VwGH 2008/21/0437

VwGH2008/21/043723.10.2008

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher, Dr. Pfiel und Mag. Eder als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Matt, über die Beschwerde des N M, geboren 1974, vertreten durch Mag. Nikolaus Rast, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Schmerlingplatz 3, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 19. März 2007, Zl. BMI- 1006904/0001-II/3/2007, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

FrPolG 2005 §60 Abs2 Z9;
FrPolG 2005 §86 Abs1;
FrPolG 2005 §87;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z9;
FrPolG 2005 §86 Abs1;
FrPolG 2005 §87;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 51,50 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid erließ die im Devolutionsweg zuständig gewordene belangte Behörde gegen den Beschwerdeführer, einen Staatsangehörigen von Serbien und Montenegro, im Instanzenzug gemäß den §§ 87 und 86 Abs. 1 iVm § 60 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 9 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG ein auf fünf Jahre befristetes Aufenthaltsverbot.

Begründend führte sie aus, der Beschwerdeführer sei im Jahr 2002 nach Österreich eingereist und habe in der Folge (als Student) Aufenthaltstitel mit Geltung bis zum 30. (richtig: 31.) Oktober 2004 erhalten. Am 28. Oktober 2004 habe er zum Schein die österreichische Staatsbürgerin A. geheiratet, um sich für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung oder eines Befreiungsscheines auf diese Ehe berufen zu können. Ein gemeinsames Familienleben im Sinn des Art. 8 EMRK sei weder beabsichtigt gewesen noch später geführt worden.

Dies folgerte die belangte Behörde aus Hauserhebungen sowie einer Einvernahme der A. am 18. März 2005, bei der sie angegeben habe, die Ehe nur aus pekuniären Gründen gegen eine Zahlung von EUR 5.000,-- eingegangen zu sein. Der Beschwerdeführer habe - obgleich an derselben Adresse gemeldet - nie bei ihr gewohnt, die Ehe sei nie vollzogen worden, auch sein aktueller Aufenthaltsort sei ihr nicht bekannt.

Es sei also der Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z. 9 FPG erfüllt, der - so sind die diesbezüglichen Ausführungen der belangten Behörde zu verstehen - für die Prognosebeurteilung bei einem Aufenthaltsverbot gegen einen Familienangehörigen einer österreichischen Staatsbürgerin gemäß § 86 Abs. 1 iVm § 87 FPG als Orientierungsmaßstab heranzuziehen sei. Die rechtsmissbräuchliche Eingehung einer Ehe zur Verschaffung fremdenrechtlicher Vorteile stelle eine tatsächliche und erhebliche Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit dar. Der Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet berühre ein Grundinteresse der Gesellschaft, nämlich das öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung im Hinblick auf die Wahrung eines geordneten Fremdenwesens. Deshalb erweise sich das Aufenthaltsverbot - auch wenn dem Beschwerdeführer eine durch seinen Aufenthalt seit 2002 und eine zwischenzeitig aufgenommene Berufstätigkeit erlangte Integration zuzubilligen sei - im Sinn des § 66 Abs. 1 FPG als dringend geboten und nach Abwägung der gegenläufigen Interessen nach § 66 Abs. 2 FPG zulässig.

Die Dauer des Aufenthaltsverbotes sei mit fünf Jahren zu befristen gewesen, weil vor Ablauf dieses Zeitraumes ein allfälliger positiver Gesinnungswandel in Bezug auf die Einstellung des Beschwerdeführers zu den österreichischen Rechtsvorschriften, die er verletzt habe, nicht erwartet werden könne.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde erwogen hat:

Eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens erblickt die Beschwerde darin, dass die belangte Behörde eine ergänzende Einvernahme der A., weiters eine Befragung des Beschwerdeführers und der bei der Eheschließung anwesenden Trauzeugen unterlassen habe. Diese Beweisaufnahme hätte es der belangten Behörde ermöglicht, "festzustellen, dass keine Scheinehe vorliegt".

Dem ist zu entgegnen, dass eine Befragung - namentlich zudem nicht konkretisierter - Trauzeugen im Verwaltungsverfahren nicht einmal beantragt wurde. Dem Beschwerdeführer selbst wurde die Möglichkeit zu schriftlichen Stellungnahmen eingeräumt, die er auch genutzt hat. Seine ergänzende Vernehmung sowie die Einvernahme der A. wurde überdies (in der Stellungnahme vom 26. September 2005) nur zum Beweis dafür gefordert, dass der Beschwerdeführer auf Grund von Streitigkeiten mit A. keinen gemeinsamen Haushalt führe und mit ihre keine wie immer geartete Beziehung mehr unterhalte. Schon im Hinblick auf diese Beweisthemen, welche die belangte Behörde ohnedies als erwiesen erachtet hat, bestand kein Anlass, die bereits von der Erstbehörde erfolgten Beweisaufnahmen durch weitere Einvernahmen im dargestellten Umfang zu ergänzen.

Im Übrigen wendet sich der Beschwerdeführer gegen die das Vorliegen einer Scheinehe bejahende Beweiswürdigung der belangten Behörde. Er argumentiert damit, dass er bereits vor der Eheschließung über Aufenthaltstitel verfügt habe. Weiters verweist er auf seine Stellungnahmen im Verwaltungsverfahren und macht geltend, dass A. ihre Aussage vom 18. März 2005 "in weiterer Folge zurückgezogen" und eine Liebesheirat mit ihm eingeräumt habe.

Letzteres kann den vorgelegten Verwaltungsakten jedoch nicht entnommen werden und stellt insgesamt eine im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof unzulässige Neuerung dar. Auch sonst gelingt es der Beschwerde nicht, eine Unschlüssigkeit der behördlichen Beweiswürdigung aufzuzeigen. Der Verwaltungsgerichtshof hegt - im Rahmen der ihm insoweit zukommenden (eingeschränkten) Prüfungsbefugnis - keine Bedenken dagegen, dass die belangte Behörde der Aussage der A. vom 18. März 2005 gefolgt ist. Diese führte nämlich - im Einklang mit der Aktenlage, woraus abzuleiten ist, dass der damals an der Technischen Universität Wien als außerordentlicher Hörer studierende Beschwerdeführer außer einer Teilnahme an Deutschkursen keinen Studienerfolg nachweisen konnte - überzeugend aus, ihn im Sommer 2004 kennen gelernt zu haben. Dabei habe er ihr "über Probleme mit seiner Aufenthaltsgenehmigung" (die er also jedenfalls subjektiv als solche verstanden hatte) erzählt und ihr angeboten, für das formelle Eingehen einer Ehe EUR 5.000,-- zu zahlen, die sie in der Folge tatsächlich erhalten habe. Die Eheschließung und die polizeiliche Anmeldung an ihrer Adresse seien nur "pro forma" erfolgt; wo der Beschwerdeführer tatsächlich wohnhaft sei, wisse sie nicht. Mit dieser Aussage stehen am 18. März 2005 vorgenommene polizeiliche Erhebungen bei Wohnungsnachbarn, die zwar den Freund der A., nicht aber den Beschwerdeführer im Haus gesehen hatten, im Einklang. Aus welchen Gründen den gegenteiligen Darstellungen des Beschwerdeführers mehr Glauben geschenkt werden sollte, legt die Beschwerde - von der dargestellten Neuerung abgesehen - darüber hinaus nicht einmal konkret dar.

Auf Basis der getroffenen Feststellungen des angefochtenen Bescheides ist davon auszugehen, dass der - für die Gefährdungsannahme iSd § 86 Abs. 1 FPG als Orientierungsmaßstab heranzuziehende - Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z. 9 FPG vorliegend verwirklicht wurde (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 17. Juli 2008, Zl. 2007/21/0363, mwN).

Die vom Beschwerdeführer begangene grobe Verletzung des als hoch zu bewertenden öffentlichen Interesses an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften kann - trotz des seit der Eheschließung verstrichenen Zeitraums - noch nicht als maßgeblich gemindert angesehen werden. Ebenso können der inländische Aufenthalt des Beschwerdeführers, seine mittlerweile begonnene Berufstätigkeit und seine sozialen Bindungen (zu Geschwistern) nicht entscheidend ins Gewicht fallen, beruhen diese Umstände letztlich doch gerade auf der (missbilligten) Berufung auf die Scheinehe (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 7. Februar 2008, Zl. 2006/21/0232).

Vor dem Hintergrund der sich hieraus ergebenden Relativierung der vom Beschwerdeführer in Österreich erlangten Integration bestehen auch keine Bedenken gegen das Ergebnis der Interessenabwägung nach § 66 Abs. 1 und 2 FPG. Auch unter dem Gesichtspunkt der Ermessensübung ist keine vom Verwaltungsgerichtshof wahrzunehmende Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides zu erkennen.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Durchführung der vom Beschwerdeführer beantragten mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG unterbleiben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.

Wien, am 23. Oktober 2008

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