VwGH 2008/21/0090

VwGH2008/21/009017.7.2008

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher, Dr. Pfiel und Mag. Eder als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Plankensteiner, über die Beschwerde von

1. Imam D, 2. Zeytin D, 3. Ahmet D und 4. Zehra D, alle in L und vertreten durch Mag. Dr. Helmut Blum, Rechtsanwalt in 4020 Linz Mozartstraße 11/6, gegen die Bescheide der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 24. Juli 2007, 1. Zl. St. 174/07, 2. Zl. St. 175/07,

3. Zl. St. 176/07 und 4. Zl. St. 177/07, jeweils betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt

Normen

ARB1/80 Art6 ;
FrPolG 2005 §31 Abs1;
FrPolG 2005 §53 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
EMRK Art8 Abs2;
ARB1/80 Art6 ;
FrPolG 2005 §31 Abs1;
FrPolG 2005 §53 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
EMRK Art8 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben dem Bund Aufwendungen in der Höhe von insgesamt EUR 51,50 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin sind miteinander verheiratet, der 1992 geborene Drittbeschwerdeführer und die 1998 geborene Viertbeschwerdeführerin sind deren Kinder. Alle sind türkische Staatsangehörige.

Die genannten Familienmitglieder reisten Mitte Dezember 2001 illegal nach Österreich ein und stellten am selben Tag Asylanträge (Erstbeschwerdeführer und Zweitbeschwerdeführerin) bzw. Asylerstreckungsanträge (Drittbeschwerdeführer und Viertbeschwerdeführerin). Diese Anträge wurden mit den im Instanzenzug ergangenen Bescheiden des unabhängigen Bundesasylsenates vom 2. Dezember 2002 bzw. vom 28. April 2003 abgewiesen. Der Verwaltungsgerichtshof lehnte die Behandlung der dagegen erhobenen Beschwerden, denen die aufschiebende Wirkung zuerkannt worden war, mit Beschlüssen vom 20. Jänner 2005 ab. Die daraufhin am 25. März 2005 gestellten Anträge auf Erteilung von Niederlassungsbewilligungen (aus humanitären Gründen) wurden ebenfalls im Instanzenzug abgewiesen und die diesbezügliche Verwaltungsgerichtshofsbeschwerde wurde mit Erkenntnis vom 18. Mai 2006 abgewiesen.

Mit Bescheiden der Bezirkshauptmannschaft Perg vom 22. Juni 2007 wurden die Beschwerdeführer gemäß § 53 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG aus dem Bundesgebiet ausgewiesen. Die dagegen erhobenen Berufungen wurden mit den nunmehr angefochtenen Bescheiden der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich (der belangten Behörde) vom 24. Juli 2007 abgewiesen. Begründend führte die belangte Behörde in den im Wesentlichen inhaltsgleichen Bescheiden aus, seit dem rechtskräftigen Abschluss des Asylverfahrens ("also seit 2. Juni 2003") hielten sich die Beschwerdeführer - abgesehen von jener Zeit, in der den Verwaltungsgerichtshofsbeschwerden die aufschiebende Wirkung zuerkannt worden sei - unrechtmäßig im Bundesgebiet auf. In Anbetracht des "ca. 6 Jahre" währenden Aufenthaltes im Bundesgebiet und wegen der Tatsache, dass die Kinder die Volks- bzw. Hauptschule in M. besuchten und gut Deutsch sprechen, und angesichts der durchgehenden Beschäftigung des Erstbeschwerdeführers von Mai 2002 bis November 2006 in einem Fleischhauereibetrieb und seiner zuletzt ausgeübten Beschäftigung bei zwei anderen Unternehmen und im Hinblick auf eine Beschäftigungszusage für die Zweitbeschwerdeführerin werde durch die Ausweisung erheblich in das Familien- und Privatleben der Beschwerdeführer eingegriffen. Das Gewicht der aus der Aufenthaltsdauer ableitbaren Integration werde jedoch bei allen Familienmitgliedern erheblich dadurch gemindert, dass der Aufenthalt nur auf Grund von letztlich unberechtigten Asyl- und Asylerstreckungsanträgen vorläufig rechtmäßig gewesen und seit Beendigung der Asylverfahren jedenfalls unrechtmäßig sei. Die öffentliche Ordnung werde aber schwerwiegend beeinträchtigt, wenn einwanderungswillige Fremde ohne Einhaltung der entsprechenden Verfahrensvorschriften sich unerlaubt nach Österreich begeben, um damit die inländischen Behörden vor vollendete Tatsachen zu stellen. Die Ausweisung sei in solchen Fällen erforderlich, um jenen Zustand herzustellen, der bestünde, wenn sich der Fremde gesetzestreu verhalten hätte. Vor diesem Hintergrund sei auch das Ermessen nicht zugunsten der Beschwerdeführer zu üben. Dem Vorbringen, die Zweitbeschwerdeführerin sei psychisch schwer erkrankt und nach der Ankündigung eines Suizides im August 2006 stationär in der psychiatrischen Abteilung eines Krankenhauses untergebracht gewesen, hielt die belangte Behörde die übereinstimmenden Aussagen von zwei namentlich genannten Zeuginnen entgegen, wonach ihnen die Zweitbeschwerdeführerin erklärt habe, die Selbstmordabsicht lediglich vorgespielt zu haben, um einen Aufenthaltstitel zu erlangen. Die belangte Behörde könne aber nicht ersehen, weshalb die Zweitbeschwerdeführerin von diesen Zeuginnen wahrheitswidrig belastet werden sollte. Im Übrigen stünden der Zweitbeschwerdeführerin auch entsprechende Behandlungsmöglichkeiten in ihrem Heimatland zur Verfügung, was von ihr in der Berufung auch nicht bestritten worden sei.

Gegen diese Bescheide erhoben die Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluss vom 5. Dezember 2007, B 1496-1499/07-11, ablehnte. Über gesonderten Antrag trat der Verfassungsgerichtshof die Beschwerde mit Beschluss vom 30. Jänner 2008 dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab, der über die ergänzte Beschwerde nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde erwogen hat:

Unter der Überschrift "Ausweisung Fremder ohne Aufenthaltstitel" ordnet § 53 Abs. 1 FPG an, dass Fremde mit Bescheid ausgewiesen werden können, wenn sie sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten. In der Beschwerde wird zugestanden, dass die Asylverfahren der Beschwerdeführer rechtskräftig beendet sind. Ihr sind auch keine Behauptungen zu entnehmen, dass eine der Voraussetzungen für einen rechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet gemäß § 31 Abs. 1 FPG - insbesondere die Erteilung eines Aufenthaltstitels - bei den Beschwerdeführern vorläge. Dafür bestehen nach der Aktenlage auch keine Anhaltspunkte, sodass keine Bedenken gegen die behördliche Annahme bestehen, der Ausweisungstatbestand des § 53 Abs. 1 FPG sei im vorliegenden Fall verwirklicht.

Würde durch eine Ausweisung in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist sie gemäß § 66 Abs. 1 FPG nur dann zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Bei einer Entscheidung über eine Ausweisung ist der Behörde Ermessen eingeräumt.

Darauf Bezug nehmend vertreten die Beschwerdeführer die Auffassung, ihre Ausweisung sei unzulässig, weil jene Gesichtspunkte, die für ihren weiteren Verbleib in Österreich sprechen würden, jene Umstände deutlich überwiegen, die von der belangten Behörde für eine Aufenthaltsbeendigung ins Treffen geführt worden seien. In diesem Zusammenhang verweisen die Beschwerdeführer neuerlich auf ihren Aufenthalt in Österreich seit Dezember 2001, auf die sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungen des Erstbeschwerdeführers und der Zweitbeschwerdeführerin und darauf, dass keine strafrechtlichen Verurteilungen erfolgt seien. Es liege eine bestens gelungene Integration vor. Im Übrigen sei die Zweitbeschwerdeführerin psychisch schwer krank und zuletzt im August 2006 stationär in der Psychiatrie der Landes-Nervenklinik Wagner-Jauregg in Linz untergebracht gewesen.

Mit den zuletzt wiedergegebenen Ausführungen wird zwar das Berufungsvorbringen wiederholt. In der Beschwerde wird es jedoch unterlassen, den auf die Aussage von zwei Zeuginnen gegründeten beweiswürdigenden Überlegungen der belangten Behörde, wonach die Suizidabsicht der Zweitbeschwerdeführerin nur vorgetäuscht worden sei, argumentativ entgegenzutreten. Insbesondere wird nicht dargetan, aus welchen Gründen die von der belangten Behörde angenommene Unbedenklichkeit dieser Zeugenaussagen unschlüssig sein soll. Im Übrigen tritt die Beschwerde auch der Annahme der belangten Behörde, der Zweitbeschwerdeführerin stünden entsprechende Behandlungsmöglichkeiten in ihrem Heimatland zur Verfügung, überhaupt nicht entgegen. Vor diesem Hintergrund musste die belangte Behörde insoweit keine maßgebliche Verstärkung des privaten Interesses an einem Verbleib in Österreich annehmen.

Dem Vorbringen zur Integration der Beschwerdeführer in Österreich während ihres (bis zum Bescheiderlassungszeitpunkt) etwa fünfeinhalb Jahre dauernden Aufenthaltes hielt die belangte Behörde aber zu Recht entgegen, dass dieser auf letztlich unbegründete Asylanträge zurückzuführen sei und seit Beendigung des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens im Jänner 2005 unrechtmäßig ist. Die belangte Behörde ist daher insoweit im Recht, als sie in dem Verhalten der Beschwerdeführer (illegale Einreise und unrechtmäßiger Aufenthalt in Österreich trotz negativen Abschlusses des Asylverfahrens) eine maßgebliche Beeinträchtigung des öffentlichen Interesses an einem geordneten Fremdenwesen gesehen hat. Es trifft auch zu, dass den die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Normen aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechthaltung der öffentlichen Ordnung - und damit eines von Art. 8 Abs. 2 EMRK erfassten Interesses - ein hoher Stellenwert zukommt. Ebenso entspricht es der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass das durch eine soziale und berufliche Integration erworbene Interesse an einem Verbleib in Österreich in seinem Gewicht dadurch gemildert ist, wenn der Fremde keine genügende Veranlassung gehabt hatte, von einer Erlaubnis zu einem dauernden Aufenthalt in Österreich auszugehen (vgl. zum Ganzen etwa das hg. Erkenntnis vom 31. März 2008, Zlen. 2008/21/0081 bis 0084). Das ist aber hier der Fall, erfolgte doch die rechtskräftige Abweisung der Asylanträge bereits im Februar 2003, somit knapp mehr als ein Jahr nach der illegalen Einreise der Beschwerdeführer.

Vor diesem Hintergrund ist es fallbezogen nicht zu beanstanden, dass die belangte Behörde die Ausweisung der Beschwerdeführer unter dem Gesichtspunkt des Art. 8 EMRK nicht als unzulässigen Eingriff in ihr Privatleben angesehen hat.

Entgegen der Kritik in der Beschwerde musste sich die belangte Behörde mit "Fragen des Assoziationsrechts EWG/Türkei" nicht auseinandersetzen. Auch die Beschwerde vermag nicht nachvollziehbar darzulegen, dass die damit offenbar angesprochenen Voraussetzungen nach Art. 6 Abs. 1 ARB Nr. 1/80 erfüllt wären. Schon mangels gesicherter aufenthaltsrechtlicher Position ist nämlich nicht von einer ordnungsgemäßen Beschäftigung im Sinne der genannten Bestimmung auszugehen (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 16. Jänner 2007, Zl. 2006/18/0402, mit weiteren Nachweisen).

In der Beschwerde werden schließlich auch keine ausreichenden Gründe aufgezeigt, wonach die Ermessensübung durch die belangte Behörde nicht im Sinne des Gesetzes erfolgt wäre.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.

Wien, am 17. Juli 2008

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