des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen gemäß Abs. 2 entscheidet die Bundesberufungskommission nach dem Bundesberufungskommissionsgesetz, BGBl. I Nr. 150/2002.

(4) Gegen die Entscheidung der Bundesberufungskommission ist eine weitere Berufung unzulässig. Reisekosten, die einem behinderten Menschen dadurch erwachsen, dass er im Zusammenhang mit einem Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses einer Ladung des Bundessozialamtes oder der Bundesberufungskommission Folge leistet, sind in dem im § 49 des Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957 angeführten Umfang zu ersetzen.

§ 46. Auf das Verfahren zur Ausstellung und Einziehung eines Behindertenpasses finden, soweit dieses Bundesgesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991, BGBl. Nr. 51, und des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes 1991, BGBl. Nr. 53, mit der Maßgabe Anwendung, dass die Berufungsfrist sechs Wochen beträgt."

2. Die Beschwerde ist unbegründet.

2.1. Der Beschwerdeführer bezieht nach der Aktenlage eine Dienstunfähigkeitspension. Gemäß § 40 Abs. 1 BBG ist behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland mit einem Grad oder Behinderung von mindestens 50% auf Antrag ein Behindertenpass auszustellen, wenn sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen (Z. 2).

Im Beschwerdefall geht es zunächst um das Ausmaß der Behinderung des Beschwerdeführers, das gemäß § 41 Abs. 1 BBG nach den Vorschriften der §§ 7 und 9 Abs. 1 des Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957 einzuschätzen war.

Die Beschwerde rügt, dass zur Stellungnahme Dris. L. vom 31. Mai 2006 kein Parteiengehör eingeräumt wurde. Überdies sei Dr. S. kein Facharzt für Orthopädie. Soweit die Beschwerde die Nichteinräumung von Parteiengehör rügt, ist ihr entgegenzuhalten, dass sich die Stellungnahme Dris. L. vom 31. Mai 2006 auf die Schlüssigkeit des vom Beschwerdeführer vorgelegten Gutachtens Dris. G. bezieht. Die Beurteilung der Schlüssigkeit eines Gutachtens, das im Rahmen des Ermittlungsverfahrens der Behörde zur Kenntnis gelangt, obliegt aber jedenfalls der Behörde selbst. Selbst wenn diese eine Vorbeurteilung durch einen medizinischen Sachverständigen durchführen lässt, stellt die Nichteinräumung von Parteiengehör hiezu keine Verletzung von Verfahrensvorschriften dar.

Die dem angefochtenen Bescheid zugrunde gelegte Annahme der belangten Behörde, das vom Beschwerdeführer vorgelegte Gutachten Dris. G. sei nicht begründet, begegnet aus der Sicht des Verwaltungsgerichtshofes keinen Bedenken. Das vorgelegte Gutachten Dris. G. enthält in der Tat keinerlei Bezugnahme auf die beiden im Verwaltungsverfahren erstatteten begründeten Gutachten Dris. K. und Dris. S., die Einschätzung des Grades der Behinderung des Beschwerdeführers im Gutachten Dris. G. erschöpft sich in einer bloßen Behauptung und entzieht sich jeglicher Überprüfung. Dass die belangte Behörde dieses nicht begründete und insofern nicht schlüssige und somit zur Widerlegung der von der Behörde eingeholten Gutachten nicht geeignete. Gutachten in ihre Beurteilung nicht einbezogen hat, stellt keine Verletzung von Verfahrensvorschriften dar.

Auf der Basis der von der belangten Behörde zugrunde gelegten, auch vom Verwaltungsgerichtshof nicht als unschlüssig zu erkennenden, Gutachten Dris. K. und Dris. S., die eine entsprechende Würdigung der Auswirkungen der Leiden des Beschwerdeführers auf den Grad seiner Behinderung enthalten und insbesondere die wechselseitigen Verstärkungseffekte einzelner Beeinträchtigungen behandeln, kann die Feststellung des Grades der Behinderung des Beschwerdeführers mit 50 % nicht als rechtswidrig erkannt werden. Die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung liegt damit - auch im Zusammenhang mit der Zielbestimmung des § 1 BBG - nicht vor.

2.2. Gemäß § 42 Abs. 1 BBG hat der behinderten Menschen unter den Voraussetzungen des § 40 BBG auszustellende Behindertenpass den Vor- und Familiennamen, das Geburtsdatum, eine allfällige Versicherungsnummer, den Wohnort und einen festgestellten Grad der Behinderung oder Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig.

Im Zusammenhang mit der vom Beschwerdeführer begehrten Eintragung ist zu beachten, dass diese etwa einen der Nachweise der für die Befreiung von der Kraftfahrzeugsteuer maßgeblichen Körperbehinderung gemäß § 2 Abs. 1 Z. 12 lit. b Kraftfahrzeugsteuergesetz 1992 darstellt (vgl. dazu zB. das hg. Erkenntnis vom 1. Juni 2005, Zl. 2003/10/0108, und die dort zitierte Vorjudikatur). Nach der genannten Bestimmung sind von der Kraftfahrzeugsteuer Kraftfahrzeuge befreit, die für Körperbehinderte zugelassen sind und von diesen infolge körperlicher Schädigung zur persönlichen Fortbewegung verwendet werden müssen, wenn z.B. der Nachweis der Körperbehinderung durch die Eintragung der "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung" im Behindertenpass erfolgt.

Um die Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel beurteilen zu können, hat die Behörde nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu ermitteln, ob der Antragsteller dauernd an seiner Gesundheit geschädigt ist und wie sich diese Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und ihrer Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt. Sofern nicht die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auf Grund der Art und der Schwere der Gesundheitsschädigung auf der Hand liegt, bedarf es in einem Verfahren über einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung" regelmäßig eines ärztlichen Sachverständigengutachtens, in dem die dauernde Gesundheitsschädigung und ihre Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in nachvollziehbarer Weise dargestellt werden. Nur dadurch wird die Behörde in die Lage versetzt zu beurteilen, ob dem Betreffenden die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung unzumutbar ist (vgl. zB. das hg. Erkenntnis vom 18. Dezember 2006, Zl. 2006/11/0211, mwN.).

Der Beschwerdeführer hatte Gelegenheit, zu den oben wiedergegebenen Ausführungen des Sachverständigen Dr. S. hinsichtlich der nach dessen Einschätzung nicht vorliegenden "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel" im Rahmen des Parteiengehörs Stellung zu nehmen. Derartiges wurde jedoch unterlassen. Das vom Beschwerdeführer vorgelegte, bereits erwähnte, Gutachten Dris. G. geht auf die Frage der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel nicht ein.

Die belangte Behörde konnte die nicht unschlüssigen Einschätzungen Dris. S. unbedenklich ihrer rechtlichen Beurteilung zugrunde legen.

Aus den dargestellten Erwägungen kann es nicht als rechtswidrig erachtet werden, wenn die belangte Behörde die Auffassung vertrat, dass die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung in den Behindertenpass "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel" nicht (mehr) vorliegen.

2.3. Die Beschwerde war aus diesen Erwägungen gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

3. Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am 17. November 2009

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