VwGH 2006/08/0344

VwGH2006/08/03449.9.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer und Dr. Moritz als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Peck, über die Beschwerde der LB in T, vertreten durch Mag. Gerald Hegenbart, Rechtsanwalt in 2500 Baden, Kaiser-Franz-Ring 13, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Niederösterreich vom 28. August 2006, Zl. LGS NÖ/RAG/05661/2006, betreffend Notstandshilfe, zu Recht erkannt:

Normen

AlVG 1977 §50 Abs1;
AlVG 1977 §50 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen, angefochtenen Bescheid sprach die belangte Behörde gegenüber der Beschwerdeführerin (in teilweiser Abänderung des erstinstanzlichen Bescheides) Folgendes aus:

"1.) Die Bemessung der Notstandshilfe als Vorschuss auf die Berufsunfähigkeitspension wird gemäß § 23 und 38 iVm § 24 Abs 2 AlVG für die Zeit vom 01.12.2005 bis zum 31.05.2006 von einem Tagessatz in der Höhe EUR 19,97 auf einen Tagessatz in der Höhe von EUR 19,-- rückwirkend berichtigt.

2.) Der durch diese rückwirkende Berichtigung der Bemessung der Notstandshilfe als Vorschuss auf die Berufsunfähigkeitspension entstandene Übergenuss an unberechtigt empfangener Notstandshilfe als Vorschuss auf die Berufsunfähigkeitspension in der Höhe von EUR 176,54 wird gemäß § 23 und § 38 iVm § 25 Abs 1 AlVG zum Rückersatz vorgeschrieben."

Die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice B (im Folgenden: AMS) habe mit Bescheid vom 6. Juli 2006 die Bemessung der Notstandshilfe für die Zeit vom 1. November 2005 bis zum 31. Mai 2006 rückwirkend berichtigt und die unberechtigt empfangene Notstandshilfe in Höhe von EUR 205,64 zum Rückersatz vorgeschrieben, weil die Beschwerdeführerin das Ende der Zahlung der Familienbeihilfe für ihren Sohn W B. nicht gemeldet und für diesen zu Unrecht den Familienzuschlag bezogen habe.

Am 16. Juni 2006 (richtig: 2005), gültig für den 17. Juni 2005, habe die Beschwerdeführerin einen Antrag auf Gewährung von Notstandshilfe in Form eines Pensionsvorschusses gestellt. Sie habe angegeben, für ihren Sohn W B., geboren am 15. September 1980, Student im sechsten von acht Semestern, und für ihren Sohn G B., geboren am 24. März 1989, HTL-Schüler, Sorgepflichten zu haben. Dem Antrag sei eine Mitteilung des Finanzamts Baden vom 26. Jänner 2005 über den Bezug der Familienbeihilfe für W B. bis September 2006 und für G B. bis Februar 2007 beigelegt worden. Der Beschwerdeführerin sei vom AMS Notstandshilfe als Pensionsvorschuss im gesetzlichen Ausmaß und in voller Höhe inklusive zweier Familienzuschläge für ihre beiden Söhne von jeweils EUR 0,97, somit mit einem Tagessatz in Höhe von EUR 19,97, bis zum 31. Mai 2006 zuerkannt und angewiesen worden.

In einem neuerlichen Antrag auf Gewährung von Notstandshilfe in Form eines Pensionsvorschusses vom 12. Juni 2006 (gültig für den 16. Juni 2006) habe die Beschwerdeführerin angegeben, nur mehr gegenüber ihrem Sohn G B. Sorgepflichten zu haben. Auf Grund der vorgelegten Bestätigung des Finanzamtes Baden vom 21. Juni 2006 sei dem AMS bekannt geworden, dass die Beschwerdeführerin für ihren Sohn W B. nur bis Oktober 2005 Familienbeihilfe bezogen habe. Weiters sei eine Kopie des Behindertenausweises vom Bundessozialamt vom 1. Juni 2006 vorgelegt worden, wonach die Beschwerdeführerin einen Grad der Behinderung/Minderung der Erwerbsfähigkeit von 50 % aufweise. Ab dem 1. Juni 2006 sei eine Leistung in Höhe von EUR 19,-- täglich ausbezahlt worden. Der Sohn W B. lebe mit der Beschwerdeführerin im gemeinsamen Haushalt. Er sei seit dem 4. Oktober 2005 beim AMS arbeitssuchend gemeldet und beziehe seit dem 10. Oktober 2005 Notstandshilfe mit einem Tagessatz in Höhe von EUR 14,41.

In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde aus, dass ab dem 1. November 2005 eine Neubeurteilung der Notstandshilfe der Beschwerdeführerin vorzunehmen sei. Gemäß § 20 Abs. 2 Z. 2 AlVG bestehe unter anderem für Kinder, zu deren Unterhalt der Arbeitslose tatsächlich wesentlich beitrage, ein Anspruch auf Familienzuschlag, wenn kein Anspruch auf Familienbeihilfe bestehe und diese kein Einkommen erzielen würden, das die Geringfügigkeitsgrenze des § 5 Abs. 2 AlVG für den Kalendermonat (im Jahr 2005 EUR 323,46 und im Jahr 2006 EUR 333,16) übersteige. Da der Sohn W B. im Oktober 2005 lediglich Notstandshilfe von netto EUR 317,02 bezogen habe, könne ihm für November 2005 noch ein Familienzuschlag gewährt werden. Ab November 2005 beziehe er Notstandshilfe von monatlich EUR 432,30, sodass der Anspruch auf Familienzuschlag für den Sohn W B. von täglich EUR 0,97 ab dem 1. Dezember 2005 wegfalle. Es liege kein auf die Notstandshilfe der Beschwerdeführerin als Vorschussleistung auf die Berufsunfähigkeitspension anrechenbares Einkommen vor, sodass ihr die Leistung ohne Einkommensanrechnung inklusive eines Familienzuschlages für den Sohn G ab dem 1. Dezember 2005 gebühre. In Ermangelung der Anrechnung eines Ehepartnereinkommens hätten Feststellungen und rechtliche Ausführungen zur Frage eines getrennten oder gemeinsamen Haushaltes zwischen den Ehepartnern unterbleiben können, ebenso Feststellungen zur Frage etwaiger weiterer, die Freigrenzen erhöhender Umstände. Der Pensionsvorschuss könne gemäß § 23 Abs. 4 AlVG mit keinem höheren Betrag als dem der gebührenden Notstandshilfe zuerkannt werden. Der tägliche Grundbetrag der Notstandshilfe als Pensionsvorschuss bemesse sich auf Grund der heranzuziehenden Bemessungsgrundlage von EUR 1.363,12 mit EUR 18,03 (95 % des zu Grunde liegenden Arbeitslosengeldanspruches in Höhe von EUR 18,98). Zu diesem sei der Familienzuschlag für den Sohn G in Höhe von EUR 0,97 hinzuzuzählen, sodass ab dem 1. Dezember 2005 die tägliche Notstandshilfe EUR 19,-- betrage. Die Bemessung der Notstandshilfe der Beschwerdeführerin als Pensionsvorschuss habe daher gemäß § 23 iVm § 38 und § 24 Abs. 2 AlVG für die Zeit vom 1. Dezember 2005 bis zum 31. Mai 2006 von einem Tagsatz in Höhe von EUR 19,97 auf einen Tagsatz in Höhe von EUR 19,--rückwirkend berichtigt werden müssen. Dadurch entstehe ein Übergenuss an unberechtigt empfangener Leistung in Höhe von EUR 176,54 (182 Tage des Leistungsbezuges mal EUR 0,97 des nicht gebührenden Familienzuschlages für ihren Sohn W B.).

Gemäß § 50 AlVG sei ein Leistungsbezieher verpflichtet, dem AMS jede für das Fortbestehen und das Ausmaß des Anspruches maßgebende Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse ohne Verzug, spätestens jedoch binnen einer Woche seit dem Eintritt des Ereignisses anzuzeigen. Die Beschwerdeführerin habe verabsäumt, dem AMS den Wegfall des Familienbeihilfeanspruches für ihren Sohn W B. ab 1. November 2005 und seinen Bezug von Notstandshilfe zu melden, welche für das Ausmaß des Anspruches maßgebende Änderungen der wirtschaftlichen Verhältnisse bedeuten würden. Damit sei der Rückforderungstatbestand "Verschweigung maßgebender Tatsachen" iSd § 25 Abs. 1 AlVG erfüllt und die Beschwerdeführerin sei verpflichtet, den Übergenuss in Höhe von EUR 176,54 zurückzuerstatten. Ihr Vorbringen, dass der Betrag so gering gewesen sei, dass er ihr gar nicht habe auffallen können, sei rechtlich ohne Bedeutung. Darüber hinaus gehe auch ihr Berufungsvorbringen, dass ihr Sohn ab Oktober 2005 arbeitssuchend gemeldet sei und der regionalen Geschäftsstelle daher das einstweilige Ende seines Studiums bekannt gewesen sei, ins Leere, weil die Beschwerdeführerin verpflichtet sei, ihren Meldepflichten nach § 50 AlVG nachzukommen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.

Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Die Beschwerdeführerin bringt vor, die Meldung des Wegfalls des Familienzuschlages betreffend ihren Sohn W B. sei ohne ihr Verschulden unterblieben. Sie habe darauf vertrauen können, dem AMS sei auf Grund der Meldung des Sohnes bekannt, dass sein Studium beendet sei. Darüber hinaus sei der Betrag von EUR 0,97 (monatlich) dermaßen gering, dass ihr nicht habe auffallen können, dass er zu Unrecht überwiesen worden sei.

Gemäß § 24 Abs. 2 AlVG ist, wenn sich die Zuerkennung oder die Bemessung des Arbeitslosengeldes als gesetzlich nicht begründet herausstellt, die Zuerkennung zu widerrufen oder die Bemessung rückwirkend zu berichtigen.

Gemäß § 25 Abs. 1 AlVG ist der Empfänger des Arbeitslosengeldes bei Einstellung, Herabsetzung, Widerruf oder Berichtigung einer Leistung zum Ersatz des unberechtigt Empfangenen zu verpflichten, wenn er den Bezug durch unwahre Angaben oder durch Verschweigung maßgebender Tatsachen herbeigeführt hat oder wenn er erkennen musste, dass die Leistung nicht oder nicht in dieser Höhe gebührte.

Gemäß § 38 AlVG sind die oben genannten Bestimmungen auf die Notstandshilfe sinngemäß anzuwenden.

Aus der Gegenüberstellung der einzelnen Tatbestände des § 25 Abs. 1 AlVG (unwahre Angaben, Verschweigung maßgebender Tatsachen und Erkennen müssen, dass die Leistung nicht oder nicht in voller Höhe gebühre) folgt, dass die ersten beiden Tatbestände zumindest mittelbaren Vorsatz - dolus eventualis - voraussetzen, während es für die Anwendung des dritten Tatbestandes genügt, dass Fahrlässigkeit gegeben war. Gemäß § 50 Abs. 1 AlVG ist jede für das Fortbestehen und das Ausmaß des Anspruches maßgebende Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Arbeitslosen sowie jede Wohnungsänderung der regionalen Geschäftsstelle ohne Verzug, spätestens jedoch binnen einer Woche seit dem Eintritt des Ereignisses anzuzeigen (vgl. das hg Erkenntnis vom 26. November 2008, Zl. 2005/08/0149).

Die Beschwerdeführerin bestreitet nicht, dass sie dem AMS entgegen § 50 Abs. 1 AlVG weder den Wegfall des Familienbeihilfeanspruches für ihren Sohn W B. ab Oktober 2005 noch dessen Einkommen ab dem 10. Oktober 2005 gemeldet hat. Dies wäre jedoch gemäß § 50 Abs. 1 AlVG ihre Pflicht gewesen. § 50 Abs. 1 AlVG hat den Zweck, die Behörde in die Lage zu versetzen, jede Änderung in den Verhältnissen des Arbeitslosen, die zu einer Änderung des Leistungsanspruches führen könnte, darauf hin zu prüfen, ob die Leistung einzustellen oder zu ändern ist. Der Beschwerdeführerin kann nicht zweifelhaft gewesen sein, dass der Familienbeihilfeanspruch für ihren Sohn zu den genannten Verhältnissen gehört, zumal sie in ihren früheren Anträgen den Bezug der Familienbeihilfe bekannt gegeben hat. Überdies hätte sie eine Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse auch dann dem AMS zu melden, wenn diese ihrer Auffassung nach den Anspruch auf eine Leistung der Arbeitslosenversicherung nicht zu beeinflussen vermag (vgl. nochmals das Erkenntnis Zl. 2005/08/0149).

Im Gegensatz zur Auffassung der Beschwerdeführerin kommt es beim Rückforderungstatbestand des § 25 Abs. 1 erster Satz Fall 1 und 2 AlVG (unwahre Angaben, Verschweigen maßgebender Tatsachen) auch nicht darauf an, dass ein die Geldleistung aus der Arbeitslosenversicherung beeinflussender Umstand zu einem früheren Zeitpunkt bereits aktenkundig wurde oder von der Behörde hätte leicht festgestellt werden können, sowie überhaupt ein Mitverschulden der Behörde am Überbezug im Falle des Verschweigens von maßgeblichen Tatsachen oder unwahren Angaben ohne Belang ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 18. Februar 2004, Zl. 2002/08/0137). Soweit die Beschwerde schließlich vorbringt, die belangte Behörde habe "das Berufungsvorbringen der Beschwerdeführerin nicht ausreichend begründend widerlegt", ist zu bemerken, dass der bloße Verweis auf ein Vorbringen im Verwaltungsverfahren keine gesetzmäßige Darlegung von Beschwerdegründen darstellt und daher unbeachtlich ist (vgl. die bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, Seite 250, zitierte hg. Judikatur sowie etwa die hg. Erkenntnisse vom 14. Februar 2002, Zl. 2002/18/0002, und vom 13. Februar 2007, Zl. 2004/18/0368).

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Zuerkennung von Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008. Wien, am 9. September 2009

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