VwGH 2008/22/0874

VwGH2008/22/087410.12.2008

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Heinzl und die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, in den Beschwerdesachen 1. des SS und 2. der ES, beide in W, beide vertreten durch Mag. Robert Bitsche, Rechtsanwalt in 1050 Wien, Nikolsdorfergasse 7-11/2, jeweils gegen Spruchpunkt 1 der Bescheide des Landeshauptmanns von Wien vom 4. September 2008,

1. Zlen. MA35-9/0861325-01-7, MA35-9/0861325-02-7, MA35-9/0861325- 03-7, MA35-9/0861325-04-7, und 2. Zl. MA35-9/2079197-03+04-7, jeweils betreffend Wiederaufnahme i.A. Aufenthaltstitelverfahren, den Beschluss gefasst:

Normen

AVG §69 Abs1 Z1;
AVG §69 Abs3;
AVG §70 Abs3;
VwGG §34 Abs1;
AVG §69 Abs1 Z1;
AVG §69 Abs3;
AVG §70 Abs3;
VwGG §34 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerden werden zurückgewiesen.

Begründung

Mit den in ihrem jeweiligen Spruchpunkt 1 angefochtenen Bescheiden verfügte der Landeshauptmann von Wien (belangte Behörde) gemäß § 69 Abs. 1 Z 1 iVm Abs. 3 AVG von Amts wegen die Wiederaufnahme bereits rechtskräftig abgeschlossener Verfahren betreffend Erteilung von Aufenthaltstiteln. Die (minderjährige) Zweitbeschwerdeführerin ist die Tochter des Erstbeschwerdeführers. Beide sind türkische Staatsangehörige.

Begründend führte die belangte Behörde (auf das hier Wesentliche zusammengefasst) aus, im Jahr 2005 sei hervor gekommen, dass es sich bei der vom Erstbeschwerdeführer am 18. Februar 2000 mit der österreichischen Staatsbürgerin Brigitte S geschlossenen Ehe um eine "Aufenthaltsehe" gehandelt habe. Die auf Grund der von ihm danach gestellten Anträge vom 31. März 2000, 29. März 2001, 11. März 2002 und 13. März 2003 sowie das auf Grund des Antrages der Zweitbeschwerdeführerin vom 14. Oktober 2003 rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren seien von Amts wegen wiederaufzunehmen gewesen, weil die infolge dieser Anträge erteilten Aufenthaltstitel erschlichen worden und in den Verfahren bewusst Täuschungshandlungen gesetzt worden seien. Unter einem wies die belangte Behörde sämtliche Anträge auf Erteilung von Aufenthaltstitel gemäß § 11 Abs. 2 Z 1 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz - NAG ab. Darüber hinaus enthalten die angefochtenen Bescheide Rechtsmittelbelehrungen zu ihren Spruchpunkten 1, wonach gemäß § 70 Abs. 3 AVG eine Berufung nicht zulässig sei, sowie in diesem Zusammenhang jeweils den Hinweis, dass gegen die Spruchpunkte 1 Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof und beim Verfassungsgerichtshof eingebracht werden könne.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diese Bescheide gerichteten Beschwerden in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 1 lit. a VwGG gebildeten Senat erwogen:

Gemäß § 69 Abs. 3 AVG kann unter den Voraussetzungen des § 69 Abs. 1 AVG die Wiederaufnahme eines Verfahrens auch von Amts wegen verfügt werden. Nach Ablauf von drei Jahren nach Erlassung des Bescheides kann die Wiederaufnahme auch von Amts wegen nur mehr aus den Gründen des § 69 Abs. 1 Z 1 AVG stattfinden. Die Entscheidung über die Wiederaufnahme steht der Behörde zu, die den Bescheid in letzter Instanz erlassen hat, wenn jedoch in der betreffenden Sache ein unabhängiger Verwaltungssenat entschieden hat, diesem (§ 69 Abs. 4 AVG). Nach § 70 Abs. 3 AVG steht einem Antragsteller gegen die Ablehnung eines Antrages auf Wiederaufnahme das Recht der Berufung an die im Instanzenzug übergeordnete Behörde, wenn aber in der Sache eine Berufung an den unabhängigen Verwaltungssenat vorgesehen ist, an diesen zu. Gegen die Bewilligung oder die Verfügung der Wiederaufnahme ist eine abgesonderte Berufung nicht zulässig.

Die belangte Behörde begründete ihre Zuständigkeit mit den Bestimmungen des NAG. Gemäß § 3 Abs. 1 NAG ist Behörde nach diesem Bundesgesetz der örtlich zuständige Landeshauptmann. Nach § 3 Abs. 2 NAG entscheidet über Berufungen gegen Entscheidungen des Landeshauptmannes der Bundesminister für Inneres.

Entgegen der in der Rechtsmittelbelehrung der belangten Behörde ausgedrückten Ansicht ist gemäß § 70 Abs. 3 AVG eine Berufung gegen einen die Wiederaufnahme verfügenden Bescheid nicht schlechthin unzulässig. § 70 Abs. 3 AVG sieht nämlich diesbezüglich lediglich vor, dass gegen derartige Entscheidungen eine abgesonderte Berufung nicht zulässig ist.

Bei der Beurteilung der Zulässigkeit einer Beschwerde gegen einen die Wiederaufnahme verfügenden Bescheid ist Art. 131 Abs. 1 Z 1 B-VG zu beachten, wonach Beschwerde erst nach Erschöpfung des Instanzenzuges erhoben werden kann. Eine Beschwerde gegen einen Bescheid, mit dem die Wiederaufnahme eines Verwaltungsverfahrens verfügt wird, ist mangels Erschöpfung des Instanzenzuges dann zurückzuweisen, wenn gegen diesen Bescheid noch eine - wenn auch keine abgesonderte - Berufung zusteht, so wie dies nach § 70 Abs. 3 zweiter Satz AVG, wenn es sich nicht um letztinstanzliche Wiederaufnahmebescheide handelt, der Fall ist. Lediglich dann, wenn es sich um einen im Administrativverfahren nicht anfechtbaren Bescheid handelt, ist die Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof zulässig (vgl. die in Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2, § 70, E 41, wiedergegebene hg. Rechtsprechung).

In den gegenständlichen Fällen steht den Beschwerdeführern gegen die angefochtenen Bescheide hinsichtlich der Entscheidungen in den wiederaufgenommenen Verfahren gemäß § 3 Abs. 2 NAG das Rechtsmittel der Berufung an den Bundesminister für Inneres offen. Wenngleich die hier bekämpften Aussprüche der belangten Behörde über die Verfügungen der Wiederaufnahme nicht abgesondert mit Berufung bekämpft werden können, so können diese aber doch gemeinsam mit der Bekämpfung der die Anträge abweisenden Entscheidungen in Berufung gezogen werden.

Mangels Erschöpfung des Instanzenzuges waren sohin die gegenständlichen Beschwerden gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren als unzulässig zurückzuweisen.

Wien, am 10. Dezember 2008

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