VwGH 2008/12/0008

VwGH2008/12/000812.11.2008

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höß und die Hofräte Dr. Zens, Dr. Thoma, Dr. Pfiel und Mag. Nussbaumer-Hinterauer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde des DDr. ES in W, vertreten durch Dr. Agnes Maria Kienast, Rechtsanwältin in 1030 Wien, Weyrgasse 8, gegen den Bescheid des Bundesministers für Wissenschaft und Forschung vom 16. November 2007, Zl. BMWF- 421.603/0001-I/4/2007, betreffend ersatzlose Aufhebung eines Zurückweisungsbescheides i.A. eines Schadenersatzbegehrens, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §66 Abs4;
VwGG §42 Abs2 Z2;
AVG §66 Abs4;
VwGG §42 Abs2 Z2;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer steht seit 1. Jänner 2004 in einem privatrechtlichen Dienstverhältnis gemäß § 126 Abs. 1 des Universitätsgesetzes 2002, BGBl. I Nr. 120, zur Universität für Musik und darstellende Kunst Wien. Auf dieses Dienstverhältnis ist gemäß § 126 Abs. 4 leg. cit. das Vertragsbedienstetengesetz 1948, BGBl. Nr. 86, weiterhin anzuwenden.

Auf Grund seines Antrages vom 7. April 2003 wurde dem Beschwerdeführer mit Schreiben des Rektorats der genannten Universität vom 4. Februar 2005 die Lehrbefugnis (venia docendi) für das künstlerische Habilitationsfach "Instrumentation" verliehen.

In einer in der Folge mit Organen der genannten Universität geführten Korrespondenz vertrat der Beschwerdeführer die Auffassung, ihm stehe infolge des seines Erachtens unverhältnismäßig verzögerten Habilitationsverfahrens ein Schadenersatzanspruch zu.

In einem Schreiben vom 12. März 2007 ersuchte er - falls er keinen Vorschlag zu einer einvernehmlichen Bereinigung der Angelegenheit erhalte - um "die Ausstellung eines Bescheides in dieser dienstrechtlichen Angelegenheit im Sinne des BDG".

Nach Aufforderung des Rektors, diesen Antrag zu präzisieren, erfolgte mit Schreiben vom 26. April 2007 eine Bekräftigung der Auffassung, dem Beschwerdeführer stehe ein Schadenersatzanspruch zu, wobei auch die Kosten der rechtsfreundlichen Vertretung des Beschwerdeführers dargestellt wurden.

Mit Bescheid des Amtes der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien vom 5. Juni 2007 wurde über den Antrag wie folgt abgesprochen (Anonymisierung durch den Verwaltungsgerichtshof):

"Ihr Antrag vom 12. März 2007 an den Rektor der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien, o. Univ.-Prof. Mag. Dr. H, auf Erlassung eines dienstrechtlichen Bescheides, näher präzisiert mit Schreiben vom 26. April 2007, auf bescheidmäßigen Zuspruch eines Schadenersatzbetrages in der Höhe von EUR 17.940,37,- sowie Zuerkennung eines Kostenersatzes in der Höhe von EUR 3.500,00,-

und Erteilung eines Auftrages an die Universität für Musik und darstellende Kunst (in eventu: an den Bund) zur Zahlung dieser Beiträge wird gem. § 6 Abs 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrens 1991 (AVG), BGBl. Nr.51/1991, in Verbindung mit §§ 1 Abs 1 und 2 Abs 1 des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 (DVG), BGBl. Nr. 29/1984, und § 125 Abs 1 Universitätsgesetz 2002 (UG 2002), BGBl. I Nr. 120/2002, jeweils in der geltenden Fassung, wegen Unzuständigkeit

zurückgewiesen."

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer - anwaltlich vertreten - Berufung. Der ausdrücklich formulierte Berufungsantrag lautet:

"Die Berufungsbehörde möge dem diesen Verfahren zu Grunde liegenden Anträgen Folge geben."

Mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 16. November 2007 wurde in Erledigung der genannten Berufung der erstinstanzliche Bescheid vom 5. Juni 2007 gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 125 des Universitätsgesetzes 2002 sowie § 13 AVG "ersatzlos aufgehoben".

In der Begründung des angefochtenen Bescheides vertrat die belangte Behörde - zusammengefasst - die Auffassung, unter Berücksichtigung seines in Befolgung des Verbesserungsauftrages der erstinstanzlichen Behörde erstatteten Vorbringens sei kein bescheidförmig zu erledigender Antrag des Beschwerdeführers vorgelegen. Die erstinstanzliche Dienstbehörde sei daher rechtsirrig davon ausgegangen, dass sie bescheidmäßig ihre Unzuständigkeit habe aussprechen müssen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof. Der Beschwerdeführer macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides mit dem Antrag geltend, ihn aus diesem Grunde aufzuheben.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gegenstand des erstinstanzlichen Bescheides vom 5. Juni 2007 war die Zurückweisung der (von der erstinstanzlichen Behörde als auf die Erlassung eines dienstrechtlichen Bescheides gerichtet qualifizierten) Anträge des Beschwerdeführers auf Zuspruch von Schadenersatzbeträgen und auf Erteilung eines Auftrages an die Universität für Musik und darstellende Kunst, diese Beträge zu zahlen, wegen Unzuständigkeit.

"Sache" des erstinstanzlichen Verfahrens war demnach nicht eine meritorische Entscheidung über die genannten Anträge, sondern lediglich die Zurückweisung derselben mangels Zuständigkeit der erstinstanzlichen Dienstbehörde.

Der (einzige und ausdrücklich formulierte) Berufungsantrag des - anwaltlich vertretenen - Beschwerdeführers lautete jedoch dahin, die Berufungsbehörde möge seinen dem Verfahren zu Grunde liegenden Anträgen Folge geben, worunter zweifelsohne eine meritorische Entscheidung zu verstehen ist.

Der einzige Berufungsantrag des Beschwerdeführers lag somit außerhalb der "Sache" des mit Berufung angefochtenen Bescheides.

Aufgabe der Berufungsbehörde nach § 66 Abs. 4 AVG ist es aber, "in der Sache" zu entscheiden. Sache ist die Angelegenheit, die den Inhalt des Spruches des Bescheides der Unterbehörde gebildet hat. Die Berufungsbehörde ist nicht dazu berufen, eine Angelegenheit zu entscheiden, die gar nicht Gegenstand des erstinstanzlichen Bescheides war. Der Berufungswerber kann von der Berufungsinstanz nur eine andere Entscheidung in der "Sache" des Berufungsverfahrens, nicht aber die Entscheidung in einer anderen "Sache" begehren, sodass ein in der Berufung gestellter Antrag auf Entscheidung in einer anderen Sache kein zulässiger Berufungsantrag ist (vgl. hiezu etwa das hg. Erkenntnis vom 28. Jänner 2004, Zl. 99/12/0120).

Wird - wie hier - lediglich ein unzulässiger Berufungsantrag gestellt, so kommt der Berufungsbehörde nur die funktionelle Zuständigkeit zur Zurückweisung der dann unzulässigen Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG zu. Demgegenüber setzt die funktionelle Zuständigkeit der Berufungsbehörde zur Erlassung einer Sachentscheidung das Vorliegen eines zulässigen Berufungsantrages, im besonderen Fall eines Berufungsantrages innerhalb der durch den erstinstanzlichen Abspruch umschriebenen Sache des weiteren Verwaltungsverfahrens voraus. Indem die belangte Behörde vorliegendenfalls eine Sachentscheidung über die Frage der Zurückweisung erließ, ohne dass ein zulässiger Berufungsantrag des Beschwerdeführers (etwa auf ersatzlose Aufhebung des Zurückweisungsbescheides - mit der Begründung, die erstinstanzliche Behörde sei zuständig) vorlag, nahm die belangte Behörde eine funktionelle Zuständigkeit in Anspruch, die ihr nicht zukam. Sie belastete daher den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge ihrer Unzuständigkeit (vgl. auch hiezu das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom 28. Jänner 2004 sowie die hg. Erkenntnisse vom 24. September 1999, Zl. 99/19/0155, und vom 12. Dezember 1997, Zl. 96/19/3389).

Aus diesen Erwägungen war der angefochtene Bescheid ungeachtet der Frage, ob diese - jedenfalls amtswegig wahrzunehmende - Unzuständigkeit als Beschwerdepunkt geltend gemacht wurde (§ 41 Abs. 1 VwGG), gemäß § 42 Abs. 2 Z. 2 VwGG aufzuheben (vgl. auch hiezu die bereits zitierten Erkenntnisse).

Die belangte Behörde wird im fortgesetzten Verfahren mit Zurückweisung der Berufung vorzugehen haben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Wien, am 12. November 2008

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