VwGH 2008/18/0749

VwGH2008/18/074916.12.2008

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und die Hofräte Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer, die Hofrätin Mag. Merl und den Hofrat Dr. Lukasser als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Schmidl, über die Beschwerde des P E O in W, geboren am 30. März 1980, vertreten durch Dr. Martina Schweiger-Apfelthaler, Rechtsanwalt in 1040 Wien, Graf Starhemberg-Gasse 39/12, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 16. Oktober 2008, Zl. E1/193.308/2008, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 2005 §8;
FrPolG 2005 §46 Abs3;
FrPolG 2005 §50 Abs1;
FrPolG 2005 §50 Abs2;
FrPolG 2005 §51;
FrPolG 2005 §60 Abs1;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z1;
FrPolG 2005 §62 Abs2;
AsylG 2005 §8;
FrPolG 2005 §46 Abs3;
FrPolG 2005 §50 Abs1;
FrPolG 2005 §50 Abs2;
FrPolG 2005 §51;
FrPolG 2005 §60 Abs1;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z1;
FrPolG 2005 §62 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Die Bundespolizeidirektion Wien (Erstbehörde) erließ mit Bescheid vom 22. April 2008 gegen den Beschwerdeführer, angeblich ein nigerianischer Staatsangehöriger, gemäß § 62 Abs. 1 und 2, § 60 Abs. 2 Z. 1 iVm § 63 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100, ein auf die Dauer von zehn Jahren befristetes Rückkehrverbot.

Mit dem angefochtenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 16. Oktober 2008 wurde der gegen den erstinstanzlichen Bescheid erhobenen Berufung des Beschwerdeführers keine Folge gegeben und dieser Bescheid gemäß § 66 Abs. 4 AVG mit der Maßgabe bestätigt, dass ein auf die Dauer von zehn Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen wurde.

Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass der Beschwerdeführer am 22. Dezember 2003 illegal nach Österreich gelangt sei und am selben Tag einen Asylantrag eingebracht habe. Mit 15. Mai 2008 sei das Asylverfahren gemäß §§ 7 und 8 AsylG im Instanzenzug rechtskräftig negativ abgeschlossen worden und mit dieser Entscheidung auch eine rechtskräftige Ausweisung verbunden worden.

Der Beschwerdeführer habe bis 15. Mai 2008 über eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach dem AsylG verfügt und sei seit 12. August 2004 durchgehend mit Hauptwohnsitz in Österreich gemeldet.

Am 2. Juli 2007 sei er von Beamten des Landeskriminalamtes Wien wegen des Verdachtes gemäß §§ 269 und 84 StGB und § 27 Abs. 2 Suchtmittelgesetz - SMG festgenommen und in der Folge in eine Justizanstalt überstellt worden. Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 5. Dezember 2007 sei er wegen des Vergehens nach § 27 Abs. 1 sechster Fall und Abs. 2 Z. 2 erster Fall SMG, des Vergehens des versuchten Widerstandes gegen die Staatsgewalt nach den §§ 15, 269 Abs. 1 StGB und des Vergehens der schweren Körperverletzung nach § 83 Abs. 1, § 84 Abs. 2 Z. 4 StGB zu einer teilbedingten Freiheitsstrafe von zwölf Monaten verurteilt worden. Dieser Verurteilung sei zugrundegelegen, dass er in Wien den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgift gewerbsmäßig anderen überlassen habe, indem er in wiederholten Angriffen im Zeitraum von April 2007 bis 27. Juni 2007 an den abgesondert verfolgten K. fünf Gramm Heroin und von Mai bis Juni 2007 an den abgesondert verfolgten J. zumindest zwei Gramm Kokain verkauft habe. Weiters habe er am 2. Juli 2007 dadurch, dass er einem Polizeibeamten einen Ellbogenschlag und einen gezielten Faustschlag gegen die Brust versetzt habe, wodurch dieser zu Boden und die Stufen hinunter gestürzt sei, und in weiterer Folge mit den Fäusten nach ihm geschlagen sowie mit den Beinen nach einem weiteren Polizeibeamten getreten habe, Polizeibeamte, die im Begriff gestanden seien, Sachverhaltserhebungen durchzuführen, mit Gewalt an einer Amtshandlung zu hindern versucht. Durch diese Gewalthandlungen habe er diesen Polizeibeamten während und wegen der Vollziehung dessen Aufgaben vorsätzlich am Körper verletzt, wodurch dieser Schmerzen im Gelenkspalt, eine leichte Schwellung und Hauptabschürfungen über der linken Kniescheibe sowie Schürfwunden am linken Unterarm und eine Hämatomschwellung am linken Unterarm erlitten habe.

Auf Grund der genannten Verurteilung sei der Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z. 1 FPG erfüllt. Das der Verurteilung zugrundeliegende Verhalten des Beschwerdeführers lasse die Annahme als gerechtfertigt erscheinen, dass sein weiterer Aufenthalt im Bundesgebiet die öffentliche Ordnung, Ruhe und Sicherheit gefährde und überdies anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen, nämlich insbesondere dem Schutz der Gesundheit, der Verteidigung der Ordnung und der Verhinderung von strafbaren Handlungen, zuwiderlaufe.

Der Beschwerdeführer sei ledig und habe keine Sorgepflichten für Kinder. Er sei ohne Beschäftigung und Einkommen. Mit Ausnahme des Umstandes, dass er sich seit Dezember 2003 (als vormaliger Asylwerber) im Bundesgebiet aufgehalten habe (und sein Aufenthalt bis Mai 2008 lediglich geduldet gewesen sei), könne das Ausmaß seiner Integration nur als gering angesehen werden.

Im Hinblick darauf, dass er sich seit Dezember 2003 im Bundesgebiet aufhalte, sei dennoch von einem mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen gewissen Eingriff in sein Privatleben auszugehen gewesen. Dessen ungeachtet sei die Zulässigkeit dieser Maßnahme im Grunde des § 66 FPG zu bejahen. Im Hinblick auf die besondere Gefährlichkeit der Suchtgiftkriminalität und der Gewaltkriminalität sei die Erlassung des Aufenthaltsverbotes zur Erreichung von in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen dringend geboten. Eine Verhaltensprognose könne für den Beschwerdeführer schon im Hinblick auf die Tatbegehung, den relativ kurzen Zeitraum seit der Verurteilung und die Suchtmitteldelikten zugrunde liegende immanente Wiederholungsgefahr nicht positiv ausfallen.

Bei der nach § 66 Abs. 2 FPG erforderlichen Interessenabwägung sei zu berücksichtigen, dass einer allfälligen aus dem bisherigen Aufenthalt des Beschwerdeführers ableitbaren Integration insofern kein entscheidendes Gewicht zukomme, als die für jegliche Integration erforderliche soziale Komponente durch sein strafbares Verhalten erheblich beeinträchtigt werde. Zudem beruhe fast sein gesamter Aufenthalt auf einem rechtskräftig abgewiesenen Asylantrag und sei seit dem rechtskräftigen Abschluss des Asylverfahrens sein Aufenthalt unerlaubt. Er habe weder private noch berufliche Bindungen in Österreich behauptet. Etwaige private Interessen hätten daher gegenüber den genannten, hoch zu veranschlagenden öffentlichen Interessen jedenfalls in den Hintergrund zu treten.

Angesichts des dargestellten Gesamt(fehl)verhaltens des Beschwerdeführers, der von ihm begangenen Straftaten und des Fehlens von besonders berücksichtigungswürdigen Umständen habe von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes auch nicht im Rahmen des der Behörde zustehenden Ermessens Abstand genommen werden können.

Im Hinblick auf das genannte Gesamt(fehl)verhalten des Beschwerdeführers und seine Lebenssituation könne ein Wegfall des für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes maßgeblichen Grundes, nämlich der erheblichen Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit durch seinen Aufenthalt im Bundesgebiet, nicht vor Verstreichen der festgesetzten Gültigkeitsdauer erwartet werden.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, inhaltliche Rechtswidrigkeit geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1.1. Die Beschwerde bringt zusammengefasst im Wesentlichen lediglich vor, dass es dem Beschwerdeführer aus näher angeführten Gründen nicht möglich sei, nach Nigeria in eine ungewisse Zukunft zurückzukehren, in Verkennung dessen seinem Asylantrag jedoch nicht stattgegeben worden sei und in Anbetracht der teilbedingten Nachsicht der über ihn verhängten Freiheitsstrafe es keines zehnjährigen Aufenthaltsverbotes bedürfe, um ihn wieder "auf den rechten Weg zurückzuführen".

1.2. Diesem Vorbringen ist zu erwidern, dass die Fremdenpolizeibehörde ihre Beurteilung eigenständig aus dem Blickwinkel des FPG und unabhängig von den die teilbedingte Nachsicht der Strafe begründenden Erwägungen des Gerichtes zu treffen hatte (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 16. Jänner 2007, Zl. 2006/18/0462, mwN) und die Frage des allfälligen Vorliegens von Gründen im Sinn des § 50 Abs. 1 oder 2 FPG - abgesehen davon, dass mit der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes nicht ausgesprochen wird, in welchen Staat der Fremde auszureisen habe - nicht im Verfahren zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes, sondern in einem gesonderten Verfahren nach § 51 FPG bzw. - wie dies auch hier der Fall war - in einem asylrechtlichen Verfahren oder in einem Verfahren betreffend die Erteilung eines Abschiebungsaufschubes gemäß § 46 Abs. 3 FPG zu beurteilen ist (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 27. März 2007, Zl. 2007/18/0118, mwN).

2. Auf dem Boden der im angefochtenen Bescheid getroffenen, insoweit unbestrittenen Feststellungen zur strafrechtlichen Verurteilung des Beschwerdeführers und zum Umfang seiner persönlichen Bindungen in Österreich begegnet die Ansicht der belangten Behörde, dass der Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z. 1 FPG erfüllt, darüber hinaus in Anbetracht seines Gesamtfehlverhaltens die in § 60 Abs. 1 leg. cit. umschriebene Annahme gerechtfertigt und die Erlassung des Aufenthaltsverbotes auch gemäß § 66 FPG zulässig sei, keinem Einwand, und es genügt, diesbezüglich auf die zutreffende Begründung des angefochtenen Bescheides zu verweisen.

3. Da somit bereits der Beschwerdeinhalt erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

4. Bei diesem Ergebnis erübrigte sich ein Abspruch über den mit der Beschwerde verbundenen Antrag, dieser aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Wien, am 16. Dezember 2008

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