Normen
AVG §38;
AVG §69;
FrPolG 2005 §53 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
AVG §38;
AVG §69;
FrPolG 2005 §53 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
Spruch:
Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von jeweils EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Erstbeschwerdeführerin und der Zweitbeschwerdeführer sind miteinander verheiratet, die 1989, 1986 und 1992 geborenen Dritt-, Viert- und Fünftbeschwerdeführer sind deren Kinder. Alle sind iranische Staatsangehörige.
Die Erstbeschwerdeführerin reiste mit den Kindern bereits Anfang Dezember 2000 per Flugzeug nach Österreich ein; der Zweitbeschwerdeführer folgte ihnen Ende Juli 2001. Sie stellten jeweils unmittelbar nach ihrer Einreise Asylanträge (Erstbeschwerdeführerin und Zweitbeschwerdeführer) bzw. Asylerstreckungsanträge (Dritt- bis Fünftbeschwerdeführer). Diese Anträge wurden mit den im Instanzenzug ergangenen Bescheiden des unabhängigen Bundesasylsenates vom 17. bzw. 24. November 2004 abgewiesen. Der Verwaltungsgerichtshof lehnte die Behandlung der dagegen erhobenen Beschwerden, denen die aufschiebende Wirkung zuerkannt worden war, mit Beschlüssen vom 17. Oktober 2006 ab. Den daraufhin am 28. November 2006 eingebrachten Anregungen auf Erteilung von Niederlassungsbewilligungen aus humanitären Gründen wurde nicht gefolgt.
Mit Bescheiden der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn vom 18. September 2007 wurden die Beschwerdeführer gemäß § 53 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG aus dem Bundesgebiet ausgewiesen. Die dagegen erhobenen Berufungen wurden mit den nunmehr angefochtenen Bescheiden der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich (der belangten Behörde) vom 12. März 2008 abgewiesen.
In der Begründung der im Wesentlichen inhaltsgleichen Bescheide gab die belangte Behörde zunächst den erstinstanzlichen Bescheid und die Berufung wieder und zitierte die maßgeblichen Rechtsvorschriften. Im Rahmen der rechtlichen Beurteilung führte sie dann anknüpfend an die Beendigung der Asylverfahren weiter aus, die Beschwerdeführer hielten sich seit 17. Oktober 2006, somit seit ca. eineinhalb Jahren, rechtswidrig im Bundesgebiet auf. Bereits ein mehrmonatiger unrechtmäßiger Aufenthalt gefährde aber die öffentliche Ordnung in hohem Maße, weshalb die Ausweisung der Beschwerdeführer gemäß § 66 Abs. 1 FPG dringend geboten sei.
Der Erstbeschwerdeführerin und dem Zweitbeschwerdeführer seien zwar "zweifelsohne bereits der Schritt ins Erwerbsleben gelungen" und sie hätten auch einen "entsprechenden Freundeskreis" aufbauen können. Von einer Integration der Beschwerdeführer könne jedoch schon insofern nicht ausgegangen werden, als sie sich den überwiegenden Teil ihres Aufenthaltes "im Asylverfahren befunden" hätten, sie also nicht damit hätten rechnen dürfen, dauerhaft in Österreich verbleiben zu können. Daran ändere auch die Tatsache nichts, dass die Kinder in Österreich bereits eine Ausbildung genossen hätten.
Die öffentliche Ordnung werde aber schwerwiegend beeinträchtigt, wenn sich einwanderungswillige Fremde unerlaubt nach Österreich begeben, um damit die inländischen Behörden vor vollendete Tatsachen zu stellen. Das gelte auch dann, wenn Fremde nach Auslaufen einer Aufenthaltsberechtigung bzw. nach Abschluss eines Asylverfahrens das Bundesgebiet nicht rechtzeitig verlassen. Die Ausweisung sei in solchen Fällen erforderlich, um jenen Zustand herzustellen, der bestünde, wenn sich der Fremde gesetzestreu verhalten hätte. Vor diesem Hintergrund sei auch das Ermessen nicht zugunsten der Beschwerdeführer zu üben, insbesondere weil das den Beschwerdeführern vorwerfbare (Fehl-)Verhalten (illegaler Aufenthalt) im Verhältnis zu der geltend gemachten Integration (Aufenthalt in Österreich seit 2001 mit den Familienangehörigen und Erwerbstätigkeit) überwiege. Soweit in der Berufung verschiedene Krankheiten der Beschwerdeführer ins Treffen geführt worden seien, sei nicht nachgewiesen, dass deren Behandlung nur in Österreich möglich sei.
Gegen diese Bescheide richten sich die vorliegenden Beschwerden, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde gemeinsam erwogen hat:
Unter der Überschrift "Ausweisung Fremder ohne Aufenthaltstitel" ordnet § 53 Abs. 1 FPG an, dass Fremde mit Bescheid ausgewiesen werden können, wenn sie sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten. In den Beschwerden wird zugestanden, dass die Asylverfahren der Beschwerdeführer rechtskräftig beendet sind. Den Beschwerden sind auch keine Behauptungen zu entnehmen, dass eine der Voraussetzungen für einen rechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet gemäß § 31 Abs. 1 FPG - insbesondere die Erteilung eines Aufenthaltstitels - bei den Beschwerdeführern vorläge. Dafür bestehen nach der Aktenlage auch keine Anhaltspunkte, sodass keine Bedenken gegen die behördliche Annahme bestehen, der Ausweisungstatbestand des § 53 Abs. 1 FPG sei im vorliegenden Fall verwirklicht.
In diesem Zusammenhang ist im Übrigen der in den Beschwerden (unter Bezugnahme auf Judikatur des Verwaltungsgerichthofes zum Fremdengesetz 1997) mehrfach geäußerten Meinung entgegen zu treten, die belangte Behörde wäre verpflichtet gewesen, mit der Ausweisung bis zur Beendigung des Verfahrens betreffend einen humanitären Aufenthaltstitel zuzuwarten. Der Verwaltungsgerichtshof hat nämlich für die Rechtslage zum FPG schon klargestellt, dass eine derartige Verpflichtung nicht besteht (vgl. zuletzt das hg. Erkenntnis vom 17. Juli 2008, Zl. 2008/21/0220, mit dem Hinweis auf das Erkenntnis vom 31. März 2008, Zlen. 2008/21/0081 bis 0084). Gleiches gilt aber - entgegen der Meinung in den Beschwerden - auch hinsichtlich eines noch nicht erledigten Antrages auf Wiederaufnahme der Asylverfahren, sodass der Rüge, die belangte Behörde habe sich mit dem Vorbringen im Wiederaufnahmeantrag nicht auseinandergesetzt, die Relevanz fehlt (vgl. idS etwa Punkt II.3. der Entscheidungsgründe des hg. Erkenntnisses vom 7. November 2003, Zl. 2003/18/0195, und aus der jüngeren Vergangenheit Punkt II 1. der Entscheidungsgründe des schon zum FPG ergangenen Erkenntnisses vom 25. September 2007, Zl. 2007/18/0372).
Würde durch eine Ausweisung in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist sie gemäß § 66 Abs. 1 FPG nur dann zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Bei einer Entscheidung über eine Ausweisung ist der Behörde Ermessen eingeräumt.
Unter diesem Gesichtspunkt kritisieren die Beschwerdeführer vor allem, die belangte Behörde habe die Interessenabwägung nur kursorisch vorgenommen. Sie verweisen in diesem Zusammenhang einerseits auf die lange Aufenthaltsdauer aller Familienmitglieder und andererseits auf die während dieser Zeit erlangte Integration, insbesondere auf die Erwerbstätigkeit der Eltern, die erfolgreiche Schulausbildung der Kinder, die Schaffung eines Freundeskreises und die völlige Unbescholtenheit sowie auf das Fehlen von Bindungen zu ihrem Heimatstaat.
Diesem Vorbringen kommt Berechtigung zu:
Die Beschwerdeführer sind nämlich insofern im Recht, als den angefochtenen Bescheiden nicht zu entnehmen ist, dass die belangte Behörde auf die fallbezogenen Besonderheiten ausreichend Bedacht genommen hätte. Die Beschwerdeführer können nämlich auf eine mittlerweile doch sehr lange Aufenthaltsdauer in Österreich (bis zum Bescheiderlassungszeitpunkt am 18. März 2008) von sechs Jahren und acht Monaten beim Zweitbeschwerdeführer bzw. bei den anderen Beschwerdeführern sogar von sieben Jahren und drei Monaten verweisen, in denen sowohl die Erstbeschwerdeführerin als auch der Zweitbeschwerdeführer - dieser im Wesentlichen durchgehend - schon seit mehreren Jahren (beginnend 2002) einer Beschäftigung nachgegangen sind. Von daher gleicht der Fall weitgehend jenem, der dem hg. Erkenntnis vom 17. Juli 2008, Zl. 2007/21/0074, zugrunde lag. Auf die Entscheidungsgründe dieses Erkenntnisses kann daher insoweit gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen werden.
Darüber hinaus hat die belangte Behörde zu Unrecht den in der Berufung näher dargestellten Schulerfolgen der Kinder (v.a. Besuch der Fachhochschule für Elektronik bzw. Absolvierung der Handelsschule) und deren aktenkundigen weiteren Aktivitäten zur sozialen Integration (Musikschule, Sportverein) sowie dem Besuch von Kursen durch die Eltern zur Verbesserung der Deutschkenntnisse keine Bedeutung beigemessen. Es hätte sich die belangte Behörde somit - auch vor dem Hintergrund, dass die Kinder einen Großteil ihres Lebens in Österreich zugebracht haben - eingehender mit den konkreten Auswirkungen der verfügten Aufenthaltsbeendigung auf das Privat- und Familienleben aller Beschwerdeführer befassen müssen. Die nur formelhaft vorgenommene Interessenabwägung wird den Besonderheiten dieses Falles nicht gerecht (vgl. zum Ganzen auch das hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2008/21/0087).
Angesichts der den angefochtenen Bescheiden anhaftenden Begründungsmängel waren diese somit gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.
Wien, am 18. September 2008
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