VwGH 2008/21/0357

VwGH2008/21/035718.9.2008

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher, Dr. Pfiel und Mag. Eder als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Plankensteiner, über die Beschwerde des A, vertreten durch Dr. Manfred Leimer, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Landstraße 38, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 1. April 2008, Zl. 136.471/5-III/4/07, betreffend Zurückweisung eines Antrages auf Erteilung eines Aufenthaltstitels, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §13 Abs3;
NAG 2005 §45;
NAG 2005 §8 Abs1 Z3;
NAG 2005 §81 Abs1;
NAG 2005 §81;
NAGDV 2005 §12;
NAGDV 2005 §7 Abs1 Z1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;
AVG §13 Abs3;
NAG 2005 §45;
NAG 2005 §8 Abs1 Z3;
NAG 2005 §81 Abs1;
NAG 2005 §81;
NAGDV 2005 §12;
NAGDV 2005 §7 Abs1 Z1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein syrischer Staatsangehöriger, kam Ende Dezember 1989 nach Österreich und stellte einen - nach der Aktenlage - erfolglos gebliebenen Asylantrag. In der Folge wurden ihm mehrfach Aufenthaltsbewilligungen und schließlich (am 18. August 1999) eine Niederlassungsbewilligung zu jeglichem Aufenthaltszweck ausgestellt, die in dem bis 1999 gültigen Reisepass des Beschwerdeführers ersichtlich gemacht wurden. Eine solche Niederlassungsbewilligung mit Gültigkeit bis 30. Juni 2005 wurde dem Beschwerdeführer dann zuletzt in Form eines Bescheides (vom 22. Juni 2004) erteilt.

Am 8. August 2005 stellte der Beschwerdeführer den gegenständlichen Antrag auf Erteilung eines Niederlassungsnachweises für jeglichen Aufenthaltszweck nach § 13 Abs. 2 iVm § 24 des (bis 31. Dezember 2005 in Geltung gestandenen) Fremdengesetzes 1997 - FrG.

Nachdem die Erstbehörde den Beschwerdeführer (im zweiten Rechtsgang) mit Schreiben vom 12. Oktober 2007 erfolglos aufgefordert hatte, ein gültiges Reisedokument vorzulegen, wies sie diesen Antrag "wegen des Vorliegens von Formgebrechen" gemäß § 13 Abs. 3 AVG zurück.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung wiederholte der Beschwerdeführer den schon im erstinstanzlichen Verwaltungsverfahren vertretenen Standpunkt, dass ihm (als Bezieher von Sozialhilfe) die Beschaffung eines Reisepasses bei der syrischen Botschaft infolge der damit verbundenen Kosten von EUR 800,-- finanziell unzumutbar sei. Der Beschwerdeführer befinde sich schon seit mehr als achtzehn Jahren in Österreich, wobei er sich bei der Erteilung der seit dreizehn Jahren durchgehend immer wieder verlängerten Aufenthaltsgenehmigungen durch seinen damals noch gültigen Reisepass ausreichend identifiziert habe. Die Identität des Beschwerdeführers sei den Behörden somit "schon viele Jahre lang bestens bekannt". Infolge seiner ausreichenden Identifizierung habe er daher zu Recht auf die fehlende Erforderlichkeit der Vorlage eines neuen gültigen Reisepasses hingewiesen, was von der Erstbehörde unbeachtet geblieben sei.

Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 1. April 2008 wies der Bundesminister für Inneres (die belangte Behörde) diese Berufung gemäß § 66 Abs. 4 in Verbindung mit § 13 Abs. 3 AVG ab.

Begründend führte die belangte Behörde nach kurzer Darstellung des Verfahrensganges und Wiedergabe des Inhalts des § 13 Abs. 3 AVG wörtlich folgendes aus:

"Aufgrund der Aktenlage ist ersichtlich, das Sie vom Magistrat der Stadt Linz mit einer Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme vom 12.10.2007 aufgefordert wurden, einen gültigen Reisepass vorzulegen, andernfalls die Zurückweisung Ihres Antrages beabsichtigt wäre. Dieses Schreiben des Magistrates der Stadt Linz vom 12.10.2007 wurde Ihrem rechtsfreundlichen Vertreter nachweislich am 22.10.2007 zugestellt.

Der Aktenlage ist zu entnehmen, dass Sie dieser Aufforderung nicht Folge geleistet und der Behörde kein gültiges Reisedokument vorgelegt haben, weshalb der Magistrat der Stadt Linz Ihren Verlängerungsantrag vom 08.08.2005 mit Bescheid vom 04.12.2007 gemäß § 13 Abs. 3 AVG zurückgewiesen hat.

Da Sie der Behörde kein gültiges Reisedokument vorgelegt haben, war eine geschäftsmäßige Behandlung Ihres Antrages nicht möglich, da ein wesentliches Dokument trotz Verbesserungsauftrages von Ihnen im Verfahren nicht vorgelegt wurde. Ihr Antrag war daher gemäß § 13 Abs. 3 AVG von der Behörde erster Instanz zurückzuweisen.

Ein weiteres Eingehen auf Ihren Antrag ist für die Berufungsbehörde nicht geboten, da Gegenstand der Berufungsentscheidung einzig die Frage ist, ob der angefochtene Bescheid dem § 13 Abs. 3 AVG entspricht (vgl. VwGH vom 17.05.1984, 81/06/0127).

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden."

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen:

Das Vorbringen in der Beschwerde entspricht im Wesentlichen der Argumentation in der Berufung, wobei der Beschwerdeführer hervorhebt, bei der letzten mit Bescheid vom 22. Juni 2004 bewilligten Verlängerung seines Aufenthaltstitels habe der alte Reisepass, dessen Gültigkeit damals immerhin bereits fast fünf Jahre abgelaufen gewesen sei, auch ausgereicht. Im Übrigen verweist er neuerlich auf die hohen Kosten der Ausstellung eines neuen Reisepasses, womit sich die belangte Behörde nicht auseinandergesetzt habe. Nachdem die Personaldaten den Behörden schon länger als zehn Jahre vollständig bekannt seien, wäre die für den Beschwerdeführer aus finanziellen Gründen nicht erfüllbare Forderung nach Vorlage eines neuen syrischen Reisepasses unberechtigt und sein Verlängerungsantrag auch ohne Vorlage eines gültigen Reisepasses zu bewilligen gewesen.

Nach § 81 Abs. 1 des (am 1. Jänner 2006 in Kraft getretenen) Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes - NAG sind Verfahren auf Erteilung von Aufenthalts- und Niederlassungsberechtigungen, die bei Inkrafttreten dieses Gesetzes anhängig waren, nach den Bestimmungen des NAG zu Ende zu führen.

Zu dieser Bestimmung führen die Gesetzesmaterialien (RV 952 BlgNR 22. GP 149) erläuternd aus:

"Nach Abs. 1 sind bereits anhängige Verfahren nach den Bestimmungen des NAG zu Ende zu führen. Zusätzliche Formalvoraussetzungen, deren Erfüllung im Fall eines Antrages nach den Bestimmungen des NAG erforderlich wäre, die aber zum Zeitpunkt der Einbringung des Antrages nach den Bestimmungen des Fremdengesetzes 1997 für dessen Gültigkeit nicht vorgesehen waren, dürfen jedenfalls von der nunmehr zuständigen Behörde nicht zu Ungunsten des Antragstellers zu einer Zurückweisung seines Antrags aus diesen formalen Gründen führen."

Im Hinblick auf die genannte Übergangsbestimmung wurde der gegenständliche Antrag des Beschwerdeführers von der belangten Behörde in materieller Hinsicht zutreffend nach dem NAG behandelt und als solcher auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "Daueraufenthalt-EG" im Sinne des § 8 Abs. 1 Z 3 iVm § 45 NAG gewertet. Dieser Aufenthaltstitel dient - unbeschadet der Gültigkeitsdauer des Dokuments - der Dokumentation des unbefristeten Niederlassungsrechts eines Fremden. Ein solcher Aufenthaltstitel kann Drittstaatsangehörigen, die in den letzten fünf Jahren ununterbrochen zur Niederlassung berechtigt waren, erteilt werden, wenn sie die Voraussetzungen des ersten Teiles des NAG erfüllen und der Integrationsvereinbarung entsprochen haben.

Die von der belangten Behörde bestätigte Zurückweisung dieses Antrags des Beschwerdeführers gründet sich nur auf die Nichterfüllung eines Mängelbehebungsauftrages nach § 13 Abs. 3 AVG. Diese Bestimmung lautet:

"Mängel schriftlicher Anbringen ermächtigen die Behörde nicht zur Zurückweisung. Die Behörde hat vielmehr von Amts wegen unverzüglich deren Behebung zu veranlassen und kann dem Einschreiter die Behebung des Mangels innerhalb einer angemessenen Frist mit der Wirkung auftragen, dass das Anbringen nach fruchtlosem Ablauf dieser Frist zurückgewiesen wird. Wird der Mangel rechtzeitig behoben, so gilt das Anbringen als ursprünglich richtig eingebracht."

Die nach dieser Bestimmung bestehende Befugnis, (nach einem fruchtlosen Mängelbehebungsversuch) mit einer Antragszurückweisung vorzugehen, bezieht sich nur auf jene gesetzlichen Voraussetzungen, welche die Zulässigkeit des Antrages betreffen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 17. Oktober 2002, Zl. 2002/20/0273).

Unbestritten ist, dass die Erstbehörde dem Beschwerdeführer einen Verbesserungsauftrag im Sinne der genannten Bestimmung in Bezug auf die Vorlage eines gültigen Reisedokumentes unter Fristsetzung und Androhung der Zurückweisungsfolge erteilt hat. Inhaltlich gründete sich dieser Auftrag ausdrücklich (nur) auf § 7 Abs. 1 Z 1 der Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz-Durchführungsverordnung (NAG-DV), BGBl. II Nr. 451/2005, wonach dem Antrag auf Ausstellung eines Aufenthaltstitels im Sinne des § 8 Abs. 1 NAG die Kopie eines gültigen Reisedokuments anzuschließen ist.

Diese Verordnung, die wie das NAG auch am 1. Jänner 2006 in Kraft getreten ist, enthält in ihrem § 12 jedoch eine Übergangsbestimmung, die wie folgt lautet:

"§ 12. Die §§ 6 bis 9 sind auf Verfahren, die vor dem In-Kraft-Treten dieser Verordnung bereits anhängig waren, aber noch nicht rechtskräftig entschieden worden sind, nicht anzuwenden."

Erläuternd führte der Verordnungsgeber dazu - im Einklang mit den oben wiedergegebenen Materialien zur Übergangsbestimmung des § 81 Abs. 1 NAG - aus:

"Nach dieser Bestimmung sind auf jene Verfahren nach dem Fremdengesetz 1997 (FrG), die vor dem In-Kraft-Treten (1. Jänner 2006) anhängig waren, aber noch nicht rechtskräftig erledigt wurden, die Formalerfordernisse der §§ 6 bis 9 dieses Verordnungsentwurfs nicht anzuwenden. Zweck dieser Bestimmung ist, dass eine Zurückweisung nicht erfolgt, wenn sie bloß aus dem Grund ergangen wäre, dass die nunmehr erforderlichen Urkunden, Nachweise oder Formulare nicht oder nicht richtig vorgelegt wurden."

Da der gegenständliche Antrag des Beschwerdeführers bereits am 8. August 2005, somit noch unter dem Regime des Fremdengesetzes 1997, gestellt und am 1. Jänner 2006 noch nicht erledigt worden war, gilt § 7 Abs. 1 Z 1 NAG-DV für das Verfahren über diesen Antrag nicht. Der allein darauf gestützte Auftrag der Erstbehörde zur Vorlage eines gültigen Reisedokumentes erweist sich daher als verfehlt und die auf die Nichterfüllung dieses Auftrages gegründete Antragszurückweisung, die mit dem angefochtenen Bescheid bestätigt wurde, schon deshalb als rechtswidrig (vgl. in diesem Sinn auch das hg. Erkenntnis vom 24. Oktober 2007, Zl. 2007/21/0040).

Im Übrigen ist in Bezug auf die Begründung des angefochtenen Bescheides zu bemängeln, dass sie auf das Vorbringen des Beschwerdeführers zur (finanziellen) Unzumutbarkeit der Beschaffung eines gültigen Reisedokumentes überhaupt nicht eingeht und dass ihr nicht zu entnehmen ist, aus welchen Gründen es sich in der vorliegenden Konstellation bei dem vorzulegenden (aktuell) gültigen Reisedokument um ein "wesentliches Dokument" handelt, ohne das die "geschäftsmäßige Behandlung" des Antrages "nicht möglich" gewesen wäre (Vgl. in diesem Zusammenhang auch die Erkenntnisse vom 22. Oktober 2001, Zl. 2001/19/0014, und vom 21. Dezember 2001, Zl. 2001/19/0070, in denen näher dargelegt wurde, unter welchen Voraussetzungen Ausnahmen von der in § 14 Abs. 3 letzter Satz Fremdengesetz 1997 normierten Pflicht zur Vorlage eines gültigen Reisedokumentes bestehen.).

Der angefochtene Bescheid war aber schon aus den vorgenannten Gründen wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.

Wien, am 18. September 2008

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