Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Oberösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, damals ein Staatsangehöriger von Indien, hatte am 30. August 2001 eine österreichische Staatsbürgerin geheiratet und befindet sich seit 11. Juni 2000 mit ununterbrochenem Hauptwohnsitz in Österreich. Im September 2003 beantragte er die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft. Anlässlich der - gemäß § 11a Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 idF BGBl. I Nr. 124/1998 (StbG) erfolgten - Verleihung der Staatsbürgerschaft am 3. Dezember 2004 wurde mit dem Beschwerdeführer eine Niederschrift aufgenommen, in der er u.a. erklärte, dass seine Ehe immer noch aufrecht sei, er mit seiner Ehegattin im gemeinsamen Haushalt lebe und kein Verfahren auf Ehescheidung anhängig sei.
Im Juli 2005 wurde der belangten Behörde durch Mitteilung der Bundespolizeidirektion Linz zur Kenntnis gebracht, dass die Ehe des Beschwerdeführers mit Beschluss des Bezirksgerichtes Linz vom 14. Juni 2005 gemäß § 55a EheG geschieden worden sei.
Nach Durchführung eines Ermittlungsverfahrens nahm die belangte Behörde mit Bescheid vom 6. April 2006 (erlassen im September 2006) das Verfahren zur Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft an den Beschwerdeführer von Amts wegen mit der Wirkung wieder auf, dass es sich in dem Stadium befinde, indem es sich vor Erlassung des Verleihungsbescheides befunden habe (Spruchteil A). Unter einem wies sie den Verleihungsantrag gemäß § 11a StbG ab (Spruchteil B).
Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof - nach Aktenvorlage und Erstattung einer Gegenschrift seitens der belangten Behörde - erwogen:
1. Die belangte Behörde hat die Wiederaufnahme des Verleihungsverfahrens auf § 69 Abs. 1 Z. 2 AVG gestützt. Das ergibt sich ungeachtet dessen, dass diese Bestimmung im Spruchteil A des angefochtenen Bescheides keine Erwähnung findet, klar daraus, dass zu Beginn der Bescheidbegründung § 69 Abs. 1 Z. 2 AVG zitiert und auch im Folgenden lediglich auf diesen Wiederaufnahmetatbestand Bezug genommen wird. Die Wiederaufnahme eines Verleihungsverfahrens nach § 69 Abs. 1 Z. 2 AVG darf freilich gemäß § 24 StbG nur verfügt werden, wenn der Betroffene hiedurch nicht staatenlos wird (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 22. November 2005, Zl. 2005/01/0050).
2. Der angefochtene Bescheid enthält in diesem Zusammenhang folgende Begründung (Anonymisierung durch den Verwaltungsgerichtshof):
"Obwohl das indische Recht einen ex lege Verlust der indischen Staatsangehörigkeit bei Erwerb einer anderen Staatsangehörigkeit vorsieht, ist nicht davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer durch diesen Bescheid in die Staatenlosigkeit entlassen wird. Zum einen kann der Beschwerdeführer mittels dieses Bescheides indischen Behörden gegenüber beweisen, dass der Erwerb der österreichischen Staatsangehörigkeit gar nicht eingetreten ist. Zum anderen gibt es zwischen Österreich und Indien keine Mitteilungspflichten, sodass zweifelhaft ist, dass durch Indien der Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft überhaupt zur Kenntnis genommen wurde."
3. Dem ist nicht zu folgen. Die belangte Behörde geht davon aus, dass der Beschwerdeführer mit dem Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft die indische Staatsangehörigkeit nach indischem Recht ex lege verloren hat. Dass der Beschwerdeführer im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides neben der österreichischen Staatsbürgerschaft noch eine andere Staatsangehörigkeit besessen hat, hat die belangte Behörde nicht festgestellt. Feststellungen dahingehend, dass das indische Recht Bestimmungen enthält, die ein Wiederaufleben einer durch den Erwerb einer fremden Staatsangehörigkeit verloren gegangenen indischen Staatsangehörigkeit im Falle des nachträglichen (rückwirkenden) Wegfalles des Erwerbs der fremden Staatsangehörigkeit vorsehen, enthält der angefochtene Bescheid ebenfalls nicht. Demgemäß ist nicht ersichtlich, dass der Beschwerdeführer durch die Verfügung der Wiederaufnahme des Verleihungsverfahrens nicht staatenlos wird. Dass der Beschwerdeführer allenfalls gegenüber indischen Behörden "beweisen" kann, dass der Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft (infolge einer nachträglich verfügten, mit rückwirkender Kraft ausgestatteten Wiederaufnahme des Verleihungsverfahrens) nicht eingetreten ist, legt noch nicht dar, dass in einem solchen Fall die indische Staatsangehörigkeit (von Gesetzes wegen) wiederauflebt. Dass "zweifelhaft ist", ob der Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft von indischen Behörden zur Kenntnis genommen wurde, vermag nichts daran zu ändern, dass der belangten Behörde zufolge mit diesem Erwerb nach indischem Recht der Verlust der indischen Staatsangehörigkeit eingetreten ist.
4. Da die belangte Behörde dies verkannte, ist der bekämpfte Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes behaftet und war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben, ohne dass auf die Beschwerdeausführungen und die darauf replizierenden Erwägungen in der Gegenschrift näher eingegangen werden müsste. Der Vollständigkeit halber ist freilich darauf hinzuweisen, dass die Behörde nicht deshalb von der Einvernahme eines beantragten Zeugen zu einem relevanten Beweisthema absehen darf, weil dieser mitteilt, nicht erscheinen oder nicht aussagen zu wollen, über den Sachverhalt nichts zu wissen oder einfach nicht erscheint (vgl. dazu nur die bei Hengstschläger/Leeb, AVG, § 48 Rz 15, zitierte hg. Judikatur). Im Übrigen trifft es zwar zu, dass nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes eine telefonische Befragung an Stelle einer förmlichen Zeugeneinvernahme nach § 46 AVG als Beweismittel in Betracht kommt, wenn sie zur Feststellung des maßgebenden Sachverhaltes geeignet und nach Lage des Falles zweckdienlich ist. Das zuletzt genannte Erfordernis wird von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dahingehend präzisiert, dass sich die Behörde in Fällen, die nicht weiter strittig sind, mit einer formlosen Befragung als Beweismittel begnügen kann. Wo aber widersprechende Beweisergebnisse vorliegen und der Beweiswürdigung besondere Bedeutung zukommt, ist es im Interesse der Erforschung der materiellen Wahrheit nicht zulässig, sich mit solchen Befragungen zu begnügen. Diesfalls hat die Behörde entsprechend dem Grundsatz der Amtswegigkeit des Verfahrens jene Personen, die zunächst nur formlos befragt wurden, als Zeugen niederschriftlich zu vernehmen, insbesondere dann, wenn die Einvernahme dieser Personen als Zeugen von der Partei ausdrücklich beantragt wurde (vgl. das hg. Erkenntnis vom 2. April 2008, Zl. 2005/08/0017, mwN).
5. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.
Wien, am 25. November 2009
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