VwGH 2006/06/0005

VwGH2006/06/000526.5.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Bernegger und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Zykan, über die Beschwerde des Dipl. Ing. GG in S, vertreten durch die Rechtsanwälte Mandl GmbH in 6800 Feldkirch, Churerstraße 3, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Feldkirch vom 6. Juli 2004, Zl. BHFK-II-4151-2004/0003, betreffend Einwendungen gegen eine Baubewilligung (mitbeteiligte Parteien:

1. A GmbH in R, vertreten durch Dr. Manfred Ammann, Rechtsanwalt in 6830 Rankweil, Reitweg 7; im Zuge des Beschwerdeverfahrens wurde über das Vermögen der erstmitbeteiligten Partei der Konkurs eröffnet und Dr. Christian Hopp, Rechtsanwalt in 6800 Feldkirch, Reichsstraße 126, zum Masseverwalter bestellt; 2. Marktgemeinde R, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §8;
BauG Vlbg 2001 §26 Abs1 litc;
BauG Vlbg 2001 §26 Abs1;
BauG Vlbg 2001 §4 Abs2;
BauG Vlbg 2001 §8;
BauRallg;
RPG Vlbg 1996 §35 Abs2;
VwRallg;
AVG §8;
BauG Vlbg 2001 §26 Abs1 litc;
BauG Vlbg 2001 §26 Abs1;
BauG Vlbg 2001 §4 Abs2;
BauG Vlbg 2001 §8;
BauRallg;
RPG Vlbg 1996 §35 Abs2;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Vorarlberg Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 und der erstmitbeteiligten Partei in der Höhe von EUR 1.106,40 jeweils binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem am 26. September 2003 eingebrachten Baugesuch vom 25. September 2003 kam die erstmitbeteiligte Partei (kurz: Bauwerberin) um die Erteilung der baubehördlichen Bewilligung für die Errichtung einer Wohnanlage bestehend aus 11 Wohnungen mit 11 Abstell- und 14 Einstellplätzen auf einem Areal im Gemeindegebiet ein, das von der öffentlichen Verkehrsfläche (Gemeindestraße) "Knappenweg" erschlossen wird. Der Beschwerdeführer ist Eigentümer einer an das zu bebauende Areal einerseits und an den Knappenweg andererseits angrenzenden, bebauten Liegenschaft.

Der Beschwerdeführer erhob in der Bauverhandlung vom 4. November 2003 verschiedene Einwendungen gegen das Vorhaben (darunter auch betreffend geologische und statische Fragen) und brachte - soweit für das Beschwerdevorbringen noch erheblich - vor, der Knappenweg weise eine Mindestbreite von lediglich 2,60 m auf. Damit werde den Voraussetzungen des § 4 Abs. 2 des Baugesetzes nicht entsprochen. In diesem Zusammenhang erachte er sich auch "in seiner Gesundheit, insbesondere Blendwirkung und Lärm betreffend die Reversiertätigkeiten" beeinträchtigt, weil der vordere Bereich des Zufahrtsweges einen Begegnungsverkehr nicht einmal zwischen zweispurigen und einspurigen Fahrzeugen ermögliche und somit mit Staubildungen in diesem Bereich zu rechnen sei (Anmerkung: die Liegenschaft des Beschwerdeführers grenzt an diesen "vorderen Teil" des Zufahrtweges).

Mit dem erstinstanzlichen Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Marktgemeinde vom 28. November 2003 wurde die angestrebte Baubewilligung mit verschiedenen Vorschreibungen erteilt; die Einwendungen des Beschwerdeführers wurden teils als unzulässig und teils als unberechtigt erachtet. Zur verkehrstechnischen Aufschließung vertrat die Behörde unter Hinweis auf gutachterliche Stellungnahmen die Auffassung, dass die Erschließung durch den Knappenweg ausreichend sei. Hinsichtlich der Frage einer Gesundheitsgefährdung durch das Verkehrsgeschehen auf dem Zufahrtsweg mache der Beschwerdeführer keine Nachbarrechte geltend.

Der Beschwerdeführer erhob Berufung, die mit Berufungsbescheid der Berufungskommission vom 18. Februar 2004 als unbegründet abgewiesen wurde. Zu verkehrstechnischen Fragen teilte die Berufungsbehörde (mit näheren Ausführungen) die Auffassung der Behörde erster Instanz. Hinsichtlich allfälliger Auswirkungen auf Nachbarn durch den Verkehr verwies die Berufungsbehörde auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wonach Immissionen, die sich im Rahmen des in der Widmungskategorie üblichen Ausmaßes hielten, von den Nachbarn hinzunehmen seien. Die konsensgemäße Verwendung einer Wohnanlage im Wohngebiet könne keine das ortsübliche Ausmaß übersteigende Belästigung oder Gefährdung der Nachbarn herbeiführen. Die Einholung eines diesbezüglichen Gutachtens sei daher nicht geboten gewesen (auch die weiteren Einwendungen des Beschwerdeführers wurden von der Berufungsbehörde als unberechtigt erachtet).

Der Beschwerdeführer erhob Vorstellung, der mit dem angefochtenen Bescheid keine Folge gegeben wurde. Zur Begründung führte die belangte Behörde aus, einem Nachbarn stehe hinsichtlich der Verkehrsverhältnisse auf öffentlichen Verkehrsflächen kein Mitspracherecht zu, ebenso wenig hinsichtlich der Vorschriften über eine ausreichende Zufahrt zum Bauplatz. Es gebe auch kein Mitspracherecht hinsichtlich Immissionen, die nicht durch das Bauwerk und seine widmungsgemäße Benützung selbst entstünden, sondern durch den Verkehr verursacht würden, der sich auf einem den Bauplatz berührenden Weg abspiele. Für vermutete Beeinträchtigungen, die künftigen Bewohner des zu errichtenden Bauwerkes bzw. deren Besucher würden die Liegenschaft des Beschwerdeführers ungerechtfertigt in Anspruch nehmen, räume das Baugesetz dem Beschwerdeführer kein Nachbarrecht ein. Seine Liegenschaft müsse infolge vorgeschriebener technischer Maßnahmen für die Zu- und Abfahrt zur projektierten Wohnanlage nicht zwingend benützt werden. Auch seien dem bekämpften Berufungsbescheid diesbezüglich keine zivilrechtlichen Vorschreibungen und Eingriffe ihm gegenüber zu entnehmen. Seine Ausführungen bezögen sich auf die künftige Verkehrssituation auf öffentlichen Straßen sowie zu den Erfordernissen des § 4 Abs. 2 BauG, dazu komme ihm aber kein Mitspracherecht zu.

Die konsensgemäße Verwendung einer Wohnanlage im Wohngebiet könne keine das ortsübliche Ausmaß übersteigende Belästigung oder Gefährdung der Nachbarn herbeiführen.

Der Beschwerdeführer habe im Zuge der Bauverhandlung vom 4. November 2003 vorgebracht, er erachte sich "auch in seiner Gesundheit, insbesondere Blendwirkung und Lärm betreffend die Reversiertätigkeiten" beeinträchtigt, weil der vordere Bereich des Zufahrtsweges einen Begegnungsverkehr nicht einmal zwischen zweispurigen und einspurigen Fahrzeugen ermögliche und somit mit Staubildungen in diesem Bereich zu rechnen sei. Soweit er damit auf Immissionen von Fahrzeugen auf Verkehrsflächen der geplanten Wohnanlage Bezug nehmen sollte, sei sinngemäß auf das zuvor Gesagte zu verweisen.

Zur Gewährung von Ausnahmen gemäß § 35 RPG komme dem Beschwerdeführer kein Mitspracherecht zu.

Dagegen erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der mit Beschluss vom 14. Dezember 2005, B 1115/04-13, die Behandlung der Beschwerde ablehnte und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.

In der für den Fall der Abtretung bereits ausgeführten Beschwerde wird inhaltliche Rechtswidrigkeit, hilfsweise Rechtswidrigkeit wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und, ebenso wie die mitbeteiligte Bauwerberin, in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

In weiterer Folge hat der Beschwerdeführer (im Hinblick darauf, dass die Anlage bereits errichtet wurde) sein Vorbringen (die Beschwerdegründe) eingeschränkt. Er hat sodann auch Lichtbilder betreffend die "prekäre Zufahrtsituation" vorgelegt (das eine ist ident mit den beiden Bildern, die bei der Bauverhandlung in Ablichtung vorgelegt wurden, das andere ist ähnlich - wohl die gleiche Situation).

Die Bauwerberin (durch ihren Vertreter) sowie auch der Masseverwalter haben ebenfalls bekannt gegeben, dass das Bauvorhaben bereits fertig gestellt worden sei.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Im Beschwerdefall ist das Vorarlberger Baugesetz, LGBl. Nr. 52/2001 (BauG), in der Fassung LGBl. Nr. 27/2005 anzuwenden.

Die §§ 4, 8 und 26 BauG lauten (auszugsweise):

"§ 4

Baugrundstücke, Erschließung, Naturgefahren

(1) Baugrundstücke für Gebäude müssen eine solche Lage, Form und Größe haben, dass auf ihnen den Bestimmungen dieses Gesetzes entsprechende Gebäude errichtet werden können.

(2) Jedes Baugrundstück muss eine rechtlich gesicherte Verbindung mit einer öffentlichen Verkehrsfläche haben, wobei diese Verbindung und die öffentliche Verkehrsfläche der beabsichtigten Verwendung des Bauwerkes entsprechen müssen, das auf dem Baugrundstück errichtet werden soll. Überdies muss eine entsprechende Wasserversorgung sowie Beseitigung des Abwassers und Oberflächenwassers gesichert sein.

(3) Ein Baugrundstück darf nur so bebaut werden, dass weder das Bauwerk selbst noch Nachbargrundstücke durch Lawinen, Wasser, Vermurungen, Steinschlag, Rutschungen u.dgl. gefährdet werden."

"§ 8

Immissionsschutz

Bauwerke, ortsfeste Maschinen und sonstige ortsfeste technische Einrichtungen dürfen keinen Verwendungszweck haben, der eine das ortsübliche Ausmaß übersteigende Belästigung oder eine Gefährdung des Nachbarn erwarten lässt. Ob eine Belästigung das ortsübliche Ausmaß übersteigt, ist unter Berücksichtigung der Flächenwidmung am Standort des Bauvorhabens zu beurteilen."

"§ 26

Nachbarrechte, Übereinkommen

(1) Der Nachbar hat im Verfahren über den Bauantrag das Recht, durch Einwendungen die Einhaltung der folgenden Vorschriften geltend zu machen:

a) § 4 Abs. 3, soweit mit Auswirkungen auf sein Grundstück zu rechnen ist;

  1. b) §§ 5 bis 7, soweit sie dem Schutz des Nachbarn dienen;
  2. c) § 8, soweit mit Immissionen auf seinem Grundstück zu rechnen ist.

(2) Einwendungen des Nachbarn, mit denen die Verletzung anderer als im Abs. 1 genannter öffentlich-rechtlicher Vorschriften behauptet wird, sind als unzulässig zurückzuweisen.

(3) ..."

Zutreffend haben die Behörden des Verwaltungsverfahrens erkannt, dass dem Nachbarn mangels Aufzählung im Katalog des § 26 Abs. 1 BauG kein Mitspracherecht zur Frage zukommt, ob das zu bebauende Grundstück über eine entsprechende Zufahrt im Sinne des § 4 Abs. 2 leg. cit. verfügt; ebenso wenig kommt ihm ein Mitspracherecht dahin zu, dass sich die Verkehrsverhältnisse auf öffentlichen Verkehrsflächen (daher auch auf dem Knappenweg, der als Zufahrtsweg dienen soll) nicht ändern, und damit im Zusammenhang, dass durch die Verkehrsverhältnisse (durch die Änderung der Verkehrsverhältnisse) auf der öffentlichen Verkehrsfläche keine Beeinträchtigungen entstehen (siehe dazu beispielsweise das hg. Erkenntnis vom 31. Jänner 2008, Zl. 2007/06/0144, mwN).

Nach dem Vorbringen des Beschwerdeführers entstünden die eingewendeten Immissionen (Gesundheitsschädigung durch Lichteinwirkung und Lärm, es werden nun auch Abgase angesprochen) dadurch, dass es auf dem Knappenweg wegen seiner zu geringen Breite (festgestellt wurde im Verfahren die geringste Breite an einer bestimmten Stelle von 2,68 m) zu einer Staubildung kommen werde, die - dahin ist das Beschwerdevorbringen zu verstehen - auch zu einem Rückstau auf der zu bebauenden Liegenschaft führen werde. Dem ist aber zu entgegnen, dass der Beschwerdeführer damit nur befürchtete Beeinträchtigungen durch eine behauptete mangelnde Eignung der Zufahrtsstraße geltend macht; diese angeführten Beeinträchtigungen als Folge einer Engstelle auf der Straße können nicht dem § 8 BauG subsumiert werden, wie die belangte Behörde zutreffend erkannt hat.

Eine Verletzung von subjektiv-öffentlichen Nachbarrechten zeigt der Beschwerdeführer somit diesbezüglich nicht auf.

Zur Frage, ob die vom Gemeindevorstand erteilte Ausnahmebewilligung gemäß § 35 Abs. 2 des Raumplanungsgesetzes rechtens war, kommt dem Nachbarn ebenfalls mangels Aufzählung im Katalog des § 26 Abs. 1 BauG ein Mitspracherecht nicht zu (siehe dazu das hg. Erkenntnis vom 22. Oktober 2008, Zl. 2008/06/0103).

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 26. Mai 2009

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